Der Monroe ihre dicken Hupen
#1
Geschrieben 17. November 2004, 16:39
Auf deutsch heißt dieser Hammer-Film ("Hammer" wie Peter Cushing und Christopher Lee) BESTIEN LAUERN VOR CARACAS und Regie führte Michael Carreras, der – wenn ich mich recht entsinne – lange Jahre Hammers Studiochef war und hier beweist, dass er auf diesem Posten wahrscheinlich besser aufgehoben war.
Es geht um einen Seelenverkäufer namens "Corrita", auf dem sich eine illustre Schar von Passagieren nebst ebenso illustrem Kapitän eingemietet hat. Einer der Passagiere hat sogar die deutsche Stimme von Woody Allen! Alle haben eine Leiche im Keller, außer dem Kapitän, der hat hochexplosive Fässer im Laderaum. Er möchte sich mit diesen Fässern den Lebensabend vergolden und sich in Caracas zur Ruhe setzen. Klar, dass die Besatzung meutert, als ein Sturm aufzieht und ein hüsches kleines Loch in den Wanst des Schiffes reißt. Alle wollen das Boot verlassen. Alle? Nein, nicht alle. Denn die verschworene Schar der Passagiere und ihr Kapitän haben eh nichts mehr zu verlieren und bleiben todesmutig (blöd?) an Bord. Bald muss man dann doch die Segel streichen. Chefkoch HurriCurri (der heißt wirklich so!) fällt über Bord und der Papa einer drallen Blonden namens "Unity" wird vom Haifisch totgebissen. Die Überlebenden gondeln nun eine Weile herum, wundern sich kaum über die fleischfressenden Algen, die im Wasser treiben und – BUMS – schon stößt man gegen das Schiff, dass man eben noch verlassen hatte, weil es ja jeden Moment in die Luft fliegen sollte. Es ist auf eine Sandbank gelaufen, überall Algen, gelber Nebel und bald auch pappige Krakenmonster. Und als dann auch noch Menschen mit Schlauchbootschuhen und Ballons auf den Schultern ankommen, die unter der Fuchtel eines Ku-Klux-Klan-Mützenträgers einen holden Jüngling zum Schreckensherrscher stilisieren, der die arme Landbevölkerung terrorisiert, ist die Kacke am dampfen...
Ein sehr sachlicher Monsterfilm: Keine Sau wundert sich über irgendwas! Ein Meer in dem die Frösche jubilieren? Na und? Riesenkraken, -krabben und -skorpione? Logisch, wir liegen ja vor Caracas! Menschen, die leben wie in der Inquisition? Noch nie was von unterschiedlichen Zeitzonen gehört, was? Leider braucht der Film eine Ewigkeit, bis er in die Pötte kommt und dann geht alles viel zu schnell. Hallo, Herr Carreras: In einem Film der BESTIEN LAUERN VOR CARACAS heißt, will ich Bestien sehen und zwar reichlich! Hildegard Knef allein befriedigt meine Gier nach Sensationen nicht! Die Atmosphäre stimmt, die Aufnahmen sind gelungen, die Monster – darunter ein extrem unüberzeugender Vorläufer des "Sarlacc" aus RETURN OF THE JEDI – liebevoll billig, die Story ordentlich abstrus – aber man fragt sich, was Carreras aus diesem Stoff eigentlich machen wollte: Citizen Kane on a boat? Mondo Cane ohne Hund?
Für Hammer-Fans Pflicht – auch wenn THE LOST CONTINENT in dem recht stilsicheren Oeuvre der Studios ein echter Tiefpunkt ist – für Freunde von Eurotrash gibts auch ein paar gefundene Fressen (z.B. die Knef und Hammers Faktotum Michael Ripper mit Narbe auffem Auge) und Monsterfilmfans können die erste Hälfte ja überspringen - auch wenn die mit Sicherheit besser inszeniert ist als die zweite.
#2
Geschrieben 18. November 2004, 16:25
Howard Hawks kenne ich eigentlich als Westernregisseur und als Vorbild von John Carpenter, mit MONKEY BUSINESS, zu deutsch LIEBLING ICH WERDE JÜNGER, hat er aber auch eine Komödie auf dem Konto – und eine gelungene dazu! In Deutschland wird die DVD als Marilyn-Monroe-Vehikel vermarktet, was angesichts ihrer kleinen Rolle eher dreist ist. Vor mit einem Superstar wie Cary Grant als Hauptdarsteller in petto, fragt man sich schon, was das soll. Der Logik zufolge müsste DIE WIEGE DER SONNE später mal in der Tatjana-Patitz-Collection erscheinen ...
Naja, jedenfalls geht es um einen alternden, schusseligen Professor (souverän wie immer: Grant himself), der an einem Mittelchen zur Verjüngung herumexperimentiert. An zwei Schimpansen soll das Mittel getestet werden. Durch überaus schlampige Laborführung kann sich aber einer der Affen befreien, ein neues Mittel mixen und dieses sogleich ins Trinkwasser kippen. Jeder, der in der Folge das vermeintliche Wundermittel trinkt und sich ob des bitteren Geschmacks desselben ein Glas Wasser gönnt, wird vom groben Unfug niedergerungen und führt sich in der Folge auf wie ein pubertierender Sausebraus. Grant erwischts als ersten: Er kann wieder sehen, kauft sich Sportsakko und -flitzer und post wie ein König vor der üppige Hupen spazierentragenden Monroe herum, bis die Wirkung schließlich wieder dahin ist und Grant den schicken Flitzer vor die Mauer setzt. So geht das weiter, bis am Ende schließlich das große Chaos ausbricht – aber doch noch alles gut wird.
Ein lustiger Film, dessen Thema stark an heutige Körpertausch-Klamotten erinnert. Wo diese aber mit der Sensibilität eines tollwütigen Nilpferdbullen ihre tumben Moralvorstellungen ins Ziel prügeln, überzeugt MONKEY BUSINESS mit Altersweisheit. Statt mit der üblichen generationenversöhnenden Schmonzette aufzuwarten (Erwachsene erkennen, dass das Leben ihrer Sprösslinge nicht immer nur ein inneres Zuckerschlecken ist; Sprösslinge werden der schweren Bürde des Elterndaseins gewahr und am Ende wollen alle ganz lieb zueinander sein) wird hier schön die Debilität jugendlichen Humor- und Amüsemangverständnisses durch den Kakao gezogen.
Cary Grant und seine Ehefrau Ginger Rogers sind wirklich so richtig nervtötend, wenn Sie im Jugendwahn herumtröten und beide sichtlich erleichtert, als sie sich wieder normal gebärden dürfen. So wirkt der Film gerade im heutigen Jugendwahn- und Anti-Aging-Sumpf äußerst wohltuend. Vieles ist ein bisserl naiv und die Klasse eines ARSENIC AND OLD LACE oder ONE, TWO, THREE erreicht MONKEY BUSINESS lange nicht, dafür ist er eine Nummer zu harmlos. Gemessen an dem Schmuh, der sich heute so "Komödie" schimpfen darf, ist er allerdings sehr erfrischend. Und, mein Gott, hat die Monroe dicke Dinger ...
#3
Geschrieben 03. Dezember 2004, 16:39
Ein Klassiker meiner frühen Jugend: Damals musste meine Mutter mir den Film in der Videothek ausleihen, da ich gerade mal zarte 12 – 14 war (vielen Dank an dieser Stelle an meine Mutter, die mir immer die fiesesten Machwerke ausgeliehen hat!). Ja, nicht alle US-amerikanischen Horrorfilme sind scheiße. Dieser hier ist sogar ziemlich vergnüglich und die Spezialeffekte sind auch heute noch nett anzuschauen. Was diesen Film von dem Teeniehorrorscheiß von heute abhebt, ist, dass er sich traut, ordentlich rumzusauen und sich dabei nicht zu Ernst nimmt, aber trotzdem seine Liebe zum Genre bekundet. Es steckt eine gehörige Portion Humor in diesem Film, im Unterschied zu solchen Heulern wie URBAN LEGENDS und Konsorten, die sich zwar pseudoironisch über alles lustig machen, aber bei soviel vorgetäuschter Cleverness gar nicht merken, wie blöd und langweilig sie eigentlich sind.
Zu den tollen Effektszenen gehören u. a.: Ein Junge wird vom Blob eingehüllt und onscreen verdaut, ein Mann durch einen Waschbeckenabfluss gezogen, eine Telefonzelle mitsamt dazugehöriger Insassin vom Blob zerdrückt, ein innocent bystander vom blob zermatscht... Herrje, es wird sogar ein Kind getötet! Und als wenn das noch nicht genug wäre, gibt's auch noch einen sehr lustigen Seitenhieb auf die damals schon etwas abebbende Jason-Welle. ("Ich dachte die Eishockeysaison wäre vorbei ..."). Vom Soundtrack tönt haarsprayiger, glattpolierter US-Hardrock, den ich in diesem Kontext sehr gerne höre, Kevin Dillon, der Redneck-Arsch aus PLATOON spielt den juvenile delinquent mit geil angeklebter Nackenfotze und für X-FILES-Fanatiker gibts auch ein bisschen hübsche Verschwörungsparanoia. Alles in allem ein toller Film für einen lustigen Abend - aber selbstredend keine Kunst!
#4
Geschrieben 03. Dezember 2004, 17:00
Diesen Film habe ich jetzt endlich gesehen, nachdem ich ihn vor einigen Jahren beim Fantasy-Filmfest leider verpasst habe. Er hat vom deutschen Verleih einen doofen englischen Titel drauf gedrückt bekommen – RETURN FROM THE DEAD oder so ähnlich – den ich mir aber natürlich absichtlich nur halb gemerkt habe.
Zur Sache: Das thailändische Paar Mak (das ist der Mann) und Nak (die Frau) ist in unsterblicher Liebe entflammt. Sie leben zusammen in bäuerlichen Verhältnissen am Rande des Urwalds in einer kleinen Hütte. Sie ist schwanger von ihm und er muss in den Krieg ziehen. Als er wiederkommt, hat er zwar Schreckliches erlebt, aber er lebt und seine Frau hat ihm mittlerweile ein Kind zur Welt gebracht. Alles scheint gut zu werden, doch etwas ist faul im Staate Dänemark ...
Das war (angeblich) der erste thailändische Film, der im asiatischen Ausland im Kino lief. Er gilt auf jeden Fall als einer der erfolgreichsten thailändischen Filme und das völlig zu Recht. In wunderschönen Bildern und mit großer Behutsamkeit wird hier die todtraurige Geschichte von Mak und Nak erzählt. Um etwas präziser zu werden: Es geht um Liebe, die über den Tod hinausgeht und um den Abschied. Das Ganze ist zwar mit starkem Überhang Richtung Liebesfilm erzählt – wer bei dem "deutschen" Untertitel einen Zombieknaller erwartet, wird also herb enttäuscht –, fesselt aber trotzdem von der ersten bis zur letzten Minute. Verantwortlich dafür ist zum einen das exotische Anbiente des Films, das für den Asien-unkundigen Zuschauer sowieso den Hauch des Mystischen mitbringt, die ungekünstelt agierenden Schauspieler, die um so überzeugender sind, als wir sie noch nie gesehen haben, aber auch die Ernsthaftigkeit mit der diese Geschichte erzählt wird. Unter der Regie eines westlichen Regisseurs wäre sie sicherlich zur absoluten Schmonzette verkommen (mit Patrick Swayze in der Hauptrolle).
Am Ende musste selbst ich, Trash-, Splatter- und Sleaze-geschulter Videoholiker, ein kleines Tränchen im Knopfloch verdrücken und meine Freundin ganz dolle herzen. Ein wunderbarer Film!
#5
Geschrieben 13. Dezember 2004, 17:05
Hilfe, hilfe, ich komme mit dem Schreiben nicht mehr nach! Da sich die Filmlust in den vergangenen Wochen mal wieder antiproportional zur Freizeit verhält, gerät die Führung meines Filmtagebuchs etwas ins Hintertreffen. Das alles führt zu dem Ergebnis, dass ich zu den meisten Filmen doch meine – mit fast 30 Lenzen ebenfalls ins Hintertreffen geratende – Erinnerungsgabe zu Rate ziehen muss, um etwas zu den Filmen zu schreiben. HITCH-HIKE z. B. habe ich vor etwa zehn Tagen gesehen. Natürlich nicht zum ersten Mal: Als italophiler (Grüße auch an cjamango!) Filmseher kannte ich den natürlich schon als DER TODES-TRIP und auch das Kinoplakat, das der Titel ziert WENN DU KREPIERST – LEBE ICH verschönte einst meine Zimmerwand. Genug der Klugscheißerei, worum gehts?
Das Ehepaar Franco Nero und Corinne Clery – er erfolgloser Alibi-Journalist, sie reiche Industriellentochter – fahren mit Auto samt Wohnwagen durch die USA. Beide haben ein eher merkwürdiges Verhältnis zueinander, das nur völlig illusionslose Brutalrealisten als Liebe bezeichnen würden. Franco Nero will immer nur poppen, besäuft sich sonst und macht sich dabei zum Affen oder reißt seiner umwerfend hübschen Gattin gegenüber nur mäßig freundliche Sprüche. Als sie den virilen Hansdampf David Hess (wie das Anchor-Bay-DVD-Cover treffend sagt: "of LAST HOUSE ON THE LEFT infamy") als Beifahrer mitnehmen und dieser sich als gemeingefährlicher Gefängnisflüchtling und Bankräuber entpuppt, geht so richtig die Luzie ab.
Der Film reiht sich nahtlos in die Reihe brutal-sozialkritischer Reißer ein, die Italien in den 70ern mit schöner Regelmäßigkeit zustande brachte. Weitere Beispiel wären etwa DER SCHLITZER – von Deodato (of CANNIBAL HOLOCAUST infamy) und ebenfalls mit Hess oder NIGHT TRAIN MURDERS von – grübel, grübel – ich glaube, Aldo Lado. Mit den meisten dieser Filme teilt auch HITCH-HIKE die Eigenschaft, ideologisch höchst ambivalent aufzustoßen. Will sagen, die Filme werden von der diagnostizierten Bösartigkeit der Gesellschaft selber infiziert. Man denke auch an Oliver Stones NATURAL BORN KILLERS, dem ähnliches vorgeworfen wurde. So ist das Frauenbild der beiden männlichen Protagonisten in HITCH-HIKE an Niedertracht kaum zu überbieten. So weit, so gut. Doch Festa Campanile zwingt dem Zuschauer dieselbe Perspektive auf.
Weniger zimperliche Zeitgenossen werden an der schönen Regelmäßigkeit, mit der die zuckersüße Corinne Clery ins Unkraut gedroschen wird und dabei jedesmal – huups! – ihr kleines Höschen präsentiert, sicher ihre helle Freude haben und nicht merken, dass da was nicht stimmt. Auch die Szene, in der Hess die Clery vor den Augen des hilflosen Nero vergewaltigt und sie dabei nach anfänglichem Widerwillen doch noch einen Orgasmus bekommt, ist diskutabel. Generell ist Campaniles Menschenbild in diesem Film aber viel zu schlecht, um daraus einen flotten Jokus zur männlichen Handgelenksgymnastik zu machen. Wer dennoch Hand anlegen möchte, setzt sich am besten zwischen Nero und Hess auf die Rückbank und diskutiert mit Ihnen über Erziehung, Homosexualität und Männlichkeit. Dann ist er auf jeden Fall in guter Gesellschaft.
Ein faszinierender, wenn auch streitbarer Film, der – das sollte nicht verschwiegen werden – technisch einwandfrei ist: Die Bilder, die die Kamera malt, sind wirklich einmalig und heben den Film über stumpfen Sleaze weit hinaus. Für einen schönen Filmabend mit Freundin vielleicht nur suboptimal geeignet –
auf jeden Fall sollte Bereitschaft zur Diskussion mitgebracht werden.
#6
Geschrieben 14. Dezember 2004, 16:17
Ja, ich weiß, eine Trilogie in einem Abwasch abzufertigen zeugt weder von großer Kulturbeflissenheit, noch entspricht es den Bräuchen dieses Forums. Aber es gibt doch ein paar gute Gründe, so vorzugehen:
1. Ich habe gar keine Zeit, jedem Teil einen eigenen ausführlichen Eintrag
zu widmen.
2. Ich habe die Teile nicht gut genug verstanden, um zu jedem Einzelnen
genug zusammenzubringen.
3. Den ersten Teil habe ich vor geraumer Zeit gesehen, weshalb ich eigentlich
gar nix über ihn sagen dürfte – er gehört aber untrennbar dazu.
4. Und entscheidend: Ich will die drei Filme hier als einen betrachten, weil ich mich fortwährend gefragt habe, warum diese drei Teile eigentlich drei Teile sind, während ich mir 2 und 3 zu Gemüte geführt habe. Hier geht es also eher um eine Meditation darüber, was die drei Teile der Trilogie miteinander verbindet. Und um das Wesen der Trilogie an sich (hüstel, hüstel).
Man kennt ja eine Menge Trilogien, Quatrologien, Pentalogien, was auch immer. Einige hängen inhaltlich zusammen, manche erzählen dieselbe Geschichte einfach nur immer wieder neu, andere sind eigentlich ein Film, der aus ökonomischen Gründen in mehrere Teile gesplittet wurde. Dabei fällt auf, dass sich die erste und die dritte Gruppe nicht richtig voneinander trennen lassen. Erzählen die STAR WARS-Trilogie und die MATRIX-Trilogie eine Geschichte, die aus mehreren voneinander getrennten Abschnitten besteht, oder ist es eine Geschichte, die nur in kleinen Häppchen dargereicht wird? Wie unterscheidet sich die STAR WARS-Trilogie von der LORD OF THE RINGS-Trilogie? Klar, erstere hat zumindest nach dem ersten Teil ein mögliches, echtes Ende. Außerdem wage ich zu behaupten, dass die Storys für Teil 2 und 3 bei STAR WARS nicht schon auf Lucas' Tisch lagen, auch wenn das immer behauptet wird.
Bei den typischen Horror- und Action-Sequels ist der Fall klar: Da denkt sich einer einfach noch mal ne Geschichte mit denselben Figuren aus, um Kasse zu machen, auch wenn manchmal auch ein Teil der Geschichte des Originals weitergesponnen wird. Viele Sequels sind aber auch nur im Namen Sequels. Man denke z. B. an die unzähligen HOWLING-Filme, die mit dem Original nur die Werwolf-Thematik teilen, sonst aber keinerlei inneren Zusammenhang aufweisen. Sequels sind aber manchmal auch Remakes: siehe THE RETURN OF THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE.
Was ist denn dann der kleinste gemeinsame Nenner, den alle Sequels mit dem Original teilen? Nun, ich wäre versucht zu sagen, dass es das Genre ist: Auch wenn es leichte Modifikationen geben mag, ist doch schwer vorzustellen, dass dem Horror-Teil-1 eines Films mit Teil 2 die Liebskomödienumsetzung folgt, oder? So, jetzt wären einige Charakteristika von Trilogien bzw. Mehrteilern aufgezählt. Der Clou: Keines davon passt zur DEAD OR ALIVE-Trilogie!
Der Reihe nach:
DEAD OR ALIVE: Zwei Erzrivalen, der eine Yakuza–Boss und Killer (Riki Takeuchi), der andere Polizist, dessen Familie von ersterem umgebracht wurde (Show Aikawa). Am Ende stehen sich beide gegenüber. Nachdem sich Dead or Alive bis zum Showdown doch eher in düster-realistischen Mafia-und-Polizei-Film-Regionen aufhielt, folgt im Finale der totale Umschwung: Der Zweikampf erreicht überspitzte Manga-Gefilde, das Treffen der beiden endet mit einer Atombombenexplosion, die die Erde verwüstet, und die wir aus dem All bewundern dürfen.
DEAD OR ALIVE 2: Ein Killer (Show Aikawa) soll im Auftrag einen Bandenkrieg durch eine gezielte Erschießung anzetteln. Ein anderer Killer (Riki Takeuchi) kommt ihm zuvor und legt gleich alle um. Show muss sich verflüchtigen und sucht Riki. Beide begegnen sich auf einem Schiff, erkennen, dass sie tatsächlich Brüder sind (?), fahren in ihre alte Heimat, treffen ihren Jugendfreund, führen ein Theaterstück auf, beschließen, Verbrecher für Geld umzulegen, um dafür afrikanische Kinder zu retten, beiden wachsen Flügel und beide sterben am Ende.
DEAD OR ALIVE 3: FINAL: Japan im Jahre 20irgendwas. Der Präsident von Japan macht die Menschen mit einer Droge zur Geburtenkontrolle gefügig. Wer die Droge nicht nimmt, muss mit Sonderbehandlung rechnen. Sein Scherge ist Riki Takeuchi, der auf der Suche nach einer Rebellengruppe ist. Show Aikawa kommt ihm zuvor, als Riki ein Kind festnehmen will, das zu den Rebellen gehört. Es stellt sich heraus, dass Show ein Replikant ist. Die Rebellengruppe wird langsam aber sicher dezimiert, bis nur noch eine Frau, das Kind und eben Show übrig sind. Riki muss indessen feststellen, dass auch er und seine ganze Familie Replikanten sind. Am Ende dann, wie in Teil 1, der Zweikampf. Doch siehe da: Beide vereinigen sich in einem Monster mit Peniskopf, einem Roboterwesen, dass auf den Namen "Dead or Alive Modell 2001" hört. Sie sind zwei Seiten einer Medaille. Ende.
Diese Inhaltsangaben sind nicht gerade aussagekräftig: Vor allem das Verständnis von Teil 2 litt extrem unter den völlig kryptischen englischen Untertiteln. Aber warum sich mir die Frage stellt, warum diese drei Teile zu einer Trilogie zusammengefasst wurden, sollte klar geworden sein. Wie gesagt, keines der obigen Kriterien einer Trilogie passt. Die Teile 2 und 3 stellen keine inhaltliche Fortsetzung von Teil 1 dar, es gibt eigentlich überhaupt keinen echten inneren Zusammenhalt. Es werden auch nicht Figuren erneut aufgegriffen: Zwar treten in jedem Teil dieselben beiden Hauptdarsteller auf, die auch ähnliche Rollen spielen, aber es sind doch jedesmal andere Figuren, die sie verkörpern. Und noch nicht einmal das Genre bleibt: Teil 1 ein Yakuza-Cop-Thriller mit kosmologischer Wende, Teil 2 Tragikkomödie mit Heroic-Bloodshed-Einschlag, Teil 3 Science-Fiction-Action-Film.
Der Verdacht, Miike wollte mit einem erfolgreichen Titel mehrmals Kasse machen zieht auch nicht, denn es wäre sicherlich einfacher gewesen eine angemessene "echte" Fortsetzung für DOA zu inszenieren. Man merkt den Filmen auch an, dass sie zusammengehören: Das Thema Gut vs. Böse, die Gegensätze von Leben und Tod, Schuld und Unschuld, Kindheit und Erwachsensein treten klar hervor. Es scheint sich bei den drei DOA-Teilen um so etwas wie eine kosmologische Trilogie zu handeln: Einige der wichtigsten Grundfragen menschlicher Existenz werden hier in ganz unterschiedlichen Zusammnehängen durchgespielt, mal die Betonung eher auf das Tragische, dann wieder auf das Komische, dann auf das Grausame gelegt.
Am Schluss steht dann soetwas wie die Relativierung des Dualismus: Ja, es gibt zwei Seiten, aber beide gehören eben zusammen und sind nicht getrennt denkbar. Das ist ganz gewiss keine neue und noch weniger eine besonders originelle Sicht der Dinge. Aber es ist schon interessant, wie Miike dieses Thema ganz unterschiedlich entwickelt und einen – gerade weil es sich um eine Trilogie handelt – mit Spannung darauf warten lässt, wo die Fäden denn nun zusammenlaufen.
Für sich genommen, sind die Filme durchaus diskutabel: Teil 1 ist der rasanteste und beste, Teil 2 fällt nach ebenfalls rasantem Einstieg ziemlich ab und leidet etwas an dem Bruch der Erwartungen, den er vollzieht. Dafür gelingen ihm aber wunderbar melancholische und lustige Momente. Teil 3 geht wieder mehr in Richtung des ersten Teils: Mehr Action, mehr schräge Einfälle – generell ist die Geschichte aber von allen am wenigsten überzeugend, wirkt teilweise fast B-Movie-haft (was ja eigentlich nichts Schlechtes ist). Jeder Teil für sich funktioniert zwar, aber ihren eigentlichen Reiz beziehen sie eigentlich erst durch ihre Konstellation.
#7
Geschrieben 14. Dezember 2004, 16:51
Ich muss ja sagen, dass ich durchaus skeptisch war, was diesen Film anging, und das gleich aus mehreren Gründen: Zunächst einmal kann ich die allgemeine Euphorie über die neuen Marvel-Verfilmungen nicht teilen. Die beiden X-MEN-Filme sind sicher nicht schlecht – die Umsetzung der einzelnen Figuren ist ganz gut gelungen –, aber doch auch irgendwie merkwürdig leer und steril – leblose Plastik-Gülle. Den DAREDEVIL wollte ich mir gar nicht erst angucken – igitt, der Affleck – und die Umsetzung der anderen Figuren – Bullseye, Elektra und Kingpin – hat mich in diesem Entschluss nur bekräftigt. HULK und SPIDERMAN haben mir gut gefallen, wobei ich den formal etwas interessanteren HULK dem konservativer erzählten –
dafür unterhaltsameren – SPIDERMAN vorziehe.
Ein weiterer Haken ist das mittlerweile nahezu vergessene Punisher-Dolph-Lundgren-Vehikel von 1988, dass ein absolutes Comicverfilmungshighlight und einen der letzten richtig knackigen Actionkracher im splatterigen 80er-Jahre-Stil darstellt. So garstig würde der neue Multimillionen-Dollar-Punisher sicherlich niemals werden. Oder doch? Nun ja, die Frage kann man so oder so beantworten. Richtigen Splatter gibt es im aktuellen PUNISHER nicht, aber brutal ist er, mein lieber Herr Gesangsverein. Man fühlt sich fast an solch selige Zeiten erinnert, als Männer in Actionfilmen noch echte Kerle waren, und Schufte eben Schufte, die man nicht erst lange über ihre Rechte aufklärte, sondern möglichst nachdrücklich und ohne Umwege über den Jordan beförderte. Vor allem am Ende dreht der Punisher richtig auf und lässt kein weißes Hemd unblutig.
Aber es gibt auch Kritikpunkte: So braucht der Film – wie fast alle ersten Teile von Comicverfilmungen – einen Tick zu lange und eröffnet dann noch Nebenkriegsschauplätze, die schlicht unnötig sind. Dass der Punisher Freunde unter seinen Nachbarn findet – zwei Nerds und eine hübsche Blondine – wirkt lächerlich und deplaziert ob des rüden Grundtons. Man hat das Gefühl, die Macher wollten mittels dieser Slapstick-Elemente die Gewalt abmindern, was angesichts des Finales in dem ohne Rücksicht auf Verluste gequält und geschunden wird, sehr halbherzig wirkt. Was bleibt ist aber trotzdem ein gelungener Actioner mit B-Movie-Flair, eingen Härten, einem wie für Marvel-Filme üblichen, tollen Produktionsdesign (die Creditsequenz ist ein Traum!), und einem Wiedersehen mit Roy "Chief Brody" Scheider als Punisher-Papa. Da macht es auch nix, dass Tom Jane etwas zu schnuckelig ist, und John Travolta arg unterfordert wirkt.
Im Vergleich zum Dolph-Lundgren-Mark-Goldblatt-Punisher muss dieser hier aber aus einem weiteren Grund Federn lassen: Einem kleinen B-Movie verzeihe ich seine (vorlagenbedingte) reaktionäre Ausrichtung einfach eher. Es wirkt angesichts aktuellerer politischer Geschehnisse einfach etwas befremdlich, wenn der Held eines Multimillionen-Dollar-Spektakels was vom eigenmächtigen Bestrafen und Hinrichten von Verbrechern schwafelt. Ob das in Amerika nicht doch wesentlich ernster aufgenommen wird, als es vielleicht gemeint ist? Ich weiß nicht, ich weiß nicht ...
#8
Geschrieben 15. Dezember 2004, 16:50
Einer der vielen Horrorfilme aus den 80ern, bei denen man jedesmal denkt, dass der bestimmt nur in der Erinnerung so gut ist, und der einen dann doch immer wieder eines Besseren belehrt. Die Story ist ebenso kurz wie gut: Der Schüler Brewster beobachtet, wie in seinem Nachbarhaus ein merkwürdiger Herr (Chris Sarandon) samt Sarg einzieht. Wenige Tage später muss er erkennen, dass es sich bei seinem Nachbarn um einen Vampir handelt, der hübsche Damen zu sich einlädt, um sie wenig später per Müllsack zu entsorgen. Seine Freundin (Amanda Bearse, die Marcy D'Arcy aus EINE SCHRECKLICH NETTE FAMILE) und sein Freund (He gives overacting a good name – Stephen Geoffreys) glauben Brewster natürlich nicht, also wendet er sich an den abgehalfterten Ex-Horrorstar Peter Vincent (Roddy McDowell ohne Affenmaske), von dem er glaubt, dass er wirklich der Vampirjäger seiner Filme ist. Doch dieser wimmelt ihn ab. Als Brewsters Freunde jedoch spitz kriegen, dass er sich mit dem Gedanken trägt, den Vampir per Pfahl ins Jenseits zu befördern, können sie den arbeitslosen Vampirjäger überzeugen, ein kleines Schauspiel zu inszenieren, um Brewster von seinem Vorhaben abzubringen.Vincent soll beweisen, dass der Nachbar kein Vampir ist – mit genau den Mitteln, die diesen garantiert als Vampir enttarnen werden. Das Unheil nimmt seinen Lauf ...
Was an FRIGHT NIGHT überzeugt, ist die Liebe zum Horrorfilm, mit der hier zu Werke gegangen wird. Die einfache Grundidee, zu der sich Regisseur Tom Holland von "Peter und der Wolf" inspirieren ließ, wird mit maximalem Leben gefüllt und von tollen Schauspielern getragen. McDowell ist einfach klasse als Horrorstar im Abseits, und auch Sarandon schafft es, seinen Vampir gleichzeitig sexy und schmierig aber dennoch böse darzustellen – Gary Oldman hat das weniger gut hingekriegt. Der hübsche Subplot um den alten Horror, der zugunsten des neuen Horrors ausgemustert wird, ist perfekt umgesetzt worden. So arbeitet der Film mit ganz klassischen Elementen – den auf wenige Räumlichkeiten reduzierten Handlungsort, einer knappe Story ohne viel Firlefanz und Suspense-Elementen, die aus Hitchcocks REAR WINDOW entlehnt sind – und verbindet diese mit moderneren Elementen: Schriller Comedy, splatterigen Effekten, die jedoch niemals selbstzweckhaft sind, 80er Discomusik und einer actionreichen Auflösung des Ganzen.
Zugegeben: Nicht alle Effekte sind heute noch so überzeugend wie vor knapp 20 Jahren. Aber Anlass zur Häme geben sie auch nicht. Da gibt es neuere Filme, die deutlich älter (im doppelten Wortsinn) aussehen. Ich habe mich mal wieder blendend amüsiert – vielleicht sogar noch mehr als beim ersten Sehen.
#9
Geschrieben 16. Dezember 2004, 15:17
DVD ist schon was Feines! Man hat einen guten Grund, die ganzen tollen Filme, die man vor Jahren mal gesehen hat, noch einmal zu sehen, in Erinnerungen zu schwelgen, sie mit anderen (älteren) Augen zu sehen und sie in Zusammenhang mit anderen (jüngeren) Filmen zu bringen. Zum Beispiel TOTAL RECALL – einer der letzten Actionkracher alten Brauchtums. Ein Film, bei dem zum fast letzten Mal noch mal alles so war, wie man es von einem dicken Actionfilm erwartet: Gewalt, Effekte, hoher Blutverlust, Creative Killings und markige Sprüche. Und, was man nicht vergessen sollte, einer wirklich gelungenen Story. Ich hatte gestern das Gefühl, den Film eigentlich nie wirklich verstanden zu haben: Wat war denn gezz echt und wat nur gerecallt? Nun ja, zumindest das hat die Reife des Alters für sich: Man wird klüger... (Ob das auch für uns Arnie gilt, sei mal dahingestellt.)
Besonders gefreut hat mich neben den vielen splatterige Einschüssen vor allem die Szene, in der Quaid (Arnie) Besuch von diesem älteren Herrn ("Älterer Herr, vermiss dich sehr...") bekommt, der versucht, ihn davon zu überzeugen, dass er immer noch bei Rekall sitzt und sich weigert, aufzuwachen. Alles sei nur ein Traum. Er müsse nur die rote Pille nehmen, und alles würde gut. Hätte ich das mal vor knapp vier Monaten gewusst, als ich meine Magisterarbeit über die MATRIX-Trilogie schrub ...
Will mich jetzt gar nicht lange über den Film auslassen, den kennt ja eh jeder schon. Wenn nicht: Gucken. Ist Pflicht. Allein schon, um Leuten, die sich weigern zu glauben, dass das Jahr 1990 rein rechnerisch wirklich noch den 80ern zuzuzählen ist. Wer daran bei Ansicht der hier zur Schau getragenen Frisuren und Klamotten noch zweifelt, soll doch seine verdammten Eulen selber nach Athen tragen! Ach ja, ich vermisse übrigens die Zeiten, als man noch richtige Make-Up-Effekte zu sehen bekam und hier und da auch mal ein Dummy eingesetzt wurde. Aber die Zeiten sind wohl vorbei – heute wird gemorpht, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt.
#10
Geschrieben 16. Dezember 2004, 17:17
Ich muss zugeben, dass ich den Film beim ersten Mal ja eher langweilig fand, trotz aller visuellen Sperenzchen. Meine Meinung hat sich eigentlich nicht wesentlich verändert, trotzdem komme ich nicht umhin, den Film sympathisch zu finden. Sam Raimi verlässt sich nämlich nicht nur auf seine Effekte und die Zugkraft des Franchise, sondern bemüht sich, eine echte Geschichte zu erzählen, mit echten Figuren. Die Elemente, die von Charakteren getragen werden, funktionieren dann auch am besten: Die Entwicklung von Peter Parker zum Superhelden, seine Beziehung zu Mary Jane Watson – das alles ist wesentlich lebhafter und "echter" dargestellt als in anderen Comicverfilmungen – was aber nicht zuletzt an der Vorlage liegt.
Raimi nimmt sich viel Zeit, um die Genese Spidermans zu erzählen und diese Abschnitte sind auch das beste am Film. Man könnte Tobey Maguire stundenlang dabei zusehen, wie er versucht sein Leben zwischen Schulbank und Superheldendasein zu meistern und gleichzeitig das Herz seiner großen Liebe zu erobern. Das Problem ist der eigentliche Hauptplot: Der Kampf gegen den Green Goblin. Denn die Entstehung des Green Goblin sowie seine Pläne sind arg schablonenhaft und vermögen es nicht, den Zuschauer besonders zu involvieren. Der große Kampf gegen den Superschurken nimmt sich sogar eher klein aus gegen das Drama, dass sich da eigentlich abspielt. Es wirkt halbherzig – so als hätte Raimi eigentlich gar keine Lust gehabt, eine Comicverfilmung zu machen – in SPIDERMAN 2 wiederholt sich das ganze Spiel fast 1 zu 1 mit Dr. Octopus.
Generell versagt Raimi immer dann, wenn es darum geht, den Actionteil der Handlung voran zu treiben: Die Szene, in der Peter Parkers Onkel von einem Dieb erschossen wird, den Peter eben noch laufen ließ, ist haarsträubend unglaubwürdig. Vor allem, weil die Enthüllung des Mörders zum Spannungshöhepunkt dieser Sequenz gemacht wird, und das, wo doch Peter Parker wirklich der einzige ist, der noch nicht gemerkt hat, wer der Täter ist. Die Optik ist natürlich betörend: Schon die Creditsequenz ist ein Augenschmaus und auch die vielen stilistischen Annäherungen an die Struktur der Comics sind wunderbar. Was die Spiderman-Effekte selber angeht, die sind mir etwas zu geleckt geraten: Irgendwie glaubt man nicht so recht, dass sich da ein Mensch aus Fleisch und Blut durch die Häuserschluchten schwingt.
Alles in allem aber doch ein schöner Film, der vielleicht ein bisschen zu bieder ist, um wirklich zu begeistern. Andererseits kann man gerade das – die Konzentration auf das menschliche Element – auch als Stärke sehen.
#11
Geschrieben 17. Dezember 2004, 15:36
Eine Ecke besser, wenn auch mit ähnlichen Schwächen wie der erste Teil versehen, gefällt mir Sam Raimis zweiter Marvel-Film. Warum? Nun die Geschichte ist wesentlich interessanter: Während man mit der Entstehung Spidermans ja schon relativ vertraut war, und sich somit durch eine Geschichte kämpfen musste, die keine wirklichen Spannungsmomente barg, so bietet das Sequel zwar auch ganz klassischen Superheldenstoff, der aber sehr spannend und intelligent umgesetzt wurde und wieder einmal Peter Parker ins Zentrum des Geschehens rückt. Da sich der Peter mit psychischen Störungen herumplagen, die ihm seine Fähigkeiten rauben, kommt er zu dem Schluss, seine Geheimidentität aufzugeben und nur noch als Peter Parker unterwegs zu sein – dies soll ihn schließlich auch näher an seine Herzensdame Mary Jane bringen.
Eine gute halbe Stunde spielt Spiderman also überhaupt nicht mehr mit, während New York City im Chaos versinkt, weil niemand mehr dem Verbrechen Einhalt gebieten kann. Dies gibt Dr. Octopus (endlich mal mit einer großen Rolle und sehr gut: Alfred Molina) die Gelegenheit, seinen finsteren Plänen nachgehen. Die spidermanlosen Passagen, die zeigen, dass hinter jedem Held ein ganz normaler Mensch steckt, machen den Reiz von Raimis Film gegenüber anderen Comicverfilmungen aus, die sich ganz auf die Effekte und die glänzende Oberfläche verlassen. Klar, auch davon hat SPIDERMAN 2 eine ganze Menge. Der Plot um Dr. Octopus unterscheidet sich von der Green-Goblin–Story aus Teil 1 nur durch den besseren und eindrucksvolleren Schurken. Ansonsten läuft die Geschichte nach nahezu demselben Schema ab: Ein netter und hochintelligenetr Mann, der sofort eine enge Bindung zum gebildeten Parker eingeht, verunglückt bei seinen Experimenten und wird durch seine Erfindung beherrscht. Es folgen Raubzüge, Anschläge und
Entführungen, um schließlich den einzigen Gegner, Spiderman, zu besiegen.
Viel Zeit wird auch darauf verwendet zu zeigen, wie Spiderman dekorativ von Haus zu Haus schwingt, aber das ist schon OK, wenn man bedenkt, dass das auch ein Hauptmotiv der Comicreihe ist. Trotzdem haben mir die Effekte gegenüber Teil 1 einen Tick besser gefallen, weil sie nicht mehr ganz so gemalt aussehen und auch in punkto Kameraspielereien hat Raimi sich wieder einiges einfallen lassen. Allerdings gibt es auch wieder eine kleine Blödheit, die nicht so recht zur Detailverliebtheit Raimis passen will: Denn kämpft Spiderman zu Beginn des Films auch mit dem schon genannten kurzzeitigen Verlust seiner Fähigeiten, so kann er sich ihrer garantiert sicher sein, wenn Not am Mann ist.
Eine Sondererwähnung – weil ich ihn bei Teil 1 ganz vergessen habe – bekommt noch der Darsteller des J. Jonah Jameson, des Zeitungsschefs, bei dem Peter Parker sein Geld mit Spiderman-Fotos verdient. Er ist saukomisch und bringt noch zusätzlichen Comic-Spirit in die Filme.
#12
Geschrieben 20. Dezember 2004, 17:06
In den USA ein absoluter Klassiker, in Deutschland nur "in einschlägigen Kreisen" (das klingt immer, als würden irgendwelche Menschen in dubiosen Kellerbars rumlungern) als solcher gefeiert, fristet dieser Film hierzulande immer noch ein Mauerblümchendasein, was auch an dem etwas nichtssagenden deutschen Titel BOTSCHAFTER DER ANGST liegen mag. Ist der Ausdruck "Manchurian Candidate" in den Staaten längst zum geflügelten Wort geworden, kann ich mir kaum vorstellen, dass dem BOTSCHAFTER DER ANGST eine ähnliche Ehre Zuteil würde. Auch das derzeit laufende Remake (gähn) wird wohl eher nicht dafür sorgen, dass sich am Bekanntheitsgrad des Originals etwas ändert.
Ein kurzer Exkurs: Die Entwicklung, die sich in der (Pop-)Musik schon vollzogen hat, ereilt auch den Film: der völlige Historizitätsverlust. Obwohl die archivarischen Möglichkeiten durch das Medium DVD sicherlich nie so gut waren, hat man den Eindruck, dass die Menschen, die das zu schätzen wüssten, langsam aussterben. Das nahezu jeder zweite Film, der ins Kino kommt, ein Remake ist, spricht ebenfalls Bände: Die alten Filme sind nicht mehr angemessen, sie müssen für ein jugendliches Publikum upgedatet werden, damit sie interessant bleiben. Das es sich bei dem Remake um ein solches handelt wird meist verschwiegen, es interessiert eh keinen. Was ist überhaupt ein Remake? Dabei übersehen sowohl Macher als auch Medien die Tatsache, dass ein Remake seine Berechtigung erst durch das Original erhält, das für die Rezeption daher von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Eine Motivation, sich ein Remake anzusehen – den direkten Vergleich herzustellen – ist überhaupt erst möglich, wenn man weiß, dass es sich um ein Remake handelt. Kann man Gus van Sants PSYCHO überhaupt gucken, wenn man noch nie von Hitchcocks PSYCHO gehört hat? Und wenn ja, was bringt's einem? Nun ja, THE MANCHURIAN CANDIDATE wird in Deutschland so oder so versauern. Wer das Original liebt, braucht gewiss kein Update, und wer es nicht kennt, nun, es bleibt fraglich, ob der sich für einen Film mit einem solch merkwürdigen Titel interessiert.
Nun aber zurück zum Original von 1962. Die Story: Eine Einheit der Army unter der Führung von Raymond Shaw (Lawrence Harvey) gerät im Koreakrieg in Gefangenschaft. Die acht Soldaten werden einer Gehirnwäsche unterzogen, zwei von ihnen ermordet und der Rest freigelassen. Shaw erhält die Medal of Honor, weil das Bild lanciert wird, er habe seine Leute befreit. Seine dominante Mutter (Angela Lansbury), die mit der McCarthy-Karikatur und Vizepräsidentschaftsanwärter Iselin verheiratet ist, nutzt den Ruhm ihres Sohnes, um damit die Karriere ihres Mannes anzuschieben. Bennett Marco (Frank Sinatra), Mitstreiter von Shaw, wird seit seiner Rückkehr aus Korea von einem ewig wiederkehrenden Alptraum geweckt, der ihn an der Richtigkeit seiner Erinnerungen zweifeln lässt. Seine Nachforschungen bringen ihn langsam einer Verschwörung ungeahnten Ausmaßes auf die Schliche, die die Ermordung des zukünftigen Präsidenten durch Raymond Shaw zum Ziel hat. In diesem Komplott spielen eine Partie Solitaire und die Karo-Dame eine wichtige Rolle.
Ein Film der Superlative: Drei Darsteller, die sich auf der Höhe ihrer Kunst präsentieren (Harvey, Lansbury, Sinatra); Regieeinfälle, die ihrer Zeit 10 bis 20 Jahre voraus sind; ein Drehbuch, das Suspense, Humor und Kritisches unter einen passenden Hut bringt; und ein Karate-Kampf zwischen Ol' Blue Eyes und des Paten Lieblingspfeifenmann Henry Silva. Besonders die Gehirnwäschesequenz ist einzigartig: Während die acht ahnungslosen Soldaten vor dem kommunistischen Kommittee vorgeführt werden, glaubt jeder einzelne von ihnen, er sei zu Gast bei einem Treffen eines Pflanzenzüchtervereines, bestehend aus alten Damen. Im Verlauf dieser Sequenz gibt es einen phänomenalen 360-Grad–Schwenk der Kamera, die während der Bewegung von der Subjektiven (die alten Frauen) in die Objektive wechselt (die Soldaten, die von den Kommunisten vorgeführt werden). Diese Szene ist wirklich gruselig und ihr Ausgang soll hier nicht verraten werden.
Das Ende ist ebenfalls finster und nimmt Ereignisse der Geschichte um ein knappes Jahr vorweg, was heute den prophetischen Charakter des Films noch unterstreicht. Ein toller und, auch wenn es hin dieser kurzen Beschreibung vielleicht den Anschein erweckt, keineswegs anti-kommunistischer Film. In der interessengebundenen Verflechtung, die politische Gegner hier eingehen, ist dieser Film sogar ausgesprochen modern. Und trotz eines pessimistischen und düsteren Grundtones besteht doch Hoffnung in der Gestalt Bennett Marcos – Frankies Geist wird immer für uns singen ... Ach ja, Janet Leigh spielt auch mit!
#13
Geschrieben 21. Dezember 2004, 16:45
Nachdem ich im letzten Eintrag ganz den Regisseur John Frankenheimer unterschlagen habe, gilt es hier, Vergessenes nachzuholen und zunächst einmal ein bisschen wisdom zu spitten, wie der Rapper sagen würde: Dieser britische Film ist auch bekannt als DEATH LINE oder TUNNEL DER LEBENDEN LEICHEN. Er datiert auf das Jahr 1973 (oder wars 72?) und wurde inszeniert von Gary Sherman, von dem man auch ruhig den tollen DEAD AND BURIED schauen sollte.
Kurz und knapp die Handlung: In der Londoner U-Bahn verschwinden Menschen auf ungeklärte Art und Weise. Ein amerikanisches Pärchen kommt der Sache auf die Schliche, während die Polizei im Dunkeln tappt. Der Mörder ist ein degenerierter Abkömmling von Tunnelarbeitern, die vor ca. 100 Jahren bei einem Einsturz eingeschlossen wurden und sich fortan kannibalistisch ernähren mussten, um zu überleben.
Der sehr ruhig erzählte Film überzeugt aus zweierlei Hinsicht: Sherman schafft tatsächlich das Wunder, aus der eigentlich haarsträubend blöden Geschichte einen wirklich packenden und vor allem ergreifenden Film zu machen. Warum hat niemand die Tunnelarbeiter gesucht? Warum sind die vielen Todesfälle nie geklärt worden? Wie beschafften sich die Tunnelarbeiter Nahrung, wenn Sie doch eingeschlossen waren? Und wenn sie doch an die Oberfläche konnten, warum haben sie sich dann nicht ganz befreit? Wie kann man überhaupt innerhalb einer Generation so degenerieren? Fragen über Fragen, die einem bei Betrachten des Films jedoch ganz und gar nebensächlich erscheinen. Denn Sherman nimmt sich viel Zeit, um Empathie für das Monster zu wecken und es zu einer glaubwürdigen Gestalt zu machen. In einer laaaaangen und spektakulären Kamerafahrt sehen wir, wie das Monster lebt, wovon es sich ernährt und welche Trostlosigkeit und welches Grauen dieses Leben bedeutet. Statt die Fahrt aber mit einem Schockeffekt zu beenden, spielt Sherman mit den Emotionen: Am Ende der Kamerafahrt sehen wir, wie das Monster den Tod seiner Frau betrauert, seines letzten sozialen Kontaktes. Diese Szene haut einen wirklich um!
Auf der anderen Seite konterkariert Sherman diese wirklich tragischen Momente mit sehr humorigen Szenen, deren Gelingen besonders dem phantastischen Donald Pleasence zu verdanken ist. Noch ganz dünn und mit dunklen Haaren ist er ein völlig anderer Typ, als man ihn aus den Halloween- oder diversen Italofilmen kennt. Macht er in diesen immer einen etwas schizoiden Eindruck, wirkt er hier wie der Prototyp des Beamten. Er scheint sichtlich Spaß an seiner Rolle des eigentlich gutmütigen und gewissenhaften, aber auch desillusionierten und von der Alltagslast überforderten Polizisten zu haben. Seine bissigen Bemerkungen und sein Gegrummel sind jedenfalls vom Feinsten. Die ordentliche Schauspielrriege erhält noch prominente Unterstützung in Form eines Gastauftritts von Christopher Lee als versnobter MI5-Agent.
Alles in allem ein wirklich herausragender Horrorfilm, dem die schwierige Gratwanderung zwischen Schauerspektakel für die niederen Instinkte und ernstem, menschlichem Erwachsenenhorror hervorragend gelingt. Dazu tragen auch die tollen Settings und die überzeugend eingesetzten Make-Up-Effekte, wie auch der Score bei. Den Film wollte ich schon seit Jahren sehen, jetzt hat es endlich geklappt. Und das Warten hat sich mehr als gelohnt.
#14
Geschrieben 22. Dezember 2004, 14:17
Laut DVD-Cover läutete Chang Cheh mit seinem Klassiker ONE-ARMED SWORDSMAN das Subgenre des "yanggang-Films" ein, was soviel wie "Macho-Film" bedeutet. Da mein Wissen über Old-School-Hong-Kong-Kung-Fu-Filme eher flüchtig ist, belasse ich es bei dem Hinweis und merke an, dass dieses Etikett auf OAS insofern zutreffend sein mag, als das der titelstiftende Held ein männlicher Heranwachsender ist, der ordentlich mit bösen Menschen aufräumt, aber eigentlich ein einfaches, friedliches Dasein fristen möchte. Außerdem trägt er einen coolen Dreitagebart.
Aber von vorne: Fang Gangs Vater, Leibwächter des Schwertmeisters Qi wird von fiesen Schergen, die es auf seinen Herren abgesehen haben, getötet. Sein Meister schwört ihm, dass er aus Dank für seinen Einsatz dessen Sohn großziehen und diesem die Schwertkunst beibringen wird. Der Sohn hört auf den Namen Fang Gang und reift schon bald zum gelehrigen und vielversprechenden Schwertkämpfer heran. Doch seine einfache Herkunft macht ihn zum Ziel des Spotts seiner Mitschüler, die in ihm einen Emporkömmling sehen, der unverdienterweise in die Gunst des Schwertkampflehrers gekommen ist. Auch die Tochter des Meisters, Fang Gangs heimliche Liebe, schaltet sich in den Spott ein. Um einem Kampf aus dem Weg zu gehen, verlässt Fang Gang die Schule, wird aber von seinen Spöttern eingeholt und zum Kampf gezwungen, in dessen Verlauf seine Jugendliebe ihm den rechten Arm abschlägt. Während er von einer einsam auf dem Land lebenden Frau gesundgepflegt wird, machen sich in der Zwischenzeit zwei Schurken daran, die Schwertkampfherrschaft zu übernehmen: Mit einem speziellen Schwert, mit dem sie alle Schläge der Qi-Schwertkunst abfangen können, dezimieren sie langsam aber sicher die Gefolgschaft von Fang Gangs ehemaligem Mentor. Zwar will Fang Gang ein neues Leben beginnen, doch Schwertkampf ist das einzige, was er je gelernt hat. Also beginnt er zu trainieren, um schließlich den Kampf mit den Bösewichten aufzunehmen.
ONE-ARMED SWORDSMAN ist ein wunderbarer Film. Muss man sich bei alten Kung-Fu-Filmen oft erst an das langsame Erzähltempo gewöhnen und sich durch viele, dem Europäer unverständliche Szenen kämpfen, funktioniert ONE-ARMED SWORDSMAN wie ein klassischer Western. Es gibt keine unwichtigen Charaktere oder Subplots, die von der sehr konzentrierten, dabei aber nicht zu statischen, Handlung ablenken könnten. Besonders gut hat mir hier der Einfall mit dem Sword-Lock gefallen: Qis Kontrahenten haben eine Art Zange an ihre Waffe geschmiedet, mit der sie die Schwerthiebe abfangen und die Waffe des anderen festhalten können. Eine äußerst tödliche Erfindung. Jimmy Wang-Yu als Fang Gang überzeugt mit stoischer Miene und jugendlichem Übereifer. Zwar ist sein fehlender Arm gut sichtbar unter seinem Hemd versteckt, doch sein einarmiger Kampfstil ist toll anzuschauen (und war sicherlich sauschwer zu choreographieren).
Die Bauten und Studiosettings – in Shaw-Brothers-Filmen ja immer ein Genuss – laden auch hier wieder zum Phantasieren ein. Alles in allem also wirklich eine echte Empfehlung. Blutpuristen werden vielleicht etwas enttäuscht sein, denn der Film ist – vermutlich aufgrund seines Alters (Produktionsjahr ist 1967) – eher unblutig. Gestorben wird natürlich zuhauf, wer aber abgetrennte Körperteile galore sehen will, sollte lieber zum direkten Sequel greifen: THE RETURN OF THE ONE-ARMED SWORDSMAN.
#15
Geschrieben 22. Dezember 2004, 15:00
Zwei Jahre nach dem Erfolg des Erstlings (also 1969) setzte Chang Cheh seinen Klassiker mit dieser Granate fort. Die Story ist dabei – sequeltypisch – etwas weniger überzeugend. Sie stellt eigentlich nur den Rahmen für ein wesentlich ausgiebigeres Actionfeuerwerk und erhöhten Aderlass. Keine schlechte Entscheidung, wie ich finde. Zunächst muss man sich allerdings durch die etwas zähe Exposition kämpfen, die die Stärke des Erstlings noch einmal nachträglich verdeutlicht: Dort war die Story wirklich so aus einem Guss, dass jede Szene die schlüssige Folge der vorhergehenden war. Man konnte dem Film nahezu blind folgen. Das Sequel konstruiert eine Geschichte daher, die eben nötig ist, um die Action unterzubringen.
Fang Gang, der mittlerweile ein Bauernleben mit Bauersfrau führt, erhält Besuch vom White Devil und dem Black Devil, zwei Schwertkämpfern, die alle anderen Schwertkämpfer zu einem Turnier in die Festung des Furtive King einladen wollen. Der Furtive King regiert dort mit sieben weiteren Meistern, die auf so vertrauenerweckende Namen wie Hell's Buddha oder Poisonous Dragon hören. Wer an diesem Turnier teilnimmt, kann gleich das Kreuz schlagen. Doch wer sich weigert zu kommen, wird auch gemeuchelt: Wer keine Wahl hat, hat die Qual. Auch Fang Gang erwehrt sich der Versuche, ihn von der Teilnahme zu über-zeugen, doch als eine nahe gelegen Schwertschule angegriffen und der altehrwürdige Meister gefangen genommen wird, kann Fang Gang nicht anders, als mit seiner Kampfkunst zur Hilfe zu eilen und alle acht Meister einen nach dem anderen unter die Erde zu schicken ...
So wie sich das liest ist dann auch der Film: Nach etwa einer halben Stunde darf der geneigte Zuschauer einem nicht enden wollenden Massaker beiwohnen, das sich gewaschen hat. Müdigkeit stellt sich dabei nicht ein, denn Chang Cheh hat nicht nur jedem der Oberschurken eine eigene Waffe oder Eigenschaft verpasst, sondern auch reichlich Schergen, die gleich mitsterben dürfen. Keine Kampfszene ist wie die andere und auch der Einsatz von Spezialeffekten wird hier weitaus mehr zelebriert als im vergleichsweise boden-ständigen ersten Teil. Besonders gut hat mir der Kampf in einem Bambuswäldchen gefallen, der die im Hong-Kong Kino beliebte Tradition des Pfahlkampfes aufgreift und – dem Erscheinungsjahr zufolge – sie wahrscheinlich mitbegründet hat. Auch die typischen Seiltricks gibt es hier – noch nicht ganz so ausgereift wie bei den neueren Produktionen allerdings.
Und es wird wirklich den ganzen Film über abgestochen und aufgespießt was die Blutkonserven hergeben. Eine echte Freude. Chang Cheh macht keine Gefangenen: Schwerter werden bis zum Heft in feindliche Leiber versenkt, Menschen durch andere hindurch erstochen und durchbohrt und häufige, sehr motiviert erscheinende Blutfontänen machen alles schön rot. Auch wenn es in der A-Note ein paar Abzüge gibt, weiß THE RETURN OF THE ONE-ARMED SWORDSMAN doch zu gefallen, ja zu begeistern. Dies liegt im Vergleich zum ersten Teil aber eher an den Schauwerten, als an der Geschichte, die erzählt wird. Aber das sollte bei einem Kung-Fu-Film solcher Qualität verschmerzbar sein.
#16
Geschrieben 30. Dezember 2004, 12:29
Zu deutsch ALARMSTUFE: ROT ist dies der größte Kassenknüller des einstigen Actionstars Steven Seagal, für den es in Deutschland nur zu mäßiger Bekanntheit gereicht hat. Dieser Film war aber auch in good ole Germany recht erfolgreich. Das aufkeimende Interesse an dem tumben Actionstar (ich erinnere mich an einen Auftritt in Thomas Gottschalks Late-Night-Show auf RTL) fand aber mit seinem nächsten Film ON DEADLY GROUND, den er auch selbst inszeniert hat, ein jähes Ende und markierte auch in den USA seinen Abstieg in die zweite Liga. Danach kamen mit UNDER SIEGE 2: DARK TERRITORY und GLIMMER MAN noch zwei recht akzeptable Filme, bevor Uns Steven seinen Weg in die Niederungen der Actionunterhaltung antrat. Zuletzt ging der Trend bei dem Knuddelbär wieder nach oben: EXIT WOUNDS hat mir großen Spaß gemacht und auch der von Hong-Kong-Zauberer Ching Siu-Tung gedrehte BELLY OF THE BEAST hat alte Qualitäten.
Nun aber zu UNDER SIEGE: Am besten kann man dessen Handlung umreißen mit "Stirb Langsam auffem Boot", ein Zitat, dass in der amerikanischen Presse auch tatsächlich so gefallen ist. Gerüchtehalber war dieser Film auch der Grund dafür, dass der dritte DIE HARD-Teil noch ein paar Jahre auf sich warten ließ. Das altehrwürdige Kriegsschiff "Missouri" begibt sich auf letzte Fahrt. Der Film beginnt mit ein paar hübschen Propaganda-Szenen aus alten Wochenschauen, die vom Ruhm des Schiffes künden und den American Spirit hochleben lassen. Auch Bush sen. schaut kurz mal vorbei. Zu Schiff soll es eine große Geburtstagsfeier für den Captain geben, der fiese Krill (Gary Busey in bewährter Arschloch-Manier) leitet die Veranstaltung. Des Captains Vertrauensmann ist der Schiffskoch Casey Ryback, der Krill nicht mag und auch sonst immer eine Extrawurst braucht. Er ist in Wahrheit natürlich ein hochdekorierter Ex-SEAL, der den Braten – die Geburtstagsfeier ist nur Tarnung, tatsächlich wollen abtrünnige Spezialagenten das mit Atomsprengköpfen bestückte Schiff in ihre Gewalt bringen – riecht. Anführer der Bösewichte ist der ausgeflippte Ex-CIA-Agent Strannix (Tommy Lee Jones) und Krill steckt natürlich mit ihm unter einer Decke.
So weit zur unerheblichen Story. Was man sehen will, wenn man sich einen Seagal-Film anschaut, sind Action, Blutvergießen und Fressekloppen und davon bitte satt! Der Film gibt Gas und macht Spaß: Es gibt blutige Einschüsse zubestaunen, Messerstechereien, ein böser Onkel bekommt ne Stichsäge in die Schulter gerammt, ein anderer den Kehlkopf rausgerissen und Tommy Lee Jones' Tod ist auch nicht gerade zimperlich. Was einen Seagal-Film aber erst so richtig sehenswert macht, ist sein Hauptdarsteller. Seagal – das merkt man in jeder Szene – hält sich für eine richtig große Nummer, ist aber eigentlich nur ein Würstchen – zugegebenermaßen ein recht kräftiges. Er spielt seinen Helden (unabsichtlich) so dermaßen unsympathisch und klugscheißerisch, dass man nicht umhin kommt, ihn dafür zu bewundern. Man merkt aber, dass er seinen Charakter – sich selber – wahrscheinlich für den geilsten Typen überhaupt hält. Vermutungen sind angebracht, dass UNDER SIEGE gar kein Film ist, sondern eine Doku über die Dreharbeiten mit Seagal: Alle Darsteller sind von ihm angepisst und wollen ihm ans Leder. Und Gary Busey rotzt ihm sogar beherzt in die Suppe!
Während Stallone, Schwarzenegger, Norris, van Damme und ähnliche Kaliber sich wenigstens damit begnügen, mit versteinerter Fresse rumzulaufen und lediglich ihre Muskeln spielen zu lassen, ist Seagal sowas wie der Hamlet unter den Muskelprolls, "Das Gehirn" der Actionfilmdarstellerriege. Tatsächlich ist er das, was man vielleicht "softspoken" nennen könnte, er kann sich wirklich besser artikulieren als oben genannte – an seiner Schauspielkunst ändert das aber nix. Dass er seine "sophistication" auch immer bewusst in den Vordergund stellt, immerzu in derselben ruhigen, unaufgeregten Stimme – gerne auch mit schlecht einstudiertem Akzent, um Street Credibility vorzutäuschen – seine "witty remarks" oder was er dafür hält, absondert, macht jede Szene mit ihm zu einer Lehrstunde in Selbstüberschätzung. Das passt auch zu seiner Stellung in seinen Filmen: In fast keinem seiner Filme hat er einen auch nur annähernd gleichwertigen Gegner. Jeder wird einfach ohne Rücksicht auf Verluste platt gemacht.
In UNDER SIEGE darf er am Ende sogar noch Erika Eleniak küssen, die sich unnötiger- und unglaubwürdigerweise in ihn verliebt. Sie ist natürlich ein Ex-Playmate, dass für den Captain aus der Torte hüpfen soll, aber in den ganzen Schlamassel reingezogen wird. Man sieht kurz ihre Tüten, dann nervt sie eine Weile rum und schließlich darf sie dem Steven das Leben retten, was dieser mit seinem gefürchteten Debilgrinsen honoriert. Steven Seagal ist echt ein Knuddelbär. Er zusammen mit Reb Brown in einem Film - das wär's! Wer mehr über Steven wissen will, kann etwas sehr lustiges über ihn in dem ausgezeichneten Buch "Sex, Stupidity and Greed" lesen, in dem u.a. eine Hollywood-Catering-Dame über ihn aus dem Nähkästchen plaudert. Das, was man über ihn und von ihm hört, erweckt den Eindruck, dass er sich nicht nur selber für einen Actionheld hält (immerhin hat er eingesehen, dass er kein Schauspieler ist), sondern dazu noch für eine ganz große Nummer. Eine echte Ikone und ein wahres Gesamtkunstwerk, dieser Mann.
#17
Geschrieben 30. Dezember 2004, 12:51
Ringo Lams neuer Film mal wieder ein van Damme – von dem hat man ja auch seit Urzeiten nichts Brauchbares mehr gesehen. Die letzten guten Filme waren wahrscheinlich DOUBLE TEAM, MAXIMUM RISK und KNOCK OFF, alles Filme, die unter Hong-Kong-Regie entstanden (Tsui Hark bzw. Ringo Lam). Da Ringo Lam beileibe kein schlechter Regisseur ist, schien die erneute Zusammenarbeit mit ihm doch recht viel versprechend, auch wenn man da heute seine Erwartungen nicht mehr zu hoch schrauben darf. REPLICANT, ebenfalls von Lam und mit Jean-Claude soll jedenfalls totale Kacke sein – ich habe mich bisher noch nicht getraut, mir davon selbst ein Bild zu machen.
IN HELL wischt jegliche Unsicherheit beiseite, ist aber auch kein neues Meisterwerk des einstigen Hong-Kong-Wunderkinds. Aber wie sollte das auch möglich sein? IN HELL ist ein recht preiswertes aber sorgfältig eingekurbeltes Direct-to-Video-Filmchen, dass zwar die Kirche im Dorf lässt, aber trotzdem ordentlich Butter bei die Fische tut. Die Handlung ist so alt wie van Damme mittlerweile aussieht, deshalb nur der Kurzabriss: van Damme lebt mit seiner Frau in Russland, will aber bald mit ihr zurück in die USA. Ein böser Russe ermordet sie zum Spaß, van Damme erwischt ihn, aber der Fiesling – natürlich Russenmafia – kauft sich vor Gericht frei und verhöhnt den trauernden Ehemann. Dieser zieht direkt eine Knarre und ballert den Bösen noch im Gericht ab. Das bringt ihn ohne größere Umwege in ein russisches Gefängnis, in dem sehr rohe Sitten herrschen. Wird ihm die Flucht gelingen?
Soweit, so uninteressant. Aber Ringo Lam weiß aus dieser Story ein Maximum an Wirkung herauszukitzeln. IN HELL ist so unglaublich brutal und trist, dass man eigentlich nicht glauben mag, dass hier jemand Videothekenkundschaft bedienen wollte. Existentialistische Untertöne mischen sich in die finstere Mär von Trauer, Rache, Wut, Einsamkeit und Identität. Im Zentrum der Handlung stehen aber die unglaublich derben Fights, mit denen der Gefängnisleiter sein Zubrot verdient und bei denen meist bis zum Tod gekämpft wird. Als der Belgier genug davon hat, herumgeschubst zu werden, beginnt er zu trainieren und steigt zum neuen Champ empor. Dass er seine Haare zurückschleimt wie zu Beginn der Neunziger, mag eine liebevolle Hommage an seine frühen Epen LEON oder DOUBLE IMPACT sein, die jedoch geschickt durch eine metrosexuelle Kinnfotze konterkariert wird. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich van Damme und Lam einfach nur gelangweilt zusammengehockt haben und sich dachten, "Hey, so ein richtig fieser Motherfucker hat Schmierhaare und eine Kinnfotze! Let's do it!"
Es gibt nicht viel, was man über diesen Film sagen könnte, außer dass er es wirklich versteht, einen runterzuziehen. Ohne viel Federlesens, ohne Gimmicks haut Lam einem mit IN HELL ziemlich unvermittelt auf die Schnauze. Das gibt es in diesem Genre mittlerweile viel zu selten.
#18
Geschrieben 30. Dezember 2004, 13:36
Um den uninteressanten Faktenberg gleich am Anfang abzutragen: Ich habe den Film in einer ungeschnittenen Fassung gesehen, kann und werde jedoch zu etwaigen Schnitten oder Nicht-Schnitten keine Stellung nehmen.
Zur Story, die ist schnell erzählt: Zwei Freundinnen fahren zu Besuch ins Landhaus der Eltern einer von beiden (weiß die Namen nicht mehr, egal). Das einsam gelegene Häuschen versinkt in der Dunkelheit der Nacht, alles schläft, als ein äußerst ungemütlich aussehendes Auto vorfährt und einen noch weniger gemütlichen Vierschröter entlässt. Dieser verschafft sich auch prompt Zugang zum Haus und dezimiert die Familie auf äußerst schmerzhafte Weise. Er schnappt sich die Tochter und verfrachtet sie in sein Auto, nur noch gefolgt von deren Freundin, die sich verstecken konnte.
HAUTE TENSION hält das, was der Titel verspricht, nämlich Hochspannung. Der auf eine simple Prämisse runtergekochte Plot besteht lediglich aus einer Aneinanderreihung wirklich nervenzerrender Szenen und Schocks. Die Gewalt ist äußerst explizit, äußerst fies, äußerst effektiv und dabei aber ohne große Gefühlsregung inszeniert. Vor allem der erste Mord dürfte einer der drastischsten sein, die je das Licht der Leinwand erblickten. Der zirka 20-minütigen Exposition folgt der erste Teil des Dramas, in dem die Freundin im Haus herumschleicht, versucht nicht gesehen zu werden und gleichzeitig Hilfe zu holen. Diese Sequenzen machen zartbesaiteten Zuschauern wirklich den Garaus. Hier werden alle Register der Spannungserzeugung gezogen, der Zuschauer geht auf dem Zahnfleisch. Ich war wirklich zum ersten Mal seit langer, langer Zeit versucht, den handelnden Personen zuzurufen wie früher im Kasperletheater: "Nein, geh da nicht rein, renn weg!"
Der letzte Teil des Films besteht dann aus der Entführung und Verfolgung und steht ein wenig hinter dem ersten Teil zurück. Allerdings enthält dieser Part meine Lieblingsszene. Während des Guckens überlegte ich mir, ob dieser Film die Panik und Todesangst vermitteln könne, die MANIAC vermittelte. Ein Film, bei dem mich immer genau die Panik der Opfer beschleicht. Dies kommt vor allem in der U-Bahn-Toilettensequenz zum Tragen, die meiner Meinung nach eine der nervenzerrendsten Szenen ist, die das Kino zu bieten hat. Wie sehr ich mich gefreut habe, dass HAUTE TENSION genau diese Sequenz zitiert. Statt aber einfach nur enzyklopädisches Wissen zu demonstrieren und den alten Idolen und Inspirationsquellen zu gedenken, geht HAUTE TENSION einen Schritt weiter, denn aus dem Wissen über das Quellenmaterial wird hier Spannung bezogen: Geht die Szene so aus wie im Original?
Auch bei der Wahl des Killers zündet HAUTE TENSION. Statt einen deformierten Maskenmann aufzubieten, übt sich der frische Franzose in Realismus: Der Killer ist ein Typ, den man schon mal in der hintersten Ecke einer ranzigen Pornovideothek trifft: Aufgeschwemmt, mit Blumenkohlohr und -nase, roter, vom Alkohol aufgeschwemmter Haut und dreckigen Fingernägeln. Er redet kein Wort, keucht nur hier und da einmal und auch sonst erfährt man nichts über ihn. So wirkt das Grauen, das er verkörpert noch weniger greifbar, bricht buchstäblich aus dem Nichts in den Bildkader.
Leider gibt es auch einen Wermutstropfen: Den obligatorischen Plottwist. Einige Worte zum Plottwist: Der kam verstärkt Mitte der 90er mit THE USUSAL SUSPECTS wieder in Mode. Wurde er in diesem Film aber zum zentralen Strukturelement, bedienten sich die Nachzieher des Plottwists in wesentlich kurzsichtigerer Weise. So wird in Filmen wie SCREAM 2 oder WILD THINGS solange um des Selbstzweckes Willen geplottwistet, bis der Sinn sich auflöst. Es ging nur noch um den Plottwist, ob dieser nun sinnvoll war oder nicht. So wurde in plottwistanfälligen Slasherfilmen grundsätzlich immer der zum Mörder erkoren, der nun am allerwenigsten dafür in Frage kam, und zwar nur aus diesem Grund. So ruinierte die Plottwistgeilheit bald jeden Film, weil immer noch ein supercleverer Twist gefunden werden musste, um den Film abzurunden. Dieser Plottwist erschien jedoch oft so absurd, dass der Film als ganzes dadurch arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Etwas, was die Polttwist-Inflation ebenfalls mitbringt: Ein Plottwist verliert erheblich an Wirkung, wenn man ihn förmlich einkalkulieren kann. Was soll das für eine Überraschung sein, die ich schon zu Beginn des Films riechen kann?
Auch HAUTE TENSION begeht den Polttwist-Fehler: Ein wunderbar stimmiger, düsterer und geradliniger Film bekommt am Ende ein Gimmick verpasst, dass einfach nicht passt, zumindest aber Fragen aufwirft. Zwar wird der Twist nicht zu spekulativ eingesetzt, man erhält auch vorher schon Anzeichen für die Wendung, dennoch wäre dieses "kommerzielle" Ende nicht nötig gewesen. Da außerdem nur drei handelnde Personen auftreten, stellt die Überraschung keine Überraschung dar: Wenn Plottwist, dann musste es dieser sein.
Keine Frage, HAUTE TENSION ist auch nach diesem etwas enttäuschenden Finish immer noch einer der heißesten (und härtesten) Horrorfilme, die man in den letzten Jahren sehen konnte, aber es ist trotzdem etwas traurig zu sehen, wie es wieder einmal ein großartiger Film schafft, in den letzten Minuten die Karre noch vor die Wand zu setzen. Es war selten unnötiger als hier. Trotzdem: Wer für Horror etwas übrig hat, kommt an diesem Teil nicht vorbei und ganz so schlimm ist es nun auch nicht. Aber irgendwie war ich schon ein bisschen enttäuscht ...
#19
Geschrieben 30. Dezember 2004, 16:22
Der dritte Teil, um den es hier gehen soll, ist aber keine Fortführung der Handlung aus den ersten beiden, sondern – wie man am Titel ablesen kann – eine Neuerzählung. Statt Jimmy Wang-Yu übernimmt nun der hübsche David Chiang die Rolle des Einarmigen Lei Li. Der ist der aufgehende Stern am Schwertkampfhimmel, ein ungestümer jugendlicher Wirbelwind, noch nicht ganz trocken hinter den Ohren. Als er den unangefochtenen Altmeister herausfordert, kostet seine Überheblichkeit ihn seinen Arm. Seine Schwertkampfkarriere ist vorbei, er kellnert lieber in einem kleinen Gasthaus.
Wie das in solchen Filmen aber so ist, gibt es immer vagabundierendes Kroppzeug, das nach ehemaligen, trauernden Schwertkämpfern Ausschau hält, um diese zu piesacken. So hat auch Freund Lei Li wenig zu lachen. Doch eines Tages kommt der andere glänzende Held des Films zu Besuch, Feng Chun-Chieh, gespielt von Ti Lung, den man nicht nur aus unzähligen Shaw-Brothers Filmen kennt, sondern vor allem aus Woos A BETTER TOMORROW 1+2. Beide freunden sich an, Ti Lung kitzelt das Geheimnis aus dem schweigsamen Lei Li heraus, wird vom Bösewicht und seinen Schergen jedoch bald geplättet. Nun ist es an Lei Li die Scharte auszuwetzen ...
Als ich den Film sah, war mir nicht bewusst, dass es sich dabei um den in Deutschland recht populären DAS SCHWERT DES GELBEN TIGERS handelt, den ich schon kannte. Erst beim Finale auf der Brücke dachte ich mir "Hmmm, das kennst du doch ..." Sicher ein Klassiker und wunderschön anzusehen fällt dieser Film im direkten Vergleich mit seinen beiden Vorgängern doch ein wenig ab. Teil 1 hatte in seiner Erzählung am meisten Zug, Teil 2 die spektakuläreren Fights und Teil 3? Nun ja, Teil 3 hat sicherlich ein tolles Finale aber auch eine schwere Bürde zu tragen: David Chiang weiß als Nachfolger von Jimmy Wang-Yu überhaupt nicht zu überzeugen. Es ist ein bisschen wie mit diesen neuen Hochglanz-Hong-Kong-Stars: Sie sind unheimlich süß und lassen wahrscheinlich die Mädchen reihenweise ins Kino strömenund dann umfallen, aber mit dem Schauspielern ist es nicht so weit her.
War Jimmy Wang-Yu nun auch sicher nicht gerade begnadet, so hatte er doch das Zerrissene, Gebrochene, das den ONE-ARMED SWORDSMAN eben ausmachte. David Chiang wirkt hingegen wie ein kleines Kind, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Den ganzen Film über schmollt er rum, dass er einen appen Arm hat und nicht mehr kämpfen kann. Als Ti Lung dann ankommt bekommt der Film einen unfreiwillig komischen schwulen Touch. Wie sich beide unentwegt breit grinsend ihre ewige Freundschaft versichern, sich ständig betätscheln und lange Gespräche führen, das will nicht so recht zum Bild zweier wagemutiger, heldenhafter Einzelgänger passen.
Für Freunde von gepflegter, aufwändiger Shaw-Brothers-Unterhaltung sicherlich eh Pflicht, allein wegen des Showdowns. Die ersten beiden ONE-ARMED SWORDSMAN-Filme toppen diesen hier aber gewaltig.
#20
Geschrieben 14. April 2005, 17:37
Endlich bin ich in den Genuss von Jean Rollins LA ROSE DE FER gekommen, den ich sehen wollte, seit Frank Trebbin ihn in "Die Angst sitzt neben dir" über alle Maßen gelobt hat. Von Rollin kannte ich bislang nur THE LIVING DEAD GIRL, den ich mehr als mäßig fand und LES RASINS DE LA MORT – der war zwar schon besser, aber wenn man Rollin-Experten glauben darf, sind es ja andere Filme, die man von dem französischen Filmemacher sehen MUSS.
Schön, dass jetzt einige der alten Filme auf DVD rauskommen – zum Teil zum ersten Mal in deutscher Sprache -, wie eben LA ROSE DE FER oder FRIEDHOF DER TOTEN SEELEN wie er – etwas weniger elegant – auf deutsch heißt. Wer angesichts des Titels einen Spuk- und Gruselreißer klassischer Prägung erwartet, sieht sich allerdings enttäuscht. Eine Handlung wird von Rollin eigentlich nicht verfolgt, eigentlich ist LA ROSE DE FER ein verfilmtes Gemälde. Alles ist Bild, nicht Sprache ...
Zu Beginn treffen sich ein junger Mann und eine junge Frau. Es funkt zwischen ihnen und so verabreden sie sich für den nächsten Tag, treffen sich, plaudern und geraten auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen auf den verwitterten Friedhof. Vor allem dem Jungen scheint die makabre Umgebung zu gefallen. So sehr, dass er es gar nicht abwarten kann, mit dem hübschen Mädel in eine Gruft zu steigen, um dort ausgiebig zu schnaxeln. Das etwas verängstigte Mädchen lässt sich schließlich überreden. Nach dem Schäferstündchen entdecken die beiden aber zu ihrer Überraschung, dass es bereits Nacht ist. Die Suche nach dem Ausgang erweist sich jedoch als schwieriger als erwartet ...
Das ist eigentlich schon die gesamte Handlung. Jean Rollin lässt sich viel Zeit für die Schaffung einer bestimmten Atmosphäre, die sich nur schwer beschreiben lässt. Er erzeugt ein Gefühl von Zeitlosigkeit und Entrücktheit wie man es mit Träumen assoziiert. Dazu trägt sein langsamer Inszenierungsstil ebenso bei wie die Musik und das Setting, der alte Friedhof, der wirklich wunderbar eingefangen wurde. Es liegt mir fern, hier auf die Schnelle eine Deutung des Geschehens runterzukloppen, das würde dem Film sicher nicht gerecht werden. Was mir aber als "typisch Rollin" erscheint, ist die Rollenverteilung – Männer sind den Frauen grundsätzlich unterlegen, weil diese ein Gespür für die Welt des Nichtmateriellen, Unsichtbaren zu haben scheinen – , die schon angesprochene Atmosphäre und die Struktur (statt sich an klassischen Erzählstrukturen und Handlungsbögen zu orientieren, dreht Rollin völlig gegen gängige Konventionen. Lange statische Einstellungen und mehr als sparsam platzierte Dialoge bestimmen LA ROSE DE FER) sowie das Poetisch-Artifizielle, das zur Überhöhung des Geschehens beiträgt.
Einige Bilder sind aber auch einfach zu schön – und Tote waren nie putziger als in diesem Film ....
#21
Geschrieben 15. April 2005, 17:26
Richtig sympathisch ist mir Franka Potente nach diesem Film. Mit dem Hype um LOLA RENNT ist sie damals doch mit ein paar Vorschusslorbeeren zu viel ins Rennen gegangen und der baldige Ruf aus Hollywood ließ Schlimmes erwarten. Doch Franka Potente ist doch kein geldgeiler Flachmensch, sondern eine Schauspielerin, die zu machen scheint, worauf sie gerade Lust hat.
Davon zeugt auch CREEP, ein Film, der mir im Kino ein wahrlich penetrantes Freudengrinsen in die Fresse gemeißelt hat. Handlungstechnisch eine Mischung aus RAW MEAT und CASTLE FREAK gab's ohne großen Firlefanz was auf die Augen. Ein angenehm reduziertes Drehbuch, dass auf die sonst so Horrorfilm-typischen, kontraproduktiven Erklärungsorgien zum Schluss konsequenterweise verzichtet. So kann der geneigte Zuseher selber seine Spekulationen über das nur Angerissene machen - immer noch die beste Methode für einen Horrorfilm. Aber nicht, dass man glaubt, der Film sei nur was fürs Hirn ! Auch der Fleischergehilfe wird seine helle Freude haben. Ehrlich, CREEP ist alles andere als geschmackssicher und von "wohligem Grusel" oder sowas wird nach Betrachtung auch kein Filmjournalist gefaselt haben. Bei CREEP wird schmutzig und blutig gestorben und es sind bestimmt nicht diese "juchuuu, mach ihn platt!"-Mordszenen wie man sie aus Slasherfilmen kennt. Das hier tut weh und ist einfach nur fies. Und am Ende
ist sogar die schöne Franka echt bedient ...
Eine Frage nur: Was hat sich die Filmförderung NRW dabei gedacht? Früher hätte man einen solchen Film gleich vom Fleck weg beschlagnahmt ...
Freu, freu, freu
#22
Geschrieben 15. April 2005, 17:47
... oder zu deutsch – in beschämender Schlichtheit - DIE TIEFSEETAUCHER ist der neue Film von Wes Anderson, der zuvor mit THE ROYAL TENENBAUMS begeistern konnte.
In seinem neuen Film geht es um den Meeresforscher und -filmer SteveZissou (Bill Murray). Seinen Zenith hat er schon lange überschritten, sodass ihm alle Welt Betrug und sogar Mord vorwirft, als sein ältester Freund und Helfer in Zissous neuem Film offscreen von einem "Jaguarshark" getötet wird. Ein billiger Trick wird vermutet, um noch einmal Zuschauer ins Kino zu locken. Doch Steve Zissou will der Welt beweisen, dass er nicht gelogen hat ...
Nun könnte ein lustiger Abenteuerfilm beginnen, doch halt! Dies ist schließlich der neue Film von Wes Anderson und da bekommt man nur selten, was man erwartet. Man kann nach dem Film durchaus geteilter Meinung sein: Mir gab es zu wenig der wunderbaren Tauchsequenzen, komplett mit Stop-Motion-animierten Fischen, zu wenig von den tollen Puppenhaus-artigen Querschnitten des Boots. Zu wenig ausgetragene Rivalität zwischen dem Fossil Zissou und seinem homosexuellen, Hi-Tech-verliebten Gegenspieler Alistair (Jeff Goldblum). Zu wenig Charakterisierung von Klaus Daimler (Willem Dafoe mit deutschem Akzent).
Das würde eigentlich reichen, einen Verriss zu begründen, aber irgendwie ist bei diesem Film alles anders. Es ist Methode, dass man nie ganz das bekommt, was man erwartet hat, dafür aber ganz andere Sachen, die man gar nicht auf der Rechnung hatte. Dass Dinge passieren, die enttäuschen, ja beinahe schon blöd sind – ohne, dass der Film versuchte, dies zu verbergen. Und zwischendurch sprüht der subversive Geist nur so: Wenn plötzlich - und eigentlich völlig unmotiviert ein Shootout losgeht, gefolgt von einer Geiselbefreiung. Man fühlt sich mehr als einmal im komplett falschen Film.
Das große Drama, dass sich zu Beginn des Films ankündigt, bekommt man zwar, aber alles wird mit einer solch resignativen Beiläufigkeit serviert, dass man fast heulen muss. Ja, so ist es wohl das Leben: Wenn es knallen soll, dann knallt es halt. Meistens aber ganz leise ....
#23
Geschrieben 15. April 2005, 18:32
Park Chan-Wooks neuer Film hat ja international ordentlich abgesahnt und es würde mich nicht wundern, wenn der Gute bald schon irgendeinen uninspirierten Rotz in Hollywood verbrechen darf. Da hilft nur, seine südkoreanischen Filmkunstwerke zu bestaunen, solange es noch geht.
Nach SYMPATHY FOR MR. VENGEANCE, der ja im Gegensatz zu JOINT SECURITY AREA alles andere als massenverträglich war, setzt er sich mit OLDBOY, dem zweiten Teil seiner geplanten Rachetrilogie, genau zwischen diese beiden Stühle. Thematisch – es geht eben um Rache – nah an SYMPATHY wird nach diesem doch eher rohen Film formal aber ein Schritt zu dem perfekt durchkomponierten JSA gemacht.
Doch zunächst zur Geschichte: Wir begegnen Oh-Dae Su (Choi Min-Sik aus SHIRI) auf einer Polizeiwache. Er hat betrunken randaliert und benimmt sich erschreckend postpubertär für einen 30-Jährigen. Schließlich wird er freigelassen. Doch als sein Freund, der ihn nach Hause bringen soll, eine Sekunde nicht aufpasst, ist Oh Dae-Su verschwunden. In den nächsten 30 Minuten begleiten wir Oh Dae-Su durch die Hölle: Eingesperrt in einem Ein-Zimmer-Appartement muss er 15 Jahre ausharren, ohne zu wissen, warum er sich in Gegangenschaft befindet und wer ihn überhaupt eingesperrt hat. Nach diesen 15 Jahren wird er unter Hypnose in der Freiheit ausgesetzt. Er macht sich auf den Weg, das Geheimnis seiner Gefangenschaft aufzuklären. Und er wird erfahren, das die Gefangenschaft noch der angenehmere Teil seiner Bestrafung war ...
Was für ein Film! Eine absolut spannend erzählte Geschichte, ein intelligentes und einfallsreiches Drehbuch und tolle Schauspieler, allen voran Choi Min-Sik, der es nicht nur schafft, innerhalb von 30 Filmminuten 15 Jahre zu altern, sondern vor der Kamera komplett einzubrechen. Unglaublich und absolut ergreifend! Und dann die großartigen Regieeinfälle des südkoreanischen Regisseurs: In nahezu jeder Szene gibt es etwas zu bestaunen, ohne dass man deshalb den Eindruck erhält, hier ginge es nur um Gimmicks. Und für Menschen mit Sushi-Phobie ist dieser Film schon fast eine Konfrontationstherapie ...
Südkorea hat ja in den vergangenen Jahren wirklich fantastische Filme hervorgebracht, aber OLDBOY sticht aus diesen m. E. noch weit hervor. Natürlich gibt es auch mögliche Kritikpunkte: So könnte man vor allem dem Drehbuch vorwerfen, die Glaubwürdigkeit etwas über Gebühr zu strapazieren. Tatsächlich wirkt die Geschichte gegen Ende etwas konstruiert. Mich hat es nicht gestört, im Gegenteil: Wie Park Chan-Wook es versteht, in den letzten 20 Minuten immer noch eine Schippe draufzulegen, ohne dabei in banale Plottwistverrenkungen a la WILD THINGS zu geraten, ist schon beispielhaft. Wer weiß, was ein anderer Regisseur mit einem anderen Schauspieler daraus gemacht hätte ... Seien wir froh, dass es ist wie es ist,
denn OLDBOY ist mit Leichtigkeit einer der besten Filme des letzten Jahres.
#24
Geschrieben 15. April 2005, 18:56
Ich gestehe, bei Michael Mann bin ich alles andere als objektiv (sofern das überhaupt wünschenswert ist). Ich liebe eigentlich alle seine Filme und dass, was andere an seinem Stil gern als geleckt, glatt und überstilisiert halten, jagt mir mit schöner Regelmäßigkeit einen Schauer über den Rücken. Nachdem er spätestens mit HEAT 1995 auch dem Mainstreampublikum ein Begriff wurde, sind seine Filme zugänglicher und spektakulärer geworden. Klar, so mancher wird schon wieder den Ausverkauf wittern, ich finde es aber absolut spannend, wie Mann es schafft, auch diesen vermeintlich "flachen" Filmen seinen Stempel aufzudrücken.
War INSIDER vielleicht noch der schwächste der Post-HEAT-Phase, hat Mann mit ALI meiner Meinung nach das Genre des Biopic revolutioniert, indem er seine Perspektive immer als eine subjektive kenntlich macht. Er versucht gar nicht erst, die "ganze Wahrheit hinter der Legende" zu enthüllen, sondern zeigt, dass das bloße Bestehen des Mythos Muhammad Ali jeden ungetrübten Blick zu verhindern weiß. Ach ja, und Will Smith erbrachte mit diesem und NUR diesem Film den Nachweis, dass er noch zu was anderem gut ist, als die Sesamstraßenversion von Denzel Washington zu geben.
Zurück zu COLLATERAL: Ein Taxifahrer mit einem Traum (typisches Mann-Thema), eine schöne Frau und ein Killer mit einem Auftrag. Das sind die Ingredenzien für Manns neuestes Feuerwerk. Max (Oscar-Preisträger Jamie Foxx) muss auf seiner nächtlichen Tour den Geschäftsmann Vincent (Tom Cruise) zu fünf Terminen bringen. Schon bald erfährt er, was es mit diesen Terminen auf sich hat: Vincent ist ein Auftragskiller, die fünf Stationen seine Aufträge. Zunächst will Max einfach nur aussteigen, doch schon bald merkt er, dass er der einzige ist, der Vincent aufhalten kann.
Ein sehr straighter Thriller, der durch seine präzisen Charakterisierungen besticht und durch die Mannsche Edeloptik, die selbst einen Haufen Dünnschiss noch wie einen Edelstein aussehen lassen könnte. Und das ist durchaus als Kompliment zu verstehen. Unbedingt anschauen!
#25
Geschrieben 15. April 2005, 19:44
Zhang Yimous letzter Filmnach dem überwältigenden HERO ist leider alles andere als flawless. Dabei fängt alles so gut an.
HOUSE OF FLYING DAGGERS – so nennt sich eine Gruppe rebellischer Untergrundkämpfer, die sich gegen den Kaiser auflehnen. Die Polizisten Jin (Takeshi Kaneshiro) und Leo (Andy Lau) haben den Hinweis erhalten, dass eines der Mädchen in einem Bordell Kontakt zu den Rebellen hat. Und tatsächlich: Die blinde Mei (Zhang Ziyi) kann überführt werden. Jin soll nun in die Rebellenorganisation eingeschleust werden. Natürlich kommt es wie es kommen muss: Er und Mei verlieben sich. Kann das gut gehen?
Bis zu diesem Punkt der Geschichte macht Zhang Yimou mal wieder alles richtig. Doch am Ende war ich dann mehr als enttäuscht. Warum? Nun, Zhang Yimou hält einfach nicht, was er verspricht, lässt einen nicht ganz unwichtigen Teil der Geschichte völlig unter den Tisch fallen, was das Ende mehr als holprig erscheinen lässt. Die politische Komponente, die den ganzen Film über betont wird und großes Drama und Action verspricht, wird am Ende schließlich zugunsten eines recht gewöhnlichen Dreiecksbeziehungsdramas geopfert. Der große Rahmen, das Epische, das die ganze Zeit um die Ecke lugt und große Versprechungen macht, verkrümelt sich zum Schluss einfach.
Nun, das könnte man verschmerzen, wenn man sonst alles bekäme. Aber gegenüber HERO fällt HOUSE OF FLYING DAGGERS doch sehr ab. Die titelstiftenden Wurfdolche kommen zwar recht häufig zum Einsatz, doch zeigen diese Szenen recht schnell Abnutzungserscheinungen. Ein Wurfdolch hat eben nicht ganz soviel Potenzial wie ein Jet Li in Hochform. Bevor das hier falsch verstanden wird: HOUSE ist alles andere als ein schlechter Film. Doch wo HERO zu faszinieren wusste und einen auch inhaltlich forderte (ich führe heute noch lebhafte Diskussionen mit mir selbst darüber, ob er nun faschistoid ist oder nicht), bietet HOUSE lediglich gehobene Unterhaltung. Klar, viele Szenen gehören auch hier wieder zur absoluten Creme, aber irgendwie hat man das ja dieses Mal auch erwartet.
Mit einer kleinen Träne ob der vertanen Chance und großer Hoffnung auf den nächsten Film von Zhang Yimou.
#26
Geschrieben 16. April 2005, 16:36
Diesen obskuren Film habe ich gerade im Buio-Omega-Filmclub gesehen und man versicherte der versammelten Schar, dass es sich dabei um eine echte Rarität handelt. Tatsächlich ist dieser Film die erste deutsch-türkische Koproduktion und darf auf Ende der 50er/Anfang der 60er datiert werden. Gedreht wurde er in "glorious black & white" – von jemandem, der das Inszenieren offensichtlich auf der Kirmes gelernt hat.
Aber zunächst zur Story: Die blonde Renate arbeitet auf einem Bauernhof nahe Hamburg. Und auch wenn der schmierige Chefbauer mit seiner Zuneigung nicht hinterm Berg hält, es zieht das jung Mädel in die große Stadt – zur Abtreibung. Dort herrschen Zustände wie weiland in Sodom und Gomorrah und Renate rasselt sofort rein in den Schlamassel. Aber die Wege des Herrn sind unergründlich und so landet sie mit einem Zwischenstopp in Rom schon bald in Istanbul, das aber auch nicht viel besser ist als Hamburg. Am Ende ist Renate tot - ermordet von drogendealenden Schergen, weil sie sich mit dem gefährlichen Yusuf angelegt hat ...
Dieser Film ist wahrlich unglaublich: Eine Mischung aus Krimi, Melodram und Educational – mehr als einmal wird vor den Schattenseiten der Großstädte gewarnt, wo brave Mädchen an nahezu jeder Ecke in die falschen Hände geraten können, ein Joint sofort wahnsinnig macht und jeder Mann ein Zuhälter, jede Frau eine Hure ist. Zum Thema Educational sollte hier noch angemerkt werden, dass es selten klarer war als bei diesem Film, dass die hehren Absichten eigentlich auch nur vorgeschoben sind, um ausgiebig über ausliegende Fleischwaren zu schwenken ...
Das Drehbuch holpert von einer Szene zur nächsten und oft ist völlig unklar, was die eine Szene mit der anderen zu tun hat. Die Funktionen der handelnden Personen bleiben auch meist im Dunkeln verborgen. Ein ganz schön skurriler Haufen, der jedem Lynch-Film zur Ehre gereichen würde (der Sesamstraße allerdings auch): Da ist Renate oder Nana, wie sie später nur noch genannt wird (nom de guerre oder watt?), deren Motivation ziemlich unklar bleibt. Warum lässt sie sich mit diesem Abschaum überhaupt ein? Der Film schiebt materielle Gründe vor, aber gezz ma ehrlich: Der Modeschmuck-Plunder, den sie sich von Yusuf andrehen lässt, taugt eher dazu, die "Crime does not pay"-Strategie des Film zu untermauern, als glaubwürdig die Versuchung durch Reichtum und Geschmeide darzustellen. Und warum wohnt sie immer noch bei dem biederen Hausmütterchen und deren halskranken Sohn zur Untermiete, wenn der reiche Yusuf ihr ein Leben in Saus und Braus verspricht?
Eine Erklärung dafür ist vielleicht die Präsenz von Tony, seines Zeichens Horst-Buchholz-Double, ebenfalls Untermieter und love interest von Nana. Ein Mann wie ein Stromausfall: Wenn er das Maul aufmacht, hat man das Gefühl, einen schlimmen Fall von Valium-Abusus vor sich zu haben. Kein Wunder, dass der halskranke Junge ihn von der Straße wegholt in Mamas warme Stube: Er hat in Tony endlich einen gleichwertigen Gesprächspartner gefunden! Tony und Nana können sich auch nicht so recht entscheiden, das aus ihnen nun werden soll. Ihre Beziehung ist ein einziges Auf und Ab – allerdings ohne Reinstecken. Dann gibt es noch eine merkwürdige Clique, bestehend aus einem schmierigen Schnurrbart-Türken, seiner platinblonden Nuttenfreundin, die keine Gelegenheit auslässt, eines ihrer berühmten lasziven Tänzchen aufzuführen, und einigen weiteren Blödmenschen. Einer der anwesenden Herren trägt den ganzen Film über eine Kasperle-Handpuppe an der Hand herum. Warum? Egal!
Er hat auch die m. E. beste Szene des Films, die hier nur Beispiel für die vollkommene Absurdität des Geschehens liefern soll: Man sieht ihn zunächst an einem Büdchen Zigaretten kaufen. Schnitt nach Irgendwoandershin, wahrscheinlich zu Nana und Tony. Dann wieder zurück zum Kasperle: Er steht neben dem Büdchen als plötzlich eine behandschuhte Hand ins Bild und nach seiner Schulter greift: Schock! Dann die unsterbliche Frage: "Können Sie mir über die Straße helfen?" Ein blinder Türke bittet um Hilfe ... (Meine Freundin erklärt mir gerade, dass diese Szene dazu dient, die Angst des Kasperles zu verdeutlichen, da dieser den fiesen Yusuf bei der Polizei verpfoff. Vielen Dank, Leena, ohne dich wäre dieser Film für mich auf ewig ein Rätsel geblieben! )
Toll auch die Szene zu Beginn, als eine Stripeinlage in einem Club oder auf einer Party (alle sitzen auf dem Boden herum, außerdem haben alle Kerle Freundinnen dabei - keine Fragen, bitte ...) zum Massenstrip ausartet: Talk about Gruppenzwang ... Und der Killer, der Nanas kleines Lichtchen auspustet, ist auch zum Verneigen. Ich hole etwas aus: Da Tony schließlich kurzen Prozess mit dem fiesen Yusuf macht, weil der sein holdes Weiblein in die Haschisch-Abhängigkeit stürzte (Nana nach dem ersten Zug von der Tüte: "Oh, ich sehe alles acht- und zehnfach. Das ist ja toll!"), muss Nana fliehen. Man empfiehlt ihr: "Kleide dich wie eine Eingeborene!" Gesagt, getan. Mit Kopftuch und Lumpensack sitzt sie in der nächsten Szene im Feld – eine Hommage an ONIBABA – DIE TÖTERINNEN? Zwischenzeitlich hat ein weiterer Schnurrbart-Türke mit Fez auffem Kopp einen Killer auf sie angesetzt: einen offensichtlich deutschen Darsteller, der dies nur unzureichend mit Sonnenbrille und Kaftan zu verbergen weiß, und seine Tötungsbereitschaft mit einem schneidigen "Verstanden, Effendi!" signalisiert - spätestens hier hat er sich verraten! Nana ist Geschichte. (Der Eurodance-Rapper selben Namens übrigens auch!)
Was ich ganz vergaß: Ähnlich wie auch ONVE UPON A TIME IN AMERICA ist dieser Film als Rückblende erzählt: Ein Geistesblitz von einem Reporter liest bei dem für diesen Fall zuständigen Polizisten das Tagebuch von Renate. Fragt sich nur, wann sie die Details ihrer Ermordung für die Nachwelt festhielt ...
#27
Geschrieben 18. April 2005, 18:13
Wer einen Bud-Spencer-und-Terence-Hill-Film mag, der mag eigentlich alle, funktionieren doch alle im Grunde nach dem gleichen Schema: Terence Hill ist das Schlitzohr, Bud Spencer der Elefant, beide treffen sich, veranstalten irgendeinen Unfug und für die Bösen gibts nen Satz heiße Ohren. Rainer Brandt und sein Synchronstudio tun ihr Übriges, um dem niveaulosen Gerangel auch verbal ordentlich Dampf zu machen.
Nach diesem Schema entstanden mit DIE RECHTE UND DIE LINKE HAND DES TEUFELS und VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA nicht nur zwei fulminante Spaßwestern, sondern m. E. auch Klassiker des Italowestern. Nicht immer wurde das Niveau dieser Filme erreicht - doch damit kann man leben. Wer sie als Kind jedoch zu lieben gelernt hat, der kann auch heute noch einen Mordsspaß mit ihnen haben.
ZWEI ASSE TRUMPFEN AUF von Italo-Veteran Sergio Corbucci ist ein Film der Spätphase des Duos und zeigt schon ein paar Abnutzungserscheinungen. Terence Hill ist Alan, ein sympathischer Taugenichts, der von seinem Onkel eine Schatzkarte vermacht bekommt. Da kommt ihm der dicke Charlie (Bud Spencer), der für den Marmeladenhersteller "Puffin" eine einsame Segeltörn machen soll, gerade recht. Matt schleicht sich an Bord, um zu der Insel Pongo-Pongo, auf der der Schatz liegen soll, zu gelangen. Charlie kommt dem blinden Pasagier auf die Schliche und so werden die beiden als Schiffbrüchige auf die einsame Insel verschlagen. Doch so einsam ist sie gar nicht: Ein Stamm Eingeborener lebt dort, ebenso wie ein Japaner, der nicht gemerkt hat, dass der Krieg vorbei ist und eine Bande Seeräuber kommt auch regelmäßigt vorbei. Am Ende haben Charlie und Matt etwas Gutes getan, sie sind immer noch so arm wie zuvor und die Bösen haben ordentlich was auf die Mappe gekriegt.
Wie schon gesagt, ZWEI ASSE ist nicht der beste Film des Duos. Die Geschichte hat zu wenig Zug, zu viele Szenen ziehen sich unnötig lang, von Spannung kann überhaupt keine Rede sein. Trotzdem habe ich mir fast ein Loch in den Bauch gefreut. Warum? Da ist zum einen der Eingeborenenstamm: Würde man den heute so darstellen wie in diesem Film, hitzige Rassismusdebatten würden geführt werden. Die niedlichen Schwarzen radebrechen in einem Dialekt, den ich mal vorsichtig als "Negerdeutsch" bezeichnen möchte, tragen Afroperücken und fantasievolle Kriegsbemalung. Angeführt wird der Stamm natürlich von einer dicken, überprotektiven Mama, deren Töchter heiße Hula-Mädchen sind, die sich sogleich die Hälse nach den beiden Haudegen verrenken.
Dann die Keilereien: Wie immer eine Schau. In meiner Lieblingsszene benutzt Terence Hill die Augenklappe eines der Seeräuber (die sich wohlgemerkt noch in desen Gesicht befindet) als Schleuder: Er zieht sie von seinem Auge, klemmt eine Kokosnuss dahinter und schießt sie dem bedauernswerten Kerl volles Programm vor die Mütze. Wunderbar! Der Japaner (Anspielung auf HELL IN THE PACIFIC von John Boorman), die Seeräuber, die Eingeborenen und natürlich unser geliebtes Duo machen einfach Spaß. Überhaupt Hill und Spencer: Ist ersterer ja doch ein talentierter Schauspieler, was er ja nicht zuletzt in Viscontis IL GATTOPARDO beweisen konnte, besticht Spencer vor allem durch seine schlichte physische Präsenz. Trotzdem besteht zwischen den beiden eine Chemie, die man einfach lieben muss. Wie Bud Spencer den Dickhäutigen mimt, der von dem Unternehmungsgeist Hills mehr und mehr genervt ist, ist in jedem Film der beiden eine Schau. Wie auch Riccardo Pizzuti: Diesem "unsung hero" der Terence-Hill-und-Bud-Spencer-Filme muss hier einmal Tribut gezollt werden, denn er kriegt wirklich in JEDEM Film der beiden den Arsch versohlt, dass es qualmt. Respekt!
#28
Geschrieben 18. April 2005, 18:48
Terence Hill und Bud Spencer als Polizisten unter der Regie von Enzo Barboni, bzw. "E. B. Clucher", der auch für die beiden TRINITA-Filme verantwortlich ist, so lautet die Kurzzusammenfassung, mit der eigentlich schon alles gesagt ist.
Hill ist Matt Kirby "genannt der Kürbis", Tagedieb, Raufbold und Schlitzohr, Spencer Wilbur Walsh, von Hill liebevoll als "Fettsack" oder auch "Speckwanst" tituliert. Der Anfang erinnert stark an VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA und dessen unsterbliche Bohnensequenz: Am Hafen legen sich erst Wilbur, dann Matt mit einer Bande von Gangstern an, die zunächst zwar noch eine große Klappe haben, aber bald schon einsehen müssen, dass bei diesen beiden nix zu holen ist. Über ein paar Umwege geraten Hill und Spencer zur Polizei und so machen sie nicht nur die Ganoven vom Hafen am Ende dingfest – es handelt sich bei diesen um Mörder und Drogendealer –, sie helfen auch der umwerfenden Laura Gemser, die zwei augenöffnende Kurzauftritte hat. Der Polizeichef wird gegeben von David Huddleston, den man vielleicht als Lebowski aus dem Coen-Brothers-Film kennt - natürlich nicht der Lebowski, der von Jeff Bridges gespielt wird, is klar. Riccardo Pizzuti kriegt auch wieder was aufs Maul - keiner kann so schön einstecken wie er. Und den Oberbösen Luciano Catenacci kennt der italophile aus Lenzis DIE KRÖTE und DER BERSERKER, Aldo Lados MALASTRANA oder auch Damianis DER CLAN, DER SEINE FEINDE LEBENDIG EINMAUERT.
In meiner Lieblingsszene erscheinen Hill und Spencer bei zwei attraktiven jungen Damen, die von den Bösewichtern als Lockvögel auf unsere Helden angesetzt worden sind. Mit Cowboyhüten, Plastikblumen und zwei Flaschen Whiskey, machen sie alle Vorkehrungen der Verbrecher zunichte. Hill zu Spencer: "Wieviel kannst du trinken?" Spencer: "Die ersten 20 Liter machen keine Probleme, dann muss ich mal kurz rülpsen." Und wenn Hill rülpst, dann flattern soagr die Haare seiner Angebeteten wie ein Blatt im Wind ...
Ein schöner Film, der mit 110 Minuten vielleicht ein Stück zu lang geraten ist, bei dessen finalen Klopperei in einer Bowlinghalle zur Entschädigung aber dafür Kegel, Bowlingkugeln, Billardschläger und Kugeln maximal schmerzbringend zum Einsatz kommen.
#29
Geschrieben 18. April 2005, 19:09
Ein Spencer-Hill-Vehikel von 1974, das mir noch neu war und mit dem englischen Titel WATCH OUT, WE'RE MAD treffend auf den Punkt gebracht ist. Marcello Fondato, zu dessen Meriten u. a. die Drehbücher zu Bavas BLUTIGE SEIDE und DIE DREI GESICHTER DER FURCHT zählen, führt Regie und Hill und Spencer variieren ihre Standardrollen mehr als nur minimal - legen aber dafür in Sachen Infantilität noch einmal einen Zacken zu.
Die Story: Spencer und Hill sind Ben und Kid, die bei einer Autorallye teilnehmen, bei der es um einen roten Strandbuggy mit gelbem Dach geht. Vor allem Ben ist verliebt in diesen Wagen: Er lässt es sich nicht nehmen, es noch im Schaufenster des Autohauses Probe zu fahren. Natürlich gewinnen beide und müssen sich den Wagen fortan teilen. Doch das Glück währt nicht lange: Schergen machen den Wagen platt, als sie das nahe gelegene Kirmesgelände heimsuchen, weil ihr Chef dort ein Hochhaus bauen will. Dieser Chef steht unter der Fuchtel seines autoritären Psychiaters, der von Donald Pleasence äußerst lustig dargestellt wird. Es dauert nicht lange, dann hat Hill seinen gemütlichen Kumpel dazu überredet, sich mit den Bösen anzulegen, um den Buggy zurück zu bekommen. Der Spaß beginnt.
Vom Titelsong "Dune Buggy" der De Angelis-Brüder angefangen, bis zu dem außerordentlich infantilen und destruktiven Gebaren unserer Helden ist bei diesem Film alles toll. Hill und Spencer spielen zwei Faulpelze, die nichts mehr lieben als eine zünftige Keilerei. Vor allem Hill hat nur Unsinn im Kopf und wären die beiden nicht so putzig, man käme nicht umhin, sie als Hooligans oder Asoziale zu bezeichnen. Dass sie aber die unumstrittenen Helden sind, man sich bei jeder Aktion von ihnen diebisch freut, das macht den Reiz ihrer Filme und vor allem von ZWEI SIND NICHT ZU BREMSEN aus.
#30
Geschrieben 19. April 2005, 17:17
Terence-Hill-und-Bud-Spencer-Stammregisseur Enzo Barboni inszenierte hiermit den drittletzten gemeinsamen Film der beiden, danach kamen noch VIER FÄUSTE GEGEN RIO und DIE MIAMI-COPS. OK, OK, in den 90ern gabs auch noch den unnötigen Comebackversuch DIE TROUBLEMAKER, aber den zähle ich jetzt mal nicht dazu.
Wie schon für ZWEI ASSE TRUMPFEN AUF gilt auch hier: nicht mehr das ganz große Kino, aber immer noch passabler Spaß für geistig Junggebliebene. Bei diesem Film handelt es sich um eine Mischung aus James-Bond-Film und Verwechslungskomödie. Bud Spencer ist Doug, frisch entlassener Häftling, der so gutmütig ist, dass sogar der Gefängnisdirektor ihn mag. Und Terence Hill ist Rosco, rollerskatefahrender Hallodri, der Spencer natürlich in die Scheiße reitet. Natürlich machen sie dann gemeinsame Sache, natürlich winkt die dicke Knete und natürlich gehen beide am Ende leer aus. Und natürlich spielt Riccardo Pizzuti mit (mit Dauerwelle!).
Hier gibts etwas weniger Prügeleien dafür mehr Story (sofern man das so sagen kann) und sonstige eyecatcher (einen Killerwal und einen Jetski), mit denen man versuchte, die Zuschauer bei der Stange zu halten. Hill und Spencer werden für Spezialagenten gehalten und auf den Oberschurken K1 angesetzt, der den ganzen Film über den Blofeld macht (man sieht nur die Hand, die in seinem Fall aber einen Hund streichelt) und sich am Ende als Mischung aus Marlon Brando und Ron Jeremy mit einem ziemlich doofen Weltbeherrschungsplan entpuppt. So doof, dass er schließlich vom bauchrednernden Hill vereitelt wird.
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