DIE TODESSCHWADRON (DEADLY FORCE)/ 21.05.2004/ VHS
Es verleiht einem das Gefühl von Sicherheit, wenn man das Bekannte und Gewohnte rezipiert, da man sich in einem Kosmos zurechtfindet, in dem die Dinge sich exakt so entwickeln, wie man es vorhersieht. So auch wieder hier. Sollte „wirklicher“ Eskapismus etwas nicht- gekanntes sein. Wenn ja, dann gebe ich mich ihm in solchen Fällen nur scheinbar hin, denn trotz der Ablenkung, die ich suche, so möchte ich doch gerne das Gefühl von Kontrolle haben. Dies habe ich aber nur, wenn ich weiß, was als nächstes passiert.
q.e.d.
ALIENS- DIE RÜCKKEHR (ALIENS)/ 22.05.2004/ VHS
Ein Mensch ist ein intelligentes Wesen,
eine Horde Menschen ist ein Haufen hysterischer Tiere.
Die Masse als Gefahr für das Individuum. Die Darstellung eines einzelnen, mythischen, über-/ nichtmenschlichen Gegners, der ver(w)irrte Kinder tötet bevor sie ihrer Initiation unterzogen werden oder vielleicht selbige durch den Tod erfahren, weicht einer Darstellung, die die Masse generiert, den „Overkill“, das Nicht- Fassbare aufgrund von Anzahl.
Hier haben wir ausgebildete Kampfmaschinen, bestens ausgerüstet für die Schlacht gegen das Nicht- Fassbare. Amerikanische Marines, die diesen Viechern „mal ordentlich in den Arsch treten“. Wenn solche Figuren der Bedrohung begegnen, dann muss sich auch das Nicht- Fassbare wandeln. Ein einzelnes, aus der jeweiligen Umgebung entwachsendes Wesen bietet da nicht mehr den geeignet projektiven Schrecken. Also muss einer Masse ihr jeweiliges Pendant gegenüber gestellt werden und Suspense wird durch Aktion ersetzt.
Die martialische Schau offeriert partiell immer noch ihre pubertären Ursprünge. Der Wunsch nach Zerstörung diktiert die Stimmung. Die Quantität siegt über die Qualität. Das Wesen erlangt seine Übermacht nicht durch seine Fähigkeiten, sondern durch seine Überzahl. Durch die bedrohende Masse wird jede Kampfeinheit aufgerieben. Egal wie viele Monster ausgeschaltet werden, sie greifen weiterhin in Armeestärke an.
Das Spiel mit der Erwartungshaltung (freilich für diejenigen, die das Original kennen) ist ein weiteres, auffälliges Merkmal. Die elegische Ruhe zu Beginn muss dem infernalischen Chaos weichen, Roboterfeinde werden zu Menschenfreunden, das Geheimnis des Ursprungs des Wesens weicht einer Auflösung aus dem Bienenreich.
So kommt es zum Kampf der Mütter: Königin vs. Rambolina.
Die Apokalypse als Erlösung von menschlicher Ambivalenz? In der Welt Camerons durchaus vorstellbar, doch diesen Gedanken kann ich zurzeit nur unvollständig folgen, da ich selbst in der Ambivalenz stecke, die Apokalypse als Abenteuer wahrzunehmen. Zu sehr gibt sich das Werk gegen Ende dem Sensationseffekt, dem Spektakel hin.
Das möchte ich bei einer kritischen Auseinandersetzung aber nicht und so könnte man Herrn Cameron die alte Weisheit ans Herz legen. In pluribus unum.
DER ERBE (L’ EREDE/ L’ HERITIER)/ 23.05.2004/ VHS
Bart Cordell war seit jeher ein Gewinner. Klassenbester, Harvardstudent, Frauenschwarm. Regisseur Philippe Labro wagt sich ganz schön weit aus dem Fenster, wenn er die Geschichte dieses Mannes erzählt, der von seinem Vater ein Zeitungs- und Stahlimperium erbt, da dieser unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf eine wirtschaftspolitische Intrige internationalen Ausmaßes und gerät schließlich selbst in Gefahr.
Vor 6 Jahren noch empfand ich diesen Film als Meisterwerk. Sicher stand CITIZEN KANE bei der Zeichnung von Bart Cordell und seinem Leben Pate, doch Labro arbeitet mit vielen Verschachtelungen, Rückblenden, fragmentarischen Erinnerungsfetzen und Imaginationen der Figuren, die er alle flüssig in die narrative Struktur einbettet und somit ein komplexes Bild der Hauptfigur zeichnet. Dies macht er so gekonnt, dass der Film auch heute noch hochmodern wirkt. Der Einsatz der Parallelmontage, der es erlaubt über gewisse Filmstrecken permanent in den Zeitebenen zu springen, während die Dialoge aus einer Ebene zu hören sind, erscheint experimentell, manchmal aber auch etwas aufgesetzt und unnötig (erinnert im Schnitt an Eisensteins Arbeiten der 20er).
DER ERBE ist ein Spielen mit den Möglichkeiten des Mediums. Das sich thematisch dahinter auch noch ein interessanter Wirtschaftskrimi verbirgt, gerät bei dieser Vorgehensweise leider ein ums andere mal in Vergessenheit. So lässt mich die Auflösung doch etwas unzufrieden, auch wenn Labro mit seinem „Zirkelschlussende“ die Fortführung der Ereignisse andeutet, allerdings ohne Fortsetzungsgedanken.
Die Farben des Filmtitels sind grell und wirken irgendwie nicht passend in die frühen 70er. Überhaupt provoziert Labro mit dem Vorspann. Gleich zu Beginn erscheint Cordell übermächtig, wird uns als Weltmann präsentiert, der überlegen über jeder Situation scheint und seinen eigenen Kopf hat. So ein Mann darf die Macht nicht lange innehaben. Die Figuren, Dialoge und das Ende haben einen Hang zum Nihilismus.
Wahrscheinlich war es diese Stimmung, die mich damals so gefesselt hat und jetzt irgendwie nicht mehr erreichen konnte. So rutscht ein Film vom Meisterwerk zum guten Film. Eine weitere Sichtung scheint von Nöten.
EINE WOLKE ZWISCHEN DEN ZÄHNEN (UN NUAGE ENTRE LES DENTS)/ 24.05.2004/ VHS
Schon lange nicht mehr so was Abgebrühtes gesehen.
Malisard und Prévot sind die dunkle Seite der „rasenden Reporter“. Sie würden über jeden Verletzten steigen, um die Leiche dahinter zu fotografieren. In einer verrosteten Blechkalesche rasen sie durch Paris, immer auf der Suche nach dem Skandal, der Sensation, dem absoluten moralischen Verfall.
Angetrieben von einer Chefredaktion, der kein Eisen zu heiß sein kann und die ganz genau weiß, was ins Herz des Lesers geht. Ein Erdbeben mit 600 Toten, uninteressant. Ein Überfall auf einen Juwelier, langweilig. Ein Baustellenunglück aufgrund von Fehlkonstruktionen mit Dutzenden Toten und Verletzten, könnte Ärger mit Behörden geben.
Nein, Kinder sind das, was unsere Gesellschaft ins Herz trifft. Am besten entführt, vergewaltigt und anschließend rücksichtslos ermordet. Das ist immer gut für eine emotionale Ausbeutung des Lesers. Und so jagen Malisard und Prévot in den dunklen Gassen von Paris den schwarzen Mann, ohne zu merken, dass sie sich selbst verfolgen.
Eine bissige Mediensatire, manchmal etwas verworren, surreal anmutend, über entführte Kinder, schwule Bodybuilder, überfahrene Omis und entlaufene Elefanten.
Malisard und Prévot beim Aufscheuchen von Strichern