Der Monroe ihre dicken Hupen
#271
Geschrieben 17. Februar 2006, 11:35
Südkoreanische Filme treffen bei mir interessanterweise fast immer ins Schwarze. Der fantastische MEMORIES OF MURDER macht da keine Ausnahme.
Als 1986 im südkoreanischen Hinterland zwei Frauenleichen gefunden werden, die offensichtlich vom selben Täter ermordet wurden, ist die örtliche Polizei sichtlich überfordert. Die Landbevölkerung hat keinen Respekt vor den Ermittlungsarbeiten und vernichtet schon mal wichtiges Beweismaterial aus schlichter Ignoranz. Der leitende Detective Park Doo-Man (Kang-ho Song) und sein Kollege werfen die Brocken schon bald hin, greifen sich lieber den erstbesten Verdächtigen und versuchen mit dubiosen Methoden, ein Geständnis aus ihm herauszuzwingen. Als ein Polizist aus der Großstadt Seoul zur Verstärkung kommt, beginnen die Ermittlungen jedoch Form anzunehmen. Doch der Serienmörder scheint ein besonders gerissener Vertreter seiner Zunft zu sein ...
MEMORIES OF MURDER ist kein handelsüblicher Serienkillerfilm. Statt auf düsteren Thrill setzt Regisseur Joon Ho-Bong vor allem in der ersten Hälfte auf komische Töne: Die ermittelnde Dorfpolizei ist keinesfalls auf dem neuesten kriminalistischen Stand, die Haurucktechnik des bekannten "Good Cop, Bad Cop"-Spiels und wüste Spekulationen ersetzen minutiöse Ermittlungsarbeit. Der Gipfel der Absurdität wird erreicht, als Park Doo-Man vorschlägt, den Mörder in einem buddhistischen Kloster zu suchen: Da an den Tatorten keinerlei Hinweise auf den Täter gefunden wurden, bei Vergewaltigungen jedoch normalerweise wenigstens Schamhaare zurückbleiben, schließt er, dass der Täter untenrum rasiert und somit ein Mönch sein müsse. Erst nach Überwindung der typischen Eifersüchteleien dämmert auch den Provinzbullen, dass bei diesem Killer neue Methoden gefragt sind, denn die Mordserie reißt nicht ab. Und erst mit dieser Entwicklung nimmt auch Joon Ho-Bongs Film eine Wendung von Komik hin zu Ernsthaftigkeit und Dramatik.
Zentral in MEMORIES OF MURDER ist - ein immer wiederkehrendes Thema im asiatischen Kino, zuletzt etwa in Miikes GOZU - das Gefälle zwischen Land und Stadt: Die Menschen in MEMORIES OF MURDER sind abergläubisch, ihr Lebensstandard weit unter dem der Hauptstädter. So wird auch schon mal die Magie bemüht, um einen Hinweis auf den Täter zu erlangen. Was Detective Park von übermäßiger Denkarbeit hält, macht er in einem Ausspruch deutlich, der besagt, dass man in einem kleinen Land wie Südkorea, dass "nicht größer ist als mein Schwanz", die Polizeiarbeit statt mit dem Hirn lediglich mit den Füßen verrichten könne, indem man sich also von a nach b bewegt. Der Kontrast zwischen Land und Stadt wird später noch auf eine höhere Ebene gebracht, als eine wichtige DNA-Analyse, die möglicherweise Aufschluss über den Täter geben könnte, erst in die USA geschickt werden muss, weil in Südkorea die technologischen Mittel noch nicht vorhanden sind. Insofern behandelt MEMORIES OF MURDER, der auf den wahren Geschehnissen um den ersten südkoreanischen Serienmörder basiert, auch einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte Südkoreas, den Wandel vom Dritte-Welt-Staat hin zur wirtschaftlichen Größe.
MEMORIES OF MURDER hat mich auf ganzer Linie begeistert: Hauptdarsteller Kang Ho-Song (u. a. auch SHIRI, JSA, SYMPATHY FOR Mr./LADY VENGEANCE, THE PRESIDENT'S BARBER) entwickelt sich immer mehr zu einem der weltweit besten Charakterdarsteller, dem in punkto Vielseitigkeit nur wenige momentan das Wasser reichen können, und auch die weiteren Darsteller überzeugen auf der ganzen Linie. Technisch ist der Film ebenfalls eindrucksvoll und liefert stimmungsvolle Bilder der Weite und Leere. Das Drehbuch ist ungemein vielschichtig, witzig, dramatisch und intelligent. Joon Ho-Bongs Film ist damit trotz seiner recht opulenten Laufzeit von 130 Minuten zu keiner Sekunde langweilig oder vorhersehbar. Spitzenklasse!
#272
Geschrieben 19. Februar 2006, 10:14
Hmm, ich bin zugegeben etwas ratlos. Da habe ich zuletzt immer gern über Kritiker gemeckert, die nach dem Erfolg von OLDBOY anfingen, an Park Chan-Wooks Filmen herumzunörgeln. Und jetzt, nach SYMPATHY FOR LADY VENGEANCE habe ich das Gefühl, dass diese Kritiker vielleicht doch nicht so unrecht hatten mit ihrer Kritik.
Im Grunde ist alles beim alten: Schon die Credit-Sequenz wartet mit erlesenen Bildkompositionen auf, die erste Hälfte des Films bietet die gewohnt kunstvoll verwobene Narration, die man eben an SYPATHY FOR MR. VENGEANCE und OLDBOY geschätzt hat. Das alles ergibt in Verbindung mit dem tollen Score (überwiegend von Vivaldi), den wunderschönen Bildern und dem lakonischen Humor einen wirklich stimmungsvollen Film, bei dem man gebannt auf die Auflösung wartet. Leider jedoch stellt sich dann immer mehr die Gewissheit ein, dass sich hinter der opulent glitzernden Fassade eigentlich gar nichts mehr verbirgt. Die sorgfältig konstruierte Geschichte versandet und kann der Erkenntnis aus MR. VENGEANCE nichts wirklich neues mehr hinzufügen: Rache hat manchmal durchaus ihre Berechtigung, ist emotional nachvollziehbar, führt aber leider nicht zur angestrebten Erlösung. Das ist, gemessen an dem enormen Aufwand, den Park Chan-Wook betreibt, doch ein bisschen wenig, wie ich finde.
Natürlich ist LADY VENGEANCE kein schlechter Film. Die erste Hälfte ist so randvoll gepackt mit tollen Regieeinfällen, visuellen Effekten und beeindruckenden Bildern, dass es eigentlich für drei Filme gereicht hätte, und die Schauspieler wissen ebenfalls zu überzeugen. Dennoch ist LADY VENGEANCE der erste Film von Park Chan-Wook, der mich emotional fast gar nicht berührt hat. Vielleicht muss ich ihn auch noch mal gucken. Im Moment herrscht da eben nur Ratlosigkeit.
#273
Geschrieben 19. Februar 2006, 10:57
Was für ein Film! Bei diesem Kleinod eines gewissen Charles Nizet mit dem O-Titel THE RAVAGER handelt es sich um einen recht seltenen Film, der es auf hochgradig differenzierte Art und Weise versteht, die eigentlich diametral entgegengesetzten Pole des Sexploitationkinos und des Vietnamfilms miteinander kurzzuschließen und so zu einem wahrhaft revolutionären Ganzen zu verbinden, dem es wie keinem zweiten gelingt, die zerstörerische Wirkung des Krieges auf Geist und Libido darzustellen. Nizets spektakuäre wie einleuchtende These: Die Tötung der Liebe im Krieg hat zur Folge, dass die gebeutelte Libido danach umso stärker nach Befriedigung sucht. Und da moralische Grenzen längst gefallen sind, hat das für alle Beteiligten verheerende Folgen.
Wir sehen den Rekruten Joe Peterson durch den vietnamesischen Urwald von Nevada schleichen. Ein mahnende Stimme aus dem Off weiß zu berichten, dass hier gleich gar schröckliches geschehe und dem armen Soldaten gründlich die Suppe verhagele. Und in der Tat: Zwei als Vietnamesen getarnte China-Imbiss-Besitzer (Liebe ist bei Nizet immer auch ein Verzehren-wollen) zerren eine nur spärlich bekleidete Dame ins Bild und beginnen schon bald, sich auf äußerst ungeschickte Weise an ihr gütlich zu tun. Ein unerbittliches Gezerre und Geschubse entsteht und bald liegt die Dame auf dem Kreuz, wo sie erst halbherzig vergewaltigt und mit dem Gürtel gepeitscht wird. Unser Rekrut Joe kann gar nicht fassen, was er da mitansehen muss und verharrt in Regungslosigkeit. Als die beiden Chinesen fertig sind, stopfen sie der jungen Dame kurzentschlossen eine Dynamitstange in die Mumu und jagen sie in die Luft. Bumm! Ein hochexplosiver Einstieg in einen hochexplosiven Film.
Als Joe nach diesem Ereignis nach Hause zurückkehrt, ist er ein psychisches Wrack, von dem Gedanken besessen, Liebespaare in die Luft zu sprengen. Über die genauen psychologischen Hintergründe schweigt sich der Film aus Respekt zu seinem Protagonisten aus, aber Nizet versteht es, der gebeutelten Psyche Joe Petersons auch formal gerecht zu werden. Der ganze Film entwickelt sich überaus statisch und spiegelt so brilliant einen Geist wieder, der ganz und gar konditioniert ist. Und wie die Anfälle den armen Tropf Joe immer wieder übermannen, so bricht auch die Gewalt über den nichts ahnenden Zuschauer mit Macht herein.
Zunächst muss ein Pärchen dran glauben, das sich mitten in der Pampa auf dem Rücksitz ihres Wagens inenander verbissen hat. Sie haben keine Chance, zum einen, weil Rekrut Joe bei der Army gelernt hat, sich lautlos und nahezu unsichtbar anzuschleichen (Wir notieren: Die Konditionierung der Armee hat das Unsichtbar-machen des Individuums zu ihrem Behufe), zum anderen, weil sie - wie der Offkommentator erklärt - "zu sehr mit Sex beschäftigt sind". Nach einigen Nackhtheiten macht es Bumm und die beiden sind platt, während Joe einen Baum ansabbert - auch von der Natur ist der Rekrut entfremdet. So geht der Film weiter. Nach kurzen Einschüben, in denen der komplexe Handlungsbogen weitergesponnen wird und die die Geschichte unaufhaltsam auf ihr an Sprengkraft kaum zu überbietendes Finale zusteuern, werden wir Zeuge erotischer Stelldicheins, die von unserem Helden jedoch schon bald unterbunden werden. Dabei macht er auch vor zwei Lesben nicht halt, deren Lieblingsbeschäftigung es ist, kichernd hintereinander her zu laufen. Das Camussche Absurde wurde selten beeindruckender in Bildern eingefangen.
Als Joe sich am Ende an der Frau des ermittelnden Polizisten vergreift, die lüstern an einer Kerze lutscht, ist der Ofen jedoch aus. Der Polizist überwältigt ihn und muss ihn schließlich bei einem Fluchtversuch erschießen. Der Tod Joe Petersons nimmt Willem Dafoes Tod aus PLATOON vorweg und steht sinnbildlich für das Dasein Petersons, den das Schicksal buchstäblich von hinten überfallen hat. Er hatte nie eine Chance. So endet ein wirklich ergreifender Film, der seinen Platz in der Ruhmeshalle des vietnamkritischen Films sicher hat. Es ist bezeichnend, dass auf diesen Film nur selten Loblieder gesungen werden: das bleibt den größer budgetierteren, unter der Aufsicht von Militär, Regierung und CIA entstandenen, rein affirmativen Werken a la APOCALYPSE NOW, THE DEER HUNTER oder PLATOON vorbehalten. BESTIE DER WOLLUST ist den zuständigen Behörden wohl zu unbequem gewesen. Verständlicherweise ...
#274
Geschrieben 19. Februar 2006, 11:24
Helge Schneiders wohl lustigster Film versammelt wieder all das, was den Mühlheimer Fast-Alleskönner zum Fall für die Kategorie "Lieb ihn oder hass ihn" macht: Bescheuerte Charaktere die von Nichtschauspielern noch absichtlich schlecht dargestellt werden - allen voran Andreas Kunze (natürlich) als Frau, der grandiose Helmut Körschgen als Schneiders Sidekick, der mit geschwollenen Triefaugen treu in die Kamera guckt oder im Feinrippunterhemd zum Kippenautomat geht -, abstruse Settings, die mit allerlei Tinnef vollgestellt sind, Anti-Spezialeffekte wie die gefährliche Würgeschlange und das Pappflugzeug zum Finale, Dialoge, die ganz unverhohlen aus dem Stehgreif improvisiert sind sowie Szenen, die man bestimmt nur einmal gedreht hat.
Ich finde es großartig und habe mich auch diesmal wieder über einige Szenen absolut bepisst:
die Szenen mit Körschgen beim Bier, der erste Besuch bei Dr. Hasenbein, alle Szenen im Polizeipräsidium, die "Ich schäme mich!"-Fernsehshow und natürlich Nihil Baxters Auftritte in den heimischen vier Wänden. Außerdem findet sich in diesem Film eine der besten Dialogzeilen Schneiders ever: "Drei Herren in einem Raum ... - da ist wohl schlecht Fotze lecken!"
Der Nachfolger PRAXIS DR: HASENBEIN ist in meinen Augen übrigens einer der deprimierendsten Filme überhaupt und weit mehr als eine Blödelkomödie. Und auch in den anderen Filmen Schneiders gibt es durchaus etwas jenseits des Klamauks zu entdecken. Jemand, der auf solche Zossen wie FEUER, EIS UND DOSENBIER, die ERKAN&STEFAN- oder sonstige deutsche Comedyplörre steht wird sich an Helges Filmen sowieso die Zähne ausbeißen...
#275
Geschrieben 20. Februar 2006, 16:59
John Beckwith (Owen Wilson) und Jeremy Grey (Vince Vaughn) sind zwei Scheidungsberater, die mit ihrer positiven Einstellung zu Leben und wasserfallartigen Redeschwällen auch noch die hoffnungslosesten Fälle lösen - so versöhnen sie etwa in der grandiosen Eröffnungssequenz die mordbereiten, gallespuckenden Rebecca DeMornay und Dwight Yoakam. Ihre Freizeit fristen sie mit dem "Wedding Crashing": Unter Vorgabe falscher Identitäten laufen sie bei großen Hochzeiten auf, um die von soviel Romantik völlig besinnungslosen anwesenden Singledamen aufzureißen und abzuschleppen. Die beiden laufen dabei zu echter Meisterschaft auf, doch zumindest bei John zeichnen sich erste Verschleißerscheinungen ab: Das kann doch nicht alles sein. Und siehe da: Bei der Hochzeit des Finanzministers Cleary (Christopher Walken) verguckt er sich in dessen süße Tochter Claire, während Jeremy seinerseits die etwas durchgeknalltere Gloria abgreift, die auch sogleich nicht mehr von seiner Seite weichen will. Er will nur noch die Flucht ergreifen, doch John beharrt darauf, eine Einladung der Familie für ein Wochenende in der Ferienvilla anzunehmen ...
Der bisher letzte Film des Frat-Packs kommt nicht ganz an solche Knaller wie ZOOLANDER oder ANCHORMAN heran, weiß aber dennoch auch über die ungewöhnlich lange Laufzeit von etwa zwei Stunden ordentlich zu unterhalten. Trotz einiger typischer anzüglicher Schoten, die dafür gesorgt haben, dass der Film in den USA runde zehn Minuten gekürzt wurde, ist der Film dem Genre "Romantische Komödie" zuzuordnen - ein Genre, mit dem ich so gut wie gar nix anfangen kann. In der hier gebotenen Darreichungsform funktioniert das allerdings sogar für mich, auch wenn die ganz großen Schenkelklopfer ausbleiben und manche Gags arg zotig sind. Auch hier setzt es die unvermeidlichen Schwulenwitze. Das gelingen ist den beiden Hauptdarstellern zu verdanken, die ihre Punchlines in ziemlich hoher Frequenz abfeuern, der guten Supporting Cast (Walken mal in einer rundum sympathischen Rolle) und natürlich dem unvermeidlichen Gastauftritt von Will Ferrell: Ich habe 110 Minuten in großer Vorfreude auf ihn gewartet und bin nicht enttäuscht worden. Als Chazz Reinhold, Godfather des Wedding Crashing, hat er einen wirklich fulminanten Auftritt. Und wer soviel guten Geschmack besitzt, die WEAKERTHANS über den Endcredits laufen zu lassen, hat eh meine Hochachtung.
Fazit: Kein Kracher, aber durchaus gefällig.
#276
Geschrieben 21. Februar 2006, 16:31
Boah ey, war ich mutig: einen Film TROTZ Nicolas Cage und dann auch noch in der deutschen SYNCHRONFASSUNG geschaut! Und nicht mal enttäuscht worden, im Gegenteil.
Andrew Niccol, dessen bisheriger Output mit der Phrase "Klein, aber fein!" treffend umschrieben ist, beweist nach GATTACA und dem Drehbuchcredit für TRUMAN SHOW (seinen S1m0ne habe ich nicht gesehen, ebensowenig wie den von ihm gescripteten TERMINAL) einmal mehr, dass er der richtige Mann für intelligentes Unterhaltungskino ist.
In LORD OF WAR geht es um den Waffenhandel aus der Sicht eines Waffenhändlers, dem in Amerika aufgewachsenen Exilrussen Yuri Orlov (Nicolas Cage), der vom kleinen Waffenhändler zum international operierenden Schieber aufsteigt. Da der Waffenhändler hier also die uneingeschränkte Identifikations- und Sympathiefigur des Films ist, ist klar, dass Niccol sich mit Schwarzweißmalerei sehr zurückhält. Der große Moralknüppel bleibt glücklicherweise meist im Sack, vielmehr versteht Niccol es, zu zeigen, dass eine Moraldiskussion gerade deshalb verfehlt ist, weil der internationale Waffenhandel/die Rüstungsindustrie völlig außerhalb jeglicher moralischer Wertsysteme operiert. Yuri Orlov handelt nicht unmoralisch, er handelt außermoralisch. So bleibt der Film sehr facettenreich und hintergründig und hält über seine Spielzeit von zwei Stunden sein Niveau.
Natürlich gibt es auch einige klischeehafte Handlungsstränge, wie etwa die Geschichte um Jared Leto, Yuris Bruder Vitali, der sehr vorhersehbarerweise erst kokainabhängig wird und später natürlich die unvermeidlichen moralischen Bedenken im für ihn definitv ungünstigsten Moment bekommt. Auch die Beziehungskiste um Yuri und seine Traumfrau, das Model Ava Fontaine (Bridget Moynahan), ist arg schablonenhaft geraten und bringt dem guten Nic dann in der zweiten Hälfte des Films doch die üblichen Hundegesicht-Einsätze, die noch jeden Film mit ihm zum Martyrium werden lassen und seine ordentliche Leistung in der ersten Hälfte relativieren.
Dass das nicht so schwer ins Gewicht fällt, liegt an einigen tollen visuellen Schlenkern, wie z. B. der Eingangssequenz, bei der der Zuschauer den Weg einer Maschinengewehrkugel von der Fabrik bis in den Kopf eines unschuldigen bystanders verfolgt, und auch der Ausflug nach Monrovia bleibt haften. Die Botschaft des Films kommt definitiv an, ohne dass der Regisseur sie mittels eines Vorschlaghammers ins Zeil prügelt. Hat geschmeckt.
#277
Geschrieben 23. Februar 2006, 17:42
Nochmal zur Einstimmung auf THE DEVIL'S REJECTS geguckt, der mich auf dem letzten FFF nicht nur massiv enttäuscht, sondern richtiggehend angewidert hat. Mal gucken, was die Zweitsichtung bringt.
Das Erstlingswerk vom guten Rob Zombie jedenfalls mundet mir auch nach dem dritten oder vierten Mal immer noch ausgezeichnet. Das sehen vor allem die US-Horrorfans interessanterweise wieder mal völlig anders, bei denen der Film überwiegend durchgefallen ist. Grund dürfte wohl die stilistische Anlehnung an Oliver Stones NATURAL BORN KILLERS sein: Jede Menge collagenhaft angeordneter Schnippsel in unterschiedlichsten Filmformaten säumen das Geschehen von HOUSE OF 1000 CORPSES und machen aus dem sehr straighten Horrorplot - Twens fahren durch die Pampa, haben eine Panne, werden von der komischen Firefly-Familie aufgesammelt und schließlich plattgemacht - einen für den Durchschnittsami wahrscheinlich beinahe europäisch (sprich: artsy-fartsy) anmutenden Bizarrstreifen. Tatsächlich geht das an der Sache natürlich völlig vorbei, denn während Stone mit seinem Stil eine formale Entsprechung zu dem Medium findet, das er kritisiert und emuliert, geht es Zombie eher um die sehr vordergründige Schaffung einer bestimmten Bilderwelt und der dazugehörigen Atmosphäre. Diese Welt setzt sich aus so unterschiedlichen Elementen zusammen wie altem schwarzweißen Universal-Horror, 50s&60s-Fetischfilm a la Betty Page, dem Grindhouse- und Drive-In-Kino, den unvermeidlichen Marx-Brothers, Schwarzweiß-Cartoons, Monsterfilm und abseitigen Provinzattraktionen wie Roadside Freakshow und Zirkus (folgerichtig wollen seine Protagonisten einen Führer von Hinterwäldler-Straßen-Attraktionen verfassen).
Tatsächlich ist der Film ausgesprochen weird und wird mit zunehmender Spielzeit immer unangenehmer, auch wenn mit echtem Gore eher sparsam umgegangen wird. Entwickelt sich der Plot über die erste Stunde noch recht straight und vorhersehbar, driftet HOUSE plötzlich in ganz eigenartige Gefilde ab und entfaltet eine beinahe surreale Qualität, die ziemlich aufs Gemüt schlägt. Ich kenne nur wenige Horrorfilme, denen Ähnliches gelingt. Zwar sind die einzelnen Versatzstücke bekannt, aber es ist deren Verquickung, die den Reiz ausmacht. Mit subtilem Grusel hat das aber beileibe nichts zu tun: HOUSE OF 1000 CORPSES ist definitiv kein Film für den Kopf, sondern zielt mit der abgesägten Schrotflinte voll zwischen die Beine. Dass zartbesaitete Gemüter dem Film nicht viel abgewinnen können werden, ist klar. Aber auch wirklich Hartgesottene werden hier ordentlich was zu knabbern bekommen, denn was sich der Zombierob für seine Darsteller ausgedacht hat, ist ziemlich daneben und mit soviel Verve inszeniert, dass man ob des dargebotenen Spektakels sprachlos vor dem heimischen Fernsehschirm ausharrt (im Kino natürlich auch).
Erwähnt sei nach soviel Lobhudelei noch, dass Tom Towles (HENRY - PORTRIT OF A SERIAL KILLER) hier die William-Forsythe-Rolle aus DEVIL'S REJECTS übernimmt und meine Lieblingsszene die ist, in der Otis Firefly (Bill Moseley) den Deputy exekutiert: Er steht vor dem armen Kerl, die Wumme an dessen Schädel, und die Kamera fährt ganz, ganz langsam nach oben, scheinbar minutenlang, bevor endlich der erlösende Schuss fällt und das Bild schwarz wird ...
#278
Geschrieben 24. Februar 2006, 08:33
Puuh, sauschwierig zu diesem Film was Originelles zu schreiben, ohne in Leonard-Maltineskes "They don't make 'em like this anymore!" zu verfallen oder zum hundertundzwölfzehnten Mal zu erwähnen, wie charmant doch die alten Hollywoodfilme gegenüber dem heutigen Plastikramsch sind.
Eigentlich ist CHARADE mit der Superbesetzung Audrey Hepburn, Cary Grant, Walter Matthau, James Coburn und George Kennedy enorm unspektakulär: "Action" gibt es fast gar nicht, ebensowenig wie geschickt platzierte Eye Candies oder gar Special Effects. Dass CHARADE dennoch zu keiner Sekunde langweilig ist, liegt einzig an der toll konstruierten Story und den spritzigen Dialogen, die gänzlich unangestrengt rüberkommen und nicht nur witzig, sondern nebenbei auch noch geistreich sind. Vor allem Cary Grant regiert diesen Film mit der gewohnten Leichtigkeit. Ihm zur Seite steht die rehäugige Audrey Hepburn, die zwar alles andere als oversexed ist, aber auch weit davon entfernt, das spießige Muttchen zu sein, das etwa Doris Day gern verkörpert hat. Da könnten sich auch neuzeitliche Leinwanddiven noch was von abschauen, anstatt ihre Weiblichkeit durch Brust-OPs zu beweisen.
Die Irrungen und Wirrungen der Geschichte funktionieren. Nie hat man den Eindruck, hier sei über Gebühr herumkonstruiert worden, um das Publikum bei Stange zu halten. Lediglich die Auflösung verpufft etwas, denn da ist eigentlich nur noch ein Verdächtiger übrig. Egal, der Film ist toll und enthält mit Grants "Do women think it's feminine to be so illogical or can't they just help it?" einen Spruch, der eigentlich auf ein T-Shrit gehörte, wäre er nicht zu lang.
"They don't make 'em like this anymore!" - Hach, wie wahr!
#279
Geschrieben 24. Februar 2006, 17:58
Ja, der Duke - für Heiden, Unwissende und US-Kritiker: so heißt John Wayne wirklich - ist ein Großer. Man mag über ihn sagen, was man will: er sei Rassist, Nationalist, Faschist und was sonst noch so auf -ist aufhört und Inbegriff alles Widerwärtigen und Verabscheuungswürdigen ist, gewesen und ein ganz falscher Fuffziger. Auf der Leinwand (oder dem heimischen Bildschirm) gibt es aber nur wenige Gestalten, die so dermaßen überlebensgroß, beeindruckend und einnehmend rüberkommen. John Wayne, das vergisst man bei aller berechtigten Kritik am Menschen, war ein Riesenschauspieler.
Zu TRUE GRIT - auf deutsch DER MARSHALL - habe ich eine ganz besondere Beziehung, obwohl ich das eigentlich gar nicht mehr wusste, der Film war in meiner Erinnerung quasi verschüttet. Mein leider verstorbener Großonkel besaß nämlich schon einen Videorekorder, als das noch was für totale Sonderlinge war und das Aufnehmen aus dem Fernsehen mangels Sendern eine wenig lohnenswerte Beschäftigung. Neben allerlei komischem Pornozeugs (das ich natürlich erst viel, viel später zu Gesicht bekam) hatte er auch solche Schätzchen wie etwa den NEW YORK RIPPER oder etwa ANDY WARHOLS FRANKENSTEIN in seiner Sammlung - ungeschnitten, versteht sich - die mich, bei völlig unvorbereiteter Betrachtung im zarten Alter von 11, 12 Jahren doch etwas auf dem falschen Fuß erwischten, aber den Keim für später legten.
DER MARSHALL war einer der Filme, die ich - im Unterschied zu vorgenanntem Teufelswerk - tatsächlich zuende geschaut habe und die mir den Duke näher brachten. In TRUE GRIT, für den der Duke 1970 endlich den längst überfälligen Oscar erhielt, ist der Duke schon etwas pummelig und grau geworden und spielt den lebenden Anachronismus Reuben "Rooster" Cogburn, einen versoffenen US-Marshal mit Augenklappe, der lieber zur Waffe greift und Halunken wegpustet, anstatt einen gepflegten Plausch zu halten. Erst die burschikose (und - einziges Manko des Films - etwas ZU rechtschaffene) Mattie Ross (Kim Darby), die den Mörder ihres Vaters zur Strecke bringen will, weiß den ruppigen Herrn etwas zu besänftigen. Aber wenn er am Ende den Schurken entgegenreitet, das Gewehr in der Rechten, den Revolver in der Linken, die Zügel im Mund, ist er wieder ganz in seinem Element.
John Wayne zeigt hier, dass er durchaus Humor hat und nimmt sein Toughie-Image auf die Schippe. Trotz großer Heldentaten, Whiskeydurst und vielen Anekdoten ist er vor allem eins: einsam. Auch wenn die Figur der Mattie etwas Zuviel des Guten ist, ist es überaus amüsant anzusehen, wie sie den alten Haudegen mit Erfolg maßregelt. Unter den Bösewichten versammeln sich Dennis Hopper, der wieder mal einen äußerst hündischen Part erwischt hat, und Rober Duvall als Oberschurke mit Ehrgefühl Ned Pepper. Peckinpah-Regular Strother Martin mischt auch mit.
TRUE GRIT ist ein Spätwestern, doch anders als viele Vertreter dieser Zunft ein reiner Unterhaltungsfilm, der einen nostalgischen Blick auf die Zeit wirft, als Männer noch echte Männer waren und Pferde ihre besten Freunde. Ergänzt wird das alles durch einen wunderbaren hymnischen Score, wunderschöne Landschaftsaufnahmen von Lucien Ballard. Regie führte Henry Hathaway. Ich finde den Film wirklich klasse und hatte beim Ansehen einige erinnerungsträchtige Momente. Klassisch.
#280
Geschrieben 25. Februar 2006, 08:02
Schnell noch nachgeschoben, bin gleich für ' n Tag in Amsterdam: Die Forstetzung zu TRUE GRIT hat leider außer dem Duo John Wayne/Katharine Hepburn nicht viel zu bieten. Er gibt wieder den wandelnden Anachronismus Cogburn, der diesmal eine Bande von Waffendieben hochnehmen soll, sie ist Eula Goodnight, eine bibelfeste, ältere Lady, die ihm nicht von der Seite weicht und ihn fortan Mores und Manieren lehrt, sich aber schließlich in ihn verliebt - das senile Liebesspiel bleibt dem Zuschauer aber zum Glück erspart. Dem höhepunktarmen Drehbuch und der fahrlässigen Regie von Fernsehmann Stuart Millar ist es zu verdanken, dass aus dieser eigentlich einiges Potenzial versprechenden Ausgangssituation nicht mehr wird, als ein müder Rentnerwestern, der spätestens nach der Hälfte der Laufzeit furchtbar langweilt.
Die ausgemergelte Katharine Hepburn erinnert etwas an die weibliche Version von Peter Cushing, nur dass der nicht so eine grässliche Stimme hatte. Die Schurken sind mit Anthony Zerbe, Paul Koslo und Richard Jordan nett besetzt, können aber natürlich gegen Dennis Hopper und Robert Duvall aus dem Vorgänger nicht anstinken. Strother Martin ist auch wieder mit dabei und auch sonst wiederholt sich so einiges, was man aus TRUE GRIT kennt - nur war das da eben um drei Klassen besser. Auf deutsch hat der Film den klamaukigen Titel MIT DYNAMIT UND FROMMEN SPRÜCHEN abbekommen - diesen Titel mehrmals hintereinander aufzusagen, ist lustiger als der eigentliche Film. Ärgerlich.
#281
Geschrieben 28. Februar 2006, 16:12
"Oz" (Matthew Perry) ist Zahnarzt und mit einer geldgeilen und schlampigen Frankokanadierin (Rosanna Arquette) verheiratet, die ihm gemeinsam mit ihrer Mutter ziemlich zusetzt. Als der untergetauchte Profikiller Tudeski (Bruce Willis) nebenan einzieht, entwickeln sich Oz' Ehestreitigkeiten ziemlich turbulent, denn seine Frau will den Killer sogleich an dessen Erzfeind Janni Gogolak (Kevin Pollak) verpfeifen, um kräftig abzukassieren. Oz hat derweil gar nichts mit solchen kriminellen Machenschaften am Hut und versteht sich sogar ganz gut mit seinem neuen Nachbarn. Sein Glück, denn hinter seinem Rücken hat seine gierige Frau noch ganz andere Pläne - ebenso übrigens wie seine Sprechstundenhilfe (Amanda Peet). So entwickelt sich ein ziemliches Verwirrspiel, in das auch Tudeskis Ex-Frau (Natasha Henstridge) involviert ist.
THE WHOLE NINE YARDS ist eine extrem harmlose aber doch recht unterhaltsame Komödie, die leider am Ende in dem Unterfangen wirklich alle losen Enden irgendwie zu verknüpfen ein wenig Schiffbruch erleidet. Die Geschichte ist durchaus gut konstruiert und verspricht beste Screwball-Comedy, was dann leider mehrfach durch die etwas uninspirierte Regie torpediert wird. Das Aufeinandertreffen dreier Killertrupps mit jeweils ganz unterschiedlichen Missionen in Tudeskis Haus verpufft nach sorgfältigem Aufbau ziemlich unspektakulär und auch sonst weiß der Film mit dem sorgsam entwickelten Plot in der zweiten Hälfte nicht mehr so richtig viel anzufangen. Das ist schade, denn gerade am Anfang sitzen die Gags, Matthew Perry gibt eine überzeugende Vorstellung als panischer, friedliebender Zahnarzt, während Bruce Willis nicht viel mehr tun muss, als sein zum Markenzeichen gewordenes Lächeln aufzusetzen. Ihm gehört jedoch auch die beste Szene, in der er eine Fliege fachmännisch über den Jordan schickt. Auch der Twist um Sonnenschein Amanda Peet ist recht gelungen - wenn auch völlig absurd.
Insgesamt also durchaus ein Film, den man sich mal anschauen kann. Aber auch nicht mehr.
#282
Geschrieben 28. Februar 2006, 16:49
STANDER wurde von Nerdguru Harry Knowles als Alternative zum PUNISHER empfohlen, vor allem deshalb, weil hier auch Tom Jane die Hauptrolle spielt. In Amsterdam ist mir die DVD dieses meines Wissens in Deutschland noch nicht erschienenen Films in die zittrigen, nach Action ohne Reue gierenden Finger gefallen. Doch leider ist STANDER nicht ganz das, was ich nach des Aintitcoolnews-Chefs lobenden Worten erwartet hatte. Ein schlechter Film ist STANDER dennoch nicht. Zur auf wahren Begebenheiten beruhenden (gähn) Handlung: Andre Stander (Tom Jane) arbeitet Ende der 70er Jahre für die Polizei im von Unruhen geschüttelten Johannesburg. Seinem Vater nacheifernd, wird er auch immer wieder in einer Spezialeinheit eingesetzt, die schwarze Demonstrationen zerschlagen soll. Als er bei einer solchen Demonstration mitansehen muss, wie unbewaffnete Demonstranten von der weißen Minderheit blutig niedergemetzelt werden (er erschießt ebenfalls einen Unbewaffneten), hat er die Schnauze voll und quittiert den Dienst in der Spezialeinheit. Als er so wieder einmal völlig allein auf der Wache sitzt, kommt ihm eine Idee: Er spaziert in eine Bank, raubt sie aus, flieht und drückt das Geld einem Afrikaner in die Hand. Aus der Schnapsidee wird eine Masche und nach ein paar Überfällen wird der neue Staatsfeind Stander geschnappt und für 32 Jahre in den Bau geschickt. Doch der auf den Geschmack von Rebellion und Widerstand gekommene Ex-Polizist hat noch lange nicht genug und bricht schon bald mit ein paar neu gewonnenen Freunden aus, um den großen Raubzug fortzusetzen.
Vor allem zu Beginn weiß der Film zu punkten: Die unerträgliche Situation der Apatheid wrd ziemlich dramatisch deutlich - gerade die für Standers Werdegang entscheidende Demonstration kommt ziemlich intensiv. Nach diesem beklemmenden Einstieg verlässt STANDER jedoch das Feld des politischen Actionthrillers und begibt sich auf das sehr viel harmlosere Terrain des Caper- und Heistmovies. Hier verliert der Film leider etwas an Durchschlagskraft, denn die Motivation der Hauptakteure tritt immer stärker in den Hintergrund. Auch wird der Film durch die üblichen Plotingredienzen, die man mittlerweile schon in- und auswendig kennt, zusätzlich verwässert: Das Hickhack mit der Frau des Helden (Deborah Kara Unger), die eigentlich ganz glücklich ist in Johannesburg und den Amerika-Traum ihres Gatten nicht teilen will, darf ebenso wenig fehlen wie der das Nervenflattern kriegende Partner in Crime, der mehr und mehr zur Bedrohung für die Stander-Gang wird. Dennoch bedient der Film diese Klischees nie vollständig, was zwar zum einen dazu führt, dass STANDER immer noch interessant bleibt, ihn auf der anderen Seite aber auch etwas ziellos wirken lässt. Der Film pendelt ständig zwischen Ernst - der schon erwähnte Beginn und das tragische, aber völlig unheroische Ende - und Spaß - die dreisten Raubzüge des Trios, dass bald schon zum Popphänomen wird - hin und her, was eine schlussendliche Bewertung irgendwie schwierig macht. Vielleicht gibt eine zweite Sichtung Aufschluss. Auf jeden Fall ist STANDER nicht uninteressant und mit einigen starken Momenten versehen. Auch Tom Jane macht seine Sache sehr ordentlich - obwohl er Schielauge Christophe Lambert immer ähnlicher wird. Wer ihn aber wirklich Ärsche treten sehen will, greife doch zum PUNISHER.
#283
Geschrieben 03. März 2006, 09:20
Terrence Malick ist schon 'n Typ: Dreht 1973 mit BADLANDS mal eben einen der großen Filme des New Hollywood, lässt 1978 den zum Niederknien schönen DAYS OF HEAVEN folgen, nur um dann für knapp 20 Jahre in der Versenkung zu verschwinden. 1998 kommt THE THIN RED LINE und knüpft nahtlos an die großen Vorgänger an. Und jetzt, 2006, liegt THE NEW WORLD vor und macht deutlich, dass Terrence Malick ein absoluter Ausnahmeregisseur ist.
Vordergründig ist THE NEW WORLD eine Liebsgeschichte und eine ziemlich schmonzettenhafte noch dazu: Der Soldat John Smith (Colin Farrell), einer der ersten englischen Kolonialisten, die an der Küste Virginias landen, verliebt sich in das Indianermädchen Pocahontas (Q'Orianka Kilcher) (die im ganzen Film über nicht mit diesem Namen angesprochen wird - das hat etwas zu bedeuten!). Doch der Abenteurer soll endlich den Seeweg nach Indien finden und so verlässt er seine große Liebe. John Rolfe (Christian Bale) nimmt seinen Platz ein und die mittlerweile in der englischen Kolonie lebende Pocahontas zur Frau. Die große Liebe stellt sich bei ihr jedoch nicht ein. Auf einer Reise ins britische Königreich trifft sie John Smith wieder, erkennt, dass er nie mit ihr zusammenleben können wird, entscheidet sich für John Rolfe und stirbt schließlich noch vor ihrer Rückkehr nach Amerika.
Doch um diese Geschichte geht es eigentlich gar nicht, vielmehr entwickelt Terrence Malick wieder seine sehr spirituell geprägten Beobachtungen zu Natur, Leben und Liebe. Dabei geht er, anders als die meisten westlichen Regisseure, nicht analytisch vor: Seine Themen entfalten sich sehr intuitiv und fast nur durch die emotionale Wirkung der Bilder. Sprache spielt eine sehr untergeordnete Rolle in THE NEW WORLD - tatsächlich hatte ich mehr als einmal den Eindruck, den Film riechen zu können. Es geht um die Suche nach dem paradiesischen Urzustand, seine Erlangung, den Verlust und schließlich die Wiedergewinnung auf spiritueller Ebene. Dazu spaltet sich der Film in drei Teile: die Gründung der Kolonie und die Kontaktaufnahme mit den Indianern, das Leben Pocahontas in der Kolonie und ihre Reise in die alte Welt. Am Ende ist klar: Home is where the heart is, das Paradies ist die Liebe. Das klingt schmalzig, gewinnt bei Malick aber eine beeindruckende Wahrhaftigkeit.
Beeindruckend sind die Bilder der unberührten, jungfräulichen Landschaft Virginias, die von den Kolonialisten förmlich aus dem Schlaf gerissen wird, und der kindlich anmutenden Indianer, die weder Besitz noch Missgunst kennen (und demzufolge auch diese Wörter nicht). Im Gegensatz dazu steht der aus reiner Vernunft geborene Wille der Kolonialisten, der aber in völligen Irrsinn abgleitet. Es gibt eine ganze Menge zu entdecken und zu interpretieren, aber THE NEW WORLD wirkt niemals "topic heavy" - tatsächlich erschließt sich der Film fast von allein und der Versuch, das Gesehene im Nachhinein in Worte zu kleiden, fällt sehr hinter diesen Eindruck zurück.
Mich hat dieser Film sehr beeindruckt - wie alle Filme Malicks. Er ist der einzige Filmemacher, den ich kenne, dem es gelingt, dem Zuschauer eine beinahe naive, kindliche und vorurteilsfreie Sicht aufzuerlegen - Kino als wahrlich reinigendes Erlebnis. Ganz groß.
#284
Geschrieben 03. März 2006, 12:00
Wunderbar! Mein privates Double Feature von RIDE THE HIGH COUNTRY und THE BALLAD OF CABLE HOGUE hat schmerzende Lücken geschlossen. Jetzt fehlen nur noch JUNIOR BONNER und THE DEADLY COMPANIONS. RIDE konnte sich auf meiner persönlichen Peckinpah-Rangliste auch mal direkt auf Platz 2 schieben, gleich hinter STRAW DOGS und knapp vor THE WILD BUNCH, und gehört (ebenso wie BALLAD) zu den "leichten" Filmen Peckinpahs, von denen ich vor dem vergangenen Abend gar nicht wusste, dass es sie gibt.
Der alternde Gunman Steve Rudd (Joel McCrea) verdingt sich für ein paar Dollar als Geleitschutz für eine Goldlieferung aus dem benachbarten Goldgräberkaff Coarsegold. Er wird ob seines Alters schon etwas misstrauisch beäugt - der Wilde Westen hat sich gewaltig verändert, Haudegen wie er sind ein Relikt aus vergangenen Tagen. Da er noch Unterstützung braucht, nimmt er seinen alten Weggefährten Gil Westrum (Randolph Scott) mit sowie dessen jugendlichen Sidekick Heck Longtree, der von den alten Hasen nicht so recht ernst genommen wird. Unterwegs gabeln sie die junge Elsa Knudsen (Mariette Hartley) auf, in die sich Heck sogleich verliebt. Doch sie will in Coarsegold lieber einen gewissen Billy Hammond heiraten, mit dem es dann im weiteren Verlauf noch ziemlichen Ärger gibt.
Peckinpah beweist in diesem Nostalgiewestern, dass er tatsächlich einen sehr feinen Humor hat: Wenn die beiden Urgesteine in ihren Cowboy-Strampelanzügen Schlafen gehen oder über ihre schmerzenden Füße klagen, dann hat das nur sehr wenig von dem mythisch überhöhten Gestus, den man sonst von Westernhelden gewohnt ist. Ein Western ist RIDE eigentlich auch eher nebenbei: Zwar gibt es die dreckigen Halunken, Pferde und die obligatorischen Schießereien, doch insgesamt ist Peckinpahs Film sehr introspektiv und nachdenklich. Die Helden von einst sind müde geworden und die Welt um sie herum hat sich gewaltig verändert. Sie müssen Platz machen für die nächste Generation, die nach völlig anderen Regeln lebt. Und beide haben ganz unterschiedliche Vorstellungen, wie ihr Lebensabend aussehen sollte, was dann auch zum dramatischen Konflikt führt.
RIDE ist ein einziger Abgesang auf den Western - wie fast alle Spätwestern. Im Gegensatz zu dem sehr ähnlich gelagerten WILD BUNCH muss das Genre hier aber nicht blutig im Staub verrecken, sondern bekommt ein sehr schönes und feierliches Begräbnis. Die Besetzung ist wunderbar und mit den beiden Hollywoodlegenden Scott (das hier war sein letzter Film) und McCrea fast schon archetypisch. Neben diesen beiden agieren die üblichen Peckinpah-Verdächtigen L. Q. Jones, Warren Oates und R. G. Armstrong gewohnt souverän. Ach ja: Die Musik ist ein Traum, zum Heulen schön! Pflichtprogramm, würde ich sagen.
#285
Geschrieben 03. März 2006, 13:11
Der Ganove Cable Hogue (Jason Robards) wird mitten in der Wüste von seinen Kumpanen Taggart (L. Q. Jones) und Bowen (Strother Martin) zurückgelassen. Eigentlich dem Tode geweiht, taumelt Cable (Cain meets Abel ... ) durch die Einöde, dann und wann Stoßgebete gen Himmel schickend. Er werde nie wieder sündigen, wenn nur ein Tropfen Wasser vom Himmel falle. Kurz vor seinem Tod werden seine Gebet erhört: Er stößt auf Wasser, wo keines ist, an einer Straße zwischen den beiden Kaffs Gila City und Deaddog. Cable kauft das Land, schlägt sein Lager auf und ist bald gut im Geschäft. Die große erträumte Oase wird Cable Springs natürlich nicht. Aber eigentlich wartet Cable auch nur beharrlich auf seine beiden ehemaligen Freunde, an denen er sich rächen will. Auch die große Liebe in Form des Freudenmädchens Hildy (Stella Stevens) kann ihn nicht von seinem Wasserloch weglocken. Und eines Tages stehen Taggart und Bowen tatsächlich vor seiner Tür ...
BALLAD ist tatsächlich der leichteste, beschwingteste und lustigste Film Peckinpahs. Zwar geht es auch hier wieder um Peckinpahs Standardthemen, aber die werden hier weniger ernst, sondern eben sehr leichtfüßig und dazu fast gleichnishaft behandelt. Cable Hogue (dessen Vorname später mit der Erklärung, er sei weder böse noch gut, erklärt wird) ist eine klassische Schelmenfigur, die das ihr per göttlicher Intervention zugewiesene Schicksal dankbar annimmt, es jedoch sogleich als eigene Leistung deklariert. Das Versprechen an Gott, nie mehr zu sündigen, bricht er jedenfalls ziemlich schnell. Rache ist seine Motivation, doch am Ende ist ihm diese Rache gar nicht mehr so wichtig. Und damit verliert dann eben auch sein Leben seinen Sinn.
Wie in allen Western Peckinpahs - und generell in allen Spätwestern - geht es nebenbei auch darum, wie sich die Zeiten verändern, der Weste®n stirbt und Menschen die Orientierung verlieren. Am Ende wird Cable mitten in der Wüste von einem Auto überfahren; das ist dann wieder das Camussche Absurde, das in fast allen Peckinpahs eine wichtige Rolle spielt, hier aber besonders unverhüllt zuschlägt. Ein wirklich schöner und absolut ungewöhnlicher Film, an dessen Humor sich aber wahrscheinlich die Geister scheiden werden. Laut imdb ist THE BALLAD OF CABLE HOGUE (auf deutsch mit dem sehr irreführenden Titel ABGERECHNET WIRD ZUM SCHLUSS abgestraft) Peckinpahs Lieblingsfilm gewesen. Das sagt einiges über den Mann, der gern als amoklaufender Irrer diffamiert wird. David Warner hat in BALLAD eine schöne Rolle als Priester seiner eigenen Religion abbekommen und gibt vor STRAW DOGS seine Peckinpah-Premiere.
#286
Geschrieben 04. März 2006, 10:09
Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich schreiben soll. Der Film kursiert ja jetzt schon seit einigen Wochen durch diverse Postings und wird ordentlich gefeiert. Ich kann das zwar in dieser Form nicht zu 100 % bestätigen, will aber auch nicht den Spielverderber machen, denn OLD SCHOOL ist ohne Frage eine feine Komödie, die vor allem von den drei famosen Hauptdarstellern Will Ferrell, Luke Wilson und Vince Vaughn lebt. Die dem Film zugrunde liegende Idee - drei Erwachsene und eigentlich mitten im Leben stehende Männer ergreifen die Chance, sich nochmal aufzuführen wie 20jährige - ist klasse und rückt den Film in offensichtliche Nähe von NATIONAL LAMPOON'S ANIMAL HOUSE, dem Urvater der Frathouse-Komödie. Mir persönlich gefällt wieder einmal Will Ferrell am besten, über dessen Stimme allein ich mich jedesmal bepissen könnte. Was es mir etwas schwer macht, OLD SCHOOL komplett abzufeiern, ist, dass der Spaß viel zu schnell vorbei ist: Der Film braucht eine gute Dreiviertelstunde, bis es so richtig losgeht und dann biegt man auch schon in die Zielgerade ein. Ich hätte einfach gern mehr von Frank the Tank gesehen und fühlte mich nicht ganz befriedigt. Auf der anderen Seite ist es aber schon ein gutes Zeichen, wenn man sich wünscht, ein Film würde länger dauern. OLD SCHOOL bleibt trotz aller absurden Gags immer eine sehr Charakter-getriebene Komödie. Das macht ihn sicherlich zu einem "wahreren" Film als etwa ZOOLANDER oder ANCHORMAN. Die haben mir aber eben wegen ihres humoristischen Amoklaufs und dem völligen Ausreizen ihrer Grundidee doch noch einen Tick besser gefallen.
#287
Geschrieben 06. März 2006, 13:09
"Second time's the Charm" oder so ähnlich sagt man ja im angelsächsischen Raum. Das trifft auch auf manche Filmerfahrungen zu. Bei mir hat sich die schöne Redensart im Falle von Rob Zombies Film bewahrheitet, der mich bei Erstsichtung auf dem FFF 2005 arg enttäuscht hatte. Nicht nur, dass ich die überdrehte Art des Vorgängers HOUSE OF 1000 CORPSES vermisste, auch gefiel mir der Ton des Sequels überhaupt nicht. Die perversen, sadistischen Massenmörder zu Helden zu stilisieren, empfand ich zumindest als fragwürdig, wenn nicht gar geschmacklos. Das Problem: War HOUSE noch ein - wenn auch etwas gestörter - Popcornfilm, geht Zombie hier wesentlich ambitionierter zu Werke und holt die Figuren des ersten Teils aus ihrer Pastiche-Welt in die Realität. Plötzlich sind die karikaturesk überzogenen Comicfiguren echte Verbrecher - und aus Fungore wird nicht minder blutiger Ernst. Dieser große Schritt war bei Erstsichtung einfach zu viel für mich, als dass ich den Film unvoreingenommen hätte "genießen" können. Dazu kamen doch die typischen FFF-Nerds, die jede noch so schmerzhafte Szene mit ihrem ekelhaft bornierten Gorebauern-Gejohle quittierten und so die (unterstellte) Intention des Filmemachers ad absurdum führten.
Die Zweitsichtung war gerade deshalb Pflicht und siehe da: Vieles stellt sich dann doch anders dar, als ich es bei der "Premiere" empfunden habe. Rob Zombie geht es nicht darum, die Taten der Firefly-Sippe zu glorifizieren, sondern eher darum, zu zeigen, dass auch diese Serienmörder nicht NUR böse sind. Tatsächlich nähern sich der Redneck-Sherriff Wydell (William Forsythe) und die Familie im Verlauf des Films immer mehr einander an: Je mehr der Gesetzeshüter zum Verbecher wird, umso mehr treten die zarten Familienbande der Fireflys und ihr bedingungsloser Zusammenhalt in den Vordergrund und machen die Fieslinge sympathisch. Die harsche Gewalt des Films wird nie für reine Suspense oder Action missbraucht, sondern ist immer brutal und unangenehm, egal von wem sie nun ausgeübt wird.
Formal ist THE DEVIL'S REJECTS wie auch sein Vorgänger brilliant gemacht. Der ehemalige Musiker Zombie hat sein Handwerk wirklich gelernt und läuft so manchem "hauptberuflichen" Regisseur mit Leichtigkeit den Rang ab. Darüber hinaus hat er auch noch einige interessante Sachen zu sagen, wie die fast zweieinhalbstündige Dokumentation, die der DVD beigefügt ist, belegt. Wenn an THE DEVIL'S REJECTS überhaupt etwas auszusetzen ist, dann vielleicht, dass der Film etwas zu radikal angelegt ist. Man vermisst doch schmerzlich eine Figur, mit der man bedingungslos mitfiebern kann, ohne von vornherein auf das falsche Pferd zu setzen. Verbrecher und Gesetzeshüter sind gleichermaßen unsympathisch - wenngleich die Fireflys schon besser wegkommen - und die Opfer haben von Anfang an keine Chance. Aber das macht TDR auch so interessant, denn man befindet sich beim Sehen des Films in einem ständigen Konflikt mit sich selbst.
Neben reinem Konfrontationskino bietet der Film aber noch weit mehr: tolle Dialoge, großartige Darsteller - neben den Hauptdarstellern, von denen vor allem Sid Haig, Bill Moseley und eben William Forsythe hervorzuheben sind, tauchen u. a. Ken Foree (DAWN OF THE DEAD), Michael Berryman (THE HILLS HAVE EYES), Mary Woronov (EATING RAOUL), Pornstar Ginger Lynn, Danny Trjo (FROM DUSK TILL DAWN) und P. J. Soles (STRIPES) in kleineren Rollen auf -, ein tolles Design, dass an den ruppigen Underground-Horror der Siebziger angelehnt ist, und einen fantastischen Soundtrack.
Ich bin froh, dass ich dem Film noch eine Chance gegeben habe. Hat sich gelohnt, Riesenteil, das!
#288
Geschrieben 06. März 2006, 20:12
Was für ein Spaß! Ich habe bisher alle Filme von Matt Stone und Trey Parker (CANNIBAL: THE MUSICAL, ORGAZMO, BASEKETBALL und SOUTH PARK: BIGGER, LONGER AND UNCUT) sehr gemocht und auch TEAM AMERICA macht keine Ausnahme. Die "Masche" der beiden funktioniert erstaunlicherweise auch noch im vierten Anlauf, der respektlose Umgang mit Freund und Feind und das ständige Übertreten von Tabus machen einfach Laune und treiben einem mehr als einmal die Schamesröte ins Gesicht. Naja, fast jedenfalls.
Im Fall von TEAM AMERICA kommen noch das wirklich wunderbare Design und die knuffigen Marionetten dazu, die güldene Erinnerungen an die THUNDERBIRDS oder auch die Augsburger Puppenkiste wecken. Natürlich ist das hier weitaus weniger zahm, siehe oben. Das ist aber nicht nur als Hommage an die oben genannte amerikanische Puppenserie, mit der TEAM AMERICA auch inhaltlich ziemlich viel gemein hat, zu verstehen, vielmehr werden immer auch die strukturellen Besonderheiten des Puppenfilms kommentiert. So gibt es etwa einen tollen Marionetten-Kung-Fu-Kampf, bei dem man überdeutlich sieht, dass die Puppen für solche Bewegungen definitiv nicht gemacht sind. Auch die Geschlechtslosigkeit von Barbie und Konsorten wird in einer Sexszene auf die Schippe genommen, in der das Liebspaar des Films trotz fehlender Geschlechtsteile hemmungslos rumvögelt.
Ein Hauptbestandteil des hier vertretenen Humors ist sicher das hemmungslose Ausspucken absolut rüder, sexuell konnotierter Schimpfwörter und Flüche. Mein Lieblingsfluch war definitiv "Jesus titty-fucking Christ". Wer denkt sich sowas aus? Schon fast grotesk ist die Abschlussrede des Helden, in der er sich einer Allegorie bedient, die Menschen in "dicks", "pussies" und "assholes" einteilt. Man kann sich ungefähr vortellen, was dabei rauskommt. Seine Ansprache kulminiert wenig später im Zusammentreffen mit seiner Geliebten, die ihn in Anspielung an JERRY MAGUIRE mit den Worten unterbricht: "You had me at "dicks fuck assholes"". Das ist wirklich göttliche Komödie, wenn ich das mal so sagen darf. Außerdem kriegen hier sowohl konservativer amerikanischer Patriotismus sein Fett weg, wie auch das angebliche Gegenteil davon, das heuchlerische PC-Gehabe der angeblich linken Intelligenzia, in diesem Fall vertreten durch publicitygeile Hollywoodstars und Michael Moore. Oberschurke ist der nordkoreanische Diktator Kim Jong Il, der mit der Stimme von Cartman aus SOUTH PARK spricht und mit den immer als solchen bezeichneten Terroristen aus "Derka Derkastan" gemeinsame Sache macht. Zwei echte schwarze Katzen fungieren als riesenhafte gefährliche Panther, am Schluss werden einige Puppen MEET-THE-FEEBLES-Style durch den Fleischwolf gedreht und das Ganze leckere Süppchen mit den wieder einmal phänomenalen Songs abgerundet. Es gibt einen Song über Michael Bay und PEARL HARBOR, einen über AIDS und der Themesong lautet "America, Fuck Yeah!".
Nuff said.
#289
Geschrieben 06. März 2006, 20:43
Vorweg: Eine Zweitsichtung muss her! Ich hatte zu Beginn mit einigen alkoholinduzierten Wahrnehmungsstörungen zu kämpfen, die den Einstieg in den Film doch etwas schwierig gestalteten. Der Versuch, den Film in französischer Sprache mit deutschen Untertiteln zu schauen, war jedenfalls zum Scheitern verurteilt. Wer will schon lesen, wenn Jeunet seine bekannten Bildwelten auf die Mattscheibe zaubert? So ist mir am Anfang einiges entgangen, was eine abschließende Einschätzung erschwert.
Ganz sicher hat Jeunet es aber diesmal geschafft, einen Film über ECHTE Menschen zu machen, für die man ECHTE Gefühle empfindet. Nicht falsch verstehen, DELICATESSEN, STADT DER VERLORENEN KINDER und AMELIE sind wunderschöne Filme (ALIEN RESURRECTION lasse ich mal bewusst außen vor), die aber darunter leiden, dass sie von vorn bis hinten durchkomponierte Kunstprodukte sind, denen die Figuren fehlen, mit denen man mitfühlen kann. Alle Filme Jeunets bersten vor wunderbaren Ideen, aber sie fügen sich nie so recht zu einem überzeugenden Gesamtentwurf zusammen.
Bei MATHILDE tritt das Detail gegenüber diesem größeren Ganzen in den Hintergrund. Zwar erzählt Jeunet auch hier wieder ein Märchen - das Märchen von der großen Liebe, der keine Hindernisse zu groß sind, und die nicht müde wird, sich an ihr "Objekt" zu verschenken -, aber diesmal ist es ein Märchen, dass sich so oder ähnlich wahrscheinlich viele, viele Male zugetragen hat und deshalb trifft: Das Mädchen Mathilde (Audrey Tautou) wird von ihrem Verlobten Manech verlassen, der in den Ersten Weltkrieg ziehen muss. Der Krieg endet, doch der Verlobte bleibt verschollen und so macht sich Mathilde auf die Suche nach ihm. Diese Suche gestaltet sich ein wenig wie eine Detektivgeschichte: Mathilde besucht Manechs ehemalige Kameraden und deren Ehefrauen auf, um sie nach ihm zu fragen, Gewissheit zu erlangen. Diese Erzählungen werden als klassische Rückblenden bebildert, stellen sich im Laufe des Films häufiger aber auch als unvollständig heraus.
Es gibt wenig Aktion im Jetzt des Films, das meiste wird eben in Rückblenden erzählt, was dazu führt, das MATHILDE etwas statisch wirkt - das passt aber auch wieder zur Hauptfigur, die aufgrund einer überstandenen Kinderlähmung ein lahmes Bein hat. Bemerkenswert ist auch das Ende, das zwar ein Happy-End bereithält, aber dennoch sehr klein und beschaulich wirkt und deshalb umso mehr trifft. Mich hat es etwas an das Ende von Lynchs STRAIGHT STORY erinnert. Ein weiteres wiederkehrendes Motiv sind die kleinen Spiele, die Mathilde mit sich selber spielt, und die man in der Psychologie meines Wissens nach "magische Zwänge" nennt: So rennt sie bei Manechs Abschied seinem Auto hinterher und versucht, eine bestimmte Kurve vor ihm zu erreichen, um so sicherzustellen, dass er lebend aus dem Krieg wiederkehrt.
Über Jeunets Bildkompositionen und seine Regieeinfälle muss nichts mehr gesagt werden. Ergänzend seien noch der schöne Score von Angelo Badalamenti und die guten Nebendarsteller erwähnt, unter denen Jeunet-Regular Dominique Pinon, Jodie Foster und Albert Dupontel zu finden sind.
#290
Geschrieben 07. März 2006, 18:39
Ein programmatischer Titel. Gern würde ich mich mit den Ausführungen zu diesem Titel schmücken, aber der Film ist so intelligent, alle Implikationen dazu selbst zu formulieren. So ein Ärger! THE LAST HORROR MOVIE beginnt wie ein hundsmieser Slasher aus den 80ern, bevor der Film abrupt abbricht und dem Zuschauer plötzlich ein charmanter Herr entgegenblickt. Er habe den Film, einen hundsmiseralen Slasher namens THE LAST HORROR MOVIE überspielt und wolle den Zuschauer nun an seinem eigenen Film teilhaben lassen. Der Mann nennt sich Max und geht dem zweifelhaften Hobby des Serienmords nach. Zwischen den von einem auf der Straße aufgegabelten Obdachlosen gefilmten Morden nimmt der Zuschauer auch am unspektakulären Privatleben des Mörders teil und wird mit dessen philosphischen Erörterungen zum Thema Mord, Gewalt und Voyeurismus konfrontiert. Am Ende offenbart er seinen Clou, der den unvorbereiteten Zuschauer völlig in sein bizarres Spiel integriert und die Grenze zwischen Film und Realität völlig einreißt.
Julian Richards, der zuvor die schöne WICKER MAN-Adaption DARKLANDS und danach den enttäuschenden SILENT CRY inszenierte, legt mit diesem ziemlich kontrovers aufgenommenen Film einen Beitrag zum Serienmörderkino vor, der zunächst stark an den belgisch-französischen MAN BITES DOG erinnert. Dort begleitete ein Filmteam einen Serienmörder bei der Arbeit und wurde schließlich am Ende des Films von der Faszination der Gewalt übermannt, sodass es selbst zu blutigen Taten schritt. THE LAST HORROR FILM macht den Serienmörder aber nicht nur zum Darsteller, sondern sogar zum Regisseur seines Films. Auch steht hier - anders als bei seinem vermeintlichen Pendant - die technische Seite selbstreferenzieller Metafilmspielereien weniger im Vordergrund - auch wenn es natürlich immer wieder diese "misslungenen" Shots gibt, in denen man etwa den Kameramann im Spiegel sehen kann, die Kamera umfällt etc. Der Clou von Richards Film aber ist die totale Auflösung der Leinwand: Der Zuschauer wird am Ende selbst Darsteller des Films.
Natürlich gibt es auch in diesem Film noch eine dritte Metaebene, die das Snuff-Spielchen transzendiert: In einer Szene bringt Max nacheinander einen Mann und eine Frau um, die sich gegenübersitzen, und fordert seinen Kameramann auf, jeweils die Reaktion des anderen auf den Mord zu filmen. So sieht man nie den Mord selbst, sondern immer nur den Gegenüber (der beim zweiten Mord natürlich tot ist). Nach getaner Arbeit richtet er sich an den Zuschauer und fragt: "Hättest du gern mehr gesehen? Und wenn nicht: Warum hast du dann nicht abgeschaltet?" In diese kurze Ansprache sind wiederum kurze Schnippsel eingeschnitten, die genau das zeigen, was wir kurz zuvor verpasst haben. Diese Szenen müssen jedoch einer anderen filmischen Realität entstammen, denn es ist ja nur eine Kamera da.
Wie alle Filme, die sich dieses Themas annehmen, steht und fällt auch THE LAST HORROR MOVIE mit seinem Hauptdarsteller: Julian Richards hat mit Kevin Howarth die Idealbesetzung gefunden. Der Brite schafft es, zu schauspielern, ohne dass es wie Schauspielern aussieht - seine Darstellung ist "realistisch" und ungekünstelt, aber dennoch facettenreich und charismatisch. Man folgt ihm gern, vertraut ihm, obwohl man schon vom "unzuverlässigen Erzähler" gehört hat und findet ihn sogar symathisch. Man könnte ihn als das apollinische Gegenstück zum dionysischen Alex aus A CLOCKWORK ORANGE bezeichnen: Max ist kein leidenschaftlicher Mörder, kein verkannter Künstler und auch kein Irrer. Für ihn ist das alles ein großes soziologisches Experiment. THE LAST HORROR MOVIE ist hoch intelligent und hervorragend gemacht. Und er ist - trotz des Themas - eigentlich sogar relativ leicht konsumierbar, was ich etwa von MAN BITES DOG nicht sagen würde. Dass er in Deutschland ganze zehn Minuten Laufzeit eingebüßt hat, halte ich in diesem Zusammenhang für eine Unverschämtheit. Die Gewalt ist zwar schmerzhaft, wird aber nie über Gebühr in die Länge gezogen, von derbem Sadismus ist der Film meilenweit entfernt. In SLEEPY HOLLOW ist mehr Blut geflossen und der war ab 12. Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren ...
Nochmal zum Titel: Eigentlich ist THE LAST HORROR MOVIE gar kein Horrorfilm, denn er zielt ganz eindeutig auf die Birne statt auf den Magen. Aber vielleicht ist das auch eine halbgare These ...
#291
Geschrieben 08. März 2006, 13:12
Eigentlich schreibe ich ja nix zu Fernsehserien. Irgendwo muss man die Grenze ziehen, und außerdem wüsste ich auch gar nicht, was ich etwa zu CSI schreiben sollte. Im Fall der ramschigen TALES FROM THE CRYPT-Box von Laser Paradise, die ich auf 'ner Börse in Köln für'n Appel und 'n Ei mitgenommen habe, mache ich aber mal 'ne Ausnahme - langweile mich nämlich gerade. Zunächst muss mal gesagt werden, dass die Box für Hardcore-Sammler natürlich völlig indiskutabel ist: Sie basiert auf den MASTERS OF HORROR-Tapes, die Mitte der Neunziger meist in geschnittener Form und völlig wahlloser Episodenreihenfolge das Licht der Videotheken erblickten. Das Bild ist gerade so annehmbar, der Ton mau, das Design billig und auf DVD 1 fehlt dann auch noch bei einer Episode (ON A DEADMAN'S CHEST bzw. BRENNENDE RACHE) die englische Tonspur. Beide Kanäle enthalten den deutschen Ton.
SPLIT PERSONALITY
Von Joel Silver routiniert aber auch etwas gelangweilt inszenierte Episode um den Zocker Vic, der durch Zufall an ein millionenschweres Zwillingspärchen gerät, das er, um an das Vermögen zu Gelangen, gleich beide heiratet. Doch die beiden Schwestern kommen ihm auf die Schliche ... Die schöne Splatterszene am Schluss sowie ein gut aufgelegter Joe Pesci und ein Gastauftritt von Burt Young reißen's halbwegs raus.
PEOPLE WHO LIVE IN BRASS HEARSES
Eine der besten Episoden, inszeniert von Russel Mulcahy und mit den gut aufgelegten Bill Paxton, Brad Dourif und Michael Lerner ausgezeichnet besetzt. Das etwas enge Konzept der Serie macht ja manche Folgen etwas vorhersehbar, hier funktioniert das Ende allerdings und weiß tatsächlich zu schocken.
DEAD WAIT
James Remar ist der Abenteurer Red, der dem auf Haiti lebenden Duvall (John Rhys-Davies) eine schwarze Perle abjagen will - und auch dessen Ehefrau, die ebenfalls schwarze Perle Vanity. Whoopi Goldberg zieht als Voodoozauberin die Fäden im Hintergrund. Das Finale, in dem der an Wurmbefall leidende Duvall aufgeschnitten wird, ist ein Gross-out par excellence. Regie führte Tobe Hooper.
THE TRAP
Michael J. Fox inszenierte diese schwarzhumorige Episode, in der ein Ehemann (Carlos Lacamara) seinen Tod fingiert, um seine Lebensversicherung einzukassieren. Sein Bruder (Bruno Kirby) ist Leichenbestatter und soll's richten, doch der findet Gefallen an der Ehefrau (Teri Garr) des Betrügers. Gut gespielt und ziemlich böse.
FOREVER AMBERGRIS
THE WHO-Sänger Roger Daltrey spielt den Fotografen Dalton, der seinen Zenith längst hinter sich hat. Steve Buscemi ist das Jungtalent Ike, dass die branchenübliche Eifersucht und Rachegedanken beim Kontrahenten auslöst. Am Ende kriegt der Daltrey natürlich sein Fett weg. Ziemlich eklige Schmelzeffekte gibt's zu bewundern. Regie: Gary Fleder.
SPLIT SECOND
Brion James (Friede seiner Asche) ist der bärbeißige Holzfäller Steve, aus dem nach der Hochzeit mit der attraktiven und Jahre jüngeren Liz von krankhafter Eifersucht übermannt wird. Kein Wunder, seine Frau ist ein echtes Luder und schmeißt sich sofort dem knackigen Neuen an den Hals. Steve rastet aus, doch am Ende kriegen er und seine Frau, was sie verdienen. Brion brilliert in einer seltenen Hauptrolle, Michelle Johnson hat hässliche Brüste - das reicht für 25 Minuten. Regie führt einmal mehr Russel Mulcahy, das Drehbuch stammt vom verdienten Richard Matheson.
ON A DEADMAN'S CHEST
Die mit Abstand schlechteste Folge, die eindrucksvoll den Abstieg von William Friedkin dokumentiert.
Das ganze Debakel wird noch dadurch potenziert, dass auf der DVD nur die Synchronfassung enthalten ist, die trotz guter Sprecher wirklich unerträglich ist. Außerdem wird wieder einmal der Beweis erbracht, dass Horrorfilme, in denen es um Rockgruppen geht, nix taugen. Warum fahren Menschen in Filmen immer auf Bands ab, die offensichtlich total scheiße sind? Egal, die Musik passt zum niedrigen Niveau der Episode, die außer eine jungen Tia Carrere nix zu bieten hat. Das ist viel zu wenig.
DEATH OF SOME SALESMEN
Das einzige, was hier nicht ganz zufriedenstellt, ist die Pointe, die etwas zu unspektakulär rüberkommt. Ansonsten gibt's sehr bizarren Humor und Tim Curry in einer Triplelrolle als Redneckfamilie: Mama, Papa und eine grotesk hässliche Tochter. Blöderweise bringt diese Familie gern Handelsvertreter um, und so muss Ed Begley jr. - super! - schon ein Heiratsversprechen abgeben, um sich zu retten. Natürlich kommt trotzdem alles anders. Regie: Gilbert Adler.
#292
Geschrieben 10. März 2006, 15:15
Weiter geht's:
ABRA CADAVER
Inszeniert von Stephen Hopkins, mit Beau Bridges in der Hauptrolle, borgt sich diese Episode ihre Grundidee von einer ALFRED HITCHCOCK PRESENTS-Episode, die die recht gruselige Ausgangssituation - Mensch zeigt alle Merkmale des Todes, ist aber noch lebendig und somit in seinem eigenen Körper gefangen - aber weitaus besser zu nutzen wusste. Bei dieser Episode wusste Hopkins anscheinend nicht so recht, wohin er überhaupt wollte, und so wirkt der Clou einer jeden TFTC-Episode - die Schlusspointe - hier irgendwie antiklimatisch und drangeklebt. Mau.
CARRION DEATH
Vom einstmaligen Drehbuch-Wiz Steven E. DeSouza inszeniert und mit Kyle MacLachlan gegen den Strich besetzt, zählt diese Episode zu den absoluten Highlights der Serie. MacLachlan ist ein Todeszellenhäftling auf der Flucht, der sich in der Wüste nicht nur mit einem hartnäckigen Polizisten auseinandersetzen muss, sondern auch mit einem Geier, der äußerst wählerisch in Sachen Speiseplangestaltung ist. Das Ende ist ziemlich unangenehm und hat mir echte Nackenschmerzen verursacht ...
NONE BUT THE LONELY HEART
Diese Episode zählt schauspielerisch zu den Glanzlichtern: Treat Williams (was macht der eigentlich heute?) ist großartig, ebenso wie Henry Gibson (THE 'BURBS) und Frances Sternhagen. Regisseur Tom Hanks hat einen kleinen Auftritt und Boxer Sugar Ray Leonard auch. Mir hat die Schauermär um den Ehebetrüger und Witwenmörder Howard Prince gut gefallen, auch wenn das Ende irgendwie merkwürdig finessenlos ist.
#293
Geschrieben 10. März 2006, 19:05
Ein Superhit der Shaw-Brothers aus dem Jahr 1974 ist es, aber bestimmt kein Kung-Fu-Film, wie es einem einem das Cover weismachen will. Vielmehr handelt es sich bei diesem Film um eine Sozialstudie des Hongkongs dieser Zeit. Chen Kuan-Tai, der in der ersten Hälfte des Films fast so etwas wie einen verlängerten Cameo hat, spielt Cheng, den Besitzer eines Teehauses, das Treffpunkt für die unterschiedlichsten Menschen ist. Cheng selbst übernimmt für seine Gäste und Mitarbeiter so eine Art Vaterrolle, dem sizilianischen Paten nicht unähnlich.
Zunächst behandelt der Film das Thema der Jugendkriminalität. Als ein jugendlicher Angestellter Chengs straffällig wird, wird er zwar vom Richter aufgrund seines jungen Alters auf Bewährung freigelassen, doch Cheng verstößt ihn, da er Treue gegenüber dem Gesetz verlangt. Es folgt ein dem US- und Italokino der Siebziger nicht unähnlicher Strang, der die laffe Haltung der Justiz gegenüber Jugendkriminalität zum Thema macht. Nachdem die unschuldige Tochter eines Stammgastes sterben muss, beschließen die Gäste gemeinsam, die Schuldigen zu bestrafen. Das wiederum lockt deren "Vorgesetzte", eine chinesische Gang, auf den Plan, die Chengs Etablissement und somit die Herrschaft im Stadtteil übernehmen wollen. Doch Cheng hält an seinen Werten fest und leistet den Ganoven mit seinen Freunden Widerstand. Bis der Druck am Ende doch zu groß wird ...
Die Inhaltsangabe macht schon deutlich, dass es Regisseur Chin Hung Kuei weniger darum ging, eine stringente, konzentrierte Geschichte zu erzählen, sondern vielmehr eine Art Milieuschilderung vorzunehmen. So findet man wieder die für das Hongkong-Kino typischen Konflikte zwischen Alt und Jung, die für den Wandel vom traditionellen China hin zum modernen Hongkong und den damit verbundenen Werteverlust stehen. Auch wenn THE TEAHOUSE manchmal droht, in reaktionäre Gefilde abzudriften, hält der Regisseur stets die Balance. Dafür verantwortlich ist die Figur des Cheng, der das Zentrum und den Ruhepol des Geschehens darstellt. Chen Kuan-Tai brilliert und etabliert sich m. E. mit dieser Leistung als bester Darsteller der Shaws neben Lo Lieh.
THE TEAHOUSE ist nicht die ganz leichte Unterhaltungskost, sondern ein wirklich vielseitiger und anspruchsvoller Film, der zudem mit einigen wirklich toll inszenierten Momenten aufwarten kann. Stilistisch wirkt der Film sehr roh und fast schon europäisch, die Parallelen zum Italofilm finden sich auch auf formaler Ebene wieder. Mit BIG BROTHER CHENG wurde übrigens noch ein Sequel gedreht. Für das Hongkong-Kino dürfte dem Film wahrscheinlich eine ähnliche Bedeutung zukommen wie etwa dem HOUSE OF 72 TENANTS.
#294
Geschrieben 11. März 2006, 09:12
Als ich von dem Film das erste Mal hörte, dachte ich, dass Steve Carrell doch lieber weiterhin Nebenrollen in Will-Ferrell-Filmen spielen sollte. Nach den vielen guten Reviews, die der Film hier erhalten hat, war ich dann doch überrascht. Jetzt habe ich mir selbst einen Eindruck verschafft und kann das Lob nur bestätigen.
Regisseur Judd Apatows nimmt seine Grundidee ernst, statt sie nur für alberne Zoten auszubeuten; so entsteht ein sehr warmherziger Film, der Verständnis für seine Hauptfigur hat und sie überzeugend charakterisiert: Andy, die Jungfrau, ist ein sympathischer und lediglich etwas verschüchterter Zeitgenosse (kein Wunder!). Und seine Arbeitskollegen machen sich nicht den ganzen Film lang über seine "Behinderung" () lustig, wie man ja durchaus hätte vermuten können, sondern sind sofort darauf bedacht, ihren Kollegen aus seiner unfreiwilligen Jungfräulichkeit zu befreien. Die erste Hälfte des überlangen Films (ca. 125 Minuten) besteht aus den verzweifelten Versuchen Andys, den Rat seiner Freunde in die Tat umzusetzen, doch es wird immer deutlicher, dass es das Allheilmittel und das Erfolgsrezept, um an den ersten Sex zu gelangen, nicht gibt. Und wenn es dann doch mal fast soweit ist, ist nicht immer klar, ob das wirklich gut ist. In der zweiten Hälfte schwingt der Film dann etwas um: Aus dem teilweise doch recht expliziten und verbal ruppigen - aber immens witzigen - Männerfilm wird eine romantische Komödie. Zwar nimmt die Witzfrequenz etwas ab, dem Film steht das aber genauso gut zu Gesicht. Die Länge des Films ist ungewöhnlich für eine Komödie, gereicht dem Film aber nur zum Vorteil: die Charaktere werden gut herausgearbeitet, der Film erhält eine große Lebendigkeit, weil er sich auch Zeit für vermeintlich unwichtige Szenen nimmt und diese fast ausnahmslos zu einem erfolgreichen Ergebnis bringt.
Die Schauspieler sind allesamt klasse, Steve Carrell darf ruhig weiter Hauptrollen spielen, Catherine Keener fand ich schon immer umwerfend und auch der Rest der Truppe bis hin zum letzten Nebendarsteller weiß zu überzeugen und mit lustigen Szenen zu glänzen. Ich muss sagen, dass ich in letzter Zeit über keine Komödie so oft so herzhaft gelacht habe, wie über diesen Film. Großartige Szenen zuhauf: die Wachsenthaarung (autsch!), der "How I know you're gay"-Dialog, da ist einfach zu viel, um es aufzuzählen. Spitze!
#295
Geschrieben 14. März 2006, 18:44
THE NEW ARRIVAL
Eine mittelmäßige Episode von Peter Medak, den ich auch nicht so richtig einschätzen kann: Neben recht ambitionierten Sachen wie THE KRAYS oder ROMEO IS BLEEDING findet sich auch so ein Müll wie THE MEN'S CLUB oder SPECIES 2 (der allerdings im Vergleich zum miesen ersten Teil noch spaßig ist) in seiner Filmografie. Mittlerweile macht er fast nur noch Fernsehkram. Eine Rückkehr zu den Wurzeln, denn er hat schon für die seligen PERSUADERS (DIE ZWEI) gedreht, sowie für so Sachen wie CRIME STORY, MAGNUM, P.I. oder REMINGTON STEELE. THE NEW ARRIVAL bzw. DER NACHFOLGER krankt mal wieder daran, dass Laser Paradise die Folge nicht im Original auf die DVD gepackt hat, wie übrigens bisher alle Folgen auf Disc 2 der Box. Dafür, dass das nirgendwo auf der Verpackung erwähnt wird, finde ich das ziemlich dreist. Naja. Die Folge will irgendwie nicht so recht zünden, obwohl es ein, zwei nette Elemente gibt. David Warner als Kinderpsychologe mit dem Bestseller "Wie Sie ihr Kind ignorieren" und der Catchphrase "Ignorieren, ignorieren, ignorieren" ist sehr lustig, Zelda Rubinstein wieder mal extrem klein und fiepsig. Das Setting ist fein und die Grundidee eigentlich auch recht gruselig, nur mit der Auflösung hapert es. Da die Episoden fast ausschließlich von der Überraschung am Ende leben, ist der Misserfolg also quasi vorprogrammiert. Robert Patrick hat einen lustigen Gastauftritt, der aber insgesamt so unnötig ist, wie die ganze Episode.
#296
Geschrieben 15. März 2006, 17:19
Endlich gesehen. Und wieder mal ein Film, dessen euphorischen Bewertungen ich nur zustimmen kann. Die Quelle, die AMERICAN SPLENDOR-Comics, sind mir erst im Zuammenhang mit dem Film ein Begriff geworden, insofern kann ich nichts dazu sagen, wie gut sie umgesetzt wurden. Ich hatte aber den Eindruck, dass Harvey Pekar und seine Weggefährten hier eine sehr liebevolle Hommage erfahren haben, was die Teilnahme Pekars selbst bestätigen mag.
Der Film zeichnet sich vor allem durch seine enorme Verspieltheit aus, die ihn gleichzeitig vom "Programm" der Comics abhebt, denn bei denen ging es ja vor allem darum, das Leben so originalgetreu und ungekünstelt wie möglich abzubilden. So behandelt AMERICAN SPLENDOR die Entstehungsgeschichte der Comicserie gleichen Namens, sowie auch die Graphic Novel OUR CANCER YEAR umgesetzt wird, mit der Pekar und seine Gattin versuchten, die Krebserkankung des Berufszynikers zu dokumentieren und zu verarbeiten. Gleichzeitig tritt Pekar in quasidokumentarischen Einschüben auf und nimmt Stellung zu seinem Leben. Da Pekar sich mit seinen Comics (die er geschrieben, nicht aber illustriert hat) selbst zum Comichelden macht, indem er sein Leben niederschreibt und nun auch Bestandteil eines Films ist, der eben diese Geschichte erzählt, schraubt sich der Film in Metaebenen empor, die einem ziemlich den Kopf schwirren lassen. So agieren die echten Vorlagen der Comicfiguren zusammen mit ihren Filmdarstellern, echtes Fernsehmaterial von Pekars Auftritten in der Letterman-Show wird wie selbstverständlich eingebaut, dann und wann durch kurze Schnitte unmittelbar vom Film in die dokumentarische Realität geschnitten, sodass man sich plötzlich auf einem Filmset befindet, an dem AMERICAN SPLENDOR gedreht wird. Das alles wird am Ende noch durch die Andeutung getoppt, dass Pekar in einem Comic seine Filmerlebnisse festhalten wolle. Man mag sich vorstellen, dass dieses Comic dann seinerseits wieder verfilmt werden könnte ... uff.
Dennoch verliert AMERICAN SPLENDOR nie den Faden, wird nie zu kopflastig, sondern funktioniert auch als "einfacher" Unterhaltungsfilm hervorragend. Paul Giamatti gleicht seinem Comicebenbild fast wie ein Ei dem anderen: Das liegt vor allem an dem gefährlichen, schlauen Funkeln in seinen Augen und dem mürrisch verzogenen Mund. Wirklich beeindruckend. Auch formal ist AMERICAN SPLENDOR wirklich wunderschön und ein echter Comicfilm, denn immer wieder greift er auf Gestaltunsgelemente der Comics zurück, seien es Zeichnungen oder aber den Ersatz von Montage durch Panels. Harvey Pekar muss man sich als eine Art Arbeiterklassen-Woody-Allen vorstellen: Sein Humor - und der Humor des Films - ist hochgradig depressiv. Geschmackssache, ob man damit was anfangen kann. Ich jedenfalls konnte mich mit der funktional-misanthropischen, verzweifelten Weltsicht des fanatischen Sammlers und Jägers sehr gut identifizieren und bin sowohl auf zerebraler wie auch auf emotionaler Ebene fantastisch unterhalten worden.
#297
Geschrieben 17. März 2006, 11:14
Ich würde diesen Film in das Subgenre der "Wacky Satanist Movies" einordnen. Was ist das? Nun, es gibt ja diese Satanistenfilme a la DAS OMEN, wo sich der Teufel bzw. dessen Anbeter hinter der Maske des feinen Polit- und Wirtschaftsschnösels verstecken, der Satanismus mithin als Versinnbildlichung alles realen Bösen in der Welt fungiert. DEVIL'S RAIN, der auf deutsch den hübschen Titel NACHTS, WENN DIE LEICHEN SCHREIEN erhalten hat, schlägt sich nicht lang damit herum, seine Satanistenbrut glaubwürdig zu gestalten und irgendwelche verklausulierte Kritik an herrschenden Zuständen zu üben. Hier regieren Mummenschanz, finstere Magie, Brimborium und Hokuspokus. Die große Bedrohung geht von einem gewissen Corbis (Ernest "Lücke" Borgnine) aus, seine Anhänger sind weniger überzeugte Satanisten als vielmehr willenlos gemachte Sklaven in schwarzen Kapuzenmänteln, denen der dicke Corbis zu allem Ärger auch noch die Augen rausgepult hat. Das erklärt vielleicht auch, warum sie nicht so ganz effektiv zu Werke gehen: So sind sie zwar zu Beginn in der Lage, in Sekundenbruchteilen ein Haus zu überfallen, einen Mann an der Decke aufzuhängen, eine Frau zu entführen und alles zu verwüsten - und das, obwohl Captain Kirk (William Shatner in der Janet-Leigh-Rolle) nur ein paar Meter weit weg ist! Aber das geheimnisvolle Buch, das sie suchen und das nicht besonders einfallsreich unter ein paar losen Dielen versteckt ist, das übersehen sie. Ernest Borgnine ist so ein reinkarnierter Satanist, der noch eine Seele haben will, und die steckt im Körper des jungen William Shatner. Der ist zu Beginn der scheinbare Held des Films, taucht dann aber nach 30 Minuten ab (deshalb der Janet-Leigh-Verweis) und überlässt Tom Skerritt das Feld, der mit seiner nervenden und ziemlich dusseligen Freundin in das Wüstenkaff fährt, in dem sich Corbis versteckt hält. Tom Skerritt ahnt noch vor seiner Rolle als Alienfutter nix wirklich Böses und lässt sich auch von einem Borgnine mit Löwenfratze und Hörnern nicht ins Bockshorn jagen. Auch als am Ende alle Satanisten von saurem Teufelsregen weggeätzt werden, behält er die Nerven - übrigens ein Spezialeffekt, auf den man offensichtlich sehr stolz war, denn Fuest und Co. halten ca. fünf Minuten lang auf zu Dudelmusik schmelzende Menschen. Dieses Finale wird auf dem DVD-Cover ungefähr als "spektakulärstes Finale der Filmgeschichte" bezeichnet - ähnliches hätte man auch über die Dialoge sagen können. Einmal wird sogar POLICE SQUAD vorweg genommen: Eddie Albert hat das geheimnisvolle Buch in der Hand und zeigt es Tom Skerritt, der fragt: "What is that?" Eddie Albert toternst: "A book!"
Robert Fuest hat ein paar richtig gute Filme gemacht. Zu den beiden Phibes-Klopfern muss man nix mehr sagen, ich möchte hier außerdem noch einen Film ins Gedächtnis rufen, der sich da AND SOON THE DARKNESS (deutsch, so glaube ich, TÖDLICHE FERIEN) nennt und ein famoser Nägelkauer ist. Ist auch bei Anchor Bay erschienen und lohnt definitiv eine Wiederentdeckung. Bei DEVIL'S RAIN scheitert Fuest mit seinem sehr trockenen Stil etwas an der idiotischen Story. So sind viele interessante Ansätze da - zum Beispiel das eher ungewöhnliche Geisterstadt/Wüstenkaff-Setting - , die aber konsequent ins Leere gehen, weil der Film einfach nicht so recht aus den Puschen kommt. Lediglich das recht düstere Ende weiß den Zuschauer aus der Lethargie zu reißen. Aber dennoch: Solche Filme gibt's viel zu selten, weshalb das als dicke Empfehlung zu verstehen ist. John Travolta spielt auch mit, ich habe ihn allerdings übersehen. Scheiße auch!
#298
Geschrieben 19. März 2006, 10:28
Mein zweiter Rolf-Olsen-Film ist leider nicht ganz die Sleazegranate, die ich mir erhofft hatte. Gerade in der zweiten Hälfte bewegt sich der Film doch auf sehr schmonzetten- und rührstückhaften Pfaden und Curd Jürgens als aufrechter Pfarrer Johannsen hat mehr als einmal das Pipi in den Augen stehen. Sein Duktus verfällt in diesen Szenen dann auch gefährlich in Richtung altdeutscher Volksweisen, so in der Art von: "Nimm sie fest in den Arm und sag ihr, dass du sie von Herzen lieb hast!" - Da windet man sich im Knosessel hin und her, vor allem wenn man bedenkt, dass in der ersten Hälfte des Films gut Knackens ist. Zuerst sieht man den ollen Johannsen im U-Boot in Not, doch ein Ruf zum Himmel bringt Hilfe. So wird der Johannsen dann zum Pfarrer von St. Pauli, von allen respektiert und geachtet ob seines wenig frömmelnden Tons und seines sozialen Engagements. Für Hilfesuchende geht er weite Wege und so gerät er bald in eine Kriminalgeschichte. Natürlich hauen ihn die Bösen in die Pfanne und schließlich wird er auf die Insel Norderkrog oder so strafversetzt. Dort will man mit dem Pfarrer aus dem Sündenpfuhl nix zu tun haben und schneidet den Neuen. Helga Feddersen und Co. sind lebende Beispiele christlichen Heuchlertums, die es nur zu gern sehen, dass sich der Gottesmann auch noch mit einem jungen Mädchen einlässt. Doch der Pfarrer steht zu seinem Gelöbnis, verkuppelt die holde Maid an einen aufrechten Jüngling, saves mal eben the day als ein Fischkutter in Seenot ist, erarbeitet sich so den Respekt der Inselaffen und kehrt schließlich zurück nach St. Pauli, um dort noch den übrig gebliebenen Kriminalfall zu lösen. Am Ende gibts dann große Hochzeit, Pfarrhelfer Heinz Reincke blödelt und frömmelt auf seine unnachahmlich Art in die Kamera und gut is. Wie gesagt: erste Hälfte ganz groß - unfasslich gute Darsteller, die den St.-Pauli-Sleaze aus jeder Pore versprühen, die ich aber leider alle nicht mit Namen kenne. Besonders gut hat mir der Sachse gefallen. Curd Jürgens rockt sich ebenfalls recht beachtlich durch den Film, lässt hier und da die Fäuste fliegen und ist der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Und die Selbstmordszene des Oberschurken ist phänomenal, der muss eigentlich vom Schreibtisch gesprungen sein, damit das alles so hinkommt ...
#299
Geschrieben 20. März 2006, 15:38
Damals liefen die ACES GO PLACES-Filme ja auf RTLplus, als der Sender noch blau-gelb-rot war, und versüßten mir so manchen Abend. Von Hongkong-Kino hatte ich noch keinen Plan, aber die James-Bond-Persiflagen mit dem unglaublich bemackten Humor, den bunten, aber irgendwie auch preisgünstigen Gimmicks und den furiosen Stunts gefielen mir ausgesprochen gut. Irgendwie lief ich halt damals schon geschmacklich etwas neben der Spur. Sam Hui spielt "King Kong", der nicht etwa ein Affe ist, sondern ein draufgängerischer Meisterdieb, der allerhand technischen Firlefanz in petto hat. Einfach Geld klauen ist was für Baumschüler, lieber hangelt er sich an mittels Harpune durch die Gegend geschossenen Stahlseilen durch Hongkonger Straßenschluchten, hier und da munter bunte Rauchgranaten verteilend. Auf der Flucht wird ca. alle 200 Meter das Fahrzeug gegen ein garantiert besonders auffälliges ausgewechselt. Warum mit einem schwarzen Motorrad fliehen, wenn es mit einem bunten Motordrachen doch umso prolliger geht? Weil King Kong so'n ausgefuchster Bursche ist - und Inspektor Clouseau verschollen (der wird tatsächlich erwähnt!) -, muss natürlich der Supercop aus Amerika eingeflogen werden, der - weil er eine Glatze hat - auf den Namen Kodijak (Carl Maka) hört. Wie das so ist, ist Kodijak natürlich ein totaler Depp, der dem ausgefuchsten Ganoven ncht das Wasser reichen kann und sich eher noch selbst verhaftet. Doch egal, denn bald freunden sich die beiden an, und machen gemeinsam Jagd auf "White Gloves", einen Killer, der im Auftrag einer schlechten Marlon-Brando-als-Pate-Kopie Jagd auf King Kong macht. Der Film (regiert von Eric Tsang) reiht eine abstruse Comedy-Einlage an die nächste, lockert das blödelige Treiben immer mal wieder mit Verfolgungsjagden auf, bei der Autos völlig unmotiviert zu Klump gefahren werden, und weiß zum Ende auch noch Meister Tsui Hark als Theaterregisseur einzubauen. Ja, man muss auf Hongkong-Humor stehen, um diesem Film was abgewinnen zu können. Wer die ausnahmslos albernen Tölpeleien für kindisch hält, hat natürlich nicht unrecht. Ich kann mich über solch albernes Treiben aber königlich beeiern. Und selbst als Kostverächter muss man zugestehen: Sam Hui und Carl Maka sind absolute Timing-Genies und so etwas wie die chinesische Antwort auf Bud Spencer und Terence Hill. Meine Lieblingsfigur ist "Gigolo Joe", ein Canto-Schmierlappen, dessen Körper über und über mit den Telefonnummern seiner Angebeteten tätowiert ist. Und um den Reigen perfekt zu machen, wird ACES GO PLACES duurch ein herrlich nervtötendes Canto-Pop-Kinderlied zusätzlich veredelt.
#300
Geschrieben 20. März 2006, 19:43
Unter diesem SEHR vordergründige Reize verbergenden Titel verbirgt sich ein Pete-Walker-Thriller von 1971, der aber viel mehr mit Hitchcock gemein hat, denn mit einem Sexploiter europäischer Prägung. Die süße und blutjunge Susan George (ein Jahr vor STRAW DOGS) gibt Marianne, eine GoGo-Tänzerin in Portugal, die auf der Flucht vor einem gewissen "Judge" (Leo Genn) ist. Auf der Flucht wird sie vom Engländer Sebastian aufgegabelt, der sie mit in die Heimat nimmt und sie dort auch direkt ehelichen möchte. Sie ist sich seiner wahren Gefühle nicht ganz sicher und ist deshalb nicht besonders böse, als sie durch einen Fehler stattdessen an den Trauzeugen Eli (Barry Evans) verheiratet wird. Während die etwas bindungsscheue Marianne langsam auf den Geschmack der Ehe kommt, macht sich der geschasste Sebastian indes auf die Suche nach dem Judge, um gemeinsame Sache mit ihm zu machen. Der Judge hat nämlich ziemlich triftige Gründe dafür, seine Tochter in den heimischen Hafen zurückholen zu wollen ...
Pete Walkers Film bezieht seine Spannung vor allem aus dem hitchcockschen Aufbau der Geschichte: In der ersten Dreiviertelstunde wird der Zuschauer über die Hintergründe der dräuenden Gefahr im Unklaren gelassen. Nur dass da was dräut, ist klar. Und so schaukelt sich der Film von Verdachtsmoment über Verdachtsmoment, lässt sich hier und da Zeit für die Ruhe vor dem Sturm, bevor es dann schließlich ans Eingemachte geht. Leider verliert der Film dann ein wenig Biss, denn die Auflösung ist doch recht konventionell und fällt hinter der immensen Spannung, die sich aufgestaut hat, etwas zurück. Macht aber eigentlich nix, denn Pete Walkers Film ist durchweg schön anzuschauen und bietet zu seinen sonstigen, im düsteren Mittelklasse-England angesiedelten Sozialschockern sonniges Kontrastprogramm. Im warmen Portugal bekommt Schmusi-Susi reichlich Gelegenheit, ihre Reize zur Schau zu stellen, und Freunde der 60er und 70er werden nicht nur Freude an den Geschmacksverirrungen dieser Zeit haben, sondern auch daran, die vielen Zeitzeugnisse in Form von Filmplakaten und Zeitungsartikeln ("Doors to open Isle of Wight") zu entdecken. Erbsenzähler können sich aber stattdessen auch mit Fug und Recht über manche logische Ungereimtheit ärgern, die die zweite Hälfte des Films zu bieten hat. Auch Walker himself kann sich nicht mehr so richtig an den Inhalt seines Films erinnern, wie der Audiokommentar des Films beweist, dafür gibt er aber sehr ausführlich Auskunft darüber, welcher der Darsteller denn nun mit wem verheiratet war und wo sonst noch mitgespielt hat (gähn!). Die gefeierte Creditsequenz (Susan George tanzt zu dufter Beatmusik in dürftigem Fummel vor rotem Hintergrund) sollte auf Sixties-Partys übrigens in Endlosschleife an die Wand projeziert werden.
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