"We played with life and lost"
#1
Geschrieben 28. Juni 2006, 18:21
ED: No thanks.
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Der Verfasser der folgenden bescheidenen Texte wünscht viel Spaß beim Lesen seiner filmischen Eindrücke!
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They Shoot Pictures, Don't They?
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Cine Scene
#2
Geschrieben 28. Juni 2006, 18:31
Regie: Pepe Danquart
Sport-Dokumentation
Dieser ungewöhnlich aufregende und spannende Dokumentarfilm ist eine detaillierte Schilderung des Alltags eines Tour-de-France-Teilnehmers, abseits der gefeierten Siege - eine Art kleines, individuelles Sportler-Drama inmitten eines sportlichen Massenspektakels. Begleitet werden die beiden Radrennfahrer Erik Zabel und Rolf Aldag während der Tour de France im Jahre 2003. Die menschliche Seite der Hochleistungssportler wird dabei besonders beleuchtet, die Torturen und Schmerzen, Ängste und Schwächen der Profis, aber auch der erdrückende Medienrummel, die verrückten Fans am Straßenrand und vor den Fernsehgeräten und das gesamte, komplexe Organisationsgefüge. Dabei ließen Zabel und Aldag die Kameras auch in den Telekom-Mannschaftsbus, auf die Hotelzimmer und an die Massagebänke und gewährten uns somit ein Menge witziger, ernster und rührender Einblicke in ihr Leben als Sportler, funktionierenden Maschinen und Menschen mit Schwächen.
In wunderbar komponierten Einstellungen und Motiven, gehalten in matten Farben, ist der Film fern von jeglichem "einfach nur draufhalten". Ästethische Kameraschwenks und -abfahrten; das Einfangen sogenannter Schnappschüsse von z.B. pinkelnden Radfahrern im Spalier am Straßenrand; einer Reihe von Fotografen, die während des Starts auf der Straße liegend Fotos schießen; die herrliche Landschaft Frankreichs, unbeachtet von den dahinrasenden Radprofis; nostalgische Archivaufnahmen von vergangenen Momenten der Tour; ein absolut stimmiger und perfekt getimeter Jazz/Electro-Soundtrack von Till Brönner - all das macht den Film nicht nur für Tour-de-France-Fans sehenswert.
Empfehlung: ja/JA (8/10)
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They Shoot Pictures, Don't They?
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#3
Geschrieben 28. Juni 2006, 23:46
Regie: Hironobu Sakaguchi
Science-Fiction-Animation
Eine weitere Videospiel-"Verfilmung", die zwar mit sensationellen Computeranimationen atemberaubend und düster aussieht, aber trotzdem seelenlos bleibt.
Im Jahr 2065 müssen sich die Menschen mit überdimensionalen Energieschildern einer Invasion von geisterhaften Aliens zur Wehr setzen. Nach ihrer Landung mit einem Meteoriten auf der Erde entziehen diese allen Lebewesen Energie. Eine gewaltige Waffe soll die Phantomwesen zur Strecke bringen, wenn es nach General Hein gehen würde. Die Erde wäre dann zwar zum großen Teil zerstört, aber das kümmert den Hardliner keineswegs. Die junge Forscherin Aki wurde von den Außerirdischen infiziert und kann in das Bewusstsein der Wesen dringen. Sie sucht mit Hilfe ihres Mentors Dr. Sid nach einer friedlicheren Lösung.
Die Figuren sind zwar nahezu fotorealistisch entwickelt, dennoch bleibt ihr mimischer, körperlicher und emotionaler Ausdruck durch die immer noch unübersehbare Künstlichkeit stark eingegrenzt. In hölzernen Dialogen holpert der Handlungsverlauf von Schwachstelle zu Schwachstelle. Ein spiritueller und dennoch oberflächlich behandelter Stoff wird wohl weder dem normalen Zuschauer als auch dem Fanatikus der Videospiel-Serie gerecht, zumal sich die Autoren der Adaption nur vage an die Vorlage hielten. Das Drehbuch wirkt unlogisch und unausgereift, klischeehaft und unoriginell - zu schlecht geschrieben, um darüber hinweg sehen zu können. Wenigstens sorgten die bombastischen Effekte und der hohe Sci-Fi-Fantasy-Faktor für mich für einen halbwegs akzeptablen Zeitvertreib. Trotzdem bleibt der Film leider weit weg von den eigens gesteckten Erwartungen der Macher: Animationsfilm beats Realfilm. Leider?
Empfehlung: unentschlossen (6/10)
Nr. 31 auf der 2001-Liste, zwischen "Le pacte des loups" und "Training Day"
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#4
Geschrieben 29. Juni 2006, 11:38
Regie: Carl Theodor Dreyer
Religions-Drama
Die Familie des reichen und angesehenen verwitweten Großbauern Morten Borgen (Henrik Malberg) ist zerrüttet: Einer seiner Söhne, Johannes (Preben Lerdorff Rye), ist geistig verwirrt und hält sich für Jesus Christus; Inger, die Frau (Birgitte Federspiel) seines ältesten Sohnes Mikkel (Emil Hass Christensen), hat ihm noch keinen Erben geboren; der jüngste Sohn Anders (Cay Kristiansen) ist unglücklich in die Tochter (Gerda Nielsen) des Erzfeindes, Schneider Petersen (Ejner Federspiel), verliebt. Dann stirbt Inger eines Tages an den Folgen einer Geburt und Johannes glaubt, sie mit Hilfe Gottes wieder erwecken zu können.
Die Geschichte einer wunderbaren Wiederaufstehung durch die Kraft der Liebe und des Glaubens hätte leicht ins Fromme und Sentimentale rutschen können, doch Dreyer macht daraus ein unglaublich bereicherndes und kraftvolles Drama, das in seiner Schlichtheit ungemein überzeugt. Im Gegensatz zu Bressons ebenfalls extrem nüchternem Stil bleibt "Ordet" verständlicher, nachvollziehbarer und ermöglicht dem Zuschauer ein klareres Erkennen der filmischen Abläufe. Verschiedene Formen des Glaubens stehen sich hier gegenüber, in dem für ein individuell erlebtes Christentum plädiert wird. Mit einem gandiosen Schauspieler-Ensemble, einer schnörkellosen Bildsprache, langen halbdunklen Einstellungen und einem ruhigen Schnitt baut Dreyer eine große, innere Spannung auf, die bis zur letzten Szene bestehen bleibt.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 2 auf der 1955-Liste, zwischen "Sommarnattens leende" und "Rififi"
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#5
Geschrieben 29. Juni 2006, 19:34
Regie: Sergio Corbucci
Italo-Western
(DVD)
In den verschneiten Bergen der Rocky Mountains begegnet der stumme Revolverheld Silence (Jean-Louis Trintignant) im Städtchen Snow Hill der verzweifelten Pauline (Vonetta McGee). Diese bittet ihn, ihren vom skrupellosen Kopfgeldjäger Loco (Klaus Kinski) getöten Mann zu rächen. Loco gehört einer Gruppe von Banditen an, die "legal" die in den Bergen wohnenden Vogelfreien erschießen und das auf sie gesetzte Kopfgeld kassieren. Der überforderte Sheriff Burnett (Frank Wolff) kann dem sinnlosen Töten keinen Einhalt mehr gebieten. Und so schlägt sich Silence auf die Seite der Gejagten, die nur aus Not zu Gesetzeslosen wurden und nimmt den Kampf gegen die fiesen Kopfgeldjäger auf.
Was diesen Film wohl besonders einzigartig innerhalb seines Genres macht, ist die schneebedeckte Kulisse im Hochgebirge. Dem Kameramann Silvano Ippoliti gelangen hier einige wundervolle Landschaftsaufnahmen in äußerst beklommener Atmosphäre. Dass es sich hierbei um einen sehr ernsten, sehr verbitterten und sozialkritischen Western handelt, zeigt sich aber vor allem durch den Umstand der Charaktere. Die, die eigentlich auf der Seite des Gesetzes stehen, jagen unbarmherzig und gnadenlos die Gesetzeslosen mit einer menschenverachtenden Härte. Kein Platz für ironische Untertöne oder gar einem Hauch von Humor, dafür sind die Lebenslagen, in denen sich alle Figuren befinden zu düster und perspektivlos, was wohl vor allem das Ende ziemlich krass verdeutlicht.
"Il grande silenzio" lebt aber nicht nur von der trostlosen Handlung und deren knallharten und brutalen Inszenierung, sondern ebenso von dem Spiel der beiden Hauptdarsteller. Kinski und Trintignant sind großartig und besonders Kinski zeigt unglaubliches Feuer in seiner Figur. Bemerkenswert ist natürlich, wie fast immer, auch die hervorragende Filmmusik von Ennio Morricone.
Empfehlung: ja/JA (8/10)
Nr. 6 auf der 1969-Liste, zwischen "Butch Cassidy and the Sundance Kid" und "Easy Rider"
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#6
Geschrieben 05. Juli 2006, 12:14
François Truffaut, France, 1960
Krimi-Drama
(VHS)
Charlie (Charles Aznavour) ist ein menschenscheuer Pianist in einem kleinen Café und war früher ein gefeierter Musiker. Verliebt in die Kellnerin des Lokals, Lena (Marie Dubois), wird er von seinen Brüdern in eine düstere Kriminalgeschichte verstrickt.
Truffaut hat einen wunderbaren Film über einen schüchternen Künstler gedreht, der in absurde Situationen gerät und das Unglück gleichsam anzieht. Das melancholische Meisterwerk der "nouvelle vague" ist durchdrungen von schwarzem Humor und feinsinniger Poesie und erinnert mit der atmosphärischen Milieustudie sehr stark an Hitchcock und Renoir. In märchenhaften Variationen über den amerikanischen Gangsterfilm steht der Film absichtlich außerhalb jeder Realität und erreicht mit den frei abgespielten Bildern eine außerordentliche Schönheit und Konsequenz.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 6 auf der 1960-Liste, zwischen "Rocco und seine Brüder" und "Spartacus"
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#7
Geschrieben 06. Juli 2006, 14:51
Vincente Minnelli, USA, 1952
Hollywood-Drama
(VHS)
Vier Filmemacher, Schauspielerin Georgia Lorrison (Lana Turner), Regisseur Fred Amiel (Barry Sullivan), Autor James Lee Bartlow (Dick Powell) und Produktionsleiter Harry Pebbel (Walter Pidgeon) erhalten die Nachricht, dass der eigenwillige, dynamische Filmproduzent Jonathan Shields (Kirk Douglas) nach einem Bankrott wieder seine Arbeit aufnimmt. Alle erinnern sich an schlechte Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Shields und sind sich einig, dass sie nie mehr mit ihm kooperieren wollen.
Minnellis Film zeichnet ein kritisches Bild von Hollywood, in Form eines Porträts eines ambitionierten Produzenten und seinen Beziehungen zu diversen Filmleuten. Geogias blonde Verwundbarkeit wird von Shields rücksichtslos ausgenutzt, der, wie vorhersehbar, im Schnellgang Ruhm erlangt. Die Szene während der Autofahrt, als Georgia erfährt, dass Shields sie nur ausgebeutet und sie nie wirklich geliebt hat und sie dann in einem Ausbruch an Emotionen sich den Schmerz von der Seele schreit, gehört zu den Momenten, die haften bleiben. Eine geradezu wahnsinnig anmutende Kameraeinstellung, extrem gute Licht-Regie, ohrenbetäubender Lärm und schnelle Schnittfolge der Bilder und natürlich die grandiose Performance von Lana Turner machen diese eine Szene einfach unvergesslich.
Als wirkungsvolle Hollywood-Kritik funktioniert der Film aber nicht 100-prozentig - zu sehr bleiben die Probleme und Konflikte im Privaten und er vermag es nicht wirklich die "Stadt der Illusionen" zu treffen.
Empfehlung: ja/JA (8/10)
Nr. 4 auf der 1952-Liste, zwischen "Rampenlicht" und "Angel Face"
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#8
Geschrieben 07. Juli 2006, 16:03
Hal Roach / Charley Rogers, USA, 1933
Musical-Komödie
(TV - RBB)
Den beiden Wanderern Stanlio (Stan Laurel) und Olivero (Oliver Hardy) werden im Italien des 18. Jahrhunderts die Ersparnisse gestohlen. Ihnen kommt die Idee, es selbst einmal als Wegelagerer zu versuchen. Olivero nennt sich von nun an "Fra Diavolo", nach einem sehr bekannten und gefürchteten Räuberhauptmann. Unglücklicherweise geraten die beiden in die Fänge des wirklichen Banditen (Dennis King) und müssen von nun ab als dessen Handlanger arbeiten.
Von den Komikern des Stummfilms machte in der Tonfilmzeit das anglo-amerikanische Paar Stan Laurel und Oliver Hardy (deutsches Synonym: "Dick und Doof") die größte Karriere. Ihr äußerlicher Kontrast wirkte an sich schon komisch genug. Laurel ("Doof"), war zierlich, zart, schüchtern und weinerlich, Hardy ("Dick") dagegen breitschultrig, ziemlich frech und oft agressiv gegenüber seinem Freund. Dazu kamen in der Tonfilmzeit Hardys Brummen und Grunzen und Laurels piepsiger Diskant. Die oftmals zweiaktigen Kurzfilme wurden ein großer Erfolg. Mit abendfüllenden Filmen dagegen hatten die beiden kein Glück. Ihre Gestaltungskraft reichte nicht aus, um einen Spielfilm mit Gags und Späßen zu füllen, deren Niveau den Nummern von Zirkusclowns glich. Geistvollere und einfallsreichere Komik, wie der Zuschauer es verlangte, fehlte oftmals. Schon bald wurden die beiden in Sachen Beliebheit vom Prinzip des "puren Nonsens" der Marx Brothers abgelöst.
"Hände hoch - oder nicht" gehört zweifellos zu den bekanntesten und besseren Spielfilmen des legendären Slapstick-Duos. Schön photographiert und adäquat umgesetzt und kostümiert, zielt er augenscheinlich auf die beiden liebenswerten und äußerst sympathischen Hauptfiguren ab. Sie geraten immer wieder in ungeschickte und komische Situationen, die mich oft zum Schmunzeln verführten. Abgesehen von ein bis zwei wirklich guten Arien, mit denen uns Dennis King eine großartige Stimme offenbart, hätten allerdings statt der operettenhaften (fast schmierigen) Musik-Einlagen ein wenig mehr Streiche von Stan und Laurel um einiges besser unterhalten. Und so greife ich doch lieber wieder zu "Duck Soup" zurück, dem Genie-Streich der Marx Brothers, der im selben Jahr Premiere feierte und diesen Film hier ganz klar und weit in den Schatten stellt. Der eiserne "Dick und Doof"-Fan möge es mir verzeihen.
Empfehlung: unentschlossen (6/10)
Nr. 5 auf der 1933-Liste, zwischen "Dinner um Acht" und "Lady Killer"
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#9
Geschrieben 08. Juli 2006, 15:41
Terrence Malick, USA, 2005
Abenteuer-Drama
(DVD)
Diesen Film habe ich schon vor einiger Zeit im Kino erleben dürfen und gleich nach der Kauf-DVD-Erscheinung hier in Deutschland letzte Woche, musste ich ihn mir einfach zulegen. "The New World" ist ein Film, der damals zu einem tief persönlichen Event wurde. Auf der einen Seite steht die große Ehrfurcht vor Terrence Malick als Schöpfer, den ich als einen der goßartigsten noch arbeitenden Filmemacher betrachte. Auf der anderen Seite ist die wundersam fruchtbare Thematik, die des geschichtlichen 'Americanas', für das der Regisseur zu porträtieren geboren zu sein scheint.
Konsequenterweise ging ich somit im März mit großen Erwartungen ins Kino. Ich wusste, er war "nur" 135 Minuten lang, und somit noch verdaulicher als Malick's letzter Film, ebenfalls ein Meisterwerk aus dem Jahre 1998, "Der schmale Grat", dessen Kinoversion fast drei Stunden dauerte. Zum Anfang des Films, als sich die erste symphonische Klangwelt des Film-Scores bedrohlich über den Zuschauerraum erhob, überwältigten mich körperlich tiefe Reaktionen zu dem Leinwandspektakel. Ein schwaches Zittern in meinen Emotionen klang bis zum Ende hin nach. Ich war nicht besorgt oder ängstlich oder fühlte mich sonstwie negativ beeinflusst, denn es gab keinen Grund, keine Gefahr die vor meinen Augen ablief. Anstelle dessen erreichte mich nur reine, unverblümte Schönheit, eingefangen in unglaublich klangvollen Bildern.
Jene Bilder-Poesie wird natürlich geschaffen durch die Arbeit an der Kamera, speziell in Malick's Filmen. Bemerkenswert zu erwähnen ist dabei, dass der Regisseur bei jedem seiner wenigen Filme (im Durchschnitt ca. einer pro Dekade) immer mit einem anderen Kameramann arbeitete. In "The New World" schaffte es Emmanuel Lubezki, jede Einstellung als ein vollendetes Gemälde der höchsten Ordnung zu präsentieren und sich somit, gerechterweise, eine Oscar-Nominierung zu reservieren. Doch die wirkliche Note der Kunstfertigkeit in einem Malick Film ist der Schnitt und der allumfassende Moment den Malick als Maestro kontrolliert, mit all den Bildern, dem Dialog, der Musik und den Nebenklängen, die er zur Verfügung stellt. Szenen werden weniger bestimmend, es gibt eine Vermischung zwischen Vordergrund-Aktivitäten mit der Hintergrund-Umgebung, zwischen Dialog und Monolog. "The New World" beginnt und endet mit dem Motiv des fließenden Wassers und der strömenden Luft - die Bewegung der Elemente, die der filmische Stil sucht nachzuahmen. Die Verwendung des entkörperlichten, unterbrochenen Voice-overs, der Stimme aus dem Off, gibt die inneren Gedanken der Protagonisten wieder, Gedanken im spirituellen Äther der großartigen Bilder.
Ich weiß relativ wenig über die romantische Erzählung, auf die der Film basiert, und kann daher nicht sagen, in wie weit Malick sich ihr annähert. Doch für mich ist es eine wunderschön beschriebene Liebesgeschichte, hervorragend gespielt von Colin Farrell als Kapitän John Smith, den ich hier zum ersten Mal als wirklich ernst zu nehmenden Darsteller sehe. Noch viel mehr beeindruckt hat mich allerdings die zu den Dreharbeiten erst 14 Jahre junge Q'Orianka Kilcher, in der Rolle der Pocahontas, die in den Straßen von San Diego entdeckt worden ist. Sie hätte eine Nominierung für den Golden Globe und den Oscar mehr als verdient. Ihre Leistung ist absolut und unheimlich glaubhaft. Christian Bale, in der Nebenrolle des John Rolfe, liefert ebenfalls eine eindringlich gute Vorstellung ab - sehr sanft, sehr subtil.
Malick beschreibt die neue Welt und wie die Menschheit sie erlebt als augenblickliche Erinnerung und nicht als tatsächlichen Kontakt. Dieser schneidende Anti-Höhepunkt in "The New World" ist ein seltener Moment in einem Kinofilm und fängt die Kraft der Bildgewalt in diesem Film gekonnt ein, ohne Effekthascherei. Und das war offensichtlich beabsichtigt.
Sechs Jahre auf einen neuen Malick Film zu warten, hat sich mehr als gelohnt und ich kann nur noch hoffen, dass das Ausharren bis zum nächsten dann doch nicht so lange dauern wird.
Empfehlung: JA JA JA (10/10)
Nr. 1 auf der 2005-Liste, vor "Caché"
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#10
Geschrieben 13. Juli 2006, 12:09
Erich von Stroheim, USA, 1924
Drama
(VHS)
Der Film ist ein Beispiel unvergleichlicher Verstümmelung von Kunst aus kommerziellen Zwecken. Die Veröffentlichung der acht bis neun Stunden langen Version wurde Opfer der Fusion von Goldwyn Co. zu MGM und der Beharrlichkeit der Studiobosse, den Film auf zwei Stunden drastisch zu verkürzen und es dem zahlenden Publikum verdaulicher präsentieren zu können. So wurden 42 Rollen von Erich von Stroheim und Rex Ingram zunächst zusammengeschnitten zu 22 Rollen Film (fünf einhalb Stunden), was dem zuständigen Produzenten Irving Thalberg immer noch zu lang war. Dieser beauftragte letztendlich Drehbuchautorin June Mathis, den Streifen auf zehn Rollen (rund zwei Stunden) zu kürzen. Erich von Stroheim lehnte es selbstverständlich ab, sie zu autorisieren und die um mehr als die Hälfte massakrierte Endfassung zu akzeptieren. 1999 wurde der Film rekonstruiert, so weit es möglich war, und mit Stills der weggeschnittenen Szenen gefüttert, die zwischen den erhaltenen Sequenzen eingefügt wurden.
Dass Erich von Stroheim sehr sorgfältig mit dem Stoff von Frank Norris' Bestseller "McTeague" aus dem 19. Jahrhundert umgehen wollte, steht außer Frage wenn man die Länge des ursprünglich abgedrehten und überarbeiteten Materials berücksichtigt. Die "Wort für Wort"-Verfilmung sollte dem Zuschauer alles, was er sehe, "für wahr halten". In der Tat, nicht eine einzige Aufnahme wurde in einem Studio gedreht, sondern in den tatsächlichen Straßen von San Francisco und im Death Valley. Das macht "Greed" zu einem äußerst realistischem Werk, zu einem Film von bitterer und manischer Konsequenz.
Die Überfülle der Details dienen zur Darstellung des Menschen, der durch Gier nach Geld lebt und durch die Macht des Geldes pervertiert. McTeague (Gibson Gowland) hat sich ohne Approbation in San Francisco als Zahnarzt niedergelassen. Eines Tages kommt sein Freund Marcus Schouler (Jean Hersholt) mit seiner Freundin Trina (Zasu Pitts) in seine Praxis. McTeague verliebt sich in das Mädchen und heiratet sie. Aber kurz vor der Hochzeit hat Trina in der Lotterie 5000 Dollar gewonnen und ist jetzt, wie Marcus, krankhaft von der Gier nach Geld besessen. Durch Intrigen und Abzockerei wollen sie sich an McTeague bereichern und finanziell runieren.
Durch die vielen Parallel-Geschichten und verzweigten Handlungsstränge empfinde ich den Film als extrem komplexe, wahre, lebendige Milieu-Studie. Die hervorragenden Darsteller-Leistungen von Gibson Gowland und Zasu Pitts lassen sie weniger als Schauspieler als vielmehr echte Charaktere in einer realen Welt erscheinen. Unglaubliche Tiefenschärfe der Kamera, ein üppiges Set-Design mit Unmengen von Statisten und skurrilen Figuren machen den Film zu einem Fest für die Augen. Und das atemberaubende Finale in der Wüste des Death Valley kann man nicht beschreiben, sondern muss man sehen, um es zu glauben.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 1 auf der 1924-Liste, vor "Der letzte Mann"
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#11
Geschrieben 13. Juli 2006, 12:26
Friedrich Wilhelm Murnau, Deutschland, 1924
Drama
(VHS)
Deutlich expressionistisch ist dieser Film trotzdem nah am "Kammerspielfilm", der sich klar auf einfache Menschen und Begebenheiten fokussiert und sozial-kritische Elemente enthält. Die gesamte Geschichte eines armen Portiers eines großen Hotels, der aufgrund des Alters in den Waschraum abgeschoben wird, wird ohne Zwischentitel erzählt. Die physische und psychische Zerstörung eines alten Mannes, der sich plötzlich degradiert und gedemütigt sieht, steht hierbei im Mittelpunkt des Interesses. In der Rolle des "letzten Mannes" ist der imposante und ausdrucksstarke Emil Jannings zu sehen, der keine Worte braucht, um zu beeindrucken.
So zielen auch die künstlerischen Mittel Murnaus konsequent auf das individuelle Drama; denn sie dienen fast ausschließlich dem Bemühen, ein subjektives Bild des Milieus, der Charaktere und der Ereignisse zu zeichnen. Dabei hat die entfesselte Kamera wesentlichen Anteil am Erfolg dieser Bemühungen. Berühmt ist die Szene, in der die Kamera mit dem Fahrstuhl in die Hotelhalle hinunterfährt und diese durchquert bis zur Drehtür. Es gelang Murnau und seinem Kameramann Karl Freund, komplizierte Zusammenhänge und seelische Vorgänge im Bild auf geniale Art und Weise festzuhalten.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 2 auf der 1924-Liste, zwischen "Greed" und "Die Nibelungen"
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Cine Scene
#12
Geschrieben 13. Juli 2006, 12:29
Die Nibelungen II: Kriemhilds Rache
Fritz Lang, Deutschland, 1924
Fantasy-Abenteuer-Drama
(VHS)
Teil 1: Siegfried (Paul Richter) hört von der Schönheit Kriemhilds (Margarete Schöne) und will sie treffen. Auf dem Weg nach Worms tötet er einen Drachen. In der Stadt angekommen wird er herzlichst von König Gunther (Theodor Loos), Kriemhilds Bruder, empfangen. Nur Hagen von Tronje (Hans Adalbert Schlettow) warnt vor dem Jüngling. Um Kriemhild zu gewinnen, hilft er König Gunther Brunhild (Hanna Ralph) zu freien und sie letztendlich zu besiegen. Als die Herrscherin des Isenlandes von der Hinterlist erfährt, spinnt sie eine Intrige, in der Siegfried von Gunther und Hagen getötet wird. Kriemhild, verliebt in den Helden, löst sich von ihrem Hof und schwört Rache für Siegfrieds Tod.
Teil 2: Kriemhild, nun Frau vom Hunnenkönig Etzel (Rudolf Klein-Rogge), stachelt einen Krieg zwischen den Hunnen und Burgundern an. Ein zuvor im Rhein versenkter Nibelungenhort steht neben der Rache für Siegfrieds Tod, ebenfalls im Mittelpunkt des Interesses und Gunther und Hagen, wie auch Kriemhild sterben im Verlaufe der Kämpfe und Streitereien.
Fritz Lang wollte - nach eigenen Worten - in diesem zweiteiligen Film vier verschiedene Welten schildern: die "überfeinerte Kultur" der Burgundenkönige, die "gespensterhaft-elfische" Welt des jungen Siegfried, die "bleiche, eisige Luft" im Isenland Brunhilds und die Welt des Etzels, des "Asiaten". Dabei verwandte er für Isenland und besonders für Worms eine streng ornamentale Stilisierung. Nicht Menschenmassen, sondern riesige Bauten beherrschen die Leinwand. Die Schauspieler sieht man in langen Gewändern wie Statuen, die verloren erscheinen, einem unerbittlichen Schicksal ausgeliefert. Die Welt der Hunnen ist dagegen formlos, diffus. Die Hunnen hausen in "Wohnhöhlen", schleichen gespensterhaft durchs Bild. So unterscheiden sich die beiden Teile erheblich. Der erste ist statisch, monumental, jede Einstellung ein sorgsam kalkuliertes Bild. Der zweite Teil ist chaotischer, dynamischer, voller Aktion, Bewegung und Blut.
Empfehlung: ja/JA (8/10)
Nr. 3+4 auf der 1924-Liste, zwischen "Der letzte Mann" und "Mikael"
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#13
Geschrieben 14. Juli 2006, 19:01
Akira Kurosawa, Japan / Frankreich, 1985
Samurai-Epos
(DVD)
Und da isser wieder, mein absoluter Lieblingsfilm aller absoluten Lieblingsfilme (aus meinem eigenen Blog "1920-2005: 86 Jahre Filmgeschichte" entnommen):
Der gefürchtete Kriegsfürst Hidetora Ichimonji (Tatsyua Nakadai) teilt sein Reich zwischen seinen drei Söhnen auf. Aufgrund eines Streits, bricht er mit seinem jüngsten Sohn Saburo (Daisuke Ryu), der dem alten Herren auch nach der Enterbung innerlich dennoch treu bleibt. Die zwei älteren machtgierigen Brüder allerdings stürzen mit ständigen Kriegstreibereien gegen den Vater und untereinander das Land allmählich in Chaos (jap.: ran), immer wieder angestachelt von der durchtriebenen Lady Kaede (Mieko Harada). Ständig von einem Hofnarren begleitet, zieht der gestürzte Fürst durch sein ehemaliges, ödes Land und somit durch seine eigene schreckliche Vergangenheit als grausamer Herrscher.
Die Geschichte könnte bekannt sein, weil sie der Shakespeare'schen Tragödie "King Lear" zugrunde liegt. Kurosawa arbeitete bei der filmischen Inszenierung eine extrem radikale Sprache aus, unterstützt durch eine unglaubliche Farbvielfalt in den Bildern, schnellen Schnitt-Sequenzen und einem ausgeklügeltem Sound-Design. Wenn die bunten Flaggen der verschiedenen Armeen in einer Schlacht vermischt werden, wenn der friedlich-ruhige Wind zu einem tobenden Sturm anschwillt oder wenn die vorherrschenden Total-Aufnahmen plötzlich in Detail-Ansichten übergehen, erkennt man Kurosawas grandiosen Stil, der das weltweite Kino schon vor Jahren grundlegend beeinflusste.
Die Zeichnungen der Charaktere sind vergleichsweise wunderbar. Hidetora's Hofnarr ist immer an der Seite des Alten und ihre Beziehung ändert sich im Verlaufe der Handlung: Sie tauschen ihre Rollen, was es immer schwerer macht, sie zu unterscheiden. Genau wie der Himmel sich allmählich vom Blauen ins Graue mit dunklen, dicken Wolken übergeht, wird der Fürst von seiner eigenen schwarzen Vergangenheit eingeholt. Sein eigener Pfad von Mord und Raub ist nicht vergessen, das gewaltsam eroberte Land trägt immer noch die alten Narben des Krieges und der Ausbeutung, die jetzt mit der Kriegslust seiner älteren Söhne wieder aufbrechen.
Diese recht originaltreue Adaptation von "King Lear" wurde vom Almeister des japanischen Kinos ungemein überwältigend, grauenvoll und noch trostloser umgesetzt als es die literarische Vorlage schon ist. Der einzige Lichtblick in diesem Meisterwerk liegt in dem Film selbst verborgen: ein großes, vom Wind gepeinigtes Segel, in dem Kurosawa selbst die natürlichen Elemente zu ersinnen scheint, um seine Vision ausführen zu können.
Empfehlung: JA JA JA JA JA (10/10)
Nr. 1 auf der 1985-Liste, vor "Geschichten einer fernen Kindheit"
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Cine Scene
#14
Geschrieben 18. Juli 2006, 11:09
Akira Kurosawa, Japan, 1961
Samurai-Action-Drama
(DVD)
Japan, um 1890: Sanjuro (Toshirô Mifune) ist Samurai ohne Anstellung, ein Ronin, der durchs Land zieht. Er kommt in eine kleine, verödete Stadt, in der sich zwei Banden um Territorien streiten. Der Schnapshändler Gonji (Eijiro Tono) erzählt Sanjuro die Geschichte von Seibei (Seizaburo Kawazu) und Ushitora (Kyu Sazanka), die einst Partner waren und sich jetzt bekriegen. Sanjuro sieht seine Chance großes Geld zu machen und stellt sich der meist bietenden Seite als Krieger zur Verfügung. Das Interesse von Seibei und Ushitora wird gleichsam geweckt, und so kämpft Sanjuro aus Profitzwecken auf zwei Seiten.
"Yojimbo" regt den Zuschauer weder groß zum Nachdenken an, wie z. B. "Bilanz eines Lebens" oder "Rashomôn", noch besitzt er die epische Breite von "Die sieben Samurai" und "Ran", gehört aber trotzdem zu den besten Filmen Kurosawas. Neben jeder Menge Action und Abenteuer enthält der Film auch eine gehörige Portion trockenen Humors. Kurosawa scheint die Konventionen des amerkanischen Westernfilms zu verspotten, bedient sich aber auch an ihnen. Sanjuro, der umherziehende Samurai, verarscht die beiden Gangsterbosse mit einem großen Genuss. Er hat Spaß daran, mit ihnen zu spielen, sie im Glauben zu lassen, beide hätten Vorteile von ihm selber, ohne zu wissen, dass er sie nur ausspielt und sogar Zusammenstöße beider Gangs provoziert. Hauptdarsteller Toshirô Mifune ist hier in einer seiner brilliantesten Darbietungen zu sehen.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 3 auf der 1961-Liste, zwischen "Viridiana" und "Breakfast at Tiffany's"
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Cine Scene
#15
Geschrieben 18. Juli 2006, 22:56
Luis Bunuel, Mexico / Spain, 1961
Gesellschafts-Drama
(VHS)
Don Jaimes (Fernando Rey) Frau lebt nicht mehr und er wohnt alleine auf seinem Gutshof. Er lädt seine Nichte Viridiana (Silvia Pinal) zu sich ein, bevor die Novizin ins Kloster geht. Vergeblich versucht er, sie zu überreden, bei ihm zu bleiben. Er betäubt sie und versucht, sie zu vergewaltigen, doch das schlechte Gewissen hält ihn davon ab. Am nächsten Morgen erzählt Jaime Viridiana, er habe sie missbraucht. Sie fährt überstürzt ab und er erhängt sich aus Kummer, nachdem er seiner Nichte und seinem Sohn Jorge (Francisco Rabal) den Hof vererbt hat. Viridiana und Jorge erscheinen auf dem Gut und bringen es wieder in Schuss. Sie macht daraus ein Asyl für Bettler. Bald erkennt Viridiana aber, dass diese ihre Gutmütigkeit schamlos ausnutzen.
Verboten in Spanien und vom Vatikan verflucht, hatte der Film einige Hürden zu überwinden, um an das Publikum zu gelangen. Und er ist durchaus geeignet zu schockieren. Bei der Orgie der Bettler etwa gruppierte Bunuel die Betrunkenen nach dem Vorbild des berühmten Abendmahlbildes von Leonardo Da Vinci. Ein blinder Bettler sitzt auf dem Platz Christi und dazu ertönt ein Hahnenschrei. Die Bettler sind insgesamt ziemlich verschlagen und bösartig, was wohl auch heißen soll, dass in einer heillos unordentlichen Welt moralische Wertmaßstäbe keinen Sinn mehr haben.
Dabei geht Bunuel nicht plakativ vor. Seine Thesen wirken eher in beiläufigen Beobachtungen und erwachsen aus dem Charakterbild eines alternden Psychopathen (Jaime) und einer frustrierten Frau (Viridiana), die beide von Konventionen und herrschenden Moralvorstellungen deformiert sind. Sie zeigen sich aber auch im Bild der Bettler, die hier für ein seit Generationen unterdrücktes Volk stehen. Zu seiner Wirksamkeit tragen auch die Elemente des typischen Bunuel'schen Surrealismus bei, die dem Film eine düstere Poesie geben: Träume, eine Szene, in der Viridiana schlafwandelt, die Stunden, die Jaime mit dem Brautkleid seiner toten Frau verbringt, das Spiel eines kleinen Mädchens mit dem Strick, an dem der Onkel sich erhängt hat usw.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 2 auf der 1961-Liste, zwischen "Accattone" und "Yojimbo"
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#16
Geschrieben 19. Juli 2006, 19:36
hab ich vergessen, schätze USA, 2003
(DVD)
Schlicht und ergreifend: Ghetto-Müll. 2 Punkte für Albas booday.
Empfehlung: NEIN NEIN NEIN (2/10)
Nr. 48 auf der 2003-Liste, auf gleicher Stufe mit "Flight Girls"
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#17
Geschrieben 25. April 2007, 17:10
Michael Haneke, Frankreich / Deutschland / Rumänien, 2000
Drama
(DVD)
Selbst als es zum zweiten oder dritten Mal passiert ist, erschrak ich, weil ich dachte mein Fernseher verabschiedet sich, aber das hängt nur mit der Art und Weise zusammen, wie der Film geschnitten wurde. Der zweite Teil des Originaltitels sagt es aber eigentlich auch schon aus: "Unvollständige Erzählungen einiger Reisen", und sie sind wirklich unvollendet, die Szenen, die anscheinend zufällig geschnitten und plötzlich beendet wurden, gefolgt von einem ausgedehnten Moment in Schwärze. Die meisten Kameraeinstellungen zwischen den 'Dunkelperioden' sind meistens Einzelaufnahmen, wobei sich der Schnitt primär nur dem Wechsel im Handlungsverlauf zuschreibt. Es gibt eine Ausnahme in einer Szene, wo zwei Erzählstränge in einem Restaurant kollidieren, ebenfalls gefilmt mit einer einzelnen Aufnahme die sich zwischen zwei Tischen abspielt. Wie in seinem späteren Film Caché, drängt uns Haneke die Frage auf, was wirklich gefilmt ist und was nicht, im Kontext zum Film selbst, wo es Einstellungen gibt, die wie die Linse von Protagonisten agieren. Vielleicht wurde alles von einem Unbeteiligten aufgenommen, der mit seinem Camcorder herumschleicht und heimlich die Situationen, die wir sehen, filmt? Am auffälligsten wird dies in einer Szene, wo die Kamera stillsteht, sich quasi aufs Leere fixiert und plötzlich einer der Charaktere wie aus dem Nichts vorbeiläuft. Das macht den Film in Sachen Regiearbeit höchst interessant.
Auch bei den Toneffekten gibt es Interessantes zu beobachten. Die natürlichen Aufnahmen des Tons geben Code - Unbekannt einen unheimlichen Sinn für Realität, besonders wenn wir die taub-stummen Kinder atmen und rumoren hören - Geräusche, die sie selbst nicht wahrnehmen können. Was das Drehbuch angeht, bin ich allerdings keineswegs überzeugt. Viele Szenen und Situationen bleiben für meinen Verstand unklar, undeutlich und oft verwirrend. Auch die Message des Films, dass wir auf emotionaler Ebene alle gleich sind, kommt ziemlich plump daher. Es wird uns schwer gemacht, dem Verlauf der Handlung zu folgen, wenn es keine wirklich solide Storyline gibt und uns stattdessen ein ungleichmäßiges Gebräu von anscheinend zufällig zusammengestellten Erzählungen geboten wird. Haneke sagte über Caché, dass wir scheitern werden, Antworten zu finden. Vielleicht scheitern wir hier auch, aber Code - Unbekannt ist nicht annähernd zufriedenstellend wie Caché, auch ohne eine Antwort.
Empfehlung: unentschlossen/ja (7/10)
Nr. 15 auf der 2000-Liste, zwischen "Liam" und "Billy Elliot"
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They Shoot Pictures, Don't They?
Senses of Cinema
Cine Scene
#18
Geschrieben 27. April 2007, 08:21
Yasuzu Masumura, Japan, 1969
Horror-Drama
(TV - Arte)
Michio (Eiji Funakoshi), ein blinder, psychopathischer Bildhauer, lebt zurückgezogen mit seiner sabbelnden Mutter in einer riesigen Lagerhalle und ist der Schönheit des weiblichen Körpers geradezu verfallen, die er zwar nicht sehen, aber mit seinem außergewöhnlichen Tastsinn erfassen kann. Er will um jeden Preis das perfekte Abbild einer Frauen-Figur schaffen und geht dabei über Leichen. Da kommt ihm das schöne Model Aki (Mako Midori), das ihm über den Weg läuft, gerade recht, und mit Hilfe seiner Mutter kidnappt er sie. Was folgt, sind Torturen und Vergewaltigungen der jungen Frau, die immer wieder versucht zu entkommen. Nach einer gewissen Zeit erliegt sie der schmerzhaften Lust, die immer bizarrer und grausamer wird.
Die blinde Bestie gilt als Schlüssel-Film für das wenig zurückhaltende S&M/Folter-Genre des östlichen Kinos. Obwohl nur drei Personen auftreten, hat Regisseur Masumura eine gewaltige surreale Atmosphäre schaffen können, die ihresgleichen sucht. Dabei erhält vor allem Michios Atelier hat eine eigene tragende Rolle - eine ausgedehnte, unüberschaubare Halle mit Wänden, die über und über mit Skulpturen verschiedener Körperteile (Augen, Ohren, Lippen, Brüste) gespickt sind und Fußböden mit Bergen von verstreuten weiblichen überdimensionalen, nackten Torsen und Figuren, auf denen sich die beiden Protagonisten fast den ganzen Film lang rekeln. Dalí hätte das Interior auf jeden Fall gefallen.
Zu keiner Zeit lässt Masumura die Handlung in reines Splatter-Kino oder in eine ausbeuterische pornographische Collage abdriften. Stattdessen werden der Entfaltung der Charaktere große Bedeutung zugemessen und die Verstümmelungen und Vergewaltigungen finden abseits der Kamera statt. Selbst die einvernehmlichen sado-masochistischen Sex-Szenen obliegen einem gewissen Geschmack und einer deutlichen Sensibilität, weit weg von der Widerwärtigkeit des eigentlichen Geschehens. Im Gegensatz zu Oshimas Im Reich der Sinne, spielen sich die Situationen viel mehr im Kopf des Zuschauers ab, da visuelle Effekte eher ausgespart werden.
Die blinde Bestie ist ein äußerst bizarres, aber auch perverses Erlebnis, den ich gerne 1969 im Kino gesehen hätte, um die Reaktion der übrigen Zuschauer mitzubekommen. Trotz des Alters von fast 40 Jahren, hat dieser Film nichts von seiner anhaftenden Kraft verloren und schockiert und fasziniert heute noch gleichermaßen.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 4 auf der 1969-Liste, zwischen "The Wild Bunch" und "Katzelmacher"
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Senses of Cinema
Cine Scene
#19
Geschrieben 07. Mai 2007, 21:31
Jean-Jacques Annaud, Canada / France / USA, 1981
Abenteuer-Drama
(DVD)
Annaud hat hiermit den idealen Weg gefunden mit fast nur visuellem Geschichtenerzählen erfolgreich in den weltweiten Mainstream-Filmmarkt einzumarschieren (und wiederholte den Kunstgriff mit seinem zweiten wundervollen Öko-Film, Der Bär, sieben Jahre später). Obwohl also Dialogtext fast gänzlich fehlt, was folgerichtig auch Synchronisations- und Untertitelprobleme ausspart, wurde der Film ein unglaublicher Erfolg an den Kino-Kassen. Heute scheint er dennoch bizarrerweise fast vergessen, und dabei wird uns Ron Perlmans großartiges Leinwanddebüt und jede Menge Nacktheit einer ziemlich fitten Rae Dawn Chong geboten.
Der Film verfolgt die Abenteuer von drei Höhlenbewohnern, die nach einem Angriff von Affenmenschen auf einmal ohne Feuer dasitzen. Auf der Suche nach einer neuen Feuerquelle ziehen sie durchs prähistorische Gelände und begegnen in den atemberaubend schönen Landschaften eine Reihe von tödlichen Gefahren: hungrige Säbelzahntiger, Kannibalen und trügerische Sümpfe. Die Mammuts von gottesähnlicher Statur werden bald der Inhalt ihres Aberglaubens und sie entdecken die Religion, als auch die Liebe und die Missionars-Stellung.
Durch die stark physisch agierenden Schauspieler, Christopher Tuckers überzeugendem Make-Up, die spezielle Körpersprache, die von Desmond Harris entwickelt wurde, die überwältigende Kameraarbeit von Claude Agostini und der spannenden wie berührenden Geschichte, ragt Am Anfang war das Feuer weit über jeden Steinzeitfilm, der jemals gedreht wurde, hinaus. Auch ohne Dinosaurier und Fell-Bikinis, was nun gut oder schlecht sein kann, je nach Geschmack des Betrachters.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 2 auf der 1981-Liste, zwischen "Excalibur" und "Mephisto"
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Cine Scene
#20
Geschrieben 07. Mai 2007, 22:10
John Huston, USA, 1941
Film-Noir
(DVD)
Die Darsteller sind wundervoll, vor allem Humphrey Bogart als Sam Spade und Mary Astor als Brigid O'Shaughnessy und der Dialog ist knackig, rasiermesserscharf und sehr raffiniert. Aber... warum mag ich den Film nicht wesentlich mehr als über die gerade erwähnten Aspekte hinaus? Filme dieses (noch inoffiziellen) Genres sind berühmt für die überladenen Plottings - und Die Spur des Falken ist der Gipfel der plötzlichen bizarren Handlungswendungen. Ich weiß jetzt, dass Brigid Miles ermordet hat, aber warum? Und warum hat Wilmer Thursby auf Gutmans Auftrag hin umgebracht?
An was ich mich definitiv immer erinnern werde, ist Spades Selbstgespräch am Ende (im Original belassen): "I won't play the sap for you. You're going over... I won't because every part of me wants to..." Durch den gesamten Film hindurch schlendert er eher kühl, reserviert, zynisch und moralisch nicht ganz einwandfrei an dem Zuschauer vorbei, doch am Ende findet er seine Mitte und darum bewundern wir ihn, als wäre er eigentlich kein so schlechter Kerl... Aber dieses großartige Finale kann die vorangegangene Verwirrung der ersten 90 Minuten nicht ganz wettmachen.
Empfehlung: ja (8/10)
Nr. 4 auf der 1941-Liste, zwischen "Le roman de Renard" und "So grün war mein Tal"
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Senses of Cinema
Cine Scene
#21
Geschrieben 08. Mai 2007, 21:45
Sydney Pollack, USA, 1968
Western-Komödie
(DVD)
Trapper Joe Bass (Burt Lancaster) wird bei einer seiner Handels-Expeditionen von einer Gruppe von Kiowa-Indianern überfallen und genötigt, den entlaufenen Sklaven Joseph Winfield Lee (Ossie Davis) gegen Pelze zu tauschen. Als die Indianer selbst von weißen Skalpjägern unter der Führung von Jim Howie (Telly Savalas) und seiner Flamme Kate (Shelley Winters) überfallen werden und die Pelze, wie auch Joseph in die Hände der Banditen fallen, wird Joe ziemlich unfreiwillig in mächtigen Ärger hineingezogen.
Ein solider Western, der aber das ihm gegebene Potenzial bei weitem nicht nutzt. William Nortons fast Dickens'scher Dialog im ersten Drittel ist so gut, dass es nahezu eine Schande ist, Burt Lancaster und Ossie Davis danach so lange zu trennen. Und obwohl einige hervorragende Pointen in Sachen Rassismus hervorgebracht werden, wird dem Zuschauer trotzdem das Gefühl gegeben, als würde sich die Handlung des Films nie mehr zum Showdown aufbauen können, so lustlos plätschert sie über weite Strecken dahin. Dennoch ist Elmer Bernsteins Soundtrack einer der besten, die je für einen Western geschrieben wurden und der Film hat seinen Charme.
Empfehlung: unentschlossen (6/10)
Nr. 24 auf der 1968-Liste, zwischen "Nur 72 Stunden" und "Das Gold von Sam Cooper"
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Senses of Cinema
Cine Scene
#22
Geschrieben 09. Mai 2007, 11:12
Luis Buñuel, Frankreich, 1930
Tragikomödie
(DVD)
Eine 'normale' Handlung gibt es hier nicht. Im Grunde geht es um ein Paar (Gaston Modot, Lya Lys), das am Vollzug der Liebe immer wieder gehindert wird, meist durch etablierte Authoritäten, wie Kirche, Staat und andere Moralinstanzen. Dabei ist das zentrale, immer wiederkehrende Element des Films die kaum verhüllte Wut des Mannes. Er wird im Prolog gewaltsam von seiner Frau getrennt und schaut nun den Rest des Films finster in die Kamera, da sein sexuelles Verlangen nicht befriedigt wurde. Reizt man ihn, schlägt er zu. Doch die Qualitäten von Das goldene Zeitalter ist nicht in der reinen Aggressivität begründet. Vielmehr wurden Bildfolgen von suggestiver Konsequenz geschaffen, die die Realität mit der Poesie verbinden.
Luis Buñuel gestaltete den surrealistischen Ur-Text mit einiger künstlerischer Unterstützung von Salvador Dalí, aber es steht außer Frage, dass dies ein wahrer Buñuel-Film ist. All die typisch Buñuel'schen Elemente sind deutlich zu erkennen: der Zynismus gegenüber jeglichen Authoritätspersonen, vor allem religiöser Authorität, sexueller Fetischismus und Unterdrückung, Ablehnung der bürgerlichen marterialistischen Werte und deren sozialen Status. Die Erzählstruktur von Das goldene Zeitalter, soweit es diesem Film jedenfalls zugeschrieben werden kann, ist episodisch, aber funktioniert durchaus innerhalb normaler Erzähleinheiten. Der Effekt im Erzählfluss ist somit eher abgehackt und prosaisch, ja irgendwie nüchtern, aber gespickt mit vielen unvergesslichen, geradezu magischen Bildern (zum Beispiel die dokumentarischen Aufnahmen von Skorpionen am Anfang und als Lya Lys die Kuh in ihrem Bett findet oder an anderer Stelle ziemlich erregt am Zeh einer Marmor-Statue lutscht - um nur ein paar zu nennen).
Das goldene Zeitalter erreicht locker das Level des lyrischen, traumhaften Surrealismus, das Jean Cocteau mit Das Blut eines Dichters aus dem gleichen Jahr weitaus weniger konsequent vollbrachte. Ein inspirierender, bahnbrechender Film, der bei jedem erneuten Ansehen immer wieder noch unentdeckte Dinge, Ideen, Provokationen offenbart.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 4 auf der 1930-Liste, zwischen "Erde" und "Unter den Dächern von Paris"
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Cine Scene
#23
Geschrieben 10. Mai 2007, 14:15
Billy Wilder, UK, 1970
Tragikomödie
(DVD)
Detektiv Sherlock Holmes (Robert Stephens) und sein Assistent Dr. Watson (Colin Blakely) helfen einer jungen Frau, ihren verschwundenen Ehemann wiederzufinden. Der Fall stellt sich sehr bald als ziemlich bizarr heraus, in dem sechs verschwundene Zwerge, einige niederträchtige Mönche, ein schottisches Schloss und Nessie verwickelt sind.
"Holmes, I hope I'm not being presumptuous, but... there *have* been women in your life, haven't there?"
"The answer is 'yes'. You're being presumptuous. Good night."
Ein wundervoller, grausam unterschätzter und leider übel verstümmelter Film. Ursprünglich war er mehr als drei Stunden lang und eine Anthologie aus Holmes' kniffligsten Fällen, doch United Artist ließ ihn um eine ganze Stunde kürzen, weil andere Filme mit Überlänge zu der Zeit (wie z.B. Star von Robert Wise) böse floppten.
Was immerhin übrigblieb, war Wilders wohl letztes wirkliches Meisterwerk und sein bei weitem mitreißendster Film. Es gibt einige grandios witzige Momente, und diese Vorstellung von Conan Doyles weltbekanntem Held neigt dazu, den Mythos des perfekten Detektiven gnadenlos zu entlarven. Es gibt sogar Anspielungen auf einen etwaigen Frauenhass und Kokainsucht(!). Der Film zeigt in seiner eleganten, wehmütig fotografierten und absolut packenden Geschichte, warum Holmes sich letztendlich seiner Emotionen entledigte und sich zu einer Art Denk- und Kombinations-Monster entwickelte. Verrat und verlorene Liebe sind die wichtigsten Elemente, die diesen Prozess katalysierten und Holmes von einem fehlbaren Romantiker zu einem desillusionierten Zyniker werden ließen.
Empfehlung: JA (10/10)
Nr. 2 auf der 1970-Liste, zwischen "Warum läuft Herr R. Amok?" und "Wolfsjunge"
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Cine Scene
#24
Geschrieben 11. Mai 2007, 11:25
Clint Eastwood, USA, 1985
Western
(DVD)
In einer Kleinstadt in den Bergen Kaliforniens werden harmlose Goldsucher von dem skrupellosen Goldminen-Besitzer LaHood (Richard Dysart) und seiner Bande tyrannisiert. Er will deren Land und versucht sie durch ständige Übergriffe zu vertreiben. Da kommt ein mysteriöser Priester (Clint Eastwood), der namenlos bleibt, gerade recht. Während er sich bei einer der geschundenen Familie einquartiert und die Gefühlswelt der weiblichen Mitglieder gehörig durcheinanderbringt, hilft er den entmutigten Schürfern, sich gegenüber der LaHood-Bande auch mit der Waffe zu behaupten.
Clint Eastwoods Film ist wahrscheinlich ein weniger gelungener Western, als die, die er davor und danach drehte. Ihm fehlt die gewisse Schlagkraft in der Ausführung und ein unvergleichlicher, eigener Stil, zumindest zum großen Teil. Die routinierte, alles-schon-mal-gehabt Handlung bedient sich deutlich bei Klassikern wie "Mein großer Freund Shane" oder Eastwoods eigenem "Ein Fremder ohne Namen". Zwar werden die Details in den zwischenmenschlichen Beziehungen der Goldsucher-Familien ausführlich beschrieben, jedoch lernen wir wenig über den Priester selbst, vor allem bei der Konfrontation mit dem korrupten Sheriff Stockburn, was die Geschichte wohlmöglich viel interessanter gemacht hätte. Was dem Film nicht fehlt, sind fantastische Aufnahmen der wunderschönen Gebirgslandschaft im Hintergrund, gehalten in einem reichhaltigen, überwältigenden Farbschema - eine wichtige Vorraussetzung für das Genre. Auch der fesselnde Showdown im Finale kann locker mit jedem anderen Western mithalten und ist am Ende doch noch einer der besseren seiner Art.
Empfehlung: für Western- und Eastwood-Fans ja (7/10)
Nr. 9 auf der 1985-Liste, zwischen "The Breakfast Club" und "Zimmer mit Aussicht"
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Cine Scene
#25
Geschrieben 15. Mai 2007, 14:39
Jean-Luc Godard, Frankreich / Italien, 1961
Tragikomödie
(DVD)
Die Handlung ist in der Tat ziemlich trivial und schnell erzählt: Angela (Anna Karina) will ein Kind, doch ihr Mann Émile (Jean-Claudy Brialy) will keins. Kumpel Alfred (Jean-Paul Belmondo) bietet sich an, und Angela ist nicht abgeneigt, was Émile gar nicht gefällt.
Der erste Farbfilm von einem der größten Farbkünstler des Kinos: verwegen, frech, durchsichtig und extrem einfallsreich. Dem Abspann und Godard selbst zur Folge handelt es sich hierbei um ein 'Musical', obwohl es eigentlich nicht mehr als zwei Songs beinhaltet, wobei einer davon sogar nur vom Band abgespielt wird. Und trotzdem wirkt der Film zweifellos wie ein echtes Musical, in dem die bezaubernde Anna Karina die grauen Straßen von Paris entlangläuft und die dürftigen Farben singen lässt. Der Kontrast der kalt wirkenden, einfarbigen Außenaufnahmen zu den schillernden, reinen Grundfarben, die alle Hauptfiguren und besonders Angela unmittelbar umgeben, erschaffen eine unverkennbare Musical-Welt - vielleicht sogar mit besonderem Wink an Donens und Kellys Klassiker Du sollst mein Glücksstern sein.
Empfehlung: Ja (9/10)
Nr. 3 auf der 1961-Liste, zwischen "Accattone" und "Cléo - Mittwoch zwischen 5 und 7"
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Cine Scene
#26
Geschrieben 21. Mai 2007, 19:38
Bertrand Tavernier, Frankreich, 1974
Krimi-Drama
(TV - NDR)
Das einsame, einfache Leben von Michel Descombes (Philippe Noiret), einem Uhrmacher, der seine Frau vor Jahren verloren hat, wird durch die erschreckende Nachricht, dass sein erwachsener Sohn einen Mann umgebracht hat und nun auf der Flucht ist, entscheidend verändert. Michel ist schockiert und zweifelt an seinen Erziehungsmethoden, während der ermittelnde Polizeibeamte (Jean Rochefort) Mitleid zeigt.
Bertrand Taverniers großartiges Spielfilm-Debüt und Kooperation mit den Nouvelle vague Veteranen Aurenche und Bost brachte hiermit einen eher polemischen Roman Simenons auf die Leinwand. Es ist ein Film von altmodischer Präzision, die dem Handwerker im Titel alle Ehre gemacht hätte. Es ist auch mehr eine psychologische Studie als ein herkömmlicher Krimi, weil es kaum eine äußere Handlung gibt. Die Geschehnisse spielen sich im Kopf des Vaters ab, der meisterhaft von Philippe Noiret verkörpert wird. Nach der Hiobs-Botschaft wird ihm bewusst, wie wenig er eigentlich von seinem eigenen Sohn weiß, obwohl er ihn nach dem Tod seiner Frau alleine erzogen hat und beide somit immer zusammen gewesen sind. Der Fokus liegt weniger auf dem Täter oder das Opfer, sondern umso mehr auf den Vater, der nun mit der Katastrophe umzugehen versucht und dabei so in seiner Psyche handwerkelt, als würde er eine kleine Armbanduhr zusammen bauen und aufziehen. Alles in allem, ist dies wohl einer der authentischsten Filme, die ich jemals sehen durfte.
Empfehlung: JA (9/10)
Nr. 4 auf der 1974-Liste, zwischen "Eine Frau unter Einfluss" und "Celine und Julie fahren Boot"
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Cine Scene
#27
Geschrieben 23. Mai 2007, 14:41
Howard Hawks, USA, 1941
Kriegs-Drama
(VHS)
Sergeant York ist sehr Hawkesque und fügt sich sehr gut in die Filmographie des Regisseurs ein. Auf den ersten Blick, sieht der Film sehr nach dürftigem, patriotischem Unsinn aus, aber eine tiefere Betrachtung enthüllt ein Werk, das einen schwierigen Drahtseil-Akt vollührt. Es ist offensichtlich, dass Hawks sich der Ironie und der Widersprüche der historischen Figur des York bewusst gewesen ist, was im Drehbuch sehr gut umgesetzt wurde, z.B. zielen einige Bezugnahmen zur Bibel eigentlich nur auf Lacher vom Publikum ab.
Am Anfang des Films stört der unerfahrene Bauer Alvin einen Gottesdienst mit dem Abfeuern von Schüssen und jodelndem Schreien; am Ende zieht er sich als Korporal im Krieg seinen Nutzen aus dem Töten von Menschen. Diese Wandlung, diese Zwiespältigkeit der Hauptfigur macht den gesamten Film, schließlich ist eine Biographie des amerikanischen Kriegshelden Alvin York im Ersten Weltkrieg, zu einem eher untypischen Hollywood Kriegs-Streifen jener Zeit, wenn auch kräftig die "Stars & Stripes" geschwenkt wird. Gary Cooper trägt viel zu dem Widerspruch bei, denn er ist hervorragend in der Titelrolle. In Dialogen erscheint er mir nicht sehr geschickt, aber er ist ein Meister im Zeigen von Reaktionen, und seine persönlichen Eigenheiten betonen seine großartige Darbietung.
Es blieb am Ende Howard Hawks' einzige Regie-Oscar-Nominierung, was bei Juwelen wie Rio Bravo, Tote schlafen fest oder Scarface eigentlich eine Schande ist. Und auch hierfür hat er die Trophäe nicht erhalten.
Empfehlung: ja (8/10)
Nr. 8 auf der 1941-Liste, zwischen "Die Falschspielerin" und "Der Seewolf"
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Cine Scene
#28
Geschrieben 25. Juni 2007, 20:02
Nicholas Ray, USA, 1954
Western
(DVD)
Vienna (Joan Crawford) hat sich außerhalb der Stadt einen Saloon aufgebaut und hofft, eines Tages ihre eigene Stadt gründen zu können, sobald die Eisenbahn hier durchgeht. Die Städter allerdings wollen, dass sie verschwindet. Als vier Männer eine Postkutsche überfallen und einen Mann töten, kommen die Stadtvorsteher, angeführt von Emma Small (Mercedes McCambridge), in den Saloon und nehmen vier Cowboys fest - Dancin' Kid (Scott Brady) und seine Männer. Vienna verteidigt ihre Freunde, und ein alter Bekannter von ihr, Johnny Guitar (Sterling Hayden), steht ihr zur Seite.
Dieser farbenprächtige Klassiker des Western-Genres ist zugleich einer der seltsamsten, der je gedreht wurde und voll von Symbolismus und Subversionen. Oft ist er als eine Art Fausthieb gegen die McCarthy-Ära gesehen worden. Vor allem lebt der Film, neben den plastischen Farben, bei denen Rot und Grün dominieren, durch die beiden Frauen - Crawfords Protagonistin und McCambridges Antagonistin - die das gleiche verkörpern: Geld, Macht und Fortschritt. Somit übernehmen sie die Rollen der Männer, und die Männer werden Objekte weiblicher Begierden. Ein interessanter, einnehmender, ausgefallener und grandios gespielter Film, der einiges in mir entfacht, und deshalb so sehenswert ist.
Empfehlung: ja (8/10)
Nr. 7 auf der 1954-Liste, zwischen "20.000 Meilen unter dem Meer" und "Bei Anruf: Mord"
Bearbeitet von zolaaar, 25. Juni 2007, 20:04.
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Cine Scene
#29
Geschrieben 16. November 2007, 14:02
István Szábó, Ungarn, 1966
Drama
(DVD)
Der Vater (Miklós Gábor) des kleinen Takó (Dani Erdélyi) stirbt kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs an einem Herzinfarkt. In seinen Träumen macht der Junge den Toten zu einem Kriegshelden und Partisanen. Dadurch gewinnt er Ansehen bei seinen Schulkameraden. Einige Jahre später, 1956 während des Aufstandes - Takó hat gerade ein Studium in Budapest begonnen - fängt er an, die Vergangenheit kritischer zu betrachten. Er begibt sich auf die Suche nach alten Weggefährten seines Vaters und erlebt eine Enttäuschung.
In diesem stilistisch eigenwilligen Frühwerk des ungarischen Starregisseurs, spinnt István Szábó ausgehend vom privaten Schicksal einer Familie ein Modell des gesamten ungarischen Volkes nach dem verheerenden Krieg. Der junge Takó phantasiert sich ein übergroßes Vaterbild zusammen, um dessen Verlust besser verarbeiten zu können. Während er heranwächst, kann er sich mit seinen Träumen vom heldenhaften Vorbild nicht mehr zufriedengeben. Er begibt sich konkret, erst mental, dann körperlich, auf eine Reise in die Vergangenheit. In einigen wirklich starken Sequenzen kommt dies wunderbar zum Ausdruck, z.B. als sich der junge Student Takó als Statist bei einem Film über den Holocaust ein Taschengeld verdient. Mit anderen "deportierten Juden" wird er immer wieder über eine Brücke getrieben, hin und her, bis der Regisseur zufrieden mit der Einstellung ist. Dann eine Anweisung und der aufgenähte Judenstern auf Takós Kleidern wird abgenommen und man gibt ihm eine Armbinde der Nazis. Durch einen Handgriff wird der Unterdrückte zum Unterdrücker. Ebenso eindrucksvoll ist die Fahrt einer eigentlich stillgelegten Straßenbahn durch Budapest, angeschoben nur durch die vereinte Kraft von Menschen. Ein leiser, und politisch originell inszenierter Film.
Empfehlung: ja (8/10)
Nr. 10 auf der 1966-Liste, zwischen "Blowup" und "Ein Mann und eine Frau"
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Cine Scene
#30
Geschrieben 12. Januar 2008, 09:59
Michael Haneke, Österreich, 1989
Drama
(VHS)
In drei Episoden beschreibt Regisseur Haneke den tristen Alltag einer österreichischen gutbürgerlichen Kleinfamilie, der von Arbeit, lust- und emotionslosen Gesprächen und allabendlichem Abhängen vor dem Fernseher bestimmt ist. Unfähig untereinander Gefühle zu zeigen, leben Mutter, Vater und Tochter nebeneinander her, bis sie eines Tages aus der festgefahrenen Familiensituation auszubrechen gedenken.
Michael Haneke ist der wohl zur Zeit konsequenteste Regisseur weltweit, menschliche Entfremdung in der heutigen Gesellschaft knallhart zu präsentieren. Schon in seinem Spielfilm-Debüt hier zeigt er eine unglaubliche, artistische Stilsicherheit. Die sich in den trostlosen bunten Farben der Bilder ausbreitende Kühle, die blutleer wirkenden Schauspieler (besonders Birgit Doll ist wunderbar), die kahle, harte Stimme, wenn aus Briefen an die Großeltern aus dem Off zitiert wird, der unvorhergesehene Schnitt, der Szenen gnadenlos unterbricht - all das ist unglaublich anregend anzuschauen und macht Hanekes nackte Inszenierung umso faszinierender. Äußerst humanes Kino, das zutiefst bewegt.
(10/10)
Nr. 1 auf der 1989-Liste
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