Cinema Paradiso
#61
Geschrieben 08. September 2005, 00:17
Zum einen Constantin Costa-Gavras, der es für meine Begriffe auf recht beeindruckende Weise schafft, Kino mit politischen, gesellschaftlichen und sozialen Anliegen zu machen, sich dabei aber nicht nur in dröger Didaktik zu gefallen, sondern das Ganze gleichzeitig auch dank einer mitreißenden und phasenweise sehr intensiven Inszenierung in eine ansprechende Form zu verpacken, wodurch es dann eindeutig mehr Spaß macht, sich auch mit den Inhalten näher auseinander zu setzen. Seinen Z würde ich jedenfalls beinahe als Meisterwerk bezeichnen wollen. Faszinierend ist in handwerklicher Hinsicht vor allem das perfekte Zusammenspiel von Musikeinsatz und filmischer Schnitt- und Montagetechnik. Und während mir einerseits zum Beispiel die Leone-Hommage mit französischem THE GOOD, THE BAD AND THE UGLY-Plakat samt anschließend Leone-typisch inszenierter Straßenszene einfach nur persönlich sympathisch ist, finde ich es meisterlich, wie Costa-Gavras die Zuschauer auf inhaltlicher Ebene konsequent und gekonnt aufs Glatteis führt. Da mag DER UNSICHTBARE AUFSTAND nicht ganz mithalten können, dennoch war ich auch hier sehr angetan von der Art, wie moralisch-ethische Fragestellungen behandelt werden, ohne dabei in formaler Hinsicht zu langweilen. Und gerade die Gespräche über die Verantwortlichkeit des eigenen Handelns zwischen Yves Montand und seinen Entführern sind so packend inszeniert, dass ich unweigerlich daran denken musste, was aus dem in diesen Aspekten durchaus verwandten DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI hätte werden können, wenn sich Weingartner in Sachen Umsetzung einiges bei Costa-Gavras abgeschaut hätte. Ebenfalls wirklich empfehlenswert finde ich DAS GESTÄNDNIS, der mitsamt seiner eindringlichen Schilderung von staatlich angeordneter Folter und Geständniserpressung eine schonungslose Anklage gegen die menschenverachtenden Machenschaften totalitär-kommunistischer Unterdrückungssysteme ist. Gleichzeitig geht es Costa-Gavras aber nicht nur um den konkreten Fall der Sowjetstaaten, sondern anhand seines erzählenden Protagonisten auch ganz allgemein um eine nachdenklich stimmende Kritik an unreflektierter Autoritätshörigkeit.
Ansonsten noch ein paar meiner Highlights der letzten Monate, die ich an dieser Stelle zumindest kurz erwähnen möchte. Da wäre DIE FABELHAFTEN BAKER BOYS, die ich eigentlich nur wegen Michael Ballhaus' 360-Grad-Kamerafahrt eingeschaltet, dann aber erst Michelle Pfeiffer und danach den ganzen Film so unwiderstehlich gefunden habe, dass ich nicht mehr aussteigen konnte. Eine echte Entdeckung, weil ich den Film seltsamerweise nie so wirklich auf der Rechnung hatte. *** Brian De Palmas SCARFACE wiedergesehen und dabei erst so richtig realisiert, wie unglaublich gut der Film wirklich ist. Der ist geradezu explodiert, und Pacino war wohl selten besser – eine kongeniale Interpretation eines monströsen Filmcharakters. Momentan wäre ich fast geneigt, den Film als meinen Lieblings-De Palma zu bezeichnen. *** Straight und doch voller Brüche und Irritationen kommt POINT BLANK daher, das grandiose Original zum ebenfalls tollen Gibson-Remake PAYBACK. Im Vergleich gehört neben erheblichen stilistischen Unterschieden zu den großen Stärken von Boormans Film auf jeden Fall Lee Marvin, ohnehin neben Steve McQueen und Charles Bronson einer der coolsten Darsteller des Kinos der 60er und 70er Jahre. *** Endlich einen meiner wichtigsten most-wanted-Filme zu sehen bekommen: Lucio Fulcis SETTE NOTE IN NERO, den ich auf einer Höhe mit A LIZARD IN A WOMAN'S SKIN als faszinierendsten Film des Italieners empfunden habe. Die schrittweise Erfüllung der Visionen gehört zum besten und intensivsten, was Fulci je inszeniert hat. Überhaupt ist die gesamte Story-Konstruktion überaus gelungen. Eine Sogwirkung entsteht bereits beim süßlich-betörenden Song "With You", der den Vorspann ungemein veredelt. *** Auf seine Art einmalig dürfte Walerian Borowczyks LA BÊTE – DIE BESTIE sein, der als verblüffend beiläufige Entlarvung der Abgründe in den guten Stuben einer angesehenen Familie beginnt und schließlich im Finale in der vielleicht explizitesten, auf jeden Fall aber bizarrsten Sexszene kulminiert, die je in einem Spielfilm zu sehen war. Die Schöne und das Biest in einer wahrlich ungewöhnlichen Umsetzung und Umkehrung, voller Poesie, Perversion und animalischer Leidenschaft. *** Einen Meilenstein aus der frühen Phase des Tonfilms habe ich mir zwischenzeitlich mit James Whales FRANKENSTEIN gegönnt. Besonders erfreulich, dass sich der Film nicht mit der vordergründigen Horrorgeschichte begnügt, sondern gleichzeitig eine ganze Reihe anderer Aspekte (Forschungsethik, Lynchmob-Thematik etc.) nicht unter den Tisch fallen lässt. Vor allem deshalb hat er mir auch eine ganze Ecke besser gefallen, als der im gleichen Jahr (1931) entstandene andere große Universal-Gruselklassiker DRACULA – ohne deshalb Tod Brownings Film und vor allem die Darstellung Bela Lugosis in irgendeiner Weise abwerten zu wollen. *** Unter den Filmen aus den Studios der Shaw Brothers, von denen ich immer noch viel zu wenig kenne, gehört INVINCIBLE SHAOLIN (aka DAS HÖLLENTOR DER SHAOLIN) auf jeden Fall zu denjenigen, die ich sehr schätze. Besonders die Kampftechniken und Ausbildungssequenzen, von denen einige überdeutlich und mit absoluter Berechtigung Vorbild für KILL BILL waren, sind große Klasse und auch die Choreografie der Anfangs- und Schlusskämpfe ist überaus beeindruckend. *** Eines meiner Highlights der letzten Zeit war außerdem Benjamin Quabecks NICHTS BEREUEN. Mit anderen Worten: der richtige Film zum richtigen Zeitpunkt, und zudem in der richtigen Lebensphase. Ja, da hat einer genau hingeschaut bzw. einfach verdammt unverfälscht die eigenen Erfahrungen und Gefühle in seinem Film verarbeitet. Sehr erfreulich, zumal so was viel zu selten vorkommt. Zusammen mit LOLA RENNT und ABSOLUTE GIGANTEN für mich der beste, erfrischendste und wahrhaftigste neuere deutsche Film. Und "nichts bereuen" wäre eigentlich mal ein Motto, das man sich zu Herzen nehmen sollte, vor allem, wenn man dazu neigt, manches geradezu obsessiv zu bereuen... Tja, aber im Leben hat man halt manchmal weniger kreatives und inhaltliches Mitbestimmungsrecht als im Film...
#62
Geschrieben 08. September 2005, 00:19
(Bin jip, Regie: Kim Ki-Duk, 2004)
Selten war der Ausdruck aus dem Kino schweben, gerade natürlich auch in Verbindung mit dem Ende des Films, passender. BIN-JIP ist verzaubernde Kinomagie, wie ich sie in dieser Intensität lange nicht mehr erlebt habe. Anmut und Zärtlichkeit liegt in diesen wohlkomponierten, berührenden Bildern von erlesener Schönheit. Und wunderbares, schweigendes Verständnis – denn diese leisen, geradezu bescheidenen und reduzierten Bilder, Symbole, Gesten und Bewegungen sagen tatsächlich mehr als tausend Worte. Eine hypnotische Filmerfahrung. Wunderschön, betörend, euphorisierend. Obwohl auch nachdenkliche, bittere Töne angeschlagen werden, ist BIN-JIP für mich doch in erster Linie ein Film, der auf seine Art glücklich macht.
Momentane Top Five des Kinojahres 2005:
1. BIN-JIP
2. MILLION DOLLAR BABY
3. 2046
4. KONTROLL
5. DIE TIEFSEETAUCHER
Die Auswahl bezieht sich nur auf die zwischen Januar und August offiziell in Deutschland gestarteten Filme. Hinter den fünf genannten folgt noch ein großer Brei von Filmen, die mir teils sehr gefallen haben, mir aber darüber hinaus nicht wirklich viel bedeuten, weshalb ich es bei einer Top 5 belassen habe, um mir nicht über weitere Platzierungen den Kopf zerbrechen zu müssen. Unabhängig davon bleibt leider weiterhin festzuhalten, dass ich 2005 viel seltener als in den Vorjahren im Kino war und mir daher ein erheblicher Teil der potenziell für mich interessanten Filme schlichtweg entgangen ist.
#63
Geschrieben 11. September 2005, 16:26
(Regie: George A. Romero, 2005)
Eine konsequente Fortführung der Zombie-Reihe von George A. Romero. Die Anspielungen auf politische Ereignisse und gesellschaftliche Zustände sind diesmal umfangreicher und offensichtlicher denn je. Hier ist es beinahe schon so, dass sich fast jeder Dialogsatz, jede Handlungswendung, jede Kameraeinstellung in irgendeiner Form als Metapher oder Symbol deuten lässt. Den ausgebildeten Filmanalytiker, der es gewohnt ist, erst mal fünf Schichten Filminhalt abzutragen, um zu seiner Interpretation zu gelangen, mag das vielleicht eher vergrätzen. Da es Romero aber offenbar darum geht, auch den Normalzuschauer zu erreichen, hat er zweifelsohne einen guten Mittelweg eingeschlagen. Mir war es jedenfalls eine Freude und ich bin gespannt, was sich bei den nächsten Sichtungen noch alles an Details entdecken lässt.
Während LAND OF THE DEAD demnach als anspielungsreiche Parabel und gleichermaßen als düstere Gesellschaftsutopie prima funktioniert, steht er als reiner Zombieschocker seinen Vorgängern vielleicht etwas nach. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wirkliche Identifikationsfiguren und intime menschliche Momente (immer noch eine meiner Lieblingsszenen der ganzen Reihe: das romantisch-melancholisch-apokalyptische Dinner in DAWN OF THE DEAD) weitgehend fehlen und auch die Inszenierung nicht unbedingt auf eine mitreißende Spannungsdramaturgie ausgelegt ist. Auch das ist im Kontext der Reihe freilich nur konsequent. Dazu passt auch das Paradoxon, dass die Zombies mittlerweile zwar einerseits das ganze Land beherrschen, andererseits aber verblüffend wenig Raum im Film einnehmen. Der Fokus liegt hier eher im Umgang der verbliebenen Menschen mit den Zombies. Wo schon in einer Szene von DAWN OF THE DEAD das Abknallen der Zombies zum sportlichen Zeitvertreib im Stil der Büffeljagden inszeniert wurde, werden solche Aspekte in LAND OF THE DEAD noch eingehender thematisiert. Weitgehend verschwunden ist dabei die ehemals comichaft übertriebene Gewalt, denn die (teils sehr graphischen) Gore-Effekte in LAND sind in der Mehrzahl recht schmerzhaft anzusehen und zuweilen höllisch effektiv eingesetzt.
Insgesamt bleibt für mich festzuhalten: wer auf fetzigen, spannenden Action-Horror steht, ist beispielsweise mit Zack Snyders gelungenem DAWN-Remake mit Sicherheit besser bedient. Aber als sozialkritische Parabel mit unglaublich düsterer Endzeitstimmung ist LAND OF THE DEAD außerordentlich gelungen. Und fast ein bisschen der STARSHIP TROOPERS des Zombiefilms (zwar mit weniger Satire-Anteil, aber mit ähnlichem Anspielungsreichtum).
#64
Geschrieben 11. September 2005, 16:29
(L'ultimo treno della notte, Regie: Aldo Lado, 1975)
Aldo Lados Version der Story von THE LAST HOUSE ON THE LEFT (der wiederum auf Ingmar Bergmans JUNGFRAUENQUELLE basiert) – zwar mit komplett geänderter Location (spielt fast durchgehend nur in einem Nachtzug), aber inhaltlich auf der gleichen Struktur aufbauend, abgesehen von einer Änderung: die Frau unter den drei Gewaltverbrechern ist bei Lado eine gelangweilte Reiche, die sich eher zufällig zu den beiden Rowdys gesellt. Und genau diese Änderung ist es auch, die es Lado ermöglicht, die Geschichte um die Gewaltbereitschaft, die hinter der Fassade des vermeintlich zivilisierten und sich selbst jederzeit unter Kontrolle habenden Spießbürgers schlummert, um einen zusätzlichen Aspekt zu bereichern und dadurch letztlich differenzierter auszugestalten. Ohnehin kommt das bestimmende Thema des Films schon früh zur Sprache, als die Eltern eines der beiden später gequälten und ermordeten Mädchen beim Abendessen mit Bekannten darüber diskutieren, wie man die zunehmende Gewaltbereitschaft am besten bekämpfen sollte (sehr gelungen: die Gegenschnitte zwischen den beginnenden Übergriffen im Zug und dem gemütlichen Abendbrot-Gespräch) und inwiefern womöglich auch in den vermeintlich gesitteten Zeitgenossen gewalttätige Neigungen ihr Dasein fristen und in Extremsituationen brutal zum Vorschein kommen. Bekanntlich bestätigt sich diese These am Ende des Films auf unschöne Weise – wobei Lado beim Schluss des Films eine markante Änderung vorgenommen hat, die einen in ihrer gesellschaftskritischen, pessimistischen Symbolik ganz schön schlucken lässt.
Als pures Terrorkino funktioniert NIGHT TRAIN MURDERS allerdings nicht so gut wie Wes Cravens grausam effektiver LAST HOUSE. Auch die kleine Nebenhandlung mit dem Voyeur finde ich ein bisschen dick aufgetragen, wobei sie sich natürlich ohne Frage gut ins Gesamtkonzept einfügt. Insgesamt läuft es für mich auf ein Patt hinaus: als fieser 70er-Jahre-Terror-Film behält LAST HOUSE ON THE LEFT klar die Oberhand, aber als beängstigende Charakterstudie ist NIGHT TRAIN MURDERS der ausgereiftere und vielschichtigere Film.
Getaway
(The Getaway, Regie: Sam Peckinpah, 1972)
Einer meiner liebsten "Zwei gegen Tod und Teufel"-Filme. Die Flucht eines Gangsterpaares, das sich gegen ihre Verfolger von Außen und gegen das von Innen drohende Auseinanderbrechen ihres Zusammenhalts erwehren muss, sehe ich immer wieder gerne. Bei der ersten Begegnung mit 14 Jahren war ich ein bisschen in Ali MacGraw verknallt. Mit 16 habe ich den Film wegen Steve McQueen gesehen. Mit 18 zum ersten Mal bewusst als (eher ungewöhnlichen) Peckinpah-Film wahrgenommen. Und heute wird mir erst so richtig bewusst, wie viel mir der Film bedeutet. GETAWAY ist mit Sicherheit nicht Peckinpahs bester Film, aber er hat neben seiner packend inszenierten Story vor allem zwei Gänsehaut-Momente, die für mich zum intensivsten gehören, was der Meister je inszeniert hat: die auf simple Weise einfach nur schöne Szene am Fluss, als sich Carol und Doc nach den Jahren der Gefängnis-bedingten Trennung wieder näher kommen – unterlegt von Quincy Jones' wunderbarem Soundtrack; und natürlich den Peckinpah-untypischen Schluss, den ich gerade deshalb immer schon geliebt habe.
Der Tiger hetzt die Meute
(White Lightning, Regie: Joseph Sargent, 1973)
Ein rauer, sympathischer 70er-Jahre Actionfilm. Geradlinig erzählt, mit saftigen Sprüchen garniert und mit einem charismatischen Burt Reynolds am Steuer einiger halsbrecherischer Autoverfolgungsjagden. Kein großer Wurf, aber gute, handgemachte Unterhaltung – und damit genau das, was man im heutigen Actionkino gerne wieder häufiger sehen würde.
#65
Geschrieben 12. September 2005, 18:11
(Sei donne per l'assassino, Regie: Mario Bava, 1964)
Eine Art Urknall für den Giallo. Und was für einer! Ein echter Genießerfilm. Was hier an visueller Gestaltung aufgeboten wird, ist vor allem angesichts des Entstehungsjahres ziemlich phänomenal. Spielereien mit rotem, blauem und gelbem Licht, wie sie Dario Argento Jahre später kaum besser hinbekommen hat. Eine Ausstattung und Raumgestaltung, dass einem die Augen übergehen. Ausgeklügelte Kamerafahrten und sagenhafte Bildkompositionen. Ein rundum kunstvoll fotografierter Film, bei dem auch die Musikuntermalung zu gefallen weiß. Da stört auch kaum, dass der Film in Sachen Story und Darstellerleistungen Giallo-typisch seine Schwächen hat. Bin ziemlich begeistert von diesem Bilderrausch und habe spätestens jetzt so richtig Blut geleckt, was Mario Bava angeht. Freue mich sehr auf die noch dieses Jahr erscheinenden weiteren Bava-DVDs von Anolis/EMS.
#66
Geschrieben 12. September 2005, 18:17
(Regie: David Caffrey, 2003)
Nach dem Tod eines Musikers jagen drei verschiedene Interessensgruppen (reumütiger Vater; geldgierige Ex-Frau; langjähriger Freund/Roadmanager) hinter dessen Leiche her. Der langjährige Kumpel will seinen verstorbenen Freund gemäß eines gemeinschaftlich getroffenen Versprechens irgendwo in der Wüste verbrennen und damit seine Seele an dem Ort, an dem er zu Lebzeiten am liebsten war, "freilassen". Das passt dem Vater und der Ex-Frau natürlich gar nicht in den Kram...
Diese leidlich reizvolle Idee muss zusammen mit drei, vier netten skurrilen Einfällen genügen, um einen Film zu tragen, der trotz einer Laufzeit von nur rund 80 Minuten schon reichlich in die Länge gezogen wirkt. Der anfangs noch erhoffte Drive des Ganzen bleibt während der Wüsten-Fahrt irgendwo in der staubigen Einöde auf der Strecke. Während Hauptdarsteller (!) Johnny "Jackass" Knoxville wenig überzeugt und die hysterische Christina Applegate ziemlich nervt, macht wenigstens das Wiedersehen mit Robert Forster Freude – auch wenn seine Rolle ziemlich verschenkt wird und einem dadurch wieder bewusst wird, wie unglaublich gut Forster von Tarantino in JACKIE BROWN in Szene gesetzt wurde. Und ich bleibe, zusätzlich angeregt durch diese Wüstenfahrt, bei meiner Forderung an die Filmemacher dieser Welt: macht endlich einen Western der Marke Italo-Style mit diesem Mann, der ein Nachfahre Charles Bronsons sein könnte! Aber um nicht zu sehr abzuschweifen: GRAND THEFT PARSONS hat zwar ein paar nette Schmunzler, ist aber im Gesamten ein belangloses Filmchen, das hierzulande nicht ohne Grund nur als Videopremiere erschienen ist.
South Park – Der Film
(South Park: Bigger, Longer & Uncut, Regie: Trey Parker, 1999)
#67
Geschrieben 17. September 2005, 18:22
Todesmelodie
(Giù la testa, Regie: Sergio Leone, 1971)
Dank der Gold Edition von MGM in toll restaurierter und endlich vollständiger Fassung habe ich TODESMELODIE nach Jahren endlich als das entdeckt, was der Film wirklich ist: ein unterschätztes Meisterwerk in der ab FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR makellosen Filmografie von Sergio Leone. Früher hatte ich meine Probleme mit dem Film (auch wenn ich den von meiner allerersten Begegnung mit dem Film herrührenden schwachen Eindruck bereits vor einigen Jahren teilweise revidiert hatte), weil er nicht zu meiner Erwartungshaltung gepasst hat, sich nicht in der Schublade unterbringen ließ, in die ich ihn in meiner grenzenlosen Begeisterung für das LIED VOM TOD und die DOLLAR-Filme gerne gesteckt hätte. Nein, TODESMELODIE ist anders als Leones frühere Western, nicht nur in Bezug auf Settings, Storyverlauf und Epoche, sondern vor allem auch hinsichtlich seiner wunderbar ausgestalteten Charaktere. Früher waren ein paar Dollar Grund genug, einen Berg von Leichen zu produzieren, und wenn man mit jemandem gemeinsame Sache gemacht hat, ging man nach erfülltem Ziel wieder getrennte Wege. Hier dagegen werden die Protagonisten mit höhere Idealen konfrontiert, und wahre Freundschaft, so ungewöhnlich sie auch zustande gekommen sein mag, ist nur durch den Tod zu trennen. Freilich ist dennoch der Atem verbitterter Resignation allgegenwärtig, genauso wie Freundschaft durch Vertrauensbrüche zerstört wird. Hier sind sie noch von außen erzwungen, in ES WAR EINMAL IN AMERIKA werden sie schließlich zu wohlüberlegter, eiskalter Berechnung. TODESMELODIE jedenfalls ist als Mittelteil von Leones inoffizieller Amerika-Trilogie ein passendes Brückenstück, und doch ist er dabei weit mehr als ein Lückenfüller zwischen zwei der größten Meisterwerke der Filmgeschichte, sondern auch ein eigenständig bestens funktionierender Film, in dem viele von Leones typischen Stilmitteln perfekt eingesetzt sind. Allen voran natürlich die atemberaubend schöne Musik von Ennio Morricone. Am faszinierendsten finde ich aber Leones besonders hier stark zum Tragen kommende Eigenart, wichtige Handlungswendungen oft auf kleinste Andeutungen hin zu reduzieren, und gleichzeitig vermeintliche Nebensächlichkeiten bis zum völligen Exzess auszubreiten, zeitlich zu zerdehnen und überstilisiert zu zelebrieren. Love it!
Leb' wohl, Liebling (aka Farewell My Lovely)
(Murder, My Sweet; Regie: Edward Dmytryk, 1944)
Nach längerer Zeit mal wieder einen Film Noir gesehen (SIN CITY zähle ich jetzt einfach mal nicht so wirklich zu diesem Genre). Und zwar einen waschechten. Dick Powell als Philip Marlowe ist der pure Wahnsinn – clever, zynisch und doch in einem undurchdringbar scheinenden Netz aus Intrigen gefangen, hat er immer einen coolen Spruch auf den Lippen und erinnert nebenbei bemerkt in einigen Momenten ein bisschen an Bruce Willis. Passenderweise hat er in der Synchronfassung, die vor längerer Zeit bei ARTE ausgestrahlt wurde, die deutsche Stimme von Clint Eastwood verpasst bekommen. Nicht nur das ist ein Hinweis darauf, dass die Synchro mit einigen Jahrzehnten Verspätung erstellt wurde, was anfangs wegen der viel zu laut abgemischten Dialoge störend auffällt, aber mit etwas Eingewöhnungszeit nicht mehr viel ausmacht, zumal ich bei den teilweise unglaublich schnellen Monologen und Dialogen doch sehr froh war, nicht mit einer OV zurecht kommen zu müssen.
Im anfangs wie üblich recht verwirrenden Storykonstrukt tummelt sich ein Noir-typisches Personenarsenal: der kaltschnäuzige Privatdetektiv; die skrupellose Femme Fatale; der betrogene und erpresste Liebhaber; der gutmütige, aber hintergangene Vater; der grobschlächtige Knastbruder; der unnahbare Boss im Hintergrund; der teuflische Arzt mit wahrlich unorthodoxen Behandlungsmethoden; und das ein bisschen naive, aber ehrliche Mädel.
Aber faszinierender als das schrittweise Entwirren des Plots ist die visuelle Gestaltung, die hier ohne Frage großartig ist. Die extrem atmosphärischen Schwarz-Weiß-Bilder mit ihrer Genre-typisch markanten Verwendung von Licht und Schatten. Die kontrastreichen Konturen, die es ermöglichen, dass der Film phasenweise nur aus Schwarz- und Grau-Tönen besteht, was die ohnehin düstere Stimmung noch grimmiger macht. Eine echte Besonderheit an LEB' WOHL, LIEBLING sind aber die optisch verfremdeten Szenen während der ärztlichen "Behandlung" und die surrealen Traumsequenzen. Angesichts des Entstehungsjahres 1944 ist das alles wirklich einfallsreich und fügt sich dabei sogar erstaunlich harmonisch ins Gesamtbild ein.
Toll sind außerdem natürlich die teilweise recht ausufernden Voice-Over-Monologe, die gerade zu Beginn sehr effektiv eingesetzt sind. Ohnehin ist, neben dem perfekt gefilmten Finale im Ferienhaus an der Küste (inklusive dem schönen Gag mit dem Küssen und der Pistole), der Anfang mit seinen berauschenden Aufnahmen von den mit Neon-Lettern behängten Häuserschluchten und dem fließenden Schnitt ins Detektivbüro mein Lieblingsmoment. Mehr Atmosphäre geht einfach nicht.
Insgesamt ist LEB' WOHL, LIEBLING jedenfalls ein sehr empfehlenswerter, klassischer Film Noir. Und mit Edward Dmytryk saß immerhin jemand auf dem Regiestuhl, der mit DIE CAINE WAR IHR SCHICKSAL einen der Humphrey Bogart-Klassiker inszeniert hat und außerdem dank WARLOCK (mit Richard Widmark, Henry Fonda und Anthony Quinn!) und DIE GEBROCHENE LANZE (mit Spencer Tracy, Robert Wagner und abermals Richard Widmark!) für zwei eher unbekannte Western-Höhepunkte der 50er Jahre verantwortlich zeichnet. Insofern sind seine 40er-Jahre-Krimis OBSESSION und CROSSFIRE spätestens jetzt auf meine Most-Wanted-Liste gewandert.
#68
Geschrieben 18. September 2005, 15:26
(The Long Good Friday, Regie: John Mackenzie, 1980)
Der undurchsichtige Anfang hat erst mal verwirrt, aber mit fortschreitender Filmdauer wird vieles klarer und der Film mutiert zum stylishen Spannungskino der Extraklasse mitsamt ungewöhnlichem, aber tollem Soundtrack. Ein grimmiger, typisch britischer Gangsterfilm, der richtig rockt.
Ten Skies
(Regie: James Benning, 2004)
Die Entdeckung der Langsamkeit. Unendlicher Langsamkeit. Oder treffender: völliger Unbeweglichkeit.
Die Idee klang irgendwie ansprechend außergewöhnlich und sehr experimentell. Ein 100-Minuten-Film, der aus genau 10 Einstellungen besteht, in denen je 10 Minuten lang ein Stück Himmel beobachtet wird. Nach der vierten und bis dahin auch interessantesten Einstellung habe ich ausgeschalten, weil mir für derartiges einfach die Muße fehlte. Auf einem Filmfestival wie der Berlinale, wo der Film genau wie Bennings ähnlich gearteter 13 LAKES dieses Jahr gelaufen ist (und in diesem Zusammenhang habe ich auch positives über die beiden Werke gelesen), stelle ich mir das als meditative Abwechslung und Entspannung zwischen einer großen Anzahl unterschiedlichster Filmerfahrungen sehr passend vor. Aber zuhause auf dem Fernsehschirm, noch dazu an einem Sonntagvormittag, geht das irgendwie gar nicht. Demnächst zeigt 3sat noch 13 LAKES. Der verspricht mehr Landschaft, mehr Bewegung (im Bild) und damit auch mehr Inspiration, was grundsätzlich schon mal eine gute Voraussetzung ist. Vielleicht schaue ich mal rein.
#69
Geschrieben 21. September 2005, 22:30
(La Comunidad, Regie: Álex de la Iglesia, 2000)
Wäre es eigentlich wert, genauere Gedanken zu formulieren. Dazu bin ich aber momentan zu geschlaucht und beschränke mich daher auf die Mitteilung, dass ich mich bestens unterhalten gefühlt habe. Schwarzer Humor vom Feinsten (zuweilen recht blutig), eine umwerfende Carmen Maura und sogar ein funktionierender Spannungsbogen. Und auch als Charakter- und (wenn man so will) Milieustudie funktioniert der Film ausgesprochen gut, so dass ich über ein paar kleine Schwächen gern hinweg sehe. Jedenfalls hat ALLEIN UNTER NACHBARN in vieler Hinsicht perfekt zu einem recht absurden und dabei hochgradig unterhaltsamen Wahl-Sonntag gepasst. Da hat ARTE in der Tat ein gutes Gespür bewiesen. Und überhaupt: wer am Tag einer Bundestagswahl einen Themenabend über plötzlichen Reichtum zeigt, beweist im Grunde sowieso schon einen herrlich eigenwilligen Humor.
13 Lakes
(Regie: James Benning, 2004)
Gar kein Vergleich zu TEN SKIES, sondern ungleich interessanter. Hat sicher stark mit persönlichen Präferenzen zu tun. Zählt es zu meinen bevorzugten Beschäftigungen, mehr als ein paar Sekunden intensiv gen Himmel zu glotzen? Irgendwie nicht... Dagegen habe ich gar kein Problem damit, wenn ich am Meer Urlaub mache, mich einfach mal ein halbe Stunde an einen verlassenen Strand zu setzen und aufs Wasser zu starren, dem Spiel der Wellen zuzusehen, ihrem markanten Rauschen oder sanften Plätschern zu lauschen, und mich dabei einfach nur in irgendwelchen Gedanken zu verlieren. Und so ungefähr muss man sich auch 13 LAKES vorstellen. Kommt natürlich auch auf die Stimmung an, aber gestern Abend, relativ erschöpft und müde, konnte ich damit schon einiges anfangen (wobei ich aber gleichzeitig nicht wissen möchte, welchen Einschaltquoten-Negativrekord sich 3sat mit dieser Ausstrahlung gesichert hat). Zugegeben: einen derart experimentellen Dokumentarfilm könnte ich mir niemals als DVD oder als TV-Aufzeichnung ansehen, aber bei einem Filmfestival oder zu später Stunde im Fernsehen – das hat was. Auch wenn ich nicht von Anfang an dabei war und außerdem gegen Ende langsam eingeschlafen bin. Letzteres aber angenehm entspannt und mit einem guten Gefühl.
Noch zu erwähnen wäre: interessante Gestaltung der Tonspur – hätte nicht gedacht, dass einen ein im Hintergrund fahrender Zug oder ein paar motorisierte Wassersportler so nerven können. Interessante Feststellung innerhalb dieser Huldigung an die Faszination purer, einfach nur genau beobachteter Natur. Insgesamt hat 13 LAKES für mich jedenfalls durchaus seinen Reiz – der Film ist aber dennoch viel zu speziell, als dass ich ihn guten Gewissens irgendwem empfehlen könnte.
#70
Geschrieben 23. September 2005, 13:19
(The Philadelphia Story, Regie: George Cukor, 1940)
Ähnlich wie beim Megaklassiker ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN fehlte mir das krönende Quäntchen, um wirklich in Begeisterungsstürme auszubrechen. Außer Frage steht aber: THE PHILADELPHIA STORY ist exzellentes Schauspielerkino mit dem Traumensemble Katharine Hepburn, Cary Grant und James Stewart, und hat ein starkes Drehbuch im Rücken, das mit zahlreichen hinreißenden Dialogen und witzigen Momenten aufwartet. Ein Stück Hollywood-Starkino, wie es so wohl nur in den 40er Jahren, der vielleicht glorreichsten Dekade der Traumfabrik, entstehen konnte - groß, aber (noch?) kein absoluter Lieblingsfilm.
#71
Geschrieben 25. September 2005, 19:55
(Regie: Thilo Gosejohann, 2003)
Nach am Vortag Wiesn-bedingt rund zwölf Stunden und war OPERATION DANCE SENSATION heute genau das richtige, wenn man statt anstrengender filmischer Kost einfach nur ein bisschen ablachen will.
Würde man diesen Film mit Smilies beschreiben wollen, könnte man ihn beispielsweise als eine völlig durchgeknallte Mischung aus und und und und und und und und bezeichnen.
Jedenfalls ist das Ganze auch beim zweiten Ansehen großer Spaß und für einen Amateurfilm sind die blutig-verrückten Spezialeffekte, der gesamte Soundtrack und die Umsetzung der Actionszenen schon sehr beeindruckend. Als sehr gelungen möchte ich auch die unzähligen, mal offensichtlich, mal eher versteckt eingestreuten Filmzitate und die pointierte Medien-Satire (die Talkshow; das Interview mit Anke Engelke) bezeichnen. Alles in allem ein echtes Vergnügen, das überdies auch aus seinen vermeintlichen Unzulänglichkeiten (Handwerk, Story, Darsteller) einen guten Teil seines eigenwilligen Charmes bezieht.
#72
Geschrieben 30. September 2005, 15:21
(Nochnoy dozor, Regie: Timur Bekmambetov, 2004)
Der falsche Film zum falschen Zeitpunkt. Schlimm, wenn sich die Erinnerungen an einen Film bereits am Folgetag so anfühlen, als wären sie Jahre alt. Vielleicht sollte ich mich nach neun Stunden non-stop Stress abends auch nicht unbedingt zum Besuch von dunklen, schlummrig machenden Kinosälen überreden lassen...
Schön aber, zumindest feststellen zu dürfen, dass ein mit vergleichsweise extrem geringem Budget ausgestatteter russischer Fantasy-Action-Blockbuster richtig toll anzusehen sein kann, ohne deshalb gleich wie ein billiger Hollywood-Abklatsch zu wirken. Eigener, unverbrauchter Stil. Das ist erfreulich, wenn auch noch nicht wirklich begeisternd. Und alles weitere? Puh, beim nächsten Müdigkeitsanfall lege ich wohl lieber mal wieder einen Jess Franco ein...
#73
Geschrieben 02. Oktober 2005, 07:58
(Regie: Alfred Hitchcock, 1960 & Regie: Richard Franklin, 1983)
Nach Jahren Hitchcocks Meisterwerk mal wieder gesehen und gleich im Anschluss die von Quentin Tarantino sehr geschätzte Fortsetzung. Vielleicht war diese direkte Abfolge ein Fehler, denn beim Sequel dachte ich mir ein gutes Stück lang nur: was für ein fader Schmarrn. Klar, auch Hitchcock lässt sich am Anfang erst mal viel Zeit, aber sein Film hat dabei einfach viel mehr Atmosphäre und fasziniert alleine schon durch seine extrem düstere Farbgebung. Immerhin: in der zweiten Hälfte kommt die Fortsetzung doch noch in die Gänge und hat sogar einige durchaus clevere Wendungen sowie ein paar richtig starke Momente. Auch die Idee, dass die Bedrohung zuerst einmal von einigen rachsüchtigen Zeitgenossen ausgeht, die sich nicht mit der Entlassung und geplanten Resozialisierung Norman Bates' abfinden können, ist nicht übel. Gleiches gilt für das geschickte Spiel mit den Wahrnehmungsebenen, weil man nie so recht weiß, wie es nun wirklich um Normans Geisteszustand steht. Dieses Verunsicherungspotenzial schöpft der Film wirklich geschickt aus. Und sogar das Ende finde ich durchaus gelungen. In Begeisterung verfalle ich deswegen aber dennoch nicht. Die Fortsetzung ist zwar tatsächlich besser, als man es in diesem Fall eigentlich erwarten würde, aber vor allem in der ersten Hälfte dann doch zu schwach, um auf die volle Distanz überzeugen zu können. Dank einiger richtig guter Ideen und lohnenswerter Szenen habe ich das Einschalten trotzdem nicht bereut.
#74
Geschrieben 03. Oktober 2005, 10:50
(Navajo Joe, Regie: Sergio Corbucci, 1966)
Ein erstklassiger Italowestern von Genre-Profi Sergio Corbucci. Ich möchte behaupten, dass Corbucci selten die Verbindung seiner Bilder mit der wunderbaren Musik von Ennio Morricone besser gelungen ist. Der Film hat einfach den richtigen flow und macht schon deshalb gehörigen Spaß. Wie in DJANGO ist die Welt auch hier dreckig und gemein, und die meisten Figuren sind von Habgier, Skrupellosigkeit und Niedertracht getrieben. Und auch die Plotkonstruktion ist ähnlich simpel. Aber während Django mit dem Vorschlaghammer zu Werke geht und seine Gegner dank Maschinengewehr im rauen Dutzend dezimiert, arbeitet sich Joe raffiniert, gerissen und hinterlistig durch die Reihen seiner Feinde und gleicht so die hoffnungslos scheinende Überzahl-Situation aus. Wirklich bemerkenswert finde ich, dass in NAVAJO JOE Italowestern-untypisch auch die Indianer-Problematik thematisiert wird. Aber der Film ergeht sich dabei nicht in großen Belehrungen, sondern lässt solche Dinge angenehm beiläufig und unaufdringlich zur Sprache kommen (schön: der Streit zwischen dem Sheriff und Joe darüber, wer rechtmäßiger Amerikaner sei) - mal abgesehen davon, dass der Held des Films ein Indianer ist, was ich ohnehin schon sehr beachtlich finde. Ansonsten wissen vor allem die spannende Inszenierung und ein verblüffend agiler Burt Reynolds in der Hauptrolle zu gefallen. Und nicht nur einige richtig fiese Momente, sondern auch nihilistische Szenen wie der Vortrag des Banditenanführers darüber, was er von seinen Eltern hält (da fühlt man sich schon fast an eine ähnliche Szene in SALO erinnert...), verleihen dem Ganzen bisweilen einen recht grimmigen Anstrich. Ohnehin sollte man den Einfluss von NAVAJO JOE nicht unterschätzen, ich würde meinen, dass er auch jenseits des Italo-Territoriums in Filmen wie Clint Eastwoods EIN FREMDER OHNE NAMEN oder Michael Winners CHATOS LAND durchaus seine Spuren hinterlassen hat.
#75
Geschrieben 05. Oktober 2005, 19:29
Ist bei mir seltsamerweise so, dass sich bei DVDs meistens Zurückhalte- und Kauf-Phasen abwechseln. Längere Zeit wird rein gar nichts gekauft, dann aber auf einmal wieder ein ganzer Batzen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Witzigerweise ist es bei Soundtrack-CDs ähnlich, denn während ich in der ersten Hälfte dieses Jahres innerhalb relativ kurzer Zeit rund 50 Filmmusik-Scheiben gekauft habe, kam nun schon seit Monaten keine Neuerwerbung hinzu. Bei DVDs sind die Intervalle natürlich kürzer. Und nachdem ich mir nun dennoch bereits deutlich über einen Monat gar keine Silberscheibe geholt hatte (schließlich liegt hier sowieso noch viel zu viel Ungesehenes rum), hat mich jetzt doch mal wieder ein kleiner Kaufrausch gepackt. Die Bava-Filme EINE HANDVOLL BLANKER MESSER und DER DÄMON UND DIE JUNGFRAU aus der neuen Reihe von e-m-s – mussten sofort her. Die FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR & FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR Doppel-Box – lag (bol.de und den cinefacts-Schnäppchenjägern sei nochmals Dank) heute bereits im Briefkasten, und macht auf den ersten Blick auch einen verdammt guten Eindruck: äußerst schickes Digipack (stilistisch stark mit dem ebenfalls von Paramount erschienen LIED VOM TOD verwandt), ein verblüffend stylisches Hauptmenü, eine grandiose Bildqualität (jedenfalls nach dem ersten reinzappen zu urteilen) und zum Glück die alte deutsche Synchronisation (Rainer Brandt in allen verdienten Ehren, aber hier ist mir die frühere und zynischere Variante eindeutig lieber, auch wenn man natürlich am liebsten beide Synchros auf der Scheibe hätte). Das Bonusmaterial habe ich mir noch nicht näher angesehen, war aber über den Cover-Aufdruck "exklusive Extras" leicht verwundert, schließlich hat man das Zeug ja von den UK-SEs von MGM übernommen (im Gegensatz zum neu gemasterten Bild). Jedenfalls alles in allem eine feine Sache und ich freue mich schon sehr darauf, die beiden Geniestreiche demnächst in dieser tollen Aufmachung in voller (endlich komplett rekonstruierter) Länge zu genießen. Und ebenso wie bei den beiden Bavas finde ich es überaus erfreulich, dass die DVD-Hüllen auch optisch und das Cover-Artwork betreffend schön anzusehen sind. Ist ja gerade bei deutschen VÖs bedauerlicherweise häufig nicht der Fall. Dabei ist es ja so, dass sich die Dinger die weitaus überwiegende Zeit nicht im Player drehen, sondern irgendwo aufgereiht herum stehen – und da macht es natürlich entschieden mehr Freude, wenn das Ganze auch von außen toll anzusehen ist. Das scheint sich auch das noch relativ unbekannte Label capelight gedacht zu haben, jedenfalls sieht deren BLACK CHRISTMAS äußerlich und auch bezüglich der Qualität des Inhalts so reizvoll aus (wie übrigens generell deren neue collector's series – sieht bislang nach einer sehr ansprechenden und ambitionierten Reihe aus, und scheint damit ein echter Glücksfall für den deutschen DVD-Markt zu sein), dass ich die Scheibe dank des zivilen Amazon-Preises heute zusammen mit SCHWARZER ENGEL (e-m-s/Anolis) bestellt habe. Und ansonsten habe ich mir noch einen ganzen Schwung DVDs aus den USA gegönnt (Gialli; Sleaze; eine Kurzfilm-Sammlung), deren Auflistung ich mir jetzt allerdings spare, bevor mich das zu weiterem Abschweifen und dem Wiederholen von ohnehin schon mal irgendwann Geschriebenen verleitet. Überhaupt: vielleicht sollte ich auch lieber viel mehr DVDs gucken, anstatt nur neue zu bestellen und mich dann hier in selbstreflexiven Einträgen darüber auszulassen. Tja, aber wahrscheinlich hat es unterbewusst schon seine Gründe, warum ich auf schön verpackte DVDs besonders anspringe...
#76
Geschrieben 05. Oktober 2005, 23:30
(I coltelli del vendicatore, Regie: Mario Bava, 1966)
Ein Wikinger-Film mit Anleihen beim Western und Ähnlichkeiten mit George Stevens MEIN GROSSER FREUND SHANE. Nicht übel, das Ganze, aber auch kein wirklich großer Wurf. Daran mag die sehr kurze Dreh- und Produktionszeit nicht unschuldig sein, denn in nicht wenigen Momenten wirkt der Film auf mich etwas gehetzt und ein bisschen lustlos, ganz so, als hätte es jemand reichlich eilig gehabt, alles rechtzeitig runterzukurbeln. Gleichzeitig gibt es wiederum die ein oder andere Einstellung, die sich ziemlich in die Länge zieht. Und die Schwert-, Messer- und Faustkämpfe haben bisweilen ihre offensichtlichen Schwächen. Reizvoll ist dagegen die recht ansprechende Story. Außerdem gibt es durchaus immer wieder einzelne Momente, Szenen und Einstellungen, in denen der Bilderkünstler Bava zum Vorschein kommt (schön finde ich zudem die Szenen am Strand). Gelungen umgesetzt wurde auch die Idee, einen entscheidenden Messerwerfer-Zweikampf wie ein Western-Duell zu inszenieren. Und auch die Filmmusik und die Landschaftsaufnahmen lassen bisweilen schon fast Western-Feeling aufkommen. Leider schöpft der Film aber weder sein Spannungspotenzial, noch seine visuellen Möglichkeiten wirklich aus und ist so vor allem in seinen Ansätzen interessant und in einzelnen Momenten lohnenswert. Als Ganzes betrachtet: Nett, aber sicher kein Pflicht-Bava. Aber weil die DVD in der schönen und nummerierten The Films of Mario Bava-Reihe von e-m-s erschienen ist, siegt hier wohl nicht nur bei mir der Komplettierungsdrang über die Skepsis. Ernsthaft bereuen muss man den (günstigen) Kauf aber sicherlich nicht. Für einen wirklichen Pluspunkt dieser Edition halte übrigens auch die optisch und inhaltlich ansprechenden Booklets. Kurz und prägnant (dabei aber eben nicht spärlich und oberflächlich) wird Wissenswertes rund um den Film auf den Punkt gebracht. Eine erfreuliche Beigabe und mit Sicherheit wünschenswerter als irgendwelche Texttafeln auf der DVD selbst.
#77
Geschrieben 10. Oktober 2005, 22:25
(Sentenza di morte, Regie: Mario Lanfranchi, 1968)
Ein ganz und gar außergewöhnlicher Italowestern. Die Hauptfigur ist fast mehr Geist als Charles Bronson in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD. Sein Bruder wurde getötet, und um die vier Schuldigen zur Strecke zu bringen, wird er vom Alkoholiker zum Milchtrinker. Er kommt, rächt und geht. Sonst weiß man rein gar nichts über ihn. Es gibt keine weiteren Emotionen, keine markanten Nuancen in der Gestaltung des Charakters. Die gibt es eher noch bei den Gegnern, die der Rächer heimsucht, sie noch ein bisschen zappeln und manchmal nach Rechtfertigungen ringen lässt, und dann abwechselnd kurzen oder schmerzhaften Prozess macht. Aber an Charakterzeichnungen und Figurenentwicklungen ist der Film ohnehin nicht interessiert, viel eher ist es eine Studie über Stile und Mechanismen des Genres. DJANGO – UNBARMHERZIG WIE DIE SONNE besteht aus vier Episoden, die außer durch die Hauptfigur und seine Rache in keiner Weise inhaltlich und formal verknüpft sind. Jeweils geht es nur um eins: "Django" kämpft gegen einen Gegner. Der Weg zu mal recht typischen, mal sehr kuriosen Duell-Situationen wird bereitet und die Rache vollstreckt. Bemerkenswert ist dabei nicht zuletzt Antonio Secchis Kameraarbeit – wie er den Aufnahmeapparat durch die Luft kreisen lässt, auf lange Fahrten schickt und Figuren & Hintergründe stimmig komponiert, ist wirklich beeindruckend. Ganz besonders toll finde ich den von unbarmherziger Sonne geprägten, fast schon surreal anmutenden Anfang in der Wüste, bei dem auch Gianni Ferrios angenehm eigenwilliger Score, der bisweilen sogar Jazz-Klänge auffährt (!), besonders schön zur Geltung kommt. Das unglaublichste am ganzen Film ist aber natürlich Tomas Milian als durchgeknallter Albino – eine absolut irrwitzige Rolle, die Milian mit herrlichem Overacting ausfüllt. Allein dafür lohnt sich das Ansehen für Italo-Freunde, auch wenn der Rest des Films wegen seiner äußerst ungewöhnlichen Erscheinung und formalen Strenge wohl eher Geschmackssache ist. Ich finde DJANGO – UNBARMHERZIG WIE DIE SONNE nicht nur als Kuriosität hochgradig gelungen.
Mondsüchtig
(Moonstruck, Regie: Norman Jewison, 1987)
Süchtig machend. Hat wahrhaft bezaubernde Momente, wenn man sich denn darauf einlassen mag. Und zeigt vor allem, dass romantische Komödien auch anders aussehen können als der entsprechende Hollywood-Murks aktuellen Datums. Klar, MONDSÜCHTIG ist in seiner Emotionalität manchmal ein bisschen hemmungslos, aber das ist in diesem Fall durchaus eine Stärke. Habe das alles jedenfalls sehr, sehr gerne gesehen.
#78
Geschrieben 13. Oktober 2005, 23:11
(The Life and Times of Judge Roy Bean, Regie: John Huston, 1972)
Einer der Höhepunkte des amerikanischen Westerns der 70er Jahre – einer Phase, die auf den Schlussstrich folgte, den THE WILD BUNCH unter die Tradition vieler früherer Genre-Vertreter mit ihren klaren Gut/Böse-Einteilungen, sauberen Helden und ergeben zelebrierten Mythen gezogen hatte. Die harte, ungeschönte Realität hielt Einzug ins Genre, manchmal vermischt mit dem Tonfall eines melancholischen Abgesangs in Filmen wie PAT GARRETT JAGT BILLY THE KID, JEREMIAH JOHNSON, DER TEXANER oder McCABE AND MRS. MILLER. Deren Klasse erreicht auch der vielschichtige DAS WAR ROY BEAN, der stellenweise eine regelrechte Satire ist in seiner augenzwinkernden Schelmenhaftigkeit, die sich schon allein aus der Handlung um einen Outlaw, der eine günstige Gelegenheit erkennt und nutzt, um sich zum Richter und Ehrenmann aufzuschwingen und eine florierende Kleinstadt aufzubauen, ergibt. Allzu viel konnte aber auch nicht schief gehen bei einem Film, der auf einem Drehbuch von John Milius basiert, vom großen John Huston inszeniert wurde und schauspielerisch von einem auftrumpfenden Paul Newman getragen wird. Das Darsteller-Ensemble ist außerdem auch in den Nebenrollen hochkarätig besetzt mit Leuten wie Anthony Perkins, Jacqueline Bisset, Ned Beatty, Stacy Keach und Ava Gardner. Letztere spielt auch im Film einen Schauspiel-Star, was von symbolischem Wert ist für den beiläufigen Kommentar zum Star/Fan-Verhältnis, der recht clever in den Film eingearbeitet wurde. Richtig toll ist die erste Schießerei in ihrer harschen Inszenierung und einer recht brachialen Montage, die die Wut des rächenden Newman spürbar macht. Nett übrigens auch zu sehen, woher der Durchschuss-Effekt, den Sam Raimi später in SCHNELLER ALS DER TOD verwendet hat, stammt (oder hat den vor ROY BEAN schon mal jemand gebracht?). Und trotz ein paar wenigen kleinen Längen gilt: großer Film!
#79
Geschrieben 13. Oktober 2005, 23:14
(Regie: Michael Winterbottom, 2003)
Eine herausragende Verknüpfung von intelligenter Filmkunst, die sich mit brisanten sozialen, politischen und vor allem ethischen Fragen auseinander setzt, und emotionalem Kino, das mit intimen, zärtlichen und berührenden Bildern ins Herz vordringt. Eine Art Science-Fiction-Film, dem es aber keineswegs auf die Ausgestaltung futuristischer Zukunftswelten ankommt (wobei ich seinen inhaltlich und formal zurückhaltenden Entwurf umso stimmiger finde – wenn man sich denn nicht von kleinen Logikschwächen ablenken lässt), sondern auf die atmosphärischen Zwischentöne, auf eine subtil-triste Endzeitstimmung. Und letztlich geht es natürlich um Fragen, die längst aktuell sind.
Immortal
(Immortel (ad vitam), Regie: Enki Bilal, 2004)
Obwohl oberflächlich betrachtet recht ähnlich wie CODE 46 (Science-Fiction und so... ), ein völlig anderer Film – sowohl inhaltlich als auch qualitativ sind das zwei Welten, denn IMMORTAL ist ein reichlich unerbauliches, langweiliges Gebräu, das scheinbar nie so recht weiß, was es eigentlich will. Während die Kulissen und auch einige der Figuren gänzlich am PC entstanden sind (und der Film leider über weite Strecken eine sterile Optik hat, die wie aus einem rückständigen, unbefriedigend animierten Computerspiel wirkt), gibt es auch einige menschliche Darsteller wie Thomas Kretschmann und die verheizte Charlotte Rampling, die in ihrem künstlichen Umfeld dummerweise überwiegend deplatziert wirken. Die Story ist reichlich merkwürdig und irgendwie auch ziemlich egal, genau wie auch viele der zuweilen recht skurrilen Bilder recht beliebig wirken. Unterhaltungswert ergab sich für mich eigentlich nur aus unfreiwilliger Komik, für die vor allem auch die unpassende deutsche Synchro gesorgt hat (das "kalte Bein" ist ein Brüller! ). Alles in allem eine ziemliche Gurke.
#80
Geschrieben 15. Oktober 2005, 20:36
(The Cameraman, Regie: Edward Sedgwick, 1928)
Herrlicher Slapstick-Spaß mit Stummfilm-Star Buster Keaton. Wie so oft bei Filmen dieser Art (vgl. Chaplin) geht es in der Rahmenhandlung um einen ungestümen, aber gutmütigen Tollpatsch, der sich in ein schönes Mädchen aus einfachen Verhältnissen verknallt hat und es beeindrucken möchte. Das Mädel lässt sich zuerst eher aus Mitleid mit ihm ein, verliebt sich aber schließlich ebenfalls. Und drumherum gibt's eine Menge wüster Slapstick-Einlagen der wilderen Art. Bester Abschnitt: der Bandenkrieg im Chinesen-Viertel. Da wird wirklich alles mögliche aufs Korn genommen: von grotesker Sensationsgeilheit über die Analogie Kamera/Waffe bis hin zu blindem Übereifer (die Sanitäter!). Mein Lieblingsakteur: das unglaublich niedliche Äffchen, dessen Kamerakünste am Ende für eine nette Schlusswendung sorgen.
#81
Geschrieben 16. Oktober 2005, 10:46
(Gaslight, Regie: George Cukor, 1944)
Wirkte auf mich anfangs etwas konstruiert und vorhersehbar, spielt dann aber sobald ins (im Deutschen) titelgebende Haus der Lady Alquist eingezogen wird seine Stärken voll aus. Die liegen vor allem im perfekten Zusammenspiel des fiesen, kühl-berechnenden Charles Boyer und der sich immer mehr in tiefste Verunsicherung hineinsteigernden Ingrid Bergman. Und auch die bedrückende Atmosphäre, das Gefühl des in den eigenen vier Wänden, in der eigenen Ehe Gefangen-Seins, weiß zu überzeugen.
#82
Geschrieben 17. Oktober 2005, 22:47
(The Night Walker, Regie: William Castle, 1964)
Nimmt zwanzig Jahre vor NIGHTMARE ON ELM STREET die Idee vorweg, die Bedrohung nicht in der Realität, sondern im (Alp-)Traum anzusiedeln. Und irgendwann verwischen die Grenzen... Inszenatorischer Höhepunkt ist eindeutig die Trauung in einer recht furchteinflößend eingerichteten Kirche, wo dann sowohl bedrohlich wirkende Wachsfiguren als schließlich auch der Ungemütlichkeit erzeugende Night Walker ihren reichlich effektiven Auftritt haben. Im ganzen Film kommen immer wieder visuelle Effekte und Spielereien zum Einsatz, die man heute eher belächeln mag, die aber dennoch ihren ureigenen nostalgischen Charme versprühen. Auch die Musik ist eher simpel, dafür aber enorm eingängig und mindestens genauso unabdingbar wie die Nebelschwaden, die fast jedes Erscheinen des Night Walker begleiten. Und jedes Mal, wenn der Film Gefahr läuft, auf der Stelle zu treten, wird eine nette Storywendung aufgefahren. Alles in allem ein kleiner, feiner Grusler.
#83
Geschrieben 19. Oktober 2005, 19:33
(Wallace & Gromit in The Curse of the Were-Rabbit; Regie: Nick Park, Steve Box; 2005)
Nicht wegen des Films, sondern um des Kinobesuchs Willen ins Lichtspielhaus gegangen. CHICKEN RUN habe ich seinerzeit im Kino gesehen, was auch schon wieder über fünf Jahre her ist, und dass ich ein paar der WALLACE & GROMIT-Kurzfilme geschaut habe, ist sogar noch länger her. Macht aber nichts, weil der Film auch ohne Fan-Bonus durchaus Spaß macht. Vor allem die Horrorfilm-Zitate und die wirklich verblüffend guten Stop-Motion-Animationen (mag mir gar nicht vorstellen, was für einen irrsinnigen Aufwand so ein Knetfiguren-Film, der Einstellung für Einstellung mühselig abgefilmt wird, macht) sorgen für einen unterhaltsamen Abend. Doch trotz seiner kurzen Laufzeit schrammt der Film in Sachen Länge an der Obergrenze, weil sich das Ganze doch irgendwann abnutzt und zwangsläufig nicht Bomben-Szene an Bomben-Szene gereiht werden kann. Vielleicht sind die Knetfiguren also im Reich des Kurzfilms doch besser aufgehoben, wo man einfach drauf los powern kann, ohne sich um Lückenfüllerei kümmern zu müssen? Nichtsdestotrotz: Spaß macht der Film schon, und putzig anzuschauen ist er sowieso. Und schön finde ich, dass man vorneweg einen netten Vorfilm spendiert bekommt - überhaupt eine tolle alte Tradition, die man von mir aus ruhig öfter wiederbeleben dürfte.
#84
Geschrieben 23. Oktober 2005, 18:21
(Il tuo vizio è una stanza chiusa e solo io ne ho la chiave, Regie: Sergio Martino, 1972)
Ein eher ungewöhnlicher Giallo von Genre-Spezialist Sergio Martino. Angesiedelt nicht in dunklen Gassen einer dreckigen Großstadt, sondern auf einem Anwesen irgendwo draußen auf einem sonnigen Landstrich. Die Story ist überdeutlich von Edgar Allan Poes Kurzgeschichte "The Black Cat" inspiriert – da ist wirklich fast alles drin: der Alkoholismus des Protagonisten, die schwarze Katze, das herausgerissene Auge, die Einmauerung... Wobei manches natürlich variiert, umgekehrt oder ganz neu zusammengesetzt wurde (dass dabei Glaubwürdigkeit und Logik der Geschehnisse manchmal etwas auf der Strecke bleiben, gehört zum hinreichend bekannten und nachgiebig akzeptierten Leistungsverzeichnis des Genres und sollte sowieso nicht mit primärer Beachtung bedacht werden). Auf der Darstellerseite ist mit Edwige Fenech und Anita Strindberg für optische Reize und mit Luigi Pistilli für einen grimmigen Charakterdarsteller gesorgt. Und auch sonst gibt es fast alles, was das Herz des Giallo-Guckers begehrt: düster-stimmungsvolle Szenarien, nackt auf Tischen tanzende Hippies, abergläubische alte Frauen, pointiert-deftigen Gore, lesbische Gelegenheits-Intermezzi, SHINING-like Schreibmaschinen-Horror, dreckige dirtbike-Rennen, Heuschober-Gefummel, bösartige Katzen und so einige Storywendungen. Seine schönsten Momente hat der Film natürlich dann, wenn Bruno Nicolais fabelhafter Score (den ich auf CD besitze, ihn aber erst jetzt in Verbindung mit dem Film richtig schätzen gelernt habe) mit Giancarlo Ferrandos Bildern verschmilzt und eine gänzlich einnehmende Atmosphäre entsteht, die einem einmal mehr ins Bewusstsein führt, warum man diese kleinen, gemeinen, sexy Thriller aus der italienischen Exploitation-Schmiede der 70er Jahre so verdammt gerne sieht. Und mit der neuen US-DVD aus dem Hause No Shame hat der Film eine würdige Veröffentlichung erfahren, um in toller Bildqualität neu entdeckt zu werden. Und dankenswerter Weise bekommt man dort neben dem englischen Dub auch eine OmU-Tonspur mitgeliefert – dafür verdient No Shame zusätzlichen Applaus, denn leider gehört bei fremdsprachigen Filmen die Originalsprache ja noch immer nicht zum DVD-Standardrepertoire amerikanischer Independent-Anbieter.
#85
Geschrieben 23. Oktober 2005, 18:27
(Die xue shuang xiong, Regie: John Woo, 1989)
Im Rahmen des Münchner Asiafimfest hatte ich endlich die Gelegenheit, John Woos besten Film im Kino zu bewundern. Und das auch nicht wie ursprünglich vom Veranstalter geplant als HD-Gebeame, sondern zum Glück als sehr ansehnliche 35mm-Kopie in OmeU. Vorausgehender Programmpunkt war ein fast zweistündiger Vortrag von Woo-Kenner Thomas Gaschler, der Ausschnitte aus seinem neuen Buch über John Woo las und einen Interview-Clip sowie ein von ihm gedrehtes BROKEN ARROW-Making Of (Woos Lieblings-Making Of, wie er betonte) zeigte. Höhepunkt waren aber die Ausschnitte des ultrararen Woo-Debüts DEAD KNOTS (von 1969), das einerseits offensichtlich machte, dass homoerotische Untertöne in manchen Woo-Filmen kein Hirngespinst von Kritikern sind (Woo selbst spielt in diesem Amateurfilm einen Schwulen, der seinen Freund in der Anfangsszene auspeitscht – wobei Woo selbst nach Gaschlers Recherchen nicht homosexuell ist), und andererseits bereits das Ende von THE KILLER vorweg nimmt (die beiden tastend einander suchenden Blinden). Und sogar die berühmten weißen Tauben sind hier schon zu sehen! Jedenfalls eine gute Einstimmung auf den danach folgenden THE KILLER.
Und dann kam, sah und siegte es, das Meisterwerk aus der glorreichen Schlussphase von John Woos Hongkong-Zeit. Ein Film, der gewissermaßen HEAT vorweg nimmt, gleichzeitig aber selbst die verschiedensten internationalen Einflüsse hat. Pendelnd zwischen Film Noir und Gangsterfilm, zwischen Actionfilm und Melodram. Zwischen Sam Peckinpah und Jean-Pierre Melville, Sergio Leone und Chang Cheh, Sam Fuller und Jean-Luc Godard. Zugleich ein Todesballett und eine melancholische Ballade, zwischen Kitsch und Poesie, Gewalt und Liebe, Schmerz und Eleganz, Blut und Freundschaft, Verrat und Loyalität. Ein Exzess, ein Gedicht, ein Triumph. Eine einfache Geschichte, aber doch weit mehr als nur ein einfacher Actionfilm, sondern eine facettenreiche, tragische Oper voller Kraft, Intensität und Emotionalität. In seinen besten Momenten einfach nur zum heulen schön. Ich bin glücklich, diesen Film einmal auf großer Leinwand erlebt haben zu dürfen.
Oder, wie es Gaschler im Asiafilmfest-Programmheft so treffend ausdrückt: Woos schönster Film ist ein Noir-Traum, den man wenigstens einmal im Leben vor großer Leinwand mitträumen muss!
#86
Geschrieben 23. Oktober 2005, 18:28
(Regie: Martin Scorsese, 1995)
Dank der neuen DVD nach Jahren endlich mal wieder gesehen. Viel Geschreibsel braucht es zu diesem funkelnden Glanzstück ja eigentlich nicht mehr. Einfach ganz großes Kino, das auf allen Ebenen funktioniert. Erneut sehr fasziniert hat mich, der ich ja nun bekennender Freund von eher "schweigsamen" Filmen bin, dieses Mal vor allem, dass dieser dreistündige Film über die volle Laufzeit zugekleistert ist mit Dialogen, Monologen und Kommentierungen der verschiedenen Off-Erzähler. Da wird wirklich ununterbrochen gequasselt, gestritten, provoziert, angewiesen, anbrüllt, lamentiert und kommentiert. Und das drehbuchtechnisch und schauspielerisch dermaßen gekonnt, realistisch und kurzweilig, dass es eine wahre Freude ist. Sonst bleibt festzuhalten: Joe Pesci spielt wieder mal einen völlig durchgeknallten Choleriker, aber mit so viel Verve, dass es einfach herrlich ist, ihm beim notorischen Ausrasten zuzusehen. Und das Finale ist von derart erbarmungsloser und realistischer Härte, dass es einem die Sprache verschlägt.
#87
Geschrieben 24. Oktober 2005, 19:29
(Desire, Regie: Frank Borzage, 1936)
Ein hinreißender Film mit köstlichen Dialogen, unbeirrbarer Romantik und dem bemerkenswerten Dou Gary Cooper & Marlene Dietrich. Und vielleicht endlich Anregung genug, sich mit dem bislang von mir völlig verschmähten Titelthema der Steadycam Nr. 46 zu beschäftigen. Denn die Entdeckung des dort gewürdigten Frank Borzage lohnt sich ganz offensichtlich sehr.
#88
Geschrieben 30. Oktober 2005, 16:54
(Black Christmas, Regie: Bob Clark, 1974)
Stimmiger Slasher aus einer Zeit, als das Genre noch nicht von seinen eigenen Klischees, stereotypen Figuren und vorhersehbaren Gesetzmäßigkeiten verseucht war. Auch wenn natürlich manches davon bereits in den Frühwerken angelegt war, aber die können freilich schwerlich was dafür, später so zu Tode geritten worden zu sein. BLACK CHRISTMAS punktet jedenfalls mit einer angenehm beängstigenden und originellen Storyidee, bei der das Grauen zwar scheinbar von außen kommt, aber sich in Wirklichkeit irgendwo in den eigenen vier Wänden versteckt. Besonders gelungen sind die Szenen, in denen man dank subjektiver Kamera durch die Augen des Killers dessen schauerlichem Treiben beiwohnt. Erfreulich auch, dass die Charaktere im Angesicht der Bedrohung nicht wie üblich an völliger Verblödung leiden, sondern in ihrem Verhalten recht glaubhaft gezeichnet sind. Auf spannungsfördernde Musik wird ungewöhnlicherweise fast völlig verzichtet, es gibt lediglich vereinzelt minimalistische, raue Klänge zu hören, die aber für meinen Geschmack umso effektiver eingesetzt sind. Gore-Fans kommen wohl kaum auf ihre Kosten, aber trotz ihrer recht unblutigen Inszenierung finde ich die Umsetzung der Morde bisweilen recht verstörend. Letzteres gilt auch für das tolle Finale, das sich geschickt den Konventionen und Erwartungshaltungen entzieht. Insgesamt also für Genre-Freunde sehr empfehlenswert und als DVD zugleich ein gelungener Auftakt der capelight collector's series des gleichnamigen und viel versprechenden jungen deutschen Labels.
Die Falschspielerin
(The Lady Eve, Regie: Preston Sturges, 1941)
Mal wieder ein echter Bringer aus Hollywoods goldener Zeit!
#89
Geschrieben 01. November 2005, 20:51
(Being There, Regie: Hal Ashby, 1979)
FORREST GUMP, directed by Hal Ashby. Oder so. Natürlich nicht wirklich, weil es Ashby überhaupt nicht auf Skurriles und Spektakuläres ankommt, sondern bei ihm die wohldurchdachte, mitunter erschreckend visionäre Satire im Vordergrund steht, bei der ein geistig zurückgebliebener Gärtner durch eine Reihe von Missverständnissen und Fehlinterpretationen zum unfreiwilligen Politik- und Medien-Star aufsteigt. Aufs Korn genommen werden dabei die Medien in all ihren Facetten, die Politik, aber auch die zwischenmenschliche Kommunikation – mit anderen Worten: eine Gesellschaft, die vor lauter Sensations- und Schlagwort-Geilheit das Zuhören verlernt hat; wo Ansichten und Aussagen keinen mehr interessieren, weil sowieso jeder nur das versteht, was ihm am besten in den Kram passt; wo der Gegenüber auf dem besten Weg ist, ohnehin nur noch willkommene Projektionsfläche für die eigenen Vorstellungen zu sein. Ashby hat dafür vortreffliche Szenen und Symbole gefunden, wenn man etwa an die groteske Annäherung zwischen Chance alias Peter Sellers (der seine Rolle äußerst glaubwürdig und doch mit der nötigen Zurückhaltung spielt) und Shirley MacLaine denkt oder an den aberwitzigen Fernsehauftritt von Chance. Und wer am Ende des Films beim Gespräch über die möglichen Nachfolger des Präsidenten gut aufpasst, bekommt ganz nebenbei auch noch prägnant erklärt, wie Personaldebatten in der Politik (leider) funktionieren. Umso erstaunlicher, dass der Film neben seinen scharfen Spitzen und vielfältigen Anspielungen auch dem Menschen Chance viel Raum gibt, seine bescheidenen Wünsche mit den großen Worten der Politiker und Showmaster kontrastiert und sich ihm in seinem Erzähltempo anpasst. Und als Chance gezwungen ist, zum ersten Mal in seinem Leben das Grundstück seines Hauses zu verlassen, ertönt dazu eine abgewandelte Version von Strauss' "Also Sprach Zarathustra" und Chance befindet sich mitten in einer Odyssee, bei der er schnell nicht mehr weiß, wie ihm geschieht. Ein exzellenter, sarkastischer Film.
#90
Geschrieben 01. November 2005, 20:54
(Regie: Edgar G. Ulmer, 1945)
Nach BEING THERE gleich noch ein Film, in dem das Schicksal ordentlich zuschlägt und pure Zufälle das Leben des Protagonisten verändern. In DETOUR aber ganz und gar nicht zu dessen Vorteil, denn was hier passiert, gleicht eher einem Alptraum. Ein unglaublich pessimistischer, finsterer Film voller Hoffnungslosigkeit, der vor allem deshalb so gut funktioniert, weil sein Protagonist kein verabscheuenswürdiger Kerl ist, sondern eine tragische Identifikationsfigur. Jemand, der eigentlich einfach nur per Anhalter quer durchs Land zu seiner Freundin fahren will, und der dabei ohne eigenes Verschulden oder böse Absichten von einem Unheil ins nächste gerät. Der im Angesicht der sich ihm entgegen stellenden Probleme eigentlich immer menschlich nachvollziehbar handelt, aber eben trotzdem so tief in der Scheiße sitzt, dass er auf ehrlichem Wege kaum eine Chance hat, aus der ganzen Sache heil raus zu kommen.
Abgesehen von seiner fesselnden Story fasziniert DETOUR vor allem durch seine Noir-typisch düstere Atmosphäre & Farbgebung und die starken Darsteller. Neben Tom Neal als unglücksseligem Pechvogel steht vor allem Ann Savage als kühl-berechnende, skrupellose und geldgierige Femme Fatale im Vordergrund. Bereits in ihrer ersten Szene macht sie Neal klar, wer in dieser Fahrgemeinschaft das sagen hat und schreckt auch nicht vor gnadenloser Erpressung zurück. Keine Frauenrolle als schmückendes Beiwerk, sondern eine Figur, die ihren männlichen Pendants aus anderen Filmen dieser Zeit in nichts nachsteht, auch wenn in manchen Momenten durchscheint, dass wir es nicht mit dem puren Bösen zu tun haben, sondern eher mit einem auch nicht gerade vom Glück verfolgten Menschen, dem die Gier die Gedanken vernebelt.
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