See you at the movies
#61
Geschrieben 12. November 2003, 11:20
Regie: Keenan Ivory Wayans - DVD Highlight
Nachdem sich die Screamfilme am Ende schon selbst parodierten, setzten die Wayans-Brüder noch einen drauf und schufen die Scary Movie-Filme, die es bislang auf drei Teile gebracht haben (allerdings ist der Titel zumindest beim neusten Film nicht mehr passend).
Der Film wurde zum großen Renner und zugleich überall zu einem der miesesten Filme abgestempelt. Natürlich ist Humor Geschmackssache und die Komik der Wayans mag nicht jedem liegen, aber wenn jemand es so liebevoll hinbekommt, das talentfreie Spiel von Jennifer Love Huge-Tits, wie sie in dem Film genannt wird dermaßen talentiert nachzustellen, dann gebührt dem schon Respekt. Überhaupt erwies sich Anna Faris als Glücksgriff, schaffte sie es doch alle Klischees der ja sowieso meist weiblichen Leads der Slasherfilme sehr gekonnt auf die Schippe zu nehmen.
Über die zahlreichen Fäkal- und Sexwitzchen konnte ich zumeist sehr lachen und bei den Slapstickeinlagen hab ich mich teilweise regelrecht weggeschmissen. Hätte man auf die Potheads verzichtet wäre es eine rundherum gelungene Genreparodie geworden, doch das ständige "Wassuuuuuup?" war einfach zu nervtötend.
Egal, hab mich auch beim zweiten Sehen des Films noch köstlich amüsiert und auch wenn The Usual Suspects bereits in Wrongfully Accused persifliert wurde, so ist es auch hier wieder ein herrliches Finale.
Ab Dezember dann Scary Movie 3, in dem Potter, die Hobbits und Co. verarscht werden. Bin mal gespannt.
6/ 10
#62
Geschrieben 13. November 2003, 13:04
Regie: Michael Cimino - TV
Au weia! Was war denn das? Erst ein Mickey Rourke, den man durch ne graue Matte auf alt getrimmt hat, was im Endeffekt aber genauso echt aussah, wie die Brüste von Mrs. Anderson und dann eine Story, so hanebüchen, dass man nicht meinen mag, Cimino sei einst für Klassiker wie The Deer Hunter verantwortlich gewesen.
Da ist der höchst pathetische und noch cholerischere Cop White (Rourke), der mit der Kriminalität in Chinatown aufräumen will, dabei aber nur seinen Hass auf die asiatische Bevölkerung ausleben will. Durch seine Hartnäckigkeit gegenüber den mächtigen Bossen muss bald seine Frau ihr Leben lassen und auch er selbst lebt immer gefährlicher, bis es zum unausweichlichen Showdown zwischen ihm und dem Oberfiesling kommt...
Year of the Dragon ist ein sehr ärgerlicher Film, der vor Rassismus nur so strotzt und dessen Glorifizierung des Protagonisten White in keinster Weise nachvollziehbar ist. Überhaupt ist die Person des Stan White eine der unsympathischsten Filmfiguren überhaupt, was ja nicht weiter schlimm wäre, würde man seine Taten am Ende des Films nicht gutheißen. So müssen sich alle seinem Ego unterwerfen: er fickt die Reporterin, weil er es will, quartiert sich später sogar bei ihr ein, vernachlässigt seine Frau bis zum geht nicht mehr, nur um sich dann bei ihrer Beerdigung die Seele aus dem Leib zu heulen (wohl die peinlichste Stelle des Films) und schickt den jungen asiatischen Cop gewissenlos in den Tod.
Dabei wirkt Rourke die ganze Zeit, als sei er gar nicht richtig bei der Sache. So gelangweilt ist er wohl selten durch einen Film gestolpert. Schlimmer aber sind die offensichtlichen Unzulänglichkeiten des Regisseurs und seines Scripts. Da werden Charaktere gar nicht erst groß eingeführt, sondern nur mal eben kurz eingestreut, um die Handlung (falls eine solche überhaupt erkennbar wird) voranzutreiben. Am schlimmsten wird mit der Figur Connie umgesprungen. Dass sie aussieht wie 45 statt der gewollten 35 sei mal dahingenommen, aber wie sie eingeführt wird, wie sie dann und wann mal eben auftauchen muss, um für Stan's Anfälle herzuhalten... alles sehr unausgegoren.
Dann befinden wir uns irgendwann mal im asiatischem Dschungel, dann wird ein bissel auf Frech Connection gemacht, um dann am Schluss den finalen Shoot Out zu präsentieren, der ein Schlag ins Gesicht für jeden B-Film ist.
Selten ist ein Regisseur dermaßen gescheitert. Wieso nur musste Cimino nach The Deer Hunter das Thema Vietnamkrieg hier so verwursten? Danach wurde es ganz still um Cimino, er war erledigt. Wen wundert's?
2/ 10
#63
Geschrieben 13. November 2003, 21:12
Regie: Josef Fares - Jetzt im Kino (Solo)
In dem kleinen schwedischen Kaff Högsboträsk passiert wirklich gar nichts. So verbringt die hiesige Polizei die Tage damit, das Hündchen zu dressieren oder sich über den Sinn oder Unsinn der Bezeichnung Funkstreifenwagen Gedanken zu machen. Sie fristen ein gemächliches Dasein in einem noch gemächlicherem Örtchen.
Als eines Tages verkündet wird, dass die Diensstelle aus Mangel an Kriminalität im Ort geschlossen werden soll, sehen sich die Dorfpolizisten zum Handeln gezwungen. Um ihre Jobs zu retten, täuschen sie Verbrechen vor, indem sie beispielsweise den Dorfpenner zum Stehlen animieren oder die örtliche Imbissbude in die Luft jagen.
Bald sind sie zu weit gegangen und es kommt zu einem furiosen Finale im ansässigen Wäldchen, das von der Antiterroreinheit Schwedens gestürmt wird. Jetzt haben unsere "Helden" im wahrsten Sinne des Wortes abgekackt...
Der zweite Film von Josef Fares steht seinem Erstling in nichts nach und vereint zudem die Stammcrew, die uns aus Jalla! Jalla! bekannt ist. Nicht nur Fares Fares und Torkel Petersson sind wieder mit an Bord, sondern auch Fares' Papa gibt sich für einen herrlichen Miniauftritt die Ehre.
Kops ist ein herrliches, urkomisches Filmchen, dessen frischer Humor eine gelungene Abwechslung zu den zahlreichen belanglosen US-Komödien bietet, die fast wöchentlich bei uns starten. Parodistische Elemente finden hier genauso Einzug, wie Slapstick, Wortwitz und Fäkalhumor. Dieser aber eben auf die schwedische Art und so darf man hier denn auch herzlich Ablachen, ohne gleich ein schlechtes Gewissen dahingehend zu bekommen, man sei in seine pubertäre Phase zurückgefallen.
Die Akteure sind gut gewählt und auch wenn man sich Fares Fares für seine Rolle zum bulligen Typen gemausert hat und Petersson sich einen Bart hat wachsen lassen, so erinnern die beiden noch immer an Roro und Mans aus Jalla! Jalla! Ein herrliches Duo, das man einfach gern haben muss! Besonders Peterssons Performance als übermotivierte US-Super-Cop-Imitation ist zum Brüllen. Wie er vor sich "hin-fuckt", hanebüchene Stunts fantasiert und am Ende wie ein Häufchen (sic!) Elend im Wald kauert: einfach grandios! Spätestens beim Finale des Films wird sich auch der letzte Skeptiker gegenüber der Qualität des neuen skandinavischen Kinos bepissen vor Lachen!
Josef Fares könnte zum schwedischen Kevin Smith werden, nur dass seine Filme stets auch noch sehr charmant daher kommen und sich niemals platten Humors bedienen, wozu sich Smith dann und wann gerne schonmal hat hinreißen lassen.
Mit Kops hat Fares bewiesen, dass Jalla! Jalla! kein Glücksgriff war und man darf sehr gespannt sein, wie sein nächster Film aussehen wird. In diesem Sinne: Zurück in die Zukunft
8/ 10
Anmerkung: Es ist übrigens sehr erfreulich, dass der deutsche Verleih für die Protagonisten dieselben Sychronsprecher verpflichten konnte, die man aus Jalla! Jalla! kennt.
#64
Geschrieben 16. November 2003, 12:43
Regie: Frank Capra - DVD Columbia
Der naive, idealistische Kleinbürger Jefferson Smith (James Stewart) wird von einer Gruppe korrupter Politiker aus Eigennutz in das Senatorenamt erhoben und sieht sich bald von vom ihm hochgeschätztem politischem Apparat verraten.
Durch die Mithilfe seiner Sekretärin gelingt es ihm jedoch standhaft zu bleiben und am Ende einen Sieg gegen die Korruption zu erlangen.
Frank Capras Filme sind immer die des kleinen braven Mannes, der gegen eine Übermacht ankämpfen muss, so auch Mr. Smith, in bester Manier verkörpert von James Stewart, der nur unter Hitchcock besser war als unter Capra. Das David gegen Goliath-Thema (in diesem Film heißt es einmal sogar, es kämpfe David (Stewart) gegen Goliath, aber diesmal sogar ohne Schleuder) wurde allerdings nie mehr so gekonnt in einen größeren sozialkritischen Kontext mit eingebunden. So ist It's a wonderful Life (USA 1946) eher ein Märchen und Mr. Deeds goes to Town (USA 1936) auch leichtere Unterhaltung als Mr. Smith goes to Washington, der überaus ambitioniert daherkommt und zudem völlig zeitlosen Charakter hat.
Die Zelebrierung der amerikanischen Ideale mag zwar in der heutigen Zeit etwas übel aufstoßen, doch ist das, was Capra in seinem Film anpreist dermaßen universell, dass man ihm rein gar nichts vorwerfen mag und für dieses außergewöhnliches Werk eigentlich gar nicht genug loben kann.
So hat Capra nicht nur einen Film inszeniert, der an die Moral und das Engagement des kleinen Mannes (der Name Smith steht im amerikanischen für "jedermann") appeliert, sondern ganz nebenbei auch noch großartiges Darstellerkino gespickt mit Screwballelementen bietet. Das Zusammenspiel zwischen Stewart und Arthur funktioniert hervorragend und auch die Caprasche Stammcrew (Mitchell, Bondi) kombiniert mit dem sowieso völlig unterschätztem Claude Rains bietet feinste Schauspielkunst und beste Unterhaltung.
Mr. Smith goes to Washington ist witzig, spannend, romantisch und verdammt anspruchsvoll. Besser geht's doch nicht. Frank Capra war ein ganz Großer, keine Frage!
9/ 10
#65
Geschrieben 16. November 2003, 20:21
Regie: Hayao Miyazaki - DVD Universum
Zum zweiten mal gesehen und für noch besser befunden als beim ersten mal und da durfte ich den Film immerhin auf der "Big Screen" bestaunen! Es lag aber wohl daran, dass ich ihn nun auf japanisch sehen konnte, was der Atmosphäre des Films sehr zuträglich ist. Irgendwie wirkten die deutschen Stimmen doch etwas steril und so möchte ich jedem empfehlen, sich die Originalfassung anzuschauen.
Man könnte den Film nun mit Superlativen überschütten, was er eindeutig verdient hätte und die ganzen Auszeichnungen sprechen sowieso für sich (zum ersten mal gewann ein Trickfim den Goldenen Bären), aber ich möchte dann doch zunächst auf die Wirkung des Films beim Betrachter eingehen.
So muss man vor allem die Hauptfigur Chihiro ansprechen, dessen Animation so gelungen ist, dass man zu jeder Zeit große Anteilnahme am Schicksal der Figur nimmt. Ihr Auftritt stellt so manche schauspielerische Leistung in den Schatten, auch wenn der Vergleich natürlich mächtig hinkt. Dazu kommt eine Detailverliebtheit und Kreativität, wie man sie zuvor wohl noch in keinem Zeichentrickfilm erlebt hat und wo sich die Disneys damit begnügen für kurzweilige Unterhaltung zu sorgen, geht Miyazaki einen Schritt weiter, indem er in seinen Werken stets auch sozialkritische Töne durchschimmern lässt. Themen wie Umweltschutz und Kritik am Kapitalismus sind klare Anliegen des nunmehr 62jährige Japaners, dessen Ideenreichtum unbegrenzt scheint.
Der Film regt zum Lachen, Staunen, Weinen und Nachdenken an. Vereint alles in sich, was großes Kino ausmacht. Dazu kommen zahlreiche putzige Wesen und ein Spannungsbogen, der für volle zwei Stunden aufrecht erhalten werden kann.
Es überrascht allerdings nicht, dass Chihiro's Reise ins Zauberland, wie er bei uns genannt wurde zu keinem Hit wurde. Animes pflegten schon immer ein Nischendasein in Deutschland und wenn selbst der beste Beitrag zu diesem Genre weitgehend unbeachtet bleibt, dann darf man die Hoffnung getrost aufgeben. Umso glücklicher dürfen sich aber diejenigen schätzen, die in den Genuss dieses Films gekommen sind. Denn diese durften einem beispiellosen Meisterwerk beiwohnen. Disney hat in über 70 Jahren so etwas nicht hinbekommen.
Am Ende des Films standen mir die Tränen in den Augen. Ein Film den man nur schwer in Worte fassen kann und einfach selbst erlebt haben muss!
10/ 10
#66
Geschrieben 18. November 2003, 09:17
Regie: John Lasseter - DVD Buena Vista
Immer wieder schön, die Pixarfilme und auch wenn sie sich bei jedem neuen Film an der Kinokasse selbst übertreffen, so war ihr erster doch immer noch ihr bester.
Ein rundherum perfekter Filmspaß für die ganz Kleinen genauso wie für die ganz Großen. Einzig die Gesangseinlagen empfand ich als störend, scheinen sie mir doch ein mittlerweile mehr als überflüssiges Relikt aus Disneys Mottenkiste zu sein und auch wenn ich Shrek nie so sehr mochte: für die Parodie auf besagte Songs lohnte er sich schon.
Es fällt schwer, Toy Story als Film zu analysieren, denn er ist einfach pure Unterhaltung und wie von Disney gewohnt, relativ frei von Botschaften oder Gesellschaftskritik, nur eben wieder für die Freundschaft plädierend und dafür sein Spielzeug zu lieben und zu ehren.
Das Highlight des Films ist sicherlich das Finale, das nicht nur perfekt animiert ist, sondern auch durch große Kreativität besticht. Da kann sich so mancher Real-Actionfilm ein Scheibchen von abschneiden.
Anmerken möchte ich noch, dass mir der zweite Teil nicht mehr so gut gefallen hat, aber vielleicht schau ich ihn mir auch einfach nochmal an, gerade jetzt, wo ich wieder mal einige Pixarfilme schaue (am Do. dann Finding Nemo).
9/ 10
#67
Geschrieben 20. November 2003, 12:55
Regie: John Lasseter - DVD Buena Vista
Nachdem mir Toy Story wieder so gut gefallen hatte und ich die Fortsetzung zuletzt vor rd. 4 Jahren im Kino gesehen hatte, musste ich ihn mir dann doch noch zulegen, auch wenn ich den Film damals eher enttäuschend fand.
Dieser Eindruck kam diesmal überhaupt nicht auf. Der Film ist Teil 1 absolut ebenbürtig, auch wenn einzelne Storyelemente einem doch sehr bekannt vorkommen. Egal. Toy Story 2 ist länger, detailreicher animiert und den Nebenfiguren wird mehr Zeit gewidmet.
Aus dem bösen Nachbarsjungen wurde ein gieriger Spielzeughändler gemacht und die Rolle von Buzz nahmen diesmal drei Figuren der Woody-Collection ein, von denen sich einer am Ende als übler Schurke herausstellt.
Leider konnte auch diesmal nicht auf die Disney-typischen Songs verzichtet werden, aber diese muss man jetzt wenigstens nicht mehr auf Deutsch ertragen, der DVD sei Dank.
Am Ende noch meine Highlights der Toy Story-Filme: da ist zunächt der ängstliche Dinosaurier Rex, den ich sofort ins Herz geschlossen hatte, für mich der heimliche Held der Filme (hohem Anteil daran gebürt auch Wallace Shawn, der sich als idealer Sprecher für die Figur herausstellte).
Dann habe ich wieder herzlich über Mr. Potatoe-Head gelacht, der - wenn er zugetextet wird - sich mal eben der Ohren entledigt oder ein Auge hergibt, wenn es etwas zu erkunden gilt. Herrlich auch, wie ihm Mrs. Potatoe-Head seine "angry eyes" einpackt
Ansonsten gefallen noch die zahlreichen Filmzitate, die mir in Toy Story 2 jedoch zu auffällig erschienen; in Teil 1 war man noch subtiler an die Sache herangetreten.
Sehr zu gefallen wussten auch die Outtakes am Ende des Films, besonders der Gag mit den Figuren aus A Bug's Life (USA 1998). Einfach klasse!
Einen dritten Teil muss es nicht geben, aber die beiden existierenden Filme sind ein Riesenspaß und beweisen, wie einfach es ist, großes Kino für alle Altersklassen zu machen!
8.5/ 10
#68
Geschrieben 21. November 2003, 12:45
Regie: Anatole Litvak - DVD Paramount
Leona Stevenson (Barbara Stanwyck) ist ans Bett gefesselt. Sie ist allein zu Haus. Nur das Telefon bietet ihr Kontakt zur Außenwelt. Ihr Ehemann Henry (Burt Lancaster) hätte schon längst zu Hause sein sollen.
Als sie bei ihm im Büro anruft, scheint sie falsch verbunden zu sein. Sie hört, wie zwei Männer einen Mord planen. Später erfährt sie durch diverse Telefonate, dass ihr Mann in dubiose Geschäfte verwickelt ist. Es stellt sich bald heraus, dass sie diejenige ist, die umgebracht werden soll...
Der Film beschränkt sich ausschießlich auf einen Schauplatz; nur in Rückblenden wird auf die Zusammenhänge des mörderischen Plans eingegangen. Stück für Stück fügt sich am Ende alles zu einem erschreckenden Ganzen zusammen und für Leona Stevenson scheint jede Hilfe zu spät zu kommen.
Selten konnte ein Film eine derartig hohe Spannung über die volle Distanz halten. Der Zuschauer ist direkt mitten im Geschehen. Es bleibt keine Zeit zum durchatmen, denn die Fakten werden immer zahlreicher; es tauchen immer wieder neue Personen auf, die mit Henry Stevenson in Verbindung stehen. Das Finale ist unübertroffen, ist es auf der einen Seite typisch für die Kriminalfilme der 40er Jahre und doch ist der Schluss auch ungemein überraschend und unerwartet.
Die darstellerischen Leistungen von Stanwyck und Lancaster sind brillant, besonders die Protagonistin schafft es immer mehr für Schweißperlen auf der Stirn des Betrachters zu sorgen. Wie sie zunehmends erkennt, was ihr widerfahren soll und wie sich der Schrecken mehr und mehr auf ihrem Gesicht widerspiegelt, das ist schon grandios gespielt.
Eine weitere große Stärke des Films liegt darin, dass alle Personen sehr ambivalent erscheinen und keine schwarz/weiß-Malerei betrieben wird. Zudem bringt Litvak viele Elemente des film noir mit ein, die die Handlung vorzüglich unterstützen. Überhaupt zehrt der Film sehr von seiner düsteren, drückenden Atmosphäre und wann kommt es schon mal vor, dass man als Zuschauer eines Films von der ersten bis zur letzten Minute wie gefesselt ist vom Geschehen auf dem Schirm.
Es ist unverständlich, wieso dieser Film weitgehend unbekannt ist, denn er hat auf alle Fälle das Zeug zu einem der ganz großen Klassiker und hier hätte selbst Hitchcock noch etwas lernen können!
Ein Ausnahmefilm, dessen Script und Darsteller überragend sind und wieder einmal beweist, dass kammerspielartige Filme immer noch die spannensten sind.
9.5/ 10
Anmerkung zur DVD: Leider sind sowohl Bild als auch Ton sehr unterdurchschnittlicher Qualität, was sehr schade ist. Zudem befinden sich bis auf den obligatorischen Trailer leider keinerlei Extras auf der Scheibe
#69
Geschrieben 22. November 2003, 19:06
Regie: Phillip Noyce - DVD Universum
Komisch. Irgendwie hatte ich den Film viel besser in Erinnerung. Zwar wurde er auch diesmal von einem stark aufspielenden Michael Caine getragen, aber auf eine Art wirkte alles doch ziemlich emotionslos.
Somit konnte Der stille Amerikaner, wie er auf dt. betitelt wurde beim zweiten Sehen leider nicht mehr voll überzeugen. Dennoch ist der Film bei weitem nicht schelcht, sondern sogar richtig gut, nur muss ich meine Wertung von 9/ 10 doch deutlich nach unten revidieren.
Worum geht's in dem Film? Nun, eine Stimme aus dem Off erklärt uns die Eigenartigkeit Vietnams; wie man dieses Land als Fremder wahrnimmt und eine Weile braucht, ehe man die Leute und ihre Lebensweise, die sie unter der Besetzung der Franzosen führen (der Film spielt Anfang der 50er Jahre) verstehen kann. Bald erfahren wir, dass ein Amerikaner ermordet wurde. Ein stiller Amerikaner. Unter Verdacht steht der britische Journalist Fowler (Michael Caine), dessen Offkommentar wir nun auch mit einer Person verbinden können.
Rückblende. Fowler berichtet für London aus Vietnam. Er ist Korrespondent, hält sich jedoch sehr bedeckt. Wirkt beinahe gleichgültig ob der Situation, unter das Land zu leiden hat. Er hat sich dort mittlerweile bequem eingenistet. Lebt trotz gültiger Ehe (seine Frau verweilt in London) mit einer jungen Vietnamesin zusammen.
Als eines Tages der Amerikaner Pyle (Brendan Fraser) auftaucht und er sich mit Fowler anfreundet, gerät das gemächliche Leben des Briten allmählich aus den Fugen. Nicht nur, dass er in Pyle einen Nebenbuhler um seine Geliebte hat, nein, bald wird ihm klar, dass dieser unscheinbare, blasse junge Amerikaner, der angeblich für einen medizinischen Konzern tätig ist, in Wahrheit ganz andere Ziele verfolgt...
Der Film lag lange Zeit auf Eis; zu brisant war das Thema, als die USA gegen den Irak in den Krieg zog. Denn Noyce thematisiert in seinem Film die Rolle der amerikanischen Interferenzpolitik, welche er klar verurteilt. Er zeigt auf, wie schonungslos die Weltmacht ihre eigenen Interessen verfolgt, übt harsche Kritik an der US-Politik.
Dazu schildert er sehr detailliert das Leben der vietnamesischen Bevölkerung; dies immer aus der Sicht seines Protagonisten. Fowler wird von Michael Caine sehr zurückhaltend gespielt; sicherlich eine der besten Leistungen des Schauspielers, der mit dem Alter sowieso immer besser zu werden scheint. Gegen ihn verblasst Fraser deutlich, doch kommt das im gewissen Sinne auch dem Charakter der Figur Pyle zu Gute und als das wahre Gesicht des stillen Amerikaners zum Vorschein kommt, ist man umso geschockter.
Noyce erzählt seinen Film ohne große Hektik; so wirken sich die wenigen eingestreuten Actionszenen beinahe störend auf den Erzählfluss aus. Bis auf die Schlüsselszene des Films, als es zu dem Anschlag in Saigon kommt und Fowler aus seiner Passivität gerissen wird. Die Liebesgeschichte mag hingegen nicht richtig funktionieren. Zu kühl wirken die Szenen zwischen Caine und Hai Yen als seine Geliebte Phuong. Und auch der Schluss weiß nicht richtig zu überzeugen, wäre hier doch mehr drin gewesen.
So bleibt am Ende ein guter Film, der von der Thematik her durchaus interessant ist und auch durch Caines Darbietung für vieles entschädigt, was Noyce etwas misslungen ist.
Nach dem ersten Sehen hielt ich den Film für einen modernen Klassiker. Das ist er sicher nicht, aber auf jeden Fall wert, einmal angeschaut zu werden.
7.5/ 10
#70
Geschrieben 23. November 2003, 12:59
Regie: George Cukor - VHS
Wieder so ein Fall. Als ich den Film vor rund 4 Jahren das erst mal sah, war ich begeistert ob der dichten Atmosphäre, der großen Spannung und der dastellerischen Klasse der Bergman. Nun war ich doch ein wenig ernüchtert, was natürlich auch daran gelegen haben mag, dass der Film ja in gewisser Hinsicht einen kleinen Twist birgt, den ich ja schon kannte.
Sei's drum. Ein wirklich guter Film fesselt auch beim zweiten, dritten und vierten Sehen noch. Gaslight vermochte dies nicht zu gelingen und deshalb ist er in meinen Augen denn auch nur ein nettes Filmchen, das Spaß macht, aber keineswegs mehrmals gesehen werden muss.
Es geht um das Haus der Lady Alquist (auch der dt. Titel), in dem vor Jahren ein Mord an der Hausherrin stattfand, der niemals aufgeklärt werden konnte. Paula, die Nichte der Ermordeten (Ingrid Bergman, Oscarprämiert für ihre Rolle) wird ins Ausland gebracht und lernt bald den Pianisten Gregory Anton (Charles Boyer) kennen, der sie zur Frau nimmt.
Um ihre langwierigen Ängste gegenüber des alten Hauses in London zu überwinden, stimmt Paula zu, dorthin zu ziehen und dort zu leben. Bald zerbricht das idyllische Zusammenleben des Paares; so benimmt sich Gregory auffällig gereizt und Paula scheint wahnsinnig zu werden. Doch hinter allem scheint mehr zu stecken, als Spuk...
Der Film beginnt mit den nebligen Straßen Londons und das ist auch das Motto des Films. Es geht um das Flair des alten Londons und vor allem auch um die geistige Umneblung der Protagonistin. Diese ist zugegebenermaßen perfekt dargestellt von Ingrid Bergman, die dafür auch mit den Oscar belohnt wurde. Doch Charles Boyer als Oberfiesling agiert am Rande der Lächerlichkeit. Wie er mit ständig hochgezogenen Augenbrauen und heruntergezogenen Mundwinkeln herumstolziert, Paula immer merh angiftet und sie ihn dennoch über alle Zeit für den ehrenhaften, liebevollen Mann an ihrer Seite hält: das ist schon mehr als unglaubwürdig.
Die Inszenierung wirkt ein wenig behäbig, die Spannung schleppt sich so dahin und nur Joseph Cotten, den ich immer gerne sehe wusste mir noch zu gefallen. Beim ersten Sehen war das noch anders: da fand ich nicht nur Cotten's Auftritte gut. Naja, ich will den Film hier nicht zereden, sondern ihn gerne empfehlen, wenn auch nicht uneingeschränkt.
5.5/ 10
#71
Geschrieben 23. November 2003, 20:02
Regie: John Sturges - DVD MGM
Die wahre Geschichte des Ausbruchs von 76 Gefangenen aus einem deutschen Militärgefängnis wärend des Zweiten Weltkrieges, episch erzählt, mit sorgfältiger Ausstattung und einem Staraufgebot, das seinesgleichen sucht.
Die Flucht wird sehr detailliert inszeniert und die Hauptpersonen interessant charaktisiert. Zudem gelingt es dem Film die Spannung über fast drei Stunden auf hohem Niveau zu halten.
Ein idealer Film für den Sonntag Nachmittag. The Great Escape begründete zudem einen der ersten Beiträge zum besserem Popcornkino und verhalf zugleich Steve McQueen zum Durchbruch.
Der Film schlägt zumeist recht vergnügliche Töne an und so wirkt das ernste Filmende etwas befremdend. Man meinte wohl, dem plot doch etwas Tiefsinn zuzufügen. Lobenswert zwar, aber nicht wirklich gelungen in den Gesamtkontext eingebunden.
Nette Unterhaltung, mehr aber nicht. Kein großer Klassiker, zu dem er hier und da gemacht wurde.
7/ 10
#72
Geschrieben 24. November 2003, 11:27
Regie: Jay Roach - DVD DreamWorks
"How exactly is your name spelled?" "F-O-C-K-E-R." "Ah.. so it's Focker..." Damit nicht genug, denn der Schwiegersohn in spe scheint noch für so manche Überraschung gut zu sein und Jack Byrnes wird schier in den Wahnsinn getrieben. Aber vielleicht treibt er ja auch Greg (besagten Focker) in denselbigen.
Auf jeden Fall ist das Duell eröffnet. Der künftige Schwiegerpapa vs. den zukünftigen Mann dessen Tochter. Sehr lustig das ganze, zumal Jack Byrnes mal bei der CIA war und extrem misstrauisch ist. Da wird auch schonmal ein Lügendetektor zur Rate gezogen, aber "just to have a little fun", wie Byrnes es beteuert. Ahso...
Witzig auch, wie Greg die Hochzeitsvorbereitungen seiner künftigen Schwägerin sabotiert. Unfreiwillig natürlich. So kann es ja schonmal passieren, dass - während man auf dem Dach der Lieblingskatze des Schwiegervaters hinterher jagt und sich vorher eine geraucht hat, weil der das nicht dulden mag und in seinem Haus sowieso nicht - man mal eben in der Dachrinne festhängt, die sich dann auch noch entzündet hat. Tja, das elendige Rauchen eben... Hätte er mal auf Jack gehört...
Der ganze Film besteht aus kleinen und weniger kleinen Kriegsschauplätzen, die sich beim Gunsterwerb bei den baldigen Schwiegereltern so ergeben. Quasi die böse Variante von Father of the Bride (USA 1991).
Toll, dass Robert De Niro hier mal etwas aus einer komisch angelegten Rolle gemacht hat und sich nicht so hat gehen lassen, wie in den meisten seine Komödien. Nein, hier passt er perfekt zur Figur des Peinigers von Ben Stiller, der hier dann auch mal beweist, dass er gar nicht so übel ist, wie man (oder zumindest ich) ihn oft in Erinnerung hat.
Jay Roach, ansonsten für die Missionen eines gewissen Austin Powers zuständig beweist dann ebenfalls, dass er doch gute Filme drehen kann.
So hat man hier schon drei Leute sich erfolgreich rehabilitieren sehen und allein das ist doch schon mal was! Aber wenn der Film dann auch noch Riesenspaß macht und dazu noch mit einer atemberaubenden Schönheit wie Teri Polo gespickt ist, dann ist das sogar ein RICHTIG guter Film!
8/ 10
#73
Geschrieben 25. November 2003, 09:22
Regie: David Fincher - DVD Mediara
"If people think you're dying, they really listen, instead of just
waiting for their turn to speak."
Wie wahr, wie wahr!
In einer Gesellschaft, in der alle aneinander vorbeireden, einer Gesellschaft, die durch Konsumterror geprägt ist, in der du nicht mehr dein Eigentum besitzt, sondern dein Eigentum dich besitzt, da muss Platz sein für einen Fight Club.
Gründer Tyler Durden ist voller Weisheiten, charismatisch, witzig und zielstrebig. Er weiß, wie man aus der Misere herauskommen kann. Just blow a few buildings of the major credit card companies - that's it. Then it goes back to zero!
Fight Club ist der Aufruf zur Anarchie! Man wird dazu aufgefordert, Autos anzuzünden, Kämpfe mit Unbeteiligten anzufangen, Werbeplakate mit Bombenbastelanleitungen zu spicken usw.
So ein Film muss doch gefährlich sein, oder nicht?
Tja, darüber sollen sich andere den Kopf zerbrechen! Denn Fight Club macht Riesenspaß, ist ein Fest für die Sinne und sicherlich das, was man gerne einen Überfilm nennt.
Eines meiner intensivsten Kinoerlebnisse und wann hat man schonmal so ein furios aufspielendes Darstellergespann auf der Leinwand erblicken dürfen.
Der Film ist typisch für Fincher vollkommen düster gehalten. Eine Sonne scheint es im Fincherischen Kosmos nicht zu geben; die menschlichen Abgründe, die freigelegt werden, sie wurden selten deutlicher visuell unterstützt.
Dann dieser Hammerscore der Chemical Brothers (nannten sich für den Film Dust Brothers), dieser unvergleichliche Humor (v. a. zu Beginn des Films, als der Erzähler sein Leben vor Durden darlegt) und diese ausgefeilten Dialoge, die umwerfende Ausstattung, das Sounddesign...
Fight Club ist wie nichts zuvor und so etwas wie Fight Club wird es auch nie wieder geben.
I love that movie!
10/ 10
#74
Geschrieben 26. November 2003, 11:18
Regie: Andrew Stanton, Lee Unkrich - Jetzt im Kino (BV)
Können Pixarfilme überhaupt enttäuschen, geschweigedenn schlecht sein? Nein, bisher nicht und auch Finding Nemo ist wieder ein sehr gelungener Film geworden, der nicht nur die Kleinen zu begeistern mag.
Diesmal haben sich die Macher den Ozean als Setting ausgesucht, in dem ein Clownfisch-Witwer seinen Sohn Nemo sucht, der von Tauchern verschleppt und an einen Zahnarzt in Sydney verhökert wurde, wo er nun ein tristes Dasein in einem Auqarium in einer Zahnarztpraxis fristet.
Natürlich gelingt es Vater Marlin den Filius zu retten, doch gilt es dabei mit den zahlreichen Gefahren, die das Weltmeer durchziehen fertig zu werden und auch Nemo muss sich vor der finalen Rettung mit Pumpen und dummen Gören herumschlagen...
Finding Nemo reicht nicht an die beiden vorherigen Pixarfilme heran, da er sich die meiste Zeit auf die doch irgendwann leicht ermüdende Unterwasserwelt beschränkt und man immer wieder froh ist, wenn auf den Schauplatz Zahnarztpraxis gewechselt wird (wann kann man dies sonst schon einmal behaupten?). Die Charaktere sind allesamt sehr liebevoll gestaltet und hier und da sind Referenzen an die eine oder andere Filmfigur zu erkennen (es gab da mal einen Film über Kurzzeitgedächtnisschwund und auch den Dude kennen wir von irgendwo her). Dazu ist der Film mit einigen witzigen Filmzitaten gespickt, am gelungensten sicherlich die geklauten Szenen aus Hitchcock's The Birds (USA 1963). Vorsicht vor kackenden Seemöwen!
Mit 105 Minuten Laufzeit ist Finding Nemo der bisher längste computeranimierte Film und leider merkt man es dem Film ab und zu auch mal an, aber die meiste Zeit ist er überaus kurzweilig und dafür, dass die mittlerweile eigentlich schon obligatorischen Outtakes fehlten, wurde zumindest noch eine kleine Szene nach den Credits präsentiert.
Man darf nun gespannt auf den nächsten Film aus der Pixarschmiede warten. Die Animationen wurden von Film zu Film immer besser; jetzt muss nur noch wieder einmal eine klasse Story gefunden werden. Ich bin da ganz zuversichtlich.
Ach ja: und wie schön, dass diesmal auf den typischen Song im Film verzichtet wurde!
7.5/ 10
Anmerkung: Ich rate jedem von der deutschen Fassung ab, da sich hier einige unverzeihliche Ausrutscher geleistet wurden. Am schlimmsten sicherlich die beiden Prolltürken Erkan und Stefan, die einem zeitweise völlig den Spaß am Film nahmen.
#75
Geschrieben 28. November 2003, 11:19
Regie: Clint Eastwood - Jetzt im Kino (Warner)
Ein Armenviertel in Boston. Wir beobachten drei Jungen: Jimmy, Sean und Dave, wie sie ausgelassen auf der Straße Hockey spielen. Als sie später ihre Namen in eine frisch gelegte Zementplatte auf dem Sidewalk schreiben, hält ein Polizist, der sie ermahnt und Dave mitnimmt. Es stellt sich später heraus, dass es sich nicht um einen Cop, sondern um einen Kinderschänder handelte. Nach vier Tagen gelingt Dave die Flucht. Er ist traumatisiert. Damit endet auch die Freundschaft der drei Jungen.
25 Jahre später. Durch den Mord an Jimmys Tochter kommen die drei ehemaligen Freunde wieder zusammen. Sean ist Polizist geworden und ermittelt im besagten Mordfall. Dave wohnt noch immer in der Nachbarschaft von Jimmy; er unterstützt diesen so gut es geht, hat aber selbst genug Probleme. Noch immer leidet er unter den drastischen Ereignissen seiner Kindheit. Doch es kommt noch schlimmer: bald ist Dave der Hauptverdächtige im Mordfall...
Mystic River ist der 24. Film Eastwoods und er toppt alles. Ein Film von einer unglaublichen Intensität, ein Film, den man so schnell nicht vergisst. Die immer tragischeren Ereignisse werden von einem Darstellerensemble getragen, dessen Spiel schlicht überwältigend ist. Wie aus Penn nach und nach die Trauer und der Zorn über seinen Verlust herausbricht, wie Robbins einen Menschen darstellt, für den es keine Freude mehr gibt im Leben, die Schlussszene mit Marcia Gay Harden. Der Film ist voller großer schauspielerischer Momenten - ich würde mich sogar dazu hinreißen lassen, von den besten darstellerischen Leistungen zu sprechen, die ich bislang von einem Ensemble erleben durfte.
Es fällt mir sehr schwer in Worte zu fassen, wie der Film auf mich gewirkt hat und wahrscheinlich muss ich erst noch weiteren Abstand gewinnen, um den Film genauer einordnen zu können. Momentan bin ich noch immer überwältigt von diesem starken Drehbuch und den Leistungen der Schauspieler. So überwältigt, dass ich den Film zu den besten aller Zeiten zählen möchte.
Die Atmosphäre des Films packt den Zuschauer bereits in den ersten Minuten und lässt ihn auch nicht mehr los. Auch nicht nach dem Abspann. Nein, man muss sich auseinandersetzen mit dem Gesehenen. Es ist unausweichlich. Der Schluss hätte leicht vermasselt werden können, doch Eastwood zeigt hier seine ganze (von mir ungeahnte) Klasse. So bleiben am Ende viele Fragen offen. Es darf fleißg interpretiert werden.
Der Erzählrhythmus ist sehr gekonnt gewählt: so werden zwischen den Szenen der Trauer immer wieder die der ermittelnden Cops eingestreut. Somit ist eine stete Spannung vorhanden: der Zuschauer ist genauso fassungslos wie die Filmfiguren und über den Ausgang des Films nicht minder überrascht wie diese. Nein, wer hätte damit rechnen können, wie grausam Menschen sein können?
Mystic River tut verdammt weh, kitzelt aus Ausnahmeschauspielern wie Sean Penn und Tim Robbins ihre besten Leistungen überhaupt heraus und ist so grandios inszeniert, dass sich Eastwood mit diesem Film unsterblich gemacht hat.
10/ 10
#76
Geschrieben 28. November 2003, 19:32
Regie: Peter Weir - Jetzt im Kino (Fox/Universal)
1805. Die offene See. Jack Aubrey (Russell Crowe) sieht sich als Kapitän des britischen Schlachtschiffes HMS Surprise mit einem Überraschungsangriff der Franzosen konfrontiert. Nur knapp entgeht er und seine Crew einer vernichtenden Niederlage. Eine Nebelwand rettet das Schiff.
Es stellt sich heraus, dass der Gegner übermächtig ist. Das Schiff schier unbesiegbar. Dennoch mag sich Aubrey nicht geschlagen geben. Er jagt dem Gegner hinterher bis es zu einem erneuten Aufeinandertreffen kommt. Doch diesmal haben die Briten den Überraschungseffekt auf ihrer Seite...
Bis zur finalen Schlacht vergeht jedoch einige Zeit, in der uns das rauhe Schiffsleben nahegebracht wird. Wir erleben wie es zu diversen Interessenkonflikten zwischen dem Captain und seinem Freund, dem Naturwissenschaftler und Schiffsarzt Maturin kommt, wie die Crew sich untereinander den soweiso harten Alltag auf See noch erschwert und den Sinn oder Unsinn des blinden Befehls.
Peter Weir wollte diesen Film erst gar nicht drehen - er fühlte sich der Aufgabe nicht gewachsen. Nach dem Sehen des Films ist dem teilweise zuzustimmen. Dieser Film hätte in die Hände eines Ridley Scotts oder Michael Manns gehört. So werden die zwischenmenschlichen Beziehungen und die diversen Konflikte an Bord nur bedingt zufriedenstellend inszeniert. Auch die Darsteller vermögen nicht wirklich zu überzeugen. Crowe ist als Captain Aubrey sicherlich idealbesetzt, doch die restlichen Akteure können trotz teilweise durchaus interessanter Rollen keine darstellerischen Pluspunkte sammeln. Allen voran Paul Bettany, der mir schon in seiner ersten Kollaboration mit Crowe in A beautiful Mind (USA 2001) nicht besonders gut gefiel.
Aber selbst Crowe zeigt ungewohnte Schwächen. So überzeugt er zwar allein durch seine Präsenz, seine charismatische Ausstrahlung, doch wirkt er in einigen Szenen etwas neben der Kappe (hier sei insbesondere auf die Dinner-Szenen verwiesen).
Die Story ist so schlecht nicht. Der Hauptkonflikt des Films, der die Freundschaft zwischen Aubrey und Maturin thematisiert und diese auf einige harte Proben stellt ist schon interessant, doch eben nicht immer geschickt in Szene gesetzt. Der Film leidet zudem unter einer gewissen Emotionslosigkeit. Wenn am Ende des Films den Opfern der finalen Schlacht gedacht wird, wirkt das sehr gestellt und unausgegoren.
Die Stärke von Master and Commander liegt auch nicht - wie man meinen könnte - in den beiden Schlachtsequenzen, die zu kurz und hektisch inszeniert wurden, sondern in der schlichten Schilderung des Alltags auf See. Die Ausstattung ist erstklassig, das Sounddesign sogar grandios. Wenn das Schiff gegen Unwetter zu kämpfen hat oder einmal richtig in Fahrt kommt, dann sind das großartige Momente.
Da dieses Jahr gleich zwei Filme an den Start gingen, die das Seefahrergenre wieder aufleben ließen, bietet sich hier ein kleiner Vergleich zwischen Master and Commander und Pirates of the Caribbean (USA 2003) an, den Letzterer dann doch klar verliert. Zwar muss bedacht werden, dass die Filme unterschiedliche Anliegen haben und auch verschiedene Konzepte verfolgen, doch wenn der Film, der zunächst einmal als Unterhaltungskino konzipiert wurde nicht einmal annähernd so unterhaltsam ist, wie Weir's Film, dann ist das bezeichnend.
So ist Master and Commander zwar kein wirklich überzeugender Film geworden, doch zumeist recht spannend und mit einigen furiosen Szenenfolgen. Deshalb muss sich Peter Weir am Ende kein völliges Versagen unterstellen lassen. Er hat's gerade noch so hinbekommen.
6.5/ 10
#77
Geschrieben 01. Dezember 2003, 11:34
Regie: John Woo - VHS
Wurd mal wieder Zeit für n John Woo. Da dieser Film ja zu seinen besten (wenn nicht gar DER beste) gezählt wird, wollte ich mir mal wieder ein Bild von The Killer machen, den ich zuletzt vor rund 5 Jahren gesehen haben muss.
Früher hatte mir Lashou shentan (HK 1992) noch besser gefallen, was ich nun nicht mehr bestätigen kann (aber den schau ich auch demnächst mal wieder an). Denn auch wenn die Choreografie der Actionszenen nicht ganz an Woo's Film von '92 heranreicht, so ist der plot sicherlich um einiges besser.
Die Leitmotive Woo's wie Schuld und Sühne, Freundschaft und Verrat wurden bei ihm nie gekonnter im filmischen Kontext umgesetzt und das Ende könnte gar einem gewissen Shakespeare entstammen. Wie Chow am Ende dasselbe Schicksal ereilt, wie diejenige, der er damals im Zuge eines Auftrags das Augenlicht raubte und beide blind aneinander vorbeirobben, das ist schon ergreifend und hebt den Film klar aus dem Genre des Heroic Bloodshed hervor.
Dennoch darf es dem Film natürlich nicht an Coolness, Slo-Mo und Tauben fehlen, was allesamt reichlich in The Killer vorhanden ist. Zwar mag Woo mit seiner Symbolik ein wenig zu penetrant gewesen sein (Schauplatz Kirche), doch verzeiht man ihm, ob der zahlreichen hochästhetischen Bilder und den furiosen Feuergefechten, die nur er so gekonnt in Szene setzen kann.
Trotz der unbestritten vorhandenen Qualitäten des Films denke ich jedoch, dass er ein wenig überbewertet ist und beispielsweise nichts in einer Bestenliste wie die der imdb verloren hat. Dazu reichen schon allein die lausigen darstellerischen Leistungen nicht aus. Zwar ist niemand so charismatisch wie Chow Yun-Fat mit zwei Pistolen in den Händen, doch darstellerisch ist er wirklich keine Offenbarung.
Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich den Film in einer englischen Synchro sehen musste und dadurch selbstredend einiges an Atmosphäre auf der Strecke geblieben ist.
So ist es nicht nur eines der Highlights des asiatischen Actionkinos, sondern des Genres allgemein, ohne allerdings zum ganz großen Kino zu gehören.
6.5/ 10
#78
Geschrieben 03. Dezember 2003, 11:27
Regie: John Woo - VHS
Am Ende des Films müssen ein paar Hundert Menschen getötet worden sein. Selten ließen in einem Film derart viele Leute ihr Leben - und dabei ist Lashou shentan nicht einmal ein Kriegsfilm. Na gut, nicht im klassischem Sinne.
Der abgebrühte (hard boiled) Cop Tequila und sein Partner, der zunächst einer Bösen zu sein scheint werden im einstündigen (!) Showdown des Films in einem Krankenhaus einer Waffenschieberbande den Krieg erklären (die Location Krankenhaus erwies sich denn als äußerst praktisch: so musste hier nicht erst nach einem Vorwand gesucht werden, warum alle in weißen Klamotten herumlaufen, die für Shoot Outs ja prädestiniert sind).
Die die nicht enden wollenden Actionszenen werden recht bald ermüdend und überhaupt scheint sich die Anzahl der Szenen, in denen nicht geballert wird auf vielleicht 15 Minuten zu beschränken (bei einem zweistündigem Film). Zur hohen Gewalttätigkeit des Films kommt noch eine gehörige Portion Pathos und irgendwie wird einem jetzt doch klar, wieso The Killer als Woo's bester angesehen wird. Dieser wirkte im Gegensatz zu diesem dei Jahre später entstandenen Film wirklich wie ein Meisterwerk.
Ich bin sehr enttäuscht von Hard Boiled, hatte ich mir doch zumindest ein Actionfeuerwerk versprochen, doch leider gibt es nur einige wenige wirklich fulminante Stunts zu bestaunen; der Rest ist grottenlangweilig und wenn man dann auch noch die ganzen Farbpäckchen unter den Hemden und Kitteln entdeckt, dann ist's sogar irgendwann unfreiwillig komisch.
5.5/ 10
#79
Geschrieben 04. Dezember 2003, 12:43
Regie: John McTiernan - DVD Fox
Hey, you're bleeding, man!" - "I ain't got no time to bleed!"
Eine Söldnertruppe gerät bei einem Routineauftrag im südamerikanischem Dschungel an einen außerirdischen Jäger (Predator), der die Männer nach und nach dezimiert. Erst als sich der Anführer auf die Naturverbundenheit rückbesinnt, kann er seinen Gegner zur Strecke bringen.
Predator ist gewaltverherrlichend, voller dämlicher Dialoge und schauspielerischer Dilletanten. So what? Ich habe diesen Film schon zigmal gesehen, zählte ihn damals gar zu meinen Lieblingsfilmen und kann ihn schon fast auswendig mitsprechen.
Nachdem die beiden vorherigen Actionfilme mich eher unbefriedigt zurückließen, musste ich mal wieder auf altbewährtes zurückgreifen. Mir hat Arnie nie besser gefallen; er ist für die Rolle des Dutch prädestiniert. Die Actionsequenzen entbehren noch jeden Matrixkonventionen und alles wirkt wunderbar stimmig. Das ist das wahre Actionkino. Als Männer noch Muskelpakete waren, die sie auch gerne zur Schau stellen.
Zudem ist Predator voller interessanter Facetten. So kann man den Film durchaus als Parabel zum Vietnamkriegstrauma der Amerikaner verstehen. Aus dem Charlie ist hier ein außerirdischer Räuber geworden, der mit dem Dschungel ebenso vertraut ist, wie der Vietcong.
Am Ende hat der Held zwar gesiegt, doch ist es alles andere, als ein strahlender Sieg. Wir sehen einen gebrochnenen Menschen, der apathisch und desillusioniert im Chopper nach Hause sitzt.
Einmal fragt Dillon warum Dutch den Einsatz im Libanon abgelehnt hat. "That wasn't my style." antwortet dieser und fügt später hinzu: "We are a rescue-team, not assassins." Immer wieder schimmern überraschend kritische Töne durch. So meint Dillon kurz bevor es vom Helikopter in den Busch geht "I didn't know, how much I missed this, Dutch" worauf der nur "You never were that smart." erwidert.
Des Weiteren werden immer wieder Sexualängste thematisiert; der Hüne Blain spricht von sich als "sexual Tyrannosaur" und wird später seine scheinbar übermächtige Potenz durch die "minigun" kompensieren. Auch hören wir immer wieder anstößige Witzchen und es ist augenscheinlich, wie unangenehm dem Team die Anwesenheit einer Frau ist.
Handwerklich ist Predator perfekt. Der Angriff auf das Camp sauber choreografiert, die Montage unterstützt die steigende Spannung des Films vorbildlich und auch Donald McAlpines Bilder können voll überzeugen. Vor allem der stilistische Bruch im Film - vom lebendigen Grün des Dschungels zur grauen Einöde - ist positiv anzumerken, repräsentiert er doch die Notwendigkeit des Umdenkens beim Helden. Bevor Dutch seinen schier übermächtigen Gegner besiegen kann, muss er mit der Natur eins werden und hierzu scheint McTiernan eine wahre Wiedergeburt des Helden als notwendig zu erachten: so kann man den Sprung in das Wasser im gewissen Sinne auch unter dem Aspekt des Baptismus verstehen.
Als der Predator sich am Ende selbst zerstört erleben wir dies unter dem höhnischem Gelächter, das das Wesen zuvor vom Team aufgeschnappt hat und nun reproduziert. Dann ein Knall. Schnitt auf den Helikopter. Wir sehen einen rieisigen Atompilz aus dem Dschungel aufsteigen. Sollte am Ende sogar noch auf die fatalen Auswirkungen des Krieges hingewiesen worden sein? Auf die menschliche Tendenz zur Selbstzerstörung?
Für die einen ist es sicherlich zurecht ein ärgerlicher Film, voller machohafter Manierismen, für die anderen ein liebgewonnener Film von hohem nostalgischem Wert. Ich entscheide mich für letzteres.
9/ 10
#80
Geschrieben 05. Dezember 2003, 13:14
Regie: Lukas Moodysson - Jetzt im Kino (Arsenal)
Es ertönt "Mein Herz brennt" von Rammstein. Die Klänge hämmern aus den Boxen im kleinen Kinosaal. Auf der Leinwand sehen wir eine junge Frau, deren Gesicht deutliche Spuren von physischer Gewalt aufweist. Sie rennt verzweifelt umher. Über Straßen, unter Baugerüsten, sie scheint endlos zu laufen, die Kamera hechtet ihr hinterher, bis sie an eine Autobahnbrücke gelangt. Hier hält sie an. Blickt in die Tiefe...
Drei Monate früher. Irgendwo in der ehemaligen Sowjetunion. Im Eiltempo streift die Kamera unzählige Barackensiedlungen, schäbige, teils abgerissene Wohnungsblöcke. Alles bietet einen verdammt trostlosen Eindruck. Kein Grün, alles ein einheitliches Grau. Man mag nicht glauben, dass hier tatsächlich Menschen leben müssen.
Dann sehen wir wieder das Mädchen vom Anfang. Doch sie ist glücklich. "Ich haue ab!" erzählt sie ihrer Freundin. "In die Staaten!" Sie nimmt Abschied von ihrer Heimat, doch wird sie sowieso nichts vermissen. Nur raus hier, denkt sie sich. Sie packt ihre paar Habseligkeiten zusammen, darunter ein Engelsbild, das sie sorgsam in einen Pullover wickelt.
Beim Essen mit den Eltern dann der Schock. "Lilja, wir müssen dir etwas sagen" stammelt die Mutter. "Wir werden erstmal ohne dich fahren. Du kommst dann später hinterher." Ungemeine Enttäuschung. Beim Abschied will Lilja ihre Mutter nicht einmal umarmen. Sie ignoriert sie. Wut. Bittere Enttäuschung.
Als das Auto dann abfahren will rennt Lilja die Treppen des schäbigen Hauses, in dem sie mit ihren Eltern wohnte hinunter. "Mama!" schreit sie immer wieder. Tränen rennen an ihren Wangen hinunter. Immer wieder schreit sie nach ihrer Mutter. Sie erwischt diese noch gerade, klammert sich an sie fest. Auch die Mutter ist ergriffen. "Fahr nicht weg!" brüllt ihr ihre Tochter entgegen. Doch das Auto fährt los, ohne Lilja. Am Boden zerstört rennt diese dem Gefährt nach.
Von nun an muss sie bei ihrer Tante wohnen, die sie in eine winzige, dreckige Wohnung steckt. "Was ist denn mit der alten Wohnung?" fragt Lilja. "Kannst du die bezahlen?" entgegnet ihr die Tante.
Nun erleben wir den Alltag Liljas. Mit ihren Freunden zieht sie umher, schnüffelt Klebstoff. Immer wieder erklingt laute Technomusik. Irgendwann geht sie mit ihrer Freundin mit, die in einer Disco anschaffen gehen will. Lilja wird an diesem Abend nichts derartiges tun. Es ist ihr zuwider. Später zeigt ihr ihre Freundin das Geld. Ihr schien es nichts ausgemacht zu haben.
Bald geht es Lilja immer dreckiger. Die Mutter schickt weder Geld, noch einen Bescheid, was das Nachkommen betrifft. Noch schlimmer kommt es, als ihre Freundin Lilja öffentlich der Prostitution beschuldigt, weil ihr Vater fragte, woher das viele Geld stamme und sie zu ihm meinte, es sei das ihrer Freundin. Jetzt ist Lilja überall als Nutte verschrien. Niemand will mehr etwas mit ihr zu tun haben. Bis auf den kleinen Volodya, ein Straßenkind, das von den Eltern verstoßen wurde. Gemeinsam überstehen sie die immer kälter werdenden Tage. Weil sie kein Geld mehr hat und ihre Tante anstatt sich um ihre Nichte zu kümmern, lieber in deren alter Wohnung einquartiert hat fährt Lilja in die Disco, in der ihre Freundin damals anschaffen ging...
Sie macht immer schlimmere Erfahrungen mit dem Milieu, bis sie an den freundlichen Andrej gelangt, der ihr wirklich helfen will, wie er sagt. Zwischen den beiden entwickelt sich aus einer Freundschaft eine große Liebe. Bald bietet Andrej Lilja an, die mit nach Schweden zu nehmen, wo er arbeitet. Dort könne er ihr Arbeit beschaffen; sie könnten dort zusammen leben.
Ohne groß zu zögern nimmt sie sein Angebot an, muss jedoch mit ansehen, wie Volodya leidet. "Geh nicht mit ihm mit!" warnt er sie und wendet sich später von ihr ab. Doch sie weiß es besser. Auf der Fahrt zum Flughafen ist Andrej eingefallen, dass er dringend noch zu seiner kranken Großmutter muss. "Flieg du schon einmal vor!" sagt er zu Lilja. "Mein Arbeitgeber holt dich auf dem Flughafen ab!" Da sie Andrej vertraut wird sie zunächst allein nach Schweden fliegen und dort die Hölle erleben...
Wir sehen dabei zu. Müssen miterleben, wie es mit Lilja steil bergab geht... bis zum unausweichlichem Ende...
Was Lukas Moodysson hier aufzeigt ist sehr hart. Hoffnung oder Trost gibt es nicht. Der Film ist völlig schonungslos, lässt niemanden kalt. Durch den beinahe dokumentarischen Stil vergisst man ab und zu, dass es sich hier um eine fiktive Geschichte handelt. Doch das grausame ist, dass sie genauso stattfindet. Immer wieder. Und das macht verdammt wütend.
So bleibt am Ende auch nichts als Wut und Anteilnahme. Die Wirkung von Lilja 4-ever ist enorm. Das liegt auch an der Leistung von Oksana Akinshina, die Lilja sehr authentisch verkörpert. An deren Schicksal man die größte Anteilnahme hat. Wir hoffen mit ihr, freuen uns, wenn sie glücklich ist und können ihr am Ende doch nichts anderes als den Tod wünschen.
Den harten Realismus durchbricht Moodysson gegen Ende immer wieder durch kurze Sequenzen, in denen Lilja Volodya als Schutzengel erscheint. Immer wieder hält er ihr vor, wie kurz das Leben ist; wie man es nicht wegwerfen dürfe. Doch für Lilja gibt es keinen Ausweg mehr.
Nach Fucking Amal und Tillsammans hat Moodysson eine völlig andere Richtung eingeschlagen. Die Warmherzigkeit, die Leichtigkeit seiner Erstlinge ist völlig verflogen. Doch hat er bewiesen, dass er in der Tat einer der größten Filmschaffenden des neuen skandinavischen Kinos ist, wie ich es einmal nennen möchte.
Zudem gebührt ihm gehöriger Respekt, sich eines Tabuthemas derart offen und schonungslos angenommen zu haben.
Lilja 4-ever ist einer der Filme, die man sich nie wieder anschauen will. Nicht weil sie schlecht sind. Sondern weil man sie nicht nocheinmal ertragen kann.
#81
Geschrieben 05. Dezember 2003, 16:45
Regie: Sam Raimi - DVD Concorde
Drei Männer finden in der verschneiten Einöde irgendwo im Nirgendwo im nördlichsten Teil der USA eine Sporttasche mit über 4 Millionen Dollar.
Bald wird Misstrauen, Paranoia und Gier diese Männer ergreifen und fatale Auswirkungen haben. Das schnelle Weg des Glücks wird zu einer qualvollen Strecke des Elends, der Schuld, die man bis zum Grab beschreiten werden muss.
Crime doesn't pay. Das war die Maxime der Gangsterfilme der ersten Kinojahrzehnte. Der Böse kam in der Regel niemals davon und muss am Ende einsehen, dass das Gute siegen wird.
Sam Raimi hat so einen Film gemacht, nur eben weitaus interessanter, wie die meisten derartigen Filme. So sind die "Bad Guys" hier keineswegs von Grunde auf kriminelle Personen, sondern ganz "einfache" Leute, die ein mehr oder minder trostloses Dasein in einem kleinen Kaff fristen. Der Fund des Geldes ist denn zunächst auch kein Anlass zur kriminellen Handlung, so schlägt Hank (Bill Paxton) vor, das Geld zur Polizei zu bringen und erst in der Diskussion beschließt man, den Fund zu behalten.
Doch ziemlich rasch entwickelt diese Veränderung im Leben der drei Männer eine Eigendynamik, aus der es kein Entrinnen gibt. Zwangsläufig kommt es zu Verrat, Morden und am Ende wird der einzig Überlebende sich sein Leben lang mit einer unermesslichen Schuld herumschlagen müssen. Interessant, dass gerade der Rationalste der drei am Ende der Schuldige an der Tragödie sein wird. Bewahrte er anfangs noch einen kühlen Kopf, so steigert er sich mehr und mehr in eine Paranoia hinein, auch getrieben von seiner gierigen Ehefrau.
So ist A simple Plan weit mehr, als ein Thriller, sondern vielmehr ein Kammerspiel, das vorrangig auf die psychologischen Momente setzt. Menschliches Verhalten in Extremsituationen, perfekt umgesetzt von dem Duo Paxton und Thornton.
Zudem versteht es Sam Raimi (in seinem zweifellos besten Film) bestens zur psychologischen Raffinesse eine Spannungkurve hinzuzufügen, die in einem der tragischsten und mitreißendsten Finals der Filmgeschichte kulminiert.
Auch handwerklich ein beachtlicher Film, voller Symbolik und darstellerischer Glanzleistungen. Einer der Filme, die man gemeinhin wohl als Geheimtipp bezeichnet. Ein kleines Meisterwerk.
9/ 10
#82
Geschrieben 06. Dezember 2003, 14:10
Regie: Joel Schumacher - DVD Columbia
Privatdetektiv Tom Welles (Nic Cage) wird von einer Millionärswitwe beauftragt, die Echtheit eines vermeintlichen Snuff-Films zu überprüfen, den sie im Tresor ihres Mannes fand.
Seine Recherche führt Welles nach Hollywood, wo er das im Film getötete Mädchen sucht. Bald gelangt er an die Macher des besagten Films und es kommt zum unausweichlichen Finale...
Das Drehbuch stammt von Andrew Kevin Walker, der sich auch für Filme wie Se7en verantwortlich zeigt und das sieht man dem Film denn auch sofort an. Alles ist sehr dunkel gehalten, die Sets wirken düster, bedrohlich, wie auch die ganze Atmosphäre des Films. Und darin liegt auch die ganze Stärke von 8MM. So ist man als Zuschauer sehr schnell mitten im Geschehen, gepackt von der Sogwirkung, die der Film ausstrahlt.
Man identifiziert sich zunächst völlig mit Welles und ist wie dieser fassungslos ob der abgründigen Welt hinter den Fassaden Hollywoods. Es ist ein Abstieg zur Hölle, den Schumacher nicht nur im übertragenden Sinne beschreibt, sondern dies auch im Film direkt visualisiert. So steigt Welles die Stufen der Wohnung der Mutter des vermissten Mädchens hinab. Schnitt. Das Hollywood-Sign. Doch es ist nur eine Malerei und die Gegend sieht alles andere als glamourös aus.
Schumacher hat seinen Film voller derartiger Symbolik (man achte allein auf die Verteilung der Namen) inszeniert und auch wenn er hier erneut sein Leitthema der Selbstjustiz aufgreift und dies bedenklicher als je zuvor, so gelang ihm dennoch sein bislang bester Film. Ein perfekter Thriller, der für mich persönlich zu den spannensten Filmen überhaupt gehört, eben auch resultierend aus der dichten Atmosphäre.
Dabei ist 8MM voller augenscheinlicher Schwächen. So ist Cage's Spiel teilweise grottenschlecht und auch die schon erwähnte Zustimmung zur Selbstjustiz reichlich daneben. Da reicht es auch nicht aus, dass sich Welles die "Erlaubnis" der gepeinigten Mutter einholt. Gelungen hingegen ist die Darstellung des "Helden" nachdem er seinen Kampf erfolgreich ausgefochten hat. Apathisch sitzt er im Flieger und wird zu Hause zusammenbrechen. Sein Weltbild ist zerstört. "Du wirst Dinge sehen, die sich in dein Kopf einbrennen werden. Die du niemals vergessen wirst!" sagt ihm einmal der Pornshop-Clerk Max.
Auch der Zuschauer wird diesen Film so schnell nicht vergessen. Man ist abgeschreckt und muss sich dennoch den Vorwurf gefallen lassen, selbst zum Voyeur geworden zu sein. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema ist unausweichlich.
Vielen hat dieser Film sehr missfallen, was ich durchaus nachvollziehen kann. Dennoch ist 8MM für mich noch weit vor Se7en der düsterste Thriller überhaupt, dessen Atmosphäre so packend ist, dass mir im Moment keine vergleichbaren Filme einfallen. Allein die Szene im Haus von dem Sadisten Machine ist von einer handwerklichen Brillanz, von einer horrormäßigen Spannung durchzogen. Ein Musterbeispiel für den größtmöglichen Effekt mit minimalstem Aufwand.
Auch nach dem vierten Sehen hat mich der Film über die volle Distanz voll eingenommen. Das schaffen nur ganz wenige Filme. Für mich ein Ausnahmethriller.
10/ 10
#83
Geschrieben 07. Dezember 2003, 23:14
#84
Geschrieben 07. Dezember 2003, 23:28
Regie: Peter Jackson - DVD Warner
Da in zwei Wochen der Abschluss der Herr der Ringe-Trilogie ansteht müssen vorher nochmal die beiden ersten Teile geschaut werden. Zur Einstimmung eben.
Obwohl ich mich mit überlangen Filmen sehr schwer tue, kann ich mir diesen Film immer wieder anschauen, ohne etwas von Langatmigkeit zu spüren.
Ein wahrhaftiges Epos, das durch einen ungemeinen Detailreichtum gekennzeichnet ist. Auch beim nun viertem Anschauen gab es wieder neues zu entdecken. So zum Beispiel die klasse Einstellung, als es in Rivendell zum Streit darüber kommt, wer den Ring tragen soll. Während Frodo auf eben diesen Ring schaut, spiegeln sich in ihm die Streithähne, die in der nächsten Einstellung des Rings dann in Feuer aufgehen. Grandios!
Mir hat Teil 2 immer etwas besser gefallen, was wohl an dessen großartig inszenierten Schlachten liegt, an denen es dem Erstling verständlicherweise noch mangelt. Hier geht es zunächst darum, die zahlreichen Charaktere einzuführen und den Sinn der späteren Reise der Gefährten darzulegen.
Doch wenn es in "Fellowship" zu Gefechten kommt, dann sind diese bereits so perfekt inszeniert, dass man sich eine Steigerung kaum noch vorstellen konnte. Und das denke ich momentan auch über die Schlachten in "Two Towers", doch sollen diese ja im dritten Teil wiederum getoppt werden. Man darf gespannt sein!
Ansonsten möchte ich zu "Fellowship" noch anfügen, dass der Film auch deshalb soviel positive Resonanz erfahren hat, weil die Darsteller in diesem vermeintlichen Special Effects-Spektakel nicht untergehen. Das liegt zum einen daran, dass die Schauspieler allesamt viel Talent mitbringen und zum anderen daran, dass die Effekte niemals übermäßig eingesetzt wurden. Viele Enstellungen, die am PC entstanden sieht man es nicht an. George Lucas ist daran gescheitert.
In meinen Augen ist "Fellowship" ein Film, der bereits jetzt ein Klassiker darstellt. Der auch nachfolgende Generationen noch zum Staunen bringen wird. Ein Epos, dessen ganze Klasse wohl erst nach dem Abschluss der Trilogie erkennbar werden wird.
9.5/ 10
#85
Geschrieben 09. Dezember 2003, 09:35
Regie: Elia Kazan - DVD Columbia
Terry Malloy (Marlon Brando) ist ein einfältiger Dockarbeiter, der vom Mob-Boss Friendly (Lee J. Cobb) unter dessen Fittiche genommen wurde. Für ihn erledigt Terry Aufträge wie Einschüchterung und Gewaltanwendung gegenüber denen, die sich Friendly in den Weg stellen oder sich gar an die Cops wenden wollen.
Als sich die Schwester eines vom Mob ermordeten Arbeiters in Terry verliebt und dieser zum ersten mal erkennt, in welchen Kreisen er wirklich verkehrt steht er vor einer schwerwiegenden Entscheidung...
Mit On the Waterfront schuf Elia Kazan einen der besten Filme aller Zeiten. Zumindest wenn man den Kritikern Glauben schenken mag. Marlon Brando porträtiert die Figur des Terry sehr glaubwürdig, zeigt Methodacting in seiner Perfektion. So wirkt er ständig nervös, unruhig. Es scheint ihm schwer zu fallen, sich zu konzentrieren. Bevor er gegen die Missstände seiner Umwelt ankämpfen kann, muss er erst innere Kämpfe ausfichten. Wahrscheinlich eine der interessantesten Filmfiguren überhaupt. Wie er nach und nach gegen die Maxime D. and D., wie sie am Dock genannt wird ankämpft und am Ende einen hart erkämpften Sieg davonträgt - eine Meisterleistung.
Kazan greift in seinem Film zudem immer wieder biblische Themen auf, er erzählt seine Geschichte sehr bedächtigt, geizt nicht mit Symbolik und streut immer wieder sehr gekonnt spannungsgeladene Szenen ein.
Doch On the Waterfront ist in erster Linie ganz großes Darstellerkino. Zwar scheint Lee J. Cobb nur als Bösewicht wirklich gut zu sein, doch ist er in derartigen Rollen kaum zu toppen. Eva Marie Saint ist ebenso überzeugend wie Malden und Steiger, die in Nebenrollen besetzt wurden.
Dieser Film hat sich mir erst beim zweiten Sehen richtig erschlossen, aber vielleicht musste ich ihn auch erst im Original sehen, um ihn richtig schätzen zu können. Brandos Genuschel ist eben einmalig.
So sehr ich Kazan wegen seiner Haltung in der McCarthy-Ära auch kritisiere, hat er doch einige der besten Filme der 50er Jahre gedreht und dabei immer sehr viel Talent für sorgfältige Charakterzeichungen an den Tag gelegt. Und nicht umsonst waren Leinwandgrößen wie Brando und Dean bei ihm am stärksten.
Doch es ist schon paradox, wie ein Filmemacher, der Kollegen denunziert haben soll einen derartig gekonnten Film über Courage drehen konnte. Überhaupt könnte man On the Waterfront als Parabel auf die McCarthy-Ära verstehen, in der man ebenfalls gern kuschte.
Jedenfalls ging Kazan als Sieger hervor und kassierte für seinen Film zahlreiche Oscars. Zurecht, aber eben doch mit fadem Beigeschmack.
8/ 10
#86
Geschrieben 10. Dezember 2003, 14:58
Regie: Robert Redford - DVD Paramount
Es ist merkwürdig, dass dieser Film weitgehend unbekannt ist, zumal er immerhin mit dem Best Picture Award bei der damaligen Oscar-Verleihung einheimsen konnte. Und dies völlig zurecht, wie ich anmerken möchte.
Diese Geschichte einer Familie, die an dem Tod eines Mitglieds zerbricht ist von Robert Redford sehr einfühlsam erzählt und wer hätte ihm in seinem Debütfilm als Regisseur eine derartige sichere Schauspielerführung zugetraut.
Ordinary People, das ist z. B. die Familie Jarrett (dargestellt von Donald Sutherland, Mary Tyler Moore und Timothy Hutton). Sie leben in Suburbia im Norden der USA. Sie scheinen ein perfektes Leben zu führen. Der Vater ist erfolgreich im Beruf, die Mutter gibt die klassische Hausfrau und der Sohnemann ist ein Einserschüler. Doch den Unfalltod des älteren Sohnes hat keiner von ihnen wirklich verkraftet. Am wenigsten, so scheint es, Conrad, der sich eine Mitschuld am Tod seines Bruders gibt und versucht hat, sich das Leben zu nehmen.
Seitdem geht es mit ihm bergab. Er sucht Hilfe beim Psychiater Berger (Judd Hirsch), der ihm zunächst auf nicht weiterhelfen kann. Gleichzeitig fängt die Fassade der perfekten Familie gehörig an zu bröckeln...
Vielleicht hätte es ohne Ordinary People Filme wie American Beauty nie gegeben. So hat Regisseur Mendes nie einen Hehl daraus gemacht, sich an diesem Film orientiert zu haben und hat es sich auch nicht nehmen lassen, einige Szenen zu zitieren.
Der entlarvende Blick hinter das Leben der Vorstädter wurde zunehmend ein interessantes Thema, sei es in Form einer Komödie (The 'burbs), Dramödie (Trees Lounge) oder Tragödie (American Beauty). Doch Redfords Film geht weiter und belässt es nicht dabei, die Oberflächlichkeit dieser hohen Gesellschaftsschicht aufzudecken. Er beschreibt, wie der Verlust eines Mitmenschen verarbeitet gehört. Eine Verdrängung führt nur zu weiteren Verlusten. In Ordinary People wird die Familie am Ende nicht vollständig bleiben. Es ist der Preis, den man zahlen muss, um wieder zueinander finden zu können.
Anfangs erwähnte ich, dass es erstaunlich sei, wie unbekannt dieser Film ist, doch ist es weitaus überraschender, dass man danach von Hutton und Moore, die diesen Film durch ihr wirklich überragendes Spiel tragen kaum mehr etwas hörte.
Ordinary People ist ein sehr zu Herzen gehender Film, für den man sich Zeit nehmen sollte. Ein Film, der ungemein nahegeht und der einen auch lange nach dem Abspann noch völlig einnimmt.
9/ 10
#87
Geschrieben 11. Dezember 2003, 13:01
Regie: Dominik Moll - VHS
Harry meint es gut mit dir. Und wie. Als er auf einem Rastplatzklo seinen alten Schulkameraden Michel wiedertrifft lädt er sich direkt bei ihm in dessen Ferienhaus ein. Samt seiner Freundin. Er ist aber auch verdammt nett und freundlich und so verlaufen die ersten Tage auch recht harmonisch.
Erst nach und nach stellt sich Harry als merkwürdiger Typ heraus. Er scheint einen Hass auf Eltern zu haben und drängt Michel immer wieder, wie zu Schulzeiten Geschichten zu schreiben. Irgendwann geht seine Hilfsbereitschaft zu weit und es kommt zu fatalen Ereignissen...
Molls Film beginnt sehr stark. Wir sind mitten im Geschehen und erleben eine entnervte Familie im Auto in Richtung Ferienort. Die Kinder quängeln, es ist sauheiß und dann entbricht auch noch ein Streit über den Besuch bei den Eltern. Alles wirkt sehr hektisch, die Kamera kommt nicht zu Ruhe.
Erst nach ein paar Minuten verlässt sie das Auto und wir sehen aus der Vogelperspektive die Autobahn, wie sie sich ihren Weg durch traumhafte Landschaften bahnt. Der Score setzt ein und so etwas wie Ruhe und Harmonie macht sich breit.
Nächste Einstellung. Ein Wickeltisch in einer Rastplatztoilette. Wieder das genervte, junge Elternpaar. "Hier, wickel du sie, ich geh mal pissen." ruft Michel seiner Frau zu. Im Herrenklo taucht Harry zum ersten mal auf. Eine klasse Szene. Wir sehen Michel, wie er sich die Hände wäscht, ein Mann starrt ihn an. Bestimmt eine Minute lang. Wir blicken in das Gesicht des Mannes. Ein freundliches Gesicht. Und schon spricht es. Er sei Harry. Michel kann sich zunächst nicht an ihn erinnern, lässt sich jedoch von Geschichten aus der Schulzeit überzeugen, dass es sich hier tatsächlich um den alten Kameraden handelt.
Die Figur Harry wird sehr interessant eingeführt und man weiß nie so richtig, wie man ihn einordnen soll. Seine schon dreiste Freundlichkeit, seine Focussierung auf Michel. Allmählich wirkt er zunehmends bedrohlicher und es kommt zu immer peinlicheren Vorfällen. Man wünscht sich, die Familie würde ihn endlich aus ihrem Haus rausschmeißen.
Die Geschichte entwickelt sich langsam zum Psychothriller, ohne jedoch in gängige Genrekonventionen zu verfallen. So hat ein "Bad Guy" wie Harry wohl noch nie die Leinwand erblickt. Effekthascherei gibt es nicht zu sehen. Auch keine großen Gewalttätigkeiten. Der Schrecken schleicht sich heran, um uns immer wieder zu überrumpeln.
Nur der Schluss will nicht so ganz gefallen. Hier macht es sich Moll zu einfach. Man erwartet vergeblich auf eine Schlusspointe. Es ist am Ende alles zu glatt verlaufen.
Doch mag man den Film deshalb nicht gleich verdammen. Nein, er bietet zwei Stunden lang gute Unterhaltung und wann bekommt man schon einmal so einen herzlichen Filmschurken zu sehen?
6/ 10
#88
Geschrieben 12. Dezember 2003, 13:37
Regie: Guy Ritchie - DVD Universal
"Shut the fuck up!"
Denn man sollte hier gar nicht viel über den plot zum besten geben, denn dieser ist so vertrackt, kompliziert und am Ende richtig schön rund, dass man besser die Klappe hält.
Man will einem ja nicht das Filmvergnügen verderben. Wer den Film noch nicht kennt, soll dann jetzt auch bitte nicht weiterlesen, denn es gibt wahrlich nichts schöneres, als diesen Film zum ersten mal zu erleben, ohne eine Ahnung vom plot zu haben. Nur kurz mein dringender Rat: Anschauen. Am besten im Original!
Zwar hat man in der dt. Fassung mit Mr. Semmelrogge einen lustigen Off-Erzähler gewählt, doch im Original bekommt man soviele origenelle Stimmtypen geboten, da kann eine Synchro nur abfallen. Ein Fest für die Ohren. Und für Stimmforscher (Gibt's die überhaupt? Heißen die dann überhaupt so?). Der eine quiekt, der andere brüllt, der nächste ist heiser, der nächste noch viel heiserer etc.
Dann der herrliche (Cockney?)-Akzent. Man versteht zwar nur die Hälfte, aber wofür gibt's Untertitel? Guy Ritchie gelang ein fulminanter Debütfilm, dessen Konzept er in Snatch zwar m. E. zu sehr ausreizte, doch mag man ihm das verzeihen. Seine Madonna-Schmonzette jedoch nicht.
So soll er dann auch ruhig einen dritten Film über Ganoven drehen, das kann er am besten. Nicht nur, dass seine Filme saukomisch sind, nein, sie sind auch noch ein stilistischer Hochgenuss. Mal friert das Bild ein, mal kommt die Fast-Forward-Taste zum Einsatz und alles ist mit klasse Songs unterlegt.
Ritchies Filme erzählen von erfolglosen, dämlichen Kriminellen. Von den kleinen Fischen und den ganz großen. Diese sind meist ziemlich fies, verbissen, sadistisch und lassen nicht mit sich spaßen. Harry the Hatchet beispielsweise war einmal so wütend, dass er einen Schuldner mit nem Dildo erschlug. Da muss man erstmal drauf kommen!
Lock, stock... kann man sich immer wieder auf's neue anschauen, ein Partyfilm, wie er im Buche steht (ist der eigentlich mal definiert worden?). Aber wohl dem, der einen Ritchie-Film (ausgenommen Swept Away) zum ersten mal erleben darf.
Die Schlusspointe von Lock, stock... ist wirklich herrlich. Wirklich herrlich! Nimm das Handy aus der Fresse!
8/ 10
#89
Geschrieben 13. Dezember 2003, 17:50
Regie: Jim Sheridan - Jetzt im Kino (Fox)
Eine vierköpfige irische Familie versucht ihrem Schmerz gegenüber des Verlusts des jüngsten Kindes durch die Flucht in die USA zu bewältigen. Dort startet sie einen klassischen Neuanfang. Wir erleben mit, wie sie sich nach und nach einleben, alles aus der Sicht der zehnjährigen Christy, die auch den Off-Kommentar spricht.
Besonders für die beiden Kinder gibt es In America viel zu entdecken, doch die größte Entdeckung machen sie im eigenen Wohnungsblock, als sie an den mysteriösen Matheo gelangen...
Jim Sheridan hat viele autobiografische Elemente in seinen Film einfließen lassen und man merkt sofort, wie sehr ihm dieses Projekt am Herz gelegen hat. Es geht vorrangig um die Verarbeitung des Verlusts in der Familie, womit die Eltern schwerer umgehen, als die beiden Geschwister Ariel und Christy. Diese werden von den Bolger-Schwestern dargestellt und wenn sie im Bild sind, gehört ihnen die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers. Es ist ihr unaffektiertes Spiel, ihre Art, die neue Welt zu entdecken, wodurch man sie sofort ins Herz schließt.
Insgesamt ist Sheridans Film sehr rührselig und gegen Ende hart an der Grenze zum Kitsch, doch ist das nie störend und da der Film seinen leicht märchenhaften Charakter gar nicht erst leugnet, auch völlig in Ordnung.
Man darf hier keine Hommage an die USA erwarten, wie es der Titel vielleicht suggerieren könnte. Nein, es geht einzig und allein um den Zusammenhalt einer Familie, der auf harte Proben gestellt wird. Dabei bietet New York eine wirklich schöne Kulisse, keine Frage und irgendwie scheint der Film auch nur dort wirklich hinzupassen. Aber aufdringliche proamerikanistische Botschaften sind nicht vorhanden.
So steht unter'm Strich ein rundherum gelungener Film, der sehr gut in die vorweihnachtliche Zeit passt und den einen oder anderen bestimmt zu Tränen rühren wird.
8.5/ 10
P.S. Ein gewisser Mr. Spielberg hätte die reinste Freude an so einem Film gehabt, doch ob er das Thema so zufriedenstellend hinbekommen hätte? Das wage ich zu bezweifeln.
#90
Geschrieben 13. Dezember 2003, 18:23
Regie: Joel Coen - DVD BMG
"Ok, es ist die letzte Kippe. Versprochen, Dave!"
Der Film erinnert mich immer an The Straight Story von David Lynch. Nicht nur, dass er aus dem Oeuvre der Filmemacher deutlich heraussticht (in welcher Hinsicht soll später erläutert werden), sondern vor allem ist es die all zu gemächliche Erzählweise, die diese beiden Filme verbindet.
Ed Crane (vorzüglich: Billy Bob Thornton) ist wie es der Titel schon vorwegnimmt völlig unscheinbar. Er hat die Ruhe weg, ist hochmelancholisch und Kettenraucher. Es scheint keine Freude in seinem Leben zu geben und erst die Gier nach Reichtum erlaubt es ihm, kurzzeitig aus seinem Trott herauszubrechen. Als er an den schmierigen Geschäftsmann Tolliver (Jon Polito, das Highlight des Films) gerät und dieser ihm eine revolutionäre Geschäftsidee präsentiert: "Drycleaning!" steigt er ein. Doch um an das Startkapital zu kommen, muss er den Boss seiner Frau erpressen und von da an geht alles den Bach runter...
Im Coenschen Kosmos ist immer alles möglich und so wundert man sich in ihrer Hommage an den film noir auch nicht über fliegende Untertassen und den völlig unspektakulären Abgang des Protagonisten. Dazu kommt die Handvoll Nebencharaktere, die wie eine Wundertüte daherkommt: es ist ein Riesenspaß, die einzelnen Figuren zu beobachten. Da ist der selbstherrliche Anwalt Riedenschneider, der tumbe "Private-Dick", der nervöse und geschwätzige Schwager und natürlich der wütende dicke Mann.
Obwohl der Film wirklich sehr sehr melancholisch und tragisch daherkommt, ist er dennoch saukomisch. Eine irrwitzige Tragödie. Das gelingt wirklich nur den Coens.
Als ich anfangs von herausstechend sprach, da meinte ich vor allem die stilistische Komponente. Legen die Coens sonst meist ein zügiges Tempo vor, so zelebrieren sie hier sehr ausführlich jede einzelne Kameraeinstellung von Roger Deakins. Die bewusste Wahl eines s/w-Films gab Deakins die Möglichkeit, alle Register zu ziehen und ich lasse mich jetzt gerne dazu hinreißen, hier von der besten Cinematography zu sprechen, die ich je gesehen habe. Das Spiel mit Licht und Schatten ist einfach hervorragend und wer genau hinsieht, wir die eine oder andere Hommage an Citizen Kane entdecken.
Überhaupt ist der Film eine einzige Hommage an die Klassiker der 40er Jahre. So finden sich neben dem schon erwähnten Citizen Kane auch eine Referenz an The Big Sleep wieder, den die Coens vier Jahre zuvor ja bereits mit The Big Lebowski gehörig durch den Kakao zogen. Aber auch jüngere Meisterwerke des Kinos haben die Brüder bedacht und mal eben eine brillante Parodie der Eröffnungssequenz des Paten hingelegt.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die famosen darstellersichen Leistungen und nach Turturro scheinen die Coens jetzt Billy Bob Thornton für sich entdeckt zu haben, dem sie dann auch prompt zu dessen bester Performance seiner Karriere verhalfen (überhaupt scheinen gewisse Schauspieler erst unter der Führung der Coens richtig aufzublühen; zuletzt zu beobachten bei George Clooney).
Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass dieser Film nicht bereits der letzte große Coen-Film gewesen ist. Zuletzt legten sie mit Intolerable Cruelty zwar einen witzigen, aber für ihre Verhältnisse etwas schwächeren Film hin und auch ihr nächstes Projekt - ein Remake des Guinness-Klassikers The Ladykillers deutet auf Ermüdungserscheinugen der Brüder hin.
Zwar wäre The Man who wasn't there ein mehr als würdiger Abschluss ihrer großen Schaffenspahse gewesen. Aber doch irgendwie auch verdammt schade, denn niemand sonst verstand es, Filme so kreativ zu schreiben und inszenieren.
9/ 10
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