El Marioachi II aka Single Action aka Simple Action
1997
Carlos Gallardo, der Mariachi aus dem 1. Teil, dachte sich, in einer mexikanischen Würfelbude sitzend, dass er doch eigentlich auch einen prächtigen Realizador abgeben würde. Und so kaufte er auf dem Wochenmarkt in San Cristóbal de las Casas einem alten dreckigen Penner das Drehbuch zu "Simple Action" ab.
Die Beschreibung der Landbevölkerung und die authentische Gestaltung ihres natürlichen Lebensraums ist Gallardo auch sehr gut gelungen. Doch es sind eigentlich die Kleinigkeiten, die diesen Film groß machen: blöd in die Kamera grinsende Statisten, Einschußlochexplosionen bevor irgendwelche Pistolen etc. überhaupt abgefeuert werden und die völlig wahnwitzige Nutzung großkalibriger Waffen. Anscheinend gehören rückstoßfreie Einmannschulterwaffen zur Standardausrüstung der mexikanischen Dorfmilitia.
Während der Sichtung dieses filmischen Kleinods (welches ich als Zugabe zu einer spanischen Tageszeitung hinterhergeworfen bekam) mußte ich mich an eine Geschichte meines alten Freundes Apo Calypso erinnern, die dieser nach einer mündlichen Überlieferung schriftlich fixiert hatte:
"Großschüttdorf liegt im Süden eines der demokratischsten Länder der nichtslawischen Ostzone. Der Bürgermeister erteilt dem neugierigen Wandersmann gern und stolz die Auskunft, daß eben dieses Kaff ungefähr 183 Seelen zählt. Dazu kommen die Honoratioren des Dorfes, wie da wären der Apotheker, der Arzt, der Lehrer und der schon erwähnte Dorfschulze; manchmal gesellt sich auch der Pfaffe dazu, doch der ist Vegetarier oder schwul, und was genaues weiß man nicht, und das ist gut so. Einen Trottel besitzt das Dorf auch, nämlich seit dem Schweinesiggi sein Sohn, was der Theo ist, ein Ziegel vom Rinderstahl auf das Grützenhirn gefallen war, was ihn verwirrte auf Ewigkeit und zum Gottgefallen. So geschehen beim großen Sturm vor 3 Jahren, als auch die Gundel vom Konsum geworfen hatte. Das war ein garstig Schreckensjahr.
Die Geschichte, die hier erzählt werden soll, spielt allerdings anderthalb Kilometer von Großschüttdorf entfernt und zwar im sogenannten Unterdorf, wo Jürgen der Traktorist und sein Vater, was der alte Gebauer ist, wohnen. Aber nicht dahin zieht's die Oberdörfler, sondern in das sehr beliebte Ausflugsziel Hirschgrund, wo der trockenen Kehle Linderung und Heilung besorgt wird. Da steht das Wirtshaus "Zur letzten Kiepe Holz". Dort schenkt die Franzmeyer Susi den wundervollen Hopfensaft aus der fernen Kreisstadt aus und Selbstgebrannter wird zur späten Stund' gereicht. Gäste sind ausschließlich Einheimische, bis auf ein paar Hundlinge aus Trötendorf, welche einmal im Jahr zur Kirmes einkehren und gar kräftig was ins Geglotze bekommen von den strammen Burschen aus Großschüttdorf. So war es schon zur Zeit der Vorväter und so wird es immer sein bis zum Tag der jüngsten Zeche. Vor zwei Jahren zog hier auch eine Montagebrigade durch, was die Wasserleitung erneuert hat, aber die hatten noch nicht ihre Halben in den dreckigen Schlund gegossen, da kamen schon die Schüttdorfer gesprungen und haben's dem städtischen Proletenpack besorgt. Dem Erlenbauer seinem Ältesten, der ward Hansi geheißen, hat's damals das linke Augenlicht gekostet. Doch wie sagt der Volksmund, 4 Wochen war der Hansi krank, dann soff er wieder, Gott sei Dank.
Also, an diesem Abend, als das Verhängnis seinen Lauf nahm, waren wieder tiefgraue Wolken über'n Hirschgrund aufg'zogen, und die Bauern rückten an den Tischen zusammen und sprachen gar leise, weil's alle an den fürchterlichen Sturm gedachten, der welcher dem Theo die Blödheit und der Gundel einen Wechselbalg beschert hatte. Die Schenke war angenehm warm vom Rauch der Pfeifen und vom lustig knisternden Feuer im Kamin. Die Susi hatte vorsorglich die Fensterläden geschlossen und die Außenlampe angezündet, welche dem einsamen Wanderer rettender Lichtpunkt in der finst'ren Nacht sein sollte. Zu dieser Zeit saßen am Stammtisch: der Schultheiß, was der Hubert ist und sein Stiefsohn, der Joachim, außerdenen der Großbauer Ludewig mit seinem Spanner Siegfried und dem Knecht Martin Hansen. Sie waren ein wenig bezecht und Siegfried mußte schon so manche Rüge hinnehmen, weil er seinen Halben nicht g'schwind genug runtersoff. Hubert machte sich zwar Sorgen, was das Gemüt des Siggis vernebelte, wohl wußte er aber auch, daß sowohl der Siggi wie auch er gut schütten konnten und meist den Rest der Runde unter den Tisch gesoffen hatten, wenn die Susi sprach, daß es genug sei für den Abend und man sich endlich packen sollte. Der Hubert war sonst nicht zu beneiden, weil sein Sohn, also sein richtiger Sohn von der Lindengrätziger, der ward Hans geheißen, weil eben jener Sohn in die Stadt gezogen war und hatte promoviert, oder wie das heißt, und arbeitete itzt bei der Eisenbahn in einer guten Stellung, welche irgendwann eine saftige Pension einbringen würde. Aber sein Vater war ihm nicht mehr fein genug und so verachtete er die Dörfler und hatte auch noch keine Frau, was wahrscheinlich hieß, daß er ein gottverdammichter Grasfresser oder schlimmeres ist. Doch genug davon.
Der Joachim war dem Hubert, wenn auch nicht leiblicher, so doch Lieblingssohn. Er war zwar nur der Stiefsohn und früher riefen ihn die anderen Burschen im Dorf Fickfehler oder blöde Waldsau, und auch die Madels mochten von seiner ausgeprägten Männlichkeit nicht kosten, aber seit dem Neckrudi der Deckhengst durchgegangen war, und der Joachim das Viech wieder hat einfangen können mit die bloßen Händ', da ward er der Held und dem Schulzen schwoll die Brust vor Stolz, wenn die anderen Bauern anerkennend tuschelten und die Weibsleute sagten, da schau, was für ein Mannsbild. Durch diese glückliche Fügung des Schicksals wählte sich der Joch eine Maid aus, und zwar dem buckligen Förster seine Tochter, was die Hilde ist. Und zack-zack, hast du nicht gesehen, ward der Hilde ein Braten angesetzt und die Hochzeit stand ins Haus.
Doch will ich nicht zu weit von der Geschichte wegschreiten, weil schon die nächste Runde kommt. Weiß schäumt das Bier in den Krügen und die Männer blecken sich die Zähne.
"Nun denn Bua, saufts das die Schwarte kracht. Der Sturm kann uns am Darme lecken, solange die Susi noch einen Tropfen im Faß hat!" sagte der Schultheiß und hob den Krug an den Schlund.
"Ja Vatta, paß er auf, daß er sich nicht wieder bekotzt und ausschaut wie die Schweine in der Kuhle." sprach lachend der Joachim.
"Ungeratener Sauhund, duck er sich, sonst leg ich ihm die Fresse frei!" donnerte der Schulze und landete einen Schwinger in das dumme Gesicht seines Stiefsohns.
Aber so eine familiäre Diskussion ist kein gefährlich Ding,und so kratzte sich der Joch die Backe und soff seinen Krug leer, welchen er krachend in der Tischmitte aufschlagen ließ. Die Susi sprang zum Tisch und schalt sie elende Sumpfsäue, denen die Eier abgeschnitten gehörten, aber man solle sich doch versöhnen. Und so war der Zwist beendet wie er angefangen.
Doch dem Joch stand's Gemüt noch nach einem Wettkampf und so schrie er: "Wer will sich mit mir messen? Schaut's euch doch an: alte Furzhunde seid's, aber keine Biertrinker!"
Nun das ließen sich die Leut' am Tische nicht zweimal vorwerfen, und also war in weniger als einer Minute jeder Krug geleert. Der Martin verschluckte sich und bekotzte sich die teure Schlosserkombi. Ein großes Lachen ward im Saal, und so gab der Martin die nächste Rund, und alle waren glücklich, wie schon einen Tag nicht mehr. Da plötzlich öffnete sich die Tür, der Sturm blies hinein und ein Mann stand im Raum, den noch kein Aug' in Großschüttdorf geschaut hatte.
Und vor den Feldern des Dorfes lag die imperiale marsianische Eingreiftruppe und wartete auf ein Signal. To be continued...Aufgezeichnet im Jahre des Herrn 1987."