Beutelschneider, Zeitschinder, Nervenzerrer
#271
Geschrieben 24. März 2006, 15:53
(Japan 1973 – Norifumi Suzuki)
Die junge Waise Ocho ist nicht nur eine hervorragende Diebin, auch im Glücksspiel ist sie mit allen Wassern gewaschen. Und eine scharfe Klinge weiß sie sowieso bestens zu führen. Nach dem tragischen Tod eines mit ihr befreundeten Spielers, führt sie sein letzter Wille nach Tokyo, wo sie für 500 Yen die Schwester ihres Freundes aus den Fängen eines Zuhälters freikaufen soll. Zahlreiche damit verbundene Verstrickungen und nicht zuletzt der Kontakt mit einem jungen Anarchisten, dem sie mehrfach bei der Flucht hilft, führen sie allerdings auch zu ihrer seit mehr als 20 Jahren verschollen geglaubten Mutter sowie zu drei einflußreichen Politikern und Wirtschaftsmagnaten, die für den Mord an Ochos Vater verantwortlich zu machen sind, wofür die Gute grausame Rache geschworen hat.
Der Film liest sich in seiner Gesamtheit bestens als etwas kläglicher Versuch, erneut im Kielwasser der um Längen besseren RED PEONY Serie zu fahren, mit der Toei große Erfolge gefeiert hat. In diesem Fall angereichert natürlich mit Nackedeiereien und wesentlich exzessiverer Gewalt. SEX & FURY verfehlt zwar nicht an Wirkung, doch weder kann der Streifen seine Geschichte so episch ausrollen wie die angepeilte Vorlage, noch mit eindrucksvollen Bildern und den Zuschauer überrumpelnden Ideen Boden machen. Für sich genommen ist Girl Boss Reiko Ike natürlich eine Schau, Christina Lindberg nimmt man sowieso gerne mit, obwohl die als Schauspielerin ja wirklich nur sehr bedingt taugt, was hier erneut zu beobachten ist. Für Bondage- und Folterfreunde gibt’s was zu gaffen, wenn diese aber mit Suzukis Filmen der fortgeschrittenen 70er wohl weitaus eher zufrieden zu stellen sind. SEX & FURY ist ein netter Schlagetot- und Rachefilm, wie man ihn aus Japan bereits mehr als einmal gesehen hat. Mehr aber leider nicht. Das ist im Grunde tragisch, weil Suzuki selbst einen der schönsten Teile zur RED PEONY Saga vorgelegt und nicht zuletzt damit unter Beweis gestellt hat, dass er Besseres zu Markte zu tragen in der Lage ist. Schlecht ist SEX & FURY keineswegs, nur verliert der Film nicht gerade wenig, wenn man das große Vorbild bereits gesehen hat.
#272
Geschrieben 25. März 2006, 09:07
(Frankreich 1972 – Clifford Brown (Jess Franco))
Als bereits die Flammen des Scheiterhaufens nach ihr lecken, verflucht eine alte Hexe den Großinquisitor und seine Schergen. Die beiden Töchter der Hexe sollen ihren Tod rächen. Jahre später. In einem knallhart geführten Kloster leben die beiden Schwestern Cathrin und Margaret. Wähernd Margaret alle Regeln der Mutter Oberin streng befolgt, quälen Cathrin üble Träume. Männerhände reiben darin ihren heißen Juckeleib und noch Schlimmeres. Und weil sie nachts so heftig träumt, dass die gestrenge Mutter Oberin sie schon durch die dicken Wände stöhnen hört, landet Cathrin alsbald vor den örtlichen Inquisitoren. Im Folter-Gewölbe wird sie – als vermeindliche Hexe – einer hochnotpeinlichen Befragung aussetzt, nachdem sie die „Jungfrauenprobe“ nicht bestanden hat. Derweil Cathrin im Keller fristet, gelingt der schönen Margaret bald die Flucht aus dem Kloster. In der Welt verdreht sie in geschickter Verkleidung und mit einem Titel von Rang versehen der Inquisitorenbrut gehörig die Köpfe. Das Blut wallt, die Leiber zucken. Dabei macht sie keinen Unterschied, ob Männlein oder Weiblein und entpuppt sich, selbst zum Schrecken ihrer eigentlich unschuldigen Schwester, als der von ihrer Mutter, nämlich jener alten Hexe, beschworene Racheengel. Ihre heißen Küsse verwandeln die ihr Verfallenen in blankgeputzte, klappernde Skelette! Bevor Sitte und Moral gänzlich dem Untergang geweiht sind, kann eine aufgebrachte Menge Margaret auf den Scheiterhaufen bringen und Cathrin sich als reines Wesen profilieren, dem ab und an einfach nur mal der Busch juckt.
Sinnliche Begierde und unbarmherzige Grausamkeit kennzeichnen diesen Film, ließ der Alemannia/arabella-Filmverleih dazu in die Anzeigen der Tagespresse setzen – ungeachtet der Tatsache natürlich, dass sowohl Begierde als auch Grausamkeit der NONNEN VON CLICHY in der deutschen Fassung nur noch rudimentär stattfinden. Von Vergewaltigung, den francotypischen und zumeist elendig lang geratenen Masturbationsgewälze in Echtzeit, S&M und ausufernden Lesbenspielen zeigt sie sich ebenso befreit wie von den zuweilen recht grausigen Foltereien, die man natürlich in dieser Form auch nirgends in Heinrich Kramers Maleus Maleficarum findet.
Das Konzept des Films ist gar nicht mal schlecht, wankt Francos Film, den man durchaus zu seinen „gelungeneren“ Werken zählen darf, doch im Prinzip ganz geschickt zwischen Hexen-Horror und Nonnen-Sex hin und her und bietet dazu, was bei dem Spanier eigentlich schon außergewöhnlich genug ist, eine ganz akzeptable Rahmenhandlung. Natürlich geht es Franco vornehmlich ums Zeigen von viel nackter Haut in allen Lebenslagen und dem zusätzlichen Geprickel, das dadurch Erzeugung finden soll, dass Franco die Intimbeichten durch den Klosterquatsch mit besonderer Anrüchigkeit versieht.
Das kennt man zwar schon, ist aber in der strengen Rezeptur ein gefundenes Fressen für die lichtspielenden Klapsmühlen rund um die Bahnhofshalle, wohin der Streifen selbstverständlich gehört und auch aufgeführt wurde. In Deutschland versuchte der Verleih DIE NONNEN VON CLICHY im Kielwasser des skandalumwitterten DER LETZTE TANGO als „das nächste große Ding“ abzufeiern, wozu man sich auch nicht zu blöd war, die Schauermär zu erfinden, dass die „Originalkopie“ der NONNEN wegen des ausgesprochenen Verbots in Frankreich und nicht weniger als elf weiteren Ländern heimlich und bei Nacht & Nebel über die Grenze ins Ausland geschmuggelt werden musste. Und NONNE Anne Libert wurden überdies zur Unterstreichung all der Frivolitäten, die sich die Männer mit dem Regenmantel unlängst im Kopf zusammenpinselten, noch viel Vollmundiges in den Mund gelegt: „Ich bin ein sexbegeistertes Mädchen, aber dieser Film hat mich diesbezüglich überfordert!“ Und „selbst Hand anzulegen“ (oho!) und dem Regisseur „de Nessle“ (was? wer?) zu helfen, wusste sie auch, weil sie sich – so der Verleih – selbst drei Jahre lang als Nonne im Kloster verdingte. Ach so.
(Aus Spaß an der Freude und weil es die Historien-Francos so sympathisch macht: Man beachte insbesondere das "zeitgemäße" Outfit der Frau mit den verschränkten Armen gleich rechts neben dem Scheiterhaufen auf dem oberen Aushangbild.)
#273
Geschrieben 25. März 2006, 16:03
((BR) Deutschland 1962 – Werner Klingler)
Nicht nach einem Roman, sondern nur nach Motiven von Bryan Edgar Wallace. Alles klar. Bizarre Messermorde versetzen London in Angst und Schrecken. Wer seine Koffer gepackt vorfindet, ist des Todes. Inspektor Finch muss es nach einem duftendem Vollbad richten, sieht sich aber einigen Leuten gegenüber gestellt, die ein doppeltes Spiel treiben. Der Londoner Schmuddeldoktor Bransby ist in Wirklichkeit ein feiner Pinkel mit Schloss und Dienerschaft, ein blinder Kurzwarenverkäufer ein eiskalter Rächer mit Adleraugen und der Kriminalwissenschaftler Curtis entpuppt sich als Humphrey aus Übersee in geheimer Mission. Denn die wahnsinnigen Mordtaten sind nur das Beiwerk zu einer Schauermär aus synthetischen Drogen. Und es fehlt natürlich auch nicht das komische Element: Mit einem famosen Chris Howland als ulkiger Geräuschesammler! Chris Howland ist weder famos noch ulkig, sondern in seinen Bemühungen, ein zweiter Eddi Arent zu sein, in erster Linie so peinlich, dass man hin und wieder wegschauen möchte, um sein Spiel nicht ertragen zu müssen. Senta Berger als des dubiosen Doktors Rührmichnichtan ist, man gibt es nur ungern zu, als einzige halbwegs erträglich zu nennen. Das sagt zwar nichts über ihre tatsächlichen Qualitäten aus, wohl aber über die fast durchgehend zweite Garnitur von Darstellern, die sich – manchmal grauenhaft hölzern, manchmal unbeholfen und durchgehend an Laientheater erinnernd – durch knapp 82 Minuten „Wallace-Spannung“ quälen. Weil der Film einigermaßen flott zur Sache kommt und immerhin mit einem wirklich sehr ansehnlichen Finale in den unterirdischen Gängen und Geheimlaboren eines alten Schlosses angereichert ist, ist immerhin für Stimmung und Spannung gesorgt. Die Abstriche, die man zumeist bei einer Brauner-Produktion zu machen hat, sind ja eh bekannt und müssen daher nicht erst lange verdaut werden. Von der Story her hat man von Preben Philippsen & Rialto gar schon Schlechteres gesehen, allerdings noch nie so viele Knalltüten und Hampelmänner auf einen Haufen. Da stört es auch nicht mehr, dass sich der Gag mit den gepackten Koffern als ziemlich lasche Nummer entpuppt. Nimmt man so hin und kommt zu dem Schluss, dass der „unechte“ Wallaze trotz aller Unzulänglichkeiten in seiner Gänze doch gar nicht mal so übel war.
#274
Geschrieben 26. März 2006, 15:32
(Frankreich 1975 – Henri Verneuil)
Belmondo ist der mit allen Wassern gewaschene Kommissar Le Tellier. Eine mordsharte Polizei-Sau, wie man sie nur in ganz ausgesuchten und zumeist italiensichen Filmen findet. Le Tellier hat es eigentlich mit einem ganz besonders gemeingefährlichen Bankräuber zu tun, dessen Rücksichtslosigkeit Le Telliers untadeligen Ruf fast gänzlich ruiniert hat, weil bei einer ausgesprochen wilden Verfolgungsjagd durch Paris im Kugelhagel ein Passant ums Leben kam. Als er nach einer tolldreisten Nummer bei der Jagd nach dem Gangster wieder einmal unangenehm aufgefallen ist, bekommt er zur Strafe einen – wie es zunächst scheint – minderschweren Fall von Telefon-Klingelgangstereien zugeteilt. Die Sache entpuppt sich aber rasche als eiskalte Massenmörder-Kiste, bei der ein völlig vom Wahnsinn zerfressenes Individuum, das unter dem aus Dantes Inferno entliehenen Namen Minos operiert, seiner Meinung nach sexuell über die Stränge schlagende Frauen metzelt oder den Selbstmord treibt.
Gerade weil der Film ständig zwischen den beiden Fällen Le Telliers hin- und herpendelt und dabei Action auf Action geboten wird, kommt selbst bei der stolzen Länge von etwas über zwei Stunden keine Langeweile auf. Zusätzlich peitscht Morriconnes gnadenlos gut auf die Stimmng des Films abgestimmte Musik die Mär vorwärts, als gäb’s kein Morgen. Bis auf wenige Szenen ist bei ANGST alles von Hand gemacht. Irrsinnige Verfolgungen quer durch Paris, waghalsige Geturne auf den Dächern der Stadt, der Ritt auf einer Metro stadtauswärts. Stuntorgie und Action einmal ganz ohne Gülle, ganz große Kunst sowieso. Weil der Film zudem auch mit knochentrocknen und ganz und gar unpeinlichen Flapsigkeiten ausgestattet ist, macht er sowieso doppelt Spaß. Schon zu Zeiten der seligen VHS-Kassette war ANGST ÜBER DER STADT einer der wenigen Filme, die man trotz seinerzeit horrender Leihgebühren auch gern einmal öfter mit nach Hause genommen hat. Von den Filmen, die Henri Verneuil mit Belmondo gemacht hat, ragt ANGST ÜBER DER STADT meilenweit heraus. Auf Video oder DVD haut der Film schon mächtig rein, wie wirkt er dann erst im Kino? Seinerzeit in der Wiederaufführung im Programmkino und den grandiosen „Dauerbrenner-Wochen“ (wer erinnert sich mit?) leider verpasst, weil das Interesse doch andere Wege ging und bei französischen Filmen die Nase meist ganz von selbst kraus wurde. Von wegen langweilig und muffelig. Manchmal möchte man sich einfach nur in den Arsch beißen.
#275
Geschrieben 26. März 2006, 18:55
(USA 1938 – Dwain Esper)
Junges Ding gerät auf die schiefe Bahn, nachdem sie einen Schönheitswettbewerb auf dem Lande gewonnen und in der großen Stadt (in diesem Fall Sündenpfuhl New York) nach Erfolg suchte. Doch, ach, nur bis in eine Bühnenshow zweifelhaften Charakters hat sie es geschafft, bei der im Publikum sich die Notgeilen angesichts der im Tanz reckenden Ärsche schon die Lippen lecken, die ihre finsteren Visagen krönen. Parties mit vergnügungssüchtigen Herrschaften und gar lesbisches Techtelmechtel – alles in der großen Stadt zu finden. Doch nicht ohne bittere Rechnung, denn die wird schließlich zum Schluss bezahlt. Syphilis ist die Geißel des modern und offen lebenden Menschen. Quacksalber schlagen Kapital daraus, verordnen sinnlose Kuren für teures Geld. Nichts will helfen. Das Ende vom Lied: Zurück in der Heimat heiratet die angeblich Geheilte, überträgt die Sexseuche dann auf ihren Mann und das bald folgende Baby. Da setzt dann der mahnende Zeigefinger des Films ein: Nur wer sich professionell helfen lässt, wird errettet und gesunden! Dwain Esper wurde ja nicht müde, in seiner kurzen Karriere vor Sex und Drogen zu warnen. Mit MANIAC hat er den einzigen Film vorgelegt, bei dem er nicht so offensichtlich den Moralischen macht. Obwohl... na ja. Die Berufung des Herrn Esper lässt sich ansonsten ganz prima mit der großen Texttafel überschreiben, die er am Ende der Syphilis-Erklärungsrollschrift zu Beginn von SEX MADNESS setzt: „They must be told!“ Der Auftrag und das heere Ansinnen stehen dann zwar in Gegensatz zu den ziemlich bescheuerten Darstellern, den ruckeligen Bildern und nicht zuletzt dem übergebührlich spekulativen Titel, aber was soll’s. Der kocht halt auch nur mit dem Wasser der Ausbeuterei. Spaß macht SEX MADNESS irgendwie schon – vor allem, wenn man ein Faible für Lichtspiel mit Erziehungsauftrag aus der Steinzeit mitzubringen in der Lage ist und sich ebenso kindisch über absurde Tanzdarbietungen freuen kann wie über ellenlange Erklärungen aus dem Schnabel eines Schmierenmediziners, die mit Bildern tatsächlich (?) von Syphilis bepustelter Kranker unterlegt sind.
#276
Geschrieben 27. März 2006, 11:16
(USA 1958 – Richard E. Cunha)
Vier Schiffbrüchige, darunter die schnodderige Industriellentochter Jerry und der schnittige Fred, stranden auf einer einsamen Insel. Nur wenig haben sie retten können – unter anderem Jerry Kleiderkiste und ihren wasserdichten Volksempfänger. Mit dem (dumme Sache 1) empfangen sie von den über sie wegbrausenden Düsenjägern dahingehendes Funkfeuer, dass die Insel in Kürze mit Bomben beschmissen wird. Kurz darauf (dumme Sache 2) entdecken sie, dass sie nicht allein auf dem Eiland weilen, sondern sich auch noch irgendwelche Wesen mit Krallenfüßen herumtreiben. Nach der Zerstörung ihres Lagers in Abwesenheit finden sie (dumme Sache 3) am Strand eine tote Frau mit scheußlicher Dämonenfratze und wenig später, als sie im Dschungel herumlaufen, eine fröhlich ums Lagerfeuer tanzende Ansammlung knapp bekleideter Amazonen, die allerdings von plötzlich aus dem Unterholz kriechenden Nazis (dumme Sache 4) aufgerieben und abgeführt werden. Auch die Überlebenden geraten bei der Erforschung des geheim im Urwald liegenden Nazi-Lagers in Gefangenschaft. Dort experimentiert der wirre Dr. Karl an den eingeborenen Frauen zum Wohle seiner wehrten Frau Gemahlin Nora herum, die seit dem Kontakt mit brodelnder Lava aus dem Erdinneren ihr grauenvoll entstelltes Gesicht hinter dicken Bandagen verbergen muss. Dr Karls Ansinnen ist es, „Character X“ aus den Eingeborenen, deren Dauerwelle auch auf dem OP-Tisch noch gut sitzen, zu ziehen und auf Nora zu übertragen. Zeugs, das die Frau zur Frau macht und vom wilden Tier trennt. Dr. Karls Errungenschaft entpuppt sich als eine Weiterentwicklung des eigentlichen Führer-Auftrags, der dahingehend lautet, ein Mittel zu finden, dass die von Narben zerfurchte Haut der Wehrmachtsoldaten wieder arisch rein machen kann. Der ganze Film ist natürlich ein Kracher. Sonderbare Dialoge von sonderbaren Menschen und Nazischergen, wie sie sich amerikanische Autokinogänger halt so vorstellen, die einzig Hans und Fritz als teutonische Namen zu identifizieren in der Lage sind. „Raus! Aufstehen!“, wenn die Soldaten die Amazonen gefangen nehmen, „Raus! Aufstehen!“, wenn sie sie durch den Dschungel führen, „Raus! Aufstehen!“, wenn sie sie in die Bambuskäfige pferchen. Ein amerikanischer Mann ist für sie ein „American swine“, die wasserstoffblonde Heroine (Irish McCalla in ihrer schönsten Rolle neben SHEENA) mit dem knappen Höschen ein „Frauenzimmers-Schweinehunde!“. Auch sonst zeigt sich der deutsche Soldat von seiner gewohnt übelsten Seite und verweigert den Gefangenen, die unsinnig am Conan-mäßigen Rad der Pein drehen, selbst das geringste Schlückchen Wasser und kippt es lieber in den Sand: „Haben Sie durst? Trink, Schwein! Höhöhö!“ Warum es auf der Insel nur Frauen gibt und keine eingeborenen Männer, das fragt man sich spätestens dann nicht mehr, wenn ein schöner Ringelreigen in Tanzschulen-Choreografie zu allerlei Getrommel minutenschwere Ausführung erlebt und die knappen Lederröckchen und Bikinis der Amazonen noch viel Haut zur Begutachtung übrig lassen – zumindest in solcher Dosierung, wie es für 1958 gerade noch schicklich war. Dafür wird mit ein paar gut eingesetzten Grausamkeiten ordentlich Stimmung gemacht. Wenn Nora ihre Bandage abreißt, ist das auch für den abgebrühten Betrachter nicht ohne Wirkung und die Fratzen der „Dämoninnen“ sehen auch gar nicht mal schlecht aus. Gepeitscht wird natürlich auch, weil das nun einmal des gemeinen Nazis liebste Beschäftigung ist. Und das Labor des Doktors entpuppt sich gar als wahre Hexenkammer. Sehr fortschrittlich mag dünken, dass man Erdwärme bereits effektiv zu nutzen versteht, indes der Rest von Cunahs Film im positivsten Sinne himmelschreiend tollkühner Unsinn ist, wie man ihn nur zu gerne knappe 80 Minuten lang vollste Aufmerksamkeit schenkt. Und dabei vergehen schließlich auch keine 30 Sekunden ohne zumindest einen Riesenlacher unfreiwilliger Natur. So sehen wohl Kultfilme aus, die diese Bezeichnung nicht nur zur besseren Vermarktung tragen. Spitzenfilm, einfach ganz, ganz groß!
#277
Geschrieben 28. März 2006, 15:30
In der Nacht zum Aschermittwoch findet eine besoffene Hure an der Tür ihres Hauses einen gekreuzigten Toten vor. Es ist ihr Nachbar, der Winter Josef, dessen einzige Verwandte seine 17jährige Enkelin Magdalena ist. Die verdingt sich als Verkäuferin in einem Kaufhaus und lebt, da ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen, in dem Mädchenwohnheim von Elisabeth Volkmann. Bei einer Aschermittwochfeier im Wohnheim bekommt Magdalena plötzlich wilde Zuckungen, Schaum vor dem Mund und Alfi, der Fusselfifi der Volkmann („Ja, ist denn hier alles verrückt geworden?“) knurrt und bellt ganz toll, während überall im Haus das Gesumme und Gebrumme einer Fliege zu hören ist. Obwohl Magdalena kurz darauf wieder völlig normal ist, häufen sich die besonderen Vorkommnisse mit ihr ziemlich schnell. Mal büxt das Mädchen aus und verschafft mit bloßen Händen einem aufdringlichen Autofahrer einen offenen Armbruch, mal wirbelt auf dem Dachboden über Magdalenas Zimmer das Gerümpel durcheinander, als wäre ein Poltergeist unterwegs auf großer Tour. Im Beisein von der Wohnheimleitung und dem herbei gerufenen Dr. Berger schüttelt sich Magdalena schließlich in einem Anfall nackt vor dem Spiegel und fährt die Verdatterten ziemlich schroff an: „Ficken! Ich will endlich ficken! Ich will was in die Fotze!“ Der Mediziner ist schnell mit seinem Latein am Ende, hegt allerdings einen bösen Verdacht. Dieser findet Erhärtung, als Magdalena die Kirche von Pfarrer Konrad besucht und sich dort ebenfalls aufführt wie die Axt im Walde: „Na, du alter Nonnenficker, wann hast du denn deiner Köchin das letzte mal unter den Rock gegrabscht? Ich will kommunizieren! Aber nicht in den Mund! Steck’s mir unten rein!“ Jetzt muss der Psychologe Prof. Falk ran an den Fall. Der nimmt Magdalena mit in seine Privatklinik außerhalb von München. Dort freundet sie sich schnell mit des Professors Gehilfen, Dr. Scholz, an, kann aber nebenher unbemerkt tödlichen Hass und allerlei Zwietracht unter der Dorfbevölkerung säen und ihren nackten Körper samt dauerkreisenden Becken zu allerlei Schabernack einsetzen. Pfarrer Konrad weiß, dass Magdalena nur noch ein richtig knackiger Exorzismus retten kann, Professor Falk jedoch hält mit moderner Medizin und wissenschaftlichen Brimborium dagegen. Am Ende kotzt Magdalena eine schwarze Schlange und alles ist wieder gut. Der einzige "Spezialeffekt" übrigens neben dem umherpolternden Möbeln auf dem Dachboden in diesem Film. Güllegekotze, ein sich um 360° drehender Kopf, Monsterfratze und sonstigen Mumpitz sucht man bei MAGDALENA vergeblich, wenn man von ein wenig Höllengebrüll unter Hypnose einmal absieht, das es so auch im US-Original gab. Mehr tut hier eigentlich auch nicht Not, da der Film mit zahllosen Nackedeiereien (und einer kleinen, völlig sinnfreien Lesbennummer auf der Wohnheimtreppe) zu überzeugen versteht. Als Pfarrer Konrad brilliert Rudolf Schündler, der beim großen Vorbild den Diener von Ellen Burstyn gemacht hat. Was für eine schöne Beförderung! Aber irgendwie sieht man ihn in deutschen Filmen jener Tage ja durchaus recht gerne, weil Schündlers knorrige Präsenz doch für ein gewisses Maß an Seriösität zu sorgen versteht. Das lässt sich vom Rest des Streifens so nicht ungedingt sagen, weil der Film durchaus den Anschein weckt, als hätte man den EXORZIST ins Korsett von DAS WIRTSHAUS DER SÜNDIGEN TÖCHTER oder einem ähnlichen Bajuwaren-Werkstück gepfercht. Trotz dämonenhafter Vergewaltigung Magdalenas durch eine unsichtbare Kraft (quasi als Vorläufer zu ENTITY), büschen Axtgehacke, der kurzen wie unnützen Gruselnummer, bei der die Polizei feststellt, dass die richtig monströsen Nägel in Josef Winters Armen und Beinen ohne Werkzeug eingeschlagen wurden, sowie und der nicht ausbleibende Brückenschlag zur möglichen Teufelsdienerei des zu beklagenden Herrn Josef, kommt wirkliche Genrestimmung eigentlich nicht auf. Dafür dominieren einmal mehr die unfreiwilligen Lacher, derer der Film sehr viele zu bieten hat – auch wenn der in der zweiten Hälfte etwas durchhängt und der Konkurrenz des Theologen mit dem Medizinmännern zuviel Platz einräumt. An deutschsprachigen Exorzismus-Filmen gibt’s nicht so sonderlich viele (prompt fällt mir nur noch Dietrichs von der Schweiz aus ins Rennen geschickter Sex- und Horror-Mischmasch DER TEUFEL IN MISS JONAS ein, der sich in erster Linie aber auch einem ganz anderen Vorbild verpflichtet zeigt), allein deshalb ist der Film durchaus wertvoll. Und deswegen tönt die Verleihwerbung auch nicht zu Unrecht mit großer Trompete: Ein Film, über den alle sprechen! Ein Exorzismus-Schocker von Format! Ein wahrhaft ungeheuerlicher Film! Wobei man gerade Letzteres natürlich so oder so begreifen kann. Und abgesehen davon ist der Film als Party-Tape eine absolut todsichere Nummer.
#278
Geschrieben 29. März 2006, 15:23
((BR) Deutschland/Italien 1968 – Harald Reinl)
„So, hier wohne ich.“ – „Mensch, das ist aber schön hier!“ So schillernd sind die Dialoge, wenn die Angestellte von Privatdetektiv Sam im Auftrag von G-Man Jerry Cotton das nächste potentielle Opfer der Killerbande mit nach Hause in die Berliner Plattenbausiedlung nimmt, die wieder einmal als Großstadtkulisse herhalten muss. Ganz zu Beginn des Films hetzt Cotton noch einen anderen Verbrecher, sozusagen als Aufmerksamkeit haschender und überaus actionreicher Auftakt ohne jeden Sinn und Zweck für den weiteren Verlauf des Werks, mit viel Peng! Peng! um die teils noch im Rohbau befindlichen, teils bereist erstbezogenen Häuser. Und auch sonst kehrt man gern in die Betonwüste zurück, weil es wohl damals außerhalb dieser Anlagen noch weniger nach USA und Metropole von Weltruf aussah. Wie auch immer: Eine perfekt durchorganisierte Bande von Auftragsmördern macht dem FBI das Leben schwer. Die nur kärglichen Spuren führen nach San Francisco, wo sich nach allerlei Geballer und Gejage Jerry Cotton selbst als Zielscheibe für die Killer zur Verfügung stellt. Freunde entpuppen sich dabei als Feinde, ein Psychiater führt der Bande durch seine Tätigkeit neue Mordsvisagen zu und Totgeglaubte leben in diesem Film sowieso am längsten. Das Flimmerstück kommt ziemlich flott daher, es knallt an allen Ecken (auch ein kleines quäkendes Mädchen ist im Weg und muss dran glauben), die Handkanten fliegen den Tunichtguts klatschend ins Gesicht und Jerrys roter Jaguar ist im Dauereinsatz, wenn er nicht gerade mit kaputtgeschossenen Reifen in der Chaussee steht. Ohne diesen, und das fällt fürchterlich auf, kann Cotton nicht existieren. Den braucht er nach jedem Husarenstück als Ort des Friedens und der Entspannung so dringend wie McQuade sein Dosenbier in brenzligen Situationen. Wenig macht’s, das gemäß Reinls Geographie gleich neben dem Stadtkern von San Francisco eine Kiesgrube von gewaltigen Ausmaßen liegt, denn die wird in der zweiten Hälfte des Werks fast im Minutentakt angefahren und sieht so aus, als wären dort viele Jahre später auch FIREFLASH und METROPOLIS 2000 entstanden. Ein Blick in den Stadt- und Umgebungsplan von San Francisco hätte diese „Peinlichkeit“ wohl verhindert, der guten Stimmung jedoch tut’s keinen Abbruch. DER TOD IM ROTEN JAGUAR ist immer noch ein absoluter Cotton-Liebling – ganz einfach schon auf Grund der Tatsache, dass der Film wirklich 100%ig genau so aussieht, wie man sich die Verfilmung eines auf Billigpapier gedruckten Heftklammer-Romans aus der Bastei-Reihe bestenfalls vorstellen kann.
#279
Geschrieben 31. März 2006, 14:45
((BR) Deutschland 1965 – Alfred Vohrer)
Lord Curtain wird von seinen nächsten Angehörigen umgebracht, weil der Alte ein ziemlich großes Vermögen zusammengebatzt hat, auf das natürlich alle irgendwie irgendwo scharf sind. Um die Spur von der Familie abzulenken, schiebt man den Mord dem berühmt-berüchtigten Hexer in die Schuhe. Der bekommt im fernen Australien Notiz von der Angelegenheit und reist nach London, wo er wie der ungleich bessere Supergangster Fantomas ein Spiel mit Maske und Verstellung treibt. Der Hexer verbündet sich gar mit seinen Erzfeinden von Scotland Yard, so sehr ist ihm an der Aufklärung der verbrecherischen Tat gelegen. Und weil jemand sich nach dem Ableben von Lord Curtain gar durch die ganze Erbenliste mordet, gibt’s für alle jede Menge zu tun. Dabei geizt der Film nicht mit Überraschungen, die sich in erster Instanz durch die Maskerade des Hexers speisen und mit der auch Inspektor Wesby (einmal mehr Heinz Drache in einer durchweg schönen Paraderolle, dessen stachelig anmutendes Haar im Verbund mit seinem oft verkniffen wirkenden Gesicht ihm hier nun endgültig aussehen lässt wie den naseweisen Igel aus der Fabel) regelmäßig schön blöd und in die Irre geführt wird. Zwischendrin gibt es einige Spannungsmomente, die aber nicht sonderlich aus dem Film stechen. Das besorgen da schon eher die eingefügten Peinlichkeiten, bei denen sich des Betrachters „Hirn zur Faust“ ballt. So ist es gar nicht komisch, wenn der Hexer ein Nickerchen macht, während auf seiner Wampe das aufgeschlagene Wallace-Taschenbuch von NEUES VOM HEXER liegt, Eddi Arent als sein Adlatus den Raum betritt und auf die Frage des gerade erwachten Meisterverbrechers nach der Uhrzeit antwortet: „Seite 98, Sir.“ – „Oh, dann müssen wir uns beeilen, jetzt ist Charles dran.“ Weiaweia... [Anm.: Charles ist ebenfalls ein potentielles Opfer des Erbfolgenmörders, jedoch noch ein ziemlich grünes Bürschchen, zu dem noch zu sagen wäre, dass der 1965 für dieses Werk sicherlich den Preis als häßlichstes Filmkind des Jahres gewonnen hat.] Und wenn der Igel mit Namen Drache am Ende in die Kamera zwinkert und eine Fortsetzung der Mär „demnächst in diesem Theater“ ankündigt, hat das unterschwellig viel von einem Kommando, das kein Nein duldet. So langsam nerven überdies die immer wiederkehrenden Geschichten um Erbschaftsmord in den Wallazen gehörig. Keine Ahnung, ob sich die Taschenbücher auch vornehmlich mit derlei befassen, oder zumindest in diesen Rahmen noch etwas packerendes Beiwerk mengen. Und die Lust, dies herauszufinden, ist auch nach NEUES VOM HEXER absolut nicht vorhanden. Vohrers Film ist so wie Kinskis Rolle in ihm: Keine Höhen, keine Tiefen und hauptsache am Ende schön gestorben. Ob nun durch eine Kugel aus des Igels Waffe oder die blöden Kalauereien, das spielt in der Summe nun wirklich keine Geige.
#280
Geschrieben 02. April 2006, 19:51
(USA 1958 – Gene Fowler, Jr.)
Schon am Tag ihrer Trauung merkt die junge Marge, dass mit ihrem Bill so einiges nicht stimmt. Der nämlich wurde bei der Heimfahrt von seinem Junggesellenabschied in einer ganz vortrefflichen Absturzkneipe von einem Alien aufgehalten, in schwarzen Qualm gehüllt und ist seitdem nur noch ein reichlich emotionsloses Abbild seiner selbst. Marge entdeckt irgendwann im Film sein Geheimnis, als sie ihrem veränderten Bill nachschleicht, wie er beim Mutterschiff Bericht gibt. Dummerweise glaubt natürlich zunächst niemand ihren Beobachtungen - sei es, weil die Aliens bereits auch von der Ortspolizei Besitz ergriffen haben, sei es, weil man ihrer fantastischen Mär keinen Glauben schenken mag. Um sie herum häufen sich die merkwürdigen Ereignisse. Bills Saufkumpanen von einst werden nach und nach von den Aliens übernommen, eine weitere Heirat mit einem sich von Grund auf gewandelten Ehemann steht an und Marge versucht ganz vergebens, diese zu verhindern. Erst als sie sich in ihrer größten Not ihrem Arzt anvertraut, wendet sich das Blatt. Der schenkt ihr Glauben, hat sofort den totalen Durchblick und trommelt ein paar reinrassige Erdenmänner zusammen, mit denen er das versteckte Raumschiff der Unholde im Wald sucht. Zwischenzeitlich offenbart Marge ihrem Göttergatten, dass sie um sein Geheimnis weiß und erfährt von ihm die ganze schlimme Wahrheit: Die Aliens mussten von ihrem Planeten im Andromeda-System fliehen, weil ihre Sonne zu kollabieren drohte und bei Zunahme der Strahlung alle Weibchen eingingen. Deshalb machten sie sich mit ihren Raumschiffen auf, bewohnte Welten zu suchen und ihr Weiterleben zu sichern. Als Gebährmaschinen sollten nach der Übernahme der gesamten männlichen Population (nicht mehr, nicht wenger!) die Erdenfrauen dienen, nur war man noch nicht so weit, diese entsprechend der Erfordernissen der Andromedianer umzuformen. Und bevor dies noch geschehen kann, räumt der Doktor mit seiner Brigade und zwei deutschen Schäferhunden einmal ordentlich auf. Auf reinen Sauerstoff reagieren die Aliens ziemlich allergisch, sind sie doch nur irgendwelche Miefgase gewohnt, was sie ja zumindest formal in gewisse Verwandtschaft mit dem Umweltmonster Hedorah rückt. Optisch haben sie mit dem japanischen Riesenmonster natürlich nichts gemein, sind die Aliens in diesem Werk doch Zweibeiner mit besonders scheußlicher Visage und krüppeligen Armen. Großes Lob an die Effektabteilung! Für einen Film Ende der 50er Jahre sind die Tricks ziemlich ordentlich und auch nicht gerade undeftig. (Die gefangenen Menschen hängen wie später bei COMA an Drähten im Raumschiff und wenn sie aus ihrem Bann gelöst werden, zerblubbern die Alien-Doppelgänger in alle Graustufen des Schwarzweißbildes durchschreitenden Geschmodder.) Inhaltlich quetscht sich der Film gut zwischen Meilensteine wie DIE DÄMONISCHEN sowie INVASION VOM MARS und tobt sich in dieser Ecke des Paranoiakinos gehörig aus. I MARRIED A MONSTER FROM OUTER SPACE ist sicherlich kein solch großer Klassiker wie die beiden vorgenannten Filme, aber doch ein durch und durch stimmiger, sehr spannender und damit auch gelungener Beitrag zum SF-Film seiner Zeit. Besonders schön ist, dass der Film zu guten Stücken auf Atmosphäre setzt. Bereits beim toll gemachten Vorspann (die Erdkugel schiebt sich größer und größer werdend ins Bild, dazu 3D-Schrift und ganz tolle Musik) ist man voll dabei und lässt sich von dem Schauerstück nur zu gern gefangen nehmen. Und nicht zu vergessen wäre auch, dass zur Abwechslung mal eine Frau (Gloria Talbott spielt wirklich überzeugend und ist nebenbei auch noch sehr nett anzuschauen) in dem eher von Männern dominierten Werken jener Zeit die erste Geige spielt – zumal sie sich für den Zuschauer recht erfrischend von einem etwas hysterischen Weib zu einer auf offene Konfrontation setzenden Heroine entwickelt.
#281
Geschrieben 04. April 2006, 14:28
(Großbritannien 1973 – Jack Cardiff)
Donald Pleasence spielt den völlig durchgedrehten Professor Nolter, der Entwicklung und Überleben der menschlichen Spezies einzig in seinen Bemühungen sieht, Mensch und (fleischfressende) Pflanze miteinander zu kreuzen. Als Versuchskaninchen stehen ihm einige von seinem durch Elefantitis schrecklich entstellten Faktotum Mr. Lynch unfreiwillig herbeigeschaffte Studenten zur Verfügung. An ihnen nimmt Nolter irgendwelche Operationen und Strahlenschießereien vor. Am Ende sollen Blumenmänner und –frauen dabei rausspringen. Die Blumenkinder der 60er also einmal ganz wörtlich genommen. Apropos Kaninchen: Die bekommen Nolters Riesengewächse jeden Tag als Mittagsmahl, und zwar im ganzen zappelnden Stück! Da Prof. Nolters Experimente nicht gleich auf Anhieb funktionieren, darf sich Mr. Lynch am produzierten Fehlschlag gütlich tun – und das setzt er in seiner Freakshow auf dem Rummelplatz, die er zusammen mit seinem kleinwüchsigen Partner Mr. Burns betreibt, nur zu gern als „Wunderwesen aus Nepal“ ein. Burns weiß zwar von Lynchs nicht gerade feinem Doppelleben und nimmt die Verunstalteten gerne als zusätzliche Einnahmequelle in der Show auf, doch seine Zweifel wachsen. Verstärkt auch dadurch, dass sich Lynch sich nicht mehr als einer der „ihren“ betrachtet, da ihm Prof. Nolter als Lohn für seine treuen Dienste Hilfe bei der grausigen Krankheit in Aussicht gestellt hat. Es kommt, wie es kommen muss: Irgendwann gelingt das Experiment, ein fürchterlich aussehender Pflanzenmann schleicht durch London auf der Suche nach Nahrung, die Erduldung von Lynchs Erniedrigungen hat ein Ende, die grausamen Ereignisse überschlagen sich und auch Prof. Nolter kriegt – im wahrsten Sinne des Wortes – gehörig sein Fett weg.
Der Film fährt zweigleisig – und das recht gut. Einerseits will er als Hommage an Tod Brownings Klassiker FREAKS verstanden werden, andererseits als modernes Horrormärchen. Wie FREAKS bedient sich LABOR DES GRAUENS fast ausnahmslos (sieht man einmal von Mr. Lynch und dem verunglückten Nolter-Experiment ab) echter Menschen mit außergewöhnlichem Aussehen und Eigenschaften: Die Frau mit der Alligatorhaut, der kleinwüchsige Bretzel-Mensch mit seinen verdrehten Gliedern, das menschliche Nadelkissen, die Affenfrau, der Froschjunge, der scheinbar über keinerlei Knochen im Körper zu verfügen scheint, und natürlich Popeye, ein hühnenhafter Schwarzer, der – wahrhaft ein immer wieder ziemlich schockierender Anblick – seine Augen aus den Höhlen quetschen kann – alles garantiert echt und ohne doppelten Boden. LABOR DES GRAUENS feiert wie Browning in FREAKS den starken Zusammenhalt der von der Gesellschaft be- und verlachten Menschen in besonderem Maße und gibt sich auch nicht der Versuchung hin, diese als billige Attraktionen für seinen Film zu missbrauchen. Kerngeschäft ist und bleibt trotz der für sich genommen überaus beeindruckenden Zugabe der Plot rund um den Mad Scientist, den Pleasence mit einiger Zurückhaltung, aber doch durchweg glaubhaft vermittelt. Allein das Pflanzensammelsurium in seinem Keller und der Venus-Fliegenfallen-Mann als Resultat seines Schaffens rechtfertigen bereits den Genuß des Films in vollen Zügen. Und der ist durch immer wieder eingeflochtene Zeitrafferbilder wachsender Pflanzen sowie eines höchst unüblichen Soundtracks und auch der Tatsache, dass er einfach viel von dem zu bieten hat, was einen echten Horrorfilm aus den 70ern so reizvoll macht (inklusive einer ziemlich harschen Grundstimmung) auch jederzeit eine Entdeckung oder ein Wiedersehen wert. Bei der DVD von LABOR DES GRAUENS kommt neben satten Farben und einer brillanten Bildschärfe vor allem auch die Toneffekte des Werks voll zur Geltung. Ohne das damals noch relativ neue Sensurround zu nutzen, sind alle Aufnahmen von Nolters Höllenkammer wie wenig später die Katastrophenszenen in ERDBEBEN mit wabernden Tiefbässen unterlegt, die leichtes Unwohlsein hervorrufen können und somit die Bilderpracht aus Blumengekröse und Strahlenexperimenten äußerst effektiv unterstützen. Man fühlt sich wie ein wenig wie mittendrin und voll dabei. Da ist es fast schon als kostenlose Dreingabe zu verstehen, dass LABOR DES GRAUENS mit Brad Harris, Michael Dunn und Julie Ede auch noch wirklich erstklassig besetzt ist. Der Film macht nach wie vor wirklich ganz enormen Spaß.
#282
Geschrieben 08. April 2006, 08:18
George Eastman ist eher Laubenpieper als Grim Reaper mit einer schönen Villa als Refugium und blöden Touristen an Stelle der obligatorischen Tomaten. Saftig sind beide Gewächse, weshalb es keinen Unterschied macht, in welche er nun beißt. Sowieso ist in MAN-EATER ja so gut wie alles austauschbar – angefangen vom Schauplatz, über die Darsteller gehend bis zu seinem immerhin herrlich grunzenden und schnaufenden Fressmonster, zu dem allerdings zu sagen wäre, dass der Eastman den Part ganz wunderbar spielt, wenngleich man ihn noch lieger in irgendwelchen Italo-Western oder als Endzeit-„Big Ape“ auf der Leinwand sieht.
Im Gedächtnis bleibt der D’Amatos Film nur wegen dreierlei: Der schönen Erinnerung an die wilden Kinojahre der frühen 80er mit Schachtelkinos voller filmischer Ungeheuerlichkeiten, Serena Grandis Karniggel-Fötus und natürlich Massaccesis schaurige und damit gelungene Ausflüge in die Karamanlis-Villa bei einer Gewitternacht und in die dunklen Katakomben – beides unterlegt mit zugegebenermaßen nicht besonders toller, dafür aber umso wirkungsvollerer Musik von Marcello Giombini.
Es ist erstaunlich, wie arg der Film doch leidet, je perfekter seine Form wird, mit der er im Digitalzeitalter ankommt. Statt hellerem Grauschleier in dunklen Szenen (dabei man die sich noch bewegenden Augenlider der in den Ecken gammelnden „Leichen“ bestens sehen konnte) und herrlichem „Filmregen“ in taglichten Momenten gibt es jetzt saubergeleckte Bilder und durchweg satte Schwärzung in den Nachtaufnahmen. Die Perfektion in der Aufarbeitung nützt insbesondere besagter Villa- und Katakombenszenen stimmungsmäßig enorm, auf der Strecke aber bleibt das nostalgische Moment, bei dem das Auge aus dem Schnipp und Schnapp der auch sonst mit zahlreichen Einsatzspuren behafteten deutschen Fassung ständig auf der Suche nach dem Besonderen war. Das hat sich nun erledigt, weshalb es mittlerweile schwer fällt, MAN-EATER anzusehen, ohne dabei angesichts der trockengelegten Gruselwelt zumindest kurz einzunicken und dadurch einige selten uninteressante Passagen zu überbrücken, wovon es gerade in der ersten Hälfte des Werks auch nicht gerade wenige gibt. In der zweiten Hälfte geht es mit dem Film dann nach wie vor bergauf, da funktioniert er auch heute noch recht anständig, weil neben einigen eher peinlich anmutenden Schockereien auch stimmungsmäßig ganz gut Gas gegeben wird. MAN-EATER ist von den Horrorfilmen D’Amatos sicherlich nicht sein schlechtester Beitrag – und dass der gute Mann durchaus Wert auf wirkungsvolle Bilder legt, kann man ihm auch nicht gerade absprechen, sind es doch gerade die, die seinen Film überhaupt funktionstüchtig machen und nicht etwa die läppischen Grausamkeiten, die im Vergleich zu den unter weit größerem Dampf fahrenden Zombie-Eskapaden der Zeit doch gewaltig zurückstehen. Grund genug also für den deutschen Verleih aus dem Film mehr zu machen und eindringlich vor dem Bekloppten auf der Insel zu warnen, der bereits auf dem besonders „gelungenen“ Hauptplakat sein eigenes Gedärm verputzt als gäb’s kein Morgen.
Interessanterweise wurde mit D’Amtos eigenem SADO seinerzeit ja sehr ähnlich verfahren, bei dem ganz besonders eindeutige Aushangbilder verleihseitig mit großen Verboten!-Balken überklebt wurden und die Empfehlung auf dem Plakat prangte, eingedenk der im wahrsten Sinne offenherzigen Bilder nur Zuschauer über 21 Jahren den Zugang zum Werk zu gestatten. Beide Kampagnen verfehlten (zumindest bei mir) ihre Wirkung nicht und trieben mit ihrem Reiz des ganz besonders Schlimmen das Interesse wirklich auf die Spitze, was – zumindest im Fall von MAN-EATER – nach absolvierten Filmgenuß eine durchaus herbe Enttäuschung mit sich brachte. Doch die ist durchaus verwindbar und man kann bei einem Wiedersehen in gebührenden Abstand durchaus seinen Frieden mit dem Film machen, der mehr von seinem Ruf als seinen Qualitäten lebt und bei dem unlängst die (unfreiwilligen) Lacher die Oberhand gewonnen haben.
#283
Geschrieben 08. April 2006, 15:32
(Italien 1977 – Enzo G. Castellari (Enzo Girolami))
“Watch it, Kartoffel!” sagt Peter Hooten unter allerlei Kanonengefuchtel irgendwann im Film zu Raimund Harmstorf, was ja auch ganz stimmig ist, hat sich Harmstorf als Kartoffelquetscher unlängst bewährt und trägt diesen Spitznamen also zurecht. In der ungekürzten und rund eine Viertelstunde mehr Bumm-bumm machenden Fassung des Films ist ganz ungeheuer was los: Nachdem Bo Svenson als Sgt. Yeager mit seiner bunten Gefangenentruppe dem Militärknast entkommen konnte, will sich der Haufen in die Schweiz durchschlagen, mischt allerdings unterwegs versehentlich eine als deutsche Einheit getarntes US-Sonderkommando auf und tritt an dessen Stelle, nachdem der Irrtum Aufklärung gefunden hat. Um sich ihre nicht so blütenreinen Westen wieder reinzuwaschen, übernehmen Yeager und seine Männer ein Himmelfahrtskommando, bei dem die geheime Steuerungseinheit der V2-Rakete aus einem bestens bewachten Geheimlabor eines Spezialzuges gestohlen werden soll. Dabei läuft natürlich nicht alles gänzlich reibungslos, was Anlass für allerlei wirklich brachiale Action ist. EIN HAUFEN VERWEGENER HUNDE ist quasi ein Mischmasch aus Castellaris eigenem und bereits im höchsten Maße krachenden Actionwestern TÖTE ALLE UND KEHR ALLEIN ZURÜCK und Versatzstücken aus WWII-Knallern wie DAS DRECKIGE DUTZEND sowie Einsprenglern der beiden in diese Kerbe schlagenden Werke von Brian G. Hutton. In der Summe gibt das einen wirklich enorm sehenswerten Film, der vor allem auch deswegen Eindruck schinden kann, weil er mit einem ganz und gar nicht kleinlichem Aufwand entstanden ist. Gut, die Explosion der Eisenbahnbrücke ist nicht so berauschend gelungen und das Finale im kleinen französischen Bahnhof ist Märklin in Perfektion, aber ansonsten wird hier schon ziemlich geklotzt und das Bild üppigst gefüllt. Das Zusammenspiel von Bo Svenson, dem wie aus Eisen geraspelten Fred Williamson und Raimund Harmstorf macht – jedenfalls so lange Harmstorf dabei ist, was ja leider nicht ewiglich dauert – ganz gewaltigen Spaß. Wie in TÖTE ALLE gibt es auch einen komischen Charakter, der bei dem ganzen Tohuwabohu aber durchaus nicht unangenehm auffällt. Bislang nie in der Originalfassung gesehen, macht es zusätzlich sehr große Freude, wenn Bo Svenson und Donal O’Brien sich auf Deutsch um ein Auto für einen angeblichen Gefangenentransport streiten. Deutsch (und auch Französisch) wird sowieso gern - und überdies recht gut - in dem Film gesprochen, ohne dass man gleich mit einer Untertitelkeule erschlagen wird. Wenngleich dies dem HAUFEN VERWEGENER HUNDE zwar auch nur bedingt den Anstrich von Authentizität gibt, ist aber auch hier die Mühe zu verspüren, die man sich mit dem ganzen Film durchaus gegeben hat. Ganz, ganz große Klasse. Herr Tarantino wird sich bei seinem Remake (oder meinetwegen re-imagining) ziemlich anstrengen müssen, um an diesem Kracher auch nur ansatzweise heranzureichen.
#284
Geschrieben 17. April 2006, 22:47
(Großbritannien 1959 – Sidney Hayers)
Der Gesichtschirug Dr. Rossiter muss aus England fliehen, weil ihm ein arger Kunstfehler unterlaufen ist. Nach Frankreich führen ihn die Wege. Dort läuft ihm prompt ein kleines Mädchen über den Weg, dessen Gesicht von einem Bombensplitter verunstaltet wurde. Der liebende Vater der kleinen Göre macht Rossiter, weil kein Bares vorhanden, zum Kompagnon seines Wanderzirkuses, nachdem er das Gesicht des Mädchens in einem Feld- und Wiesen-OP wieder hübsch und ansehnlich gemacht hat. Doch Rossiter, den die Großmannssucht unlängst kräftig schüttelt, hat viel mehr vor. Durch seine Hände will er verunstaltete Weiber, derer es in Frankreich merkwürdigerweise wohl an jeder Ecke zwei Handvoll gibt, zu neuer Schönheit verhelfen, wenn sie sich dem Zirkus ihr Leben lang verschreiben und fortan Frondienste in der Manege leisten. Und wehe, wenn eines der Mädchen mal das Ansinnen überkommt, Rossiters inszwischen zu gehörigem Ruhm gekommene Attraktionenshow zu verlassen. Dann setzt es tödliche Unfälle, angesichts derer die Polizei regelmäßig in die Röhre guckt, weil man Rossiter nichts Böses nachweisen kann. Eines Tages kommt aber ein cleverer Journalist der dunklen Vergangenheit Rossiters auf die Schliche – und dann ist da ja auch noch das entstellte Mädchen aus England, das über die Jahre zu einer ziemlich einflussreichen Persönlichkeit des öffentlichen Lebens geworden ist...
DER ROTE SCHATTEN ist ziemlich durchgedreht und völlig frei von Sinn und Verstand. Und mit Logik ist dem Streifen schon mal gar nicht beizukommen. Das schert allerdings mal wieder so rein gar nicht, weil DER ROTE SCHATTEN auch so nur Trümpfe auf der Hand hat, die derlei Kleinkariertheiten locker stechen. Anton Diffring gibt den Gesichtsklempner in all seinen Facetten ganz besonders schön und schäbig, ein paar tolldreiste Morde sind ebenfalls auszumachen und – obwohl mir persönlich Filme im Zirkusmilieu eigentlich überhaupt nicht schmecken, weil diese immer brutal öde Fernsehabende mit den STARS IN DER MANEGE in Erinnerung rufen – auch der ganze Rahmen stimmt. Donald Pleasence ist nur kurz und stets besoffen zu sehen, wird dann von Anton Diffring dem Bären vorgeworfen, der sich, auch ohne genau hinsehen zu müssen, als geringverdienender Produktions-Leckebusch im Fellkostüm entpuppt. Auch das natürlich ein Pluspunkt des Films, der trotz aller offensichtlicher Defizite derart knochenernst dargeboten wird, als ginge es um Leben und Tod. Liebeleien, Techtelmechtel und Eifersüchteleien bringen dann Diffrings Kartenhaus aus sadistischen Hanswurstiaden zum Einsturz, wobei der Film auch hier kräftig an der Spannungsschraube dreht und so rein gar nicht an Fahrt verliert, wie man es doch angesichts derlei Gefühlsverzärtelungen in einer Schock- und Schauermär zunächst vermuten würde. DER ROTE SCHATTEN ist ein rundum starkes Stück Film, das seine sicherlich allergrößte Wirkung daraus zieht, dass er von vorn bis hinten so aussieht, als hätte man einen eigentlich eher strunzblöden Groschenroman selten gekonnt auf Film gebannt.
#285
Geschrieben 19. April 2006, 22:50
(Großbritannien 1978 – Kevin Connor)
Weil dem stets schwarzgewandeten Magier Alquazar der Sinn nach absoluter Macht steht, beauftragt er den unwissenden, jedoch mit allen Wassern gewaschenen Prinzen Hassan ihm eine mächtige Kristallblume zu beschaffen, die, gut behütet und bestens versteckt, der Schlüssel für alles aus den Weg räumenden Zauberspuk und Hokuspukus ist. Mit dem fliegenden Teppich, einem jungen Freund, der wohl nicht von ungefähr die Rolle des Sabu aus DER DIEB VON BAGDAD einnimmt, und einem Aufpasser Alquazars macht er sich auf den Weg. Als er die kostbare Kristallblume allerdings endlich kassiert hat, setzt es Mordanschläge und Diebereien. Am Ende verbündet sich Hassan mit dem Straßenvolk und heizt – der Macht der Blume sei dank – mit einem ganzen Geschwarder fliegender Teppiche dem sinistren Unterdrücker und seinen Teppich-Troopern fürchterlich ein.
Christopher Lee sieht mit seinem schmucken Schwarzkittel aus wie die 1001-Nacht-Version von Darth Vader, und auch sonst bedient man sich gern beim Lucas’schen Werk, was ja an sich noch nichts unmittelbar Schlechtes verheißt. Lasergeblitze gibt’s auch und gegen Ende gar ein Flugduell in den engen Gassen der Stadt Jadur, was nicht übel an den Finalangriff auf Vaders Todesstern erinnert, allerdings tricktechnisch nicht unbedingt sauber gelöst ist. Das gilt auch für den Rest des Films, der nur einmal zu richtiger Größe aufmarschiert, und zwar in dem Moment, wo Connor die riesigen mechanischen Monster auf der Insel der Kristallblume zum Leben erwecken lässt. CAPRONA und DER SECHSTE KONTINENT sind da gar nicht mal so weit weg, obwohl man Connor durchaus bescheinigen muss, dass er seine Viecherei der vorangegangenen Filme mit den Roboterdingern durchaus zu krönen versteht. Legt man beiseite, dass sich IM BANN DES KALIFEN ganz prächtig in den Garten der Filme pflanzt, die sich vom Dünger STAR WARS ernähren, liegt das Hauptaugenmerk einmal mehr darin, den Harryhausen raushängen zu lassen. Dabei hat man diesmal zusätzlich zu den optischen Unzulänglichkeiten ganz vergessen, dass die Harryhausen/Schneer-Kollaborationen zu nicht geringen Stücken auch durch die liebevoll gezeichneten Charaktere leben. Ganz anders da der Connor-Film, dessen Figuren dergestalt in dem ganzen Effektbombardement untergehen, dass es an Ende völlig einerlei ist, ob es nun den Guten oder Bösen an den Kragen geht. Abgesehen von einigen wirklich tollen Ideen ist IM BANN DES KALIFEN allein deshalb auch 'ne ganz schöne Wurst.
Bearbeitet von Funxton, 26. Februar 2009, 13:15.
#286
Geschrieben 22. April 2006, 12:04
(Türkei 1975 – Natuck Baitan)
Der trotz finsterer Schnauze und einem als Bart ins Gesicht geklebten Fußabtreter als gut geltende König Solomon kloppt mit fettem Säbel alles nieder, was irgendwie nach Tyrannei und Aufstand riecht. Eines Tages jedoch verbündet sich der linkische Antoine mit irgendwelchen Tempelrittern, Wikingern und römischen Legionären und tötet Solomon. Der hat allerdings vorher sinnigerweise nicht nur seine Gemahlin, sondern auch bei einem nächtlichen Stelldichein Antoines Frau geschwängert. Die Königin haucht ihren letzten Atemzug aus, nachdem ihr Sohn im Laubwalddschungel vor der Feindesschar versteckt wurde. Antoine ist am Ziel und reißt die Macht an sich. Solomons Sohn wächst fernab der Menschen bei einem Rudel Löwen auf, von seinem Halbbruder ahnt er nichts, sprechen kann er auch nicht und rohes Fleisch und Löwenmilch ist seine Kost. All das ändert sich erst, als der Löwenmann erwachsen, mit herkulischen Kräften gesegnet ist und mit Gebrüll und Riesensätzen auf Antoines tyrannischen Truppen losgeht, die die Bevölkerung schikanieren, wo es nur geht. Da lernt er, nicht zuletzt wegen der entflammten Liebe zur schönen Rebellen-Tochter Aida, sprechen, Schwertkampf und akzeptable Manieren, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Und seinen Halbbruder erkennt er durch Aidas Mithilfe auch, hat der doch genau so ein Muttermal auf der Schulter wie der Löwenmann und welches aussieht wie ein arschgeweihter Löwe mit Krummsäbel. Beim ersten Überfall auf Antoine werden Löwenmanns Pranken mit Säure verätzt, weshalb ihm ein Hufschmied binnen einer Nacht neue Stahlpranken zimmert, mit denen es dann erst recht fürchterlich zur Sache geht, während im Hintergrund der Soundtrack pausenlos in Endlosschleife ein fröhlich vor sich hin bombastierendes Musikstück schmettert, das hinten wie vorne nicht zum Film paßt, das Hirn aufweicht und vielleicht wegen diesen beiden Eigenschaften so großartig ist. Der deutsche Videoanbieter dieses Rührstücks nennt sich Miracle und hat sich – ganz dem großen Vorbild HOLLYWOOD BOULEVARD folgend – auf die Fahne geschrieben: „If it’s a good film ...it’s a Miracle!“ Das zeugt von nicht gerade wenig Humor und auch ein Gran Feinsinnigkeit, denn LION MAN hat durchaus viele der typischen Miracle-Qualitäten zu bieten, wie man sie aus der Corman-Produktion kennt – abgesehen natürlich von Titten und Ärschen, wovon sich türkische Spezialitäten eh ziemlich frei zeigen. Aufgewogen wird dies aber durch eine ziemlich brutale Leistungsshow, die einfach alles bringt, was man sich nur wünschen kann. Löwenmanns unnachahmlicher Kampfstil verheißt ausnahmslos blutige Visagen, wobei es egal ist, wohin er schlägt. Ob Unterleib, Brust, Arm oder Bein – aus den Gesichtsporen der Opfer menstruiert das Rot augenblicklich. Im Getümmel sind die Feinde des Löwenmännleins gut auszumachen. Schlecht ist alles, was ein Kreuz auf der Kutte genäht bekommen hat oder sonstwie verdächtig römisch-katholisch aus der Wäsche schaut, gut alles, was einen Turban, einen Gesichtsteppich oder zumindest irgendeinen Lappen auf dem Kopf spazieren trägt. Ein wenig akrobatischen Schwertkampf gibt’s auch noch, und der sieht noch nicht einmal schlecht aus, mindestens aber so gut wie in den Karateklopper der tiefsten 70er Jahre made in Taiwan. Der größte Lacher sind natürlich die Kostüme, wobei die in bunten Gewändern gehüllten Legionäre mit Plastikhelme vom Kinderfasching auftreten und sich die wikingerisch angestrichenen Knallchargen mit groben Fellbehang vom freilebenden Schaf in anatolischen Hinterland warm halten. Somit erfüllt LION MAN auch alle Voraussetzungen als Kostümschinken durchzugehen – mit ganz viel Schinken im Rohzustand versteht sich. Sagenhaft!
#287
Geschrieben 24. April 2006, 07:51
Der sehr tragisch anmutende Horrorfilm mit Paul Naschy als Buckelmann Gotho ist eine der Sternstunden des spanischen Kinos überhaupt. Gotho wird gehänselt, geschlagen und generell verachtet – einzig wegen seines Aussehens und seiner etwas einfältigen Art. Nur die Liebe zur schönen Freundin eines anderen gibt ihm Trost und Sonnenschein. Als diese dann eines Tages stirbt, klaut er ihren Leichnahm und versteckt ihn in den tiefen Gewölben des Dorfes, die außer ihm niemand mehr kennt.
Kurz darauf lässt er sich mit dem finsteren Dr. Orla ein, der just für seine kruden Experimente zur Schaffung künstlichen Lebens den Geldhahn abgedreht bekommt hat. Dieser verspricht Gotho, dass er aus der Toten wieder ein quicklebendiges Ding macht, wozu er im Gewölbe auch gleich ein riesiges Forschungslabor einrichtet. Doch viel lieber als mit der Wiederbelebung von Gothos vor sich hinschimmelnder Freundin beschäftigt er sich mit der Schaffung künstlich gezüchteter Embryonen, die einen Riesenappetit nach Menschenfleisch an den Tag legen, weshalb Gotho dem wahnsinnigen Wissenschaftler Leiche um Leiche beschaffen muss, um das Ding bei Laune zu halten. Irgendwann haut Orlas ständig vor sich hingrunzendes und hinschreiendes (sehr schaurig!) Experiment aus seinem Kerker ab und der Doktor verliert auch noch den Rest seiner eh nur äußerst bescheidenen Bodenhaftung, was natürlich ausschließlich Übles nach sich zieht. Naschy richtet es mit Bärenkraft und Säurebad.
DIE STUNDE DER GRAUSAMEN LEICHEN ist perfekte Unterhaltung mit großen Klecken Blutmatsch und denkwürdigen und herrlich einfältigen Dialogen. An allen Ecken und Enden wird ständig Vollgas gegeben, wie man es sich kaum besser wünschen kann. Und trotz der eigentlich tolldreisten Story ist der Streifen dabei unendlich stimmungsvoll und mit vielen mal gruseligen, mal schockierenden Momenten angereichert. Je länger der Film rollt, desto düsterer und gruseliger wird er. Gibt es zu Beginn noch fröhliches Bierwetttrinken und Blasmusik (der Film soll in Österreich spielen), triumphiert am Ende nur Blutgier und Wahnsinn in Vollendung und ungemein schauriger Umgebung. Die Rolle des Gotho ist neben dem Werwolf Waldemar ganz sicher Naschys beste Rolle aller Zeiten. Ganze folgerichtig wurde der Streifen deshalb auch 1973 mit dem „Prix George Méliès“ geehrt, was viel über die Geschmackssicherheit der Franzosen aussagt.
Die lang angekündigte und endlich verfügbare deutsche DVD von DIE STUNDE DER GRAUSAMEN LEICHEN ist wie dereinst schon die sagenhaft schöne Spezialedition von BLUTIGE SEIDE ein ziemlich sensationell geratenes Vorzeigeprodukt auf allerhöchstem Niveau mit brauchbaren (und durchweg schwer unterhaltsamen) Extras, teilweise auch „versteckt“, wie man sie in solch einer Detailverliebtheit weltweit nur äußerst selten bekommt.
#288
Geschrieben 25. April 2006, 13:26
(USA 1945 – Joseph L. Mankiewicz)
Die junge aus bescheidenen Verhältnissen stammende Miranda reist als entfernte Verwandte auf Einladung zum Schloss Dragonwyck des vermögenden Lehnsherrn Nicholas Van Ryan. Doch da warten neben einem bislang ungekannten Lebenswandel in viktorianisch angehauchter Schickeria auch diverse nicht so schöne Dinge auf die junge Frau. Da wäre zum Beispiel die Sache mit der Verwandten von Van Ryan, die auf Dragonwyck Selbstmord verübt hat und zuvor noch grausame Rache an der Familie schwor. Und dann ist da auch noch Van Ryans Ehefrau, die ihm keine Kinder mehr gebären kann und eines Tages auf ziemlich mysteriöse Weise ums Leben kommt, worauf Nicholas Van Ryan Miranda augenblicklich schöne Augen macht und sie zu heiraten gedenkt.
DRAGONWYCK ist die erste Regiearbeit von Joseph L. Mankiewicz, bei der der Begriff Schauerromantik keine leere Worthülse ist. Bis zum Schluss weiß man weder, ob an den Geistersehereien wirklich etwas dran ist, noch kennt man Van Ryans Geheimnisse vollends. Dazu triefen im ganzen Schloss auch tagsüber tiefe Schatten von den Decken und überhaupt hat man den Eindruck, alles würde im Dämmerlicht eines ausklingenden Tages oder tief in der Nacht spielen. Neben einem stets brillanten Vincent Price in der Rolle des höchst unsympatischen Van Ryan und Gene Tierney als kleines dummes Ding vom Lande ist vor allem Walter Hustons Rolle als Mirandas Vater bemerkenswert. Der gibt den gottesfürchtigen Farmer nämlich so gekonnt, dass man nicht weiß, ob man angesichts seiner Betfreudigkeit und der von ihm bei jeder Gelegenheit abgefeuerten Bibelzitate sich nun den Bauch vor lachen halten soll oder in den Flur kotzen möchte. Auch in der alten deutschen Synchronfassung ist DRAGONWYCK ein wirklich wunderschöner Film ohne Wenn und Aber und immer wieder ein Erlebnis mit vielen tollen Bildern zum Sattsehen und exzellenter Musik von Alfred Newman.
#289
Geschrieben 26. April 2006, 13:03
(Italien/Spanien 1969 – Mario Bava)
Der Geschäftsführer eines pikfeinen Modesalons für Brautkleidung, John Harrington, hat gehörig einen an der Waffel, was er auch ziemlich gleich zu Anfang von Bavas Film aus dem Off zugibt und den Zuschauer damit zu seinem Komplizen macht. Immer wieder hört er des nachts Schritte und unheimliches Getapse – und dann muss er einfach das Hackebeil auspacken und mit diesem groben Werkzeug Verlobte und frisch Verheiratete bedrängen, deren Körper er nach einem befriedigenden Mordrausch im Ofen seiner Kleingärtnerei entsorgt. Die Polizei hält ihn zwar für verdächtig, aber nachweisen kann man ihm nichts, obwohl die Opfer ausnahmslos aus Modellen und Kundinnen seines Salons bestanden. Dazu kommt, dass John Harrington an traumatischen Kindheitserlebnissen leidet (an denen, wie sich herausstellt, er selbst gehörigen Anteil trägt) und sich seine Ehefrau Mildred nicht von ihm scheiden lassen will. Mildred macht ihm das Leben gehörig zur Hölle, schimpft, meckert und klagt in einer Tour, wenn sie sich nicht gerade mit okkulten Dingen befasst oder zu einer Séance eilt, bei der sie mit ihrem „ungezogenen“ ersten Ehemann plaudert. Dagmar Lassander sieht in dieser Rolle, die sie mit dauerhaft verkniffenem Gesicht darbietet, aus wie ein Spezialeffekt von Gianetto De Rossi. Hat man sich in dem Schauerstück erst einmal als Zuschauer einquartiert, gibt Bava Vollgas und überrumpelt mit schummrigen Erinnerungsfetzen seines Mörders und lässt die Lassander gar als unruhignr Geist ihren Göttergatten umschwirren. Man fragt sich unentwegt, ob dies nun alles der von vollkommenen Wahnsinn durchsetzten Einbildung Harringtons entspringen soll, oder ob Bava die Spukshow durchaus ernst meint. Eher wohl Letzteres, was dem Film einen zusätzlichen Kick verleiht.
Mit der DVD kam auch eine weitaus größere Freude an diesem Werk von Bava zurück als seinerzeit mit der Kassette, denn die alte VHS mit dem dümmlichen Cover und dem „eingedeutschten“ Titel RED WEDDING NIGHT samt luschigen Farben und ausgelutschten Bildern, war sicher gut gemeint, aber eben nicht der Weisheit letzter Schluss. Bavas Filme verlangen nach mühevoller Umsetzung, um ihre Wirkung voll entfalten zu können, was adäquat wohl erst größtenteils auf DVD möglich zu sein scheint. Wie auch in anderen Fällen lebt der Film zu einem guten Teil von seinen tollen Bildern, der nicht immer ganz einfachen Filmmusik und der daraus resultierenden Stimmungen. Obwohl in einem ganz ähnlichen Umfeld angelegt wie BLUTIGE SEIDE mit vielen wallenden Kleidern und Modellen in aufreizender Unterwäsche, gibt sich HATCHET weitaus weniger verspielt, konzentriert sich dafür aber ganz auf Charakterzeichnung und einige hochdramatische Spannungsmomente, die, wenn sie erst einmal da sind, dann aber auch so richtig sitzen. Und das macht in der Summe ebenso viel Spaß wie die schönste Szene des Films, in der Stephen Forsyth grell geschminkt und mit Brautschleier über eines seiner Opfer herfällt. Mit derlei Knallern im Gepäck lässt es sich gut verschmerzen, dass der Streifen ebenfalls nicht zu Bavas größten Würfen gehört.
#290
Geschrieben 29. April 2006, 14:59
(Großbritannien/(BR) Deutschland 1966 – John Llewellyn Moxey)
Zunächst geht’s einmal um einen Überfall auf einen Geldtransporter, bei dem rund Zwohundertfuzzigtausend englische Pfund abhanden kommen, ein Wachmann erschossen wird und die Polizei gehörig im Dunkeln tappt. Als dann die ersten Spuren zum Winterquartier eines munteren Zirkus führen, stellt sich heraus, dass dort auch noch einige Leichen im Keller weilen, die nicht nur ausschließlich mit dem Überfall in Verbindung zu bringen wären, sondern sich auch noch um eine Rachemär scharen, in die Christopher Lee und Heinz Drache verwickelt sind. Neben Lee und dem Wallace-Igel machen auch Herr Kinski und Ulknudel Eddi Arent ihre Aufwartung, was für den deutschen Verleih, die Constantin, ja auch schon ausgereicht hat, angesichts dieser vorbelasteten Besetzung und der ähnlichen Machart gleich etwas von Wallacespannung zu faseln und den Film, obwohl in Farbe und Scope gedreht, lediglich in Schwarzweißabzügen vorzuführen. DAS GEHEIMNIS DES SILBERNEN DREIECK ist in der Tat sehr ähnlich gestrickt wie die „echte“ Krimischau aus Rialto-Deutschland und bietet auch den großen Vorteil, dass man sich eine Nachsynchronisation – wie sonst so oft – gespart hat und Arent, Kinski und der Igel selbst Ausländisch plappern. Anfangs tut sich der Film etwas schwer, wirklich packend zu sein, aber recht betulich ging es ja auch bereits bei Moxeys STADT DER TOTEN zu, der sich dann nach genommener Hürde zu einer richtigen Bombe entwickelt. Hier ist es ganz ähnlich, wenngleich man das Gefühl nicht gänzlich beiseite geschoben bekommt, dass zwischendrin der rote Faden des Ganzen etwas verloren geht und Arents Späßchen hin und wieder Überhand nehmen. Der Schluss überzeugt dafür mit einer Auflösung mit Knalleffekt und viel Getöse, bei der alles in Haudraufmanier zusammengeführt wird, was sich wohl nicht anders machen ließe eingedenk der Tatsache, dass für das Drehbuch zwei Wallazen-Stories verbraten wurden. Christoper Lees Rolle in den Film ist derart gestrickt, dass er die meiste Zeit mit schwarzer Kapuze auftritt. Wenn er sein angeblich wegen eines Raubtierangriffs bis zur Unkenntlichkeit entstelltes Gesicht dann endlich präsentiert, ist die Ernüchterung ähnlich groß wie die, die man aus FRANKENSTEINS TODESRENNEN kennt. Da war ja mit dem zusammengeflickten Frankenstein auch nicht sonderlich viel, weil unter dem schwarzen S/M-Käppchen einfach ein unbehandelter David Carradine steckte. In Moxeys Film hat das natürlich eine andere, für den Ausgang der Mär wichtige Bewandnis, wobei es vermessen wäre zu sagen, dass DAS RÄTSEL DES SILBERNEN DREIECK deshalb auch der bessere Film ist. Ein direkter Vergleich verbittet sich ja allein schon aus formalen Gründen.
#291
Geschrieben 03. Mai 2006, 14:00
(Indonesien 1981 – H. Tjut Djalil)
Die dumpftrötige amerikanische Studentin Kathy Keen (toller Name) reist nach Indonesien, wo sie mit der Hilfe ihres dort lebenden Freundes Hendra die magischen Rituale des Landes erkunden möchte, um darüber dann ein hochwichtiges Buch zu schreiben. Hendra verschafft Kathy ein Treffen mit einer Hexe tief im Urwald, die sich mit allerlei spitzem Gekicher ankündigt, weil sie nunmal zum großmeisterlichen Kreis der Lach-Leyaks gehört, einer besonders mächtigen Hokuspokusabteilung der balinesischen Zauberstube. Nachdem man sich handelseinig geworden ist, Kathy in der nächsten Nacht ein paar selten doofe Tänze mit viel Armverrenken absolviert und sich vor dem Hutzelweib nackt ausgezogen hat, kriegt sie dies und das beigebracht, was allerdings nur dazu führt, dass ihr Kopf beginnt ein merkwürdiges Eigenleben zu führen, sich fortan jede Nacht aus dem Rest des Körpers mitsamt Rückgrat und Lunge verabschiedet und auf Beutetour geht bzw. fliegt. Denn für jede Verwandlung muss jemand sterben. Das geht dann so weit, dass Kathys reißzahnbewehrter Fliegekopp maneatermäßig über eine Schwangere her und dieser zwischen die Beine fällt und nicht nur das Kind wegsaugt (wohin auch immer), sondern die arme Frau dabei auch tötet. Hendra besabbelt sich mit seinem Onkel, der ebenfalls in magischen Dingen sehr kundig ist, und der weiß immerhin zu berichten, dass einzig ein ganz großer Gegenzauber Kathys Bann brechen kann. Es folgen Mantra vs. Leyak, die Vernichtung der alten Hutzelhexe, Tolldreisterei und Hanswurstiade, Hexenspuk á la SOMETHING WEIRD mit viel Effekteinsatz, wie man eben aus indonesischen Großproduktionen so gewöhnt ist. MYSTICS IN BALI geht dabei mindestens so weit, wie man es bereits aus THE WARRIOR mit Barry Prima und ähnlichem Grobgekröse kennt und manchmal legt Djalil sogar noch ein Effekt-Brikettchen drauf, damit auch noch das letze Quentchen Logik in Flammen aufgeht und dem Geschmack der frühen 80er Jahre Genüge getan wird. Am Ende steht man deshalb auch etwas ratlos da, fühlt sich aber immerhin bestens unterhalten. Es lässt sich nur schwer von der Hand weisen, dass der ganze Film aussieht wie dahingeschludert und das schmucke Scope-Format wohl nur deshalb gewählt wurde, damit MYSTICS auch von weitem noch als Kinofilm identifizierbar bleibt. Dass der Film nicht sonderlich perfekt ist und bei den Schmodderszenen durchaus noch etwas Nachhilfe nötig gewesen wäre, nimmt man billigend in Kauf, da allein die verarbeitete Ideenflut des Werks Film die eigentliche Sensation ausmacht, weshalb man Djalils Film trotz allem Rotz auch ungemein gerne ansieht. MYSTICS dürfte in seiner Filmografie (zumindest der bislang im Westen erkundbaren) ganz sicher einen der Spitzenplätze einnehmen. Und das ist ja angesichts der zuweilen schwerst abenteuerlichen Eskapaden, die man so von ihm kennt, eine gar nicht zu unterschätzende Leistung.
#292
Geschrieben 06. Mai 2006, 14:09
((BR) Deutschland 1963 – Harald Reinl)
In DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER war Chris Howland als komisches Element Arent’scher Prägung in der Rolle eines trocken witzelnden Geräuschesammlers unterwegs. Dieses Amt bekleidet in DER WÜRGER VON SCHLOSS BLACKMOOR der nicht minder kanonenhafte Walter Giller, der als verarmter Schlossherr mit Kilt und unterkühltem Getue Auftritt feiert und sich ganz der Aufzeichnung von Vogelgepiepe auf Tonband verschrieben zeigt. Vermietet hat er sein Schloss an den neureichen Lucius Clark, der aus gutem Grund unter Verwolgungswahn leidet. Denn im Keller lässt er von seinem zwielichtem Diener Rohdiamanten dubioser Herkunft zu kostbaren Edelsteinen schleifen. Als wissender Neider ist ein maskierter Würger unterwegs, der Clark bedroht und verhindern will, dass kein einziger Stein das Schloss verlässt. Zum Ende gibt es noch Gerangel um einen Sohn aus Clarks Seitensprung und freudiges Gebuhle um Clarks schmucke Tochter, die als Reporterin einer Zeitung unterwegs ist und dem Inspektor schöne Augen macht. Harry Riebauer spielt den Glückspilz, der Karin Dor am Ende in die Arme schließen darf, was seine Figur nicht gerade sympathischer macht, die er mit einer gnadenlosen Hölzernheit zum besten gibt. Trotz der Tatsache, dass es viel Gewühle in unterirdischen Stollen gibt und der Inspektor bei der Verfolgung des maskierten Phantoms gar mal brennend von einer Brücke hüpfen muss, kurzum: Action aller Art redlich bemüht wird, täuscht das kaum darüber hinweg, dass Reinls Film ein ganz schöner Zusammenhau ist. Warum und wieso der Killer mordet, erschließt sich zuweilen im Einzelfall ebenso wenig wie der Umstand, was es mit den Diamanten überhaupt auf sich hat. Die spielen dann am Ende wohl auch nicht umsonst keinerlei Geige mehr, obwohl eingangs ein Mordsgeschiss darum gemacht wurde. Erklärungsnotstände sind kein gutes Aushängeschild für einen Krimi. Eben so wenig ein etwas sehr nervtötender Bontempi-Minimalsoundtrack, der bei einigen Gelegenheiten, wie beispielsweise den Szenen in der heruntergekommenen Spelunke, in der die Diamanten zunächst noch umgeschlagen werden sollen, die eh nur zaghaft aufkeimende Stimmung zu ruinieren droht. Von Spannung ganz zu schweigen, die dem Film ebenfalls fürchterlich abgeht. Ziemlich uninteressant.
#293
Geschrieben 07. Mai 2006, 18:13
Manchmal genügt es schon, dummerweise im Auto zu sitzen, stundenlang über eintönige Autobahnen zu fahren und dabei das Autoradio wegen der Verkehrsdurchsagen laufen zu lassen, wo man dann irgendwann im Einerlei der schleimigen guten Laune und dem Hitgedudel einen Song erwischt, mit dem man zwar nie recht was hat anfangen können, der einem über die Jahre aber so weit hinten ins Gebälk gerutscht ist, dass er sofort sehr starke Assoziationen hervorruft. „All Night Long“ vom ewig jammrigen Lionel Richie plärrte und dann war mit voller Wucht mitten im kalten Winter der Sommer wieder da, eben jener des Jahres 1983, der so warm war und voll mit tollen Filmen. Während draußen die Leute an der Eisdiele anstanden, die Gepäckträger ihrer Fahrräder voll mit Schwimmbaddecken und Badezeugs, der Asphalt der Hauptstraße in der Hitze flirrte, kaum ein Auto fuhr und auch sonst die Ruhe eines jener sterbenslangweiligen Sonntage vorherrschte, die in der Ferienzeit immer ganz besonders trostlos ausfielen, wurde im Kino die bereits im April unlängst mit nicht sonderlich großem Erfolg abgefrühstückte UNHEIMLICH VERRÜCKTE GEISTERSTUNDE geboten. Das nahm man bei der Gelegenheit doch gerne mit (und würde es jederzeit wieder tun) – trotz der Tatsache, dass die deutsche Kinoversion die Episode „Something To Tide You Over“ nicht bot und dementsprechend nur noch etwas über 90 Minuten lief statt zwei voller Stunden. Als Comic-Verfilmung ist GEISTERSTUNDE nicht nur deshalb interessant, weil das das Bilderheft erst nach dem Film entstand, sondern auch, weil der Film penibel der formalen Marschroute eines Comics folgt. Sei es nun die extravagante Ausleuchtung, die aussieht wie Getuscht, das Setzen der Bilder in Comicrahmen mit Textkasten, der Schnitt, der oftmals einem Umblättern gleicht, oder auch der Charakter der Geschichten, die sich in der Tat ausnehmen wie die legendären (und unlängst nachgedruckten) EC-Comics. GEISTERSTUNDE ist allein in diesen Belangen so perfekt gearbeitet, dass die Grenzen zwischen Comic und Film beinahe vollkommen verwischen und dennoch genug Platz im Korsett ist, mit einer Rahmengeschichte an die seligen Omnibus-Werke der Amicus zu erinnern. GEISTERSTUNDE macht großen Spaß mit seinen kleinen und außerordentlich kurzweiligen Rachegeschichten um einen untoten Familienpatriach, den kleinhirnigen Farmer, der sich in Moos verwandelt, dem sadistischen Videonarr, der Kiste einer Arktis-Expedition mit grausamen Inhalt
und natürlich dem ultrahygienisch lebenden Millionär mit seinem Schaben-Problem. Das alles wird untermalt von wunderbar arrangierter und auf die jeweilige Geschichte abgestimmter Musik von John Harrison, der hier eine weitaus beeindruckendere Arbeit abgeliefert hat als später zu DAY OF THE DEAD. Die fügt sich mit den ebenfalls eingestreuten Libary-Splittern (darunter ein kleiner Ausreißer Richtung NIGHT OF THE LIVING DEAD) sehr schön zusammen. Persönliches Highlight ist nach wie vor die letzte Episode des Films mit E. G. Marshall, der als Millionär Upson Pratt gegen eine Flut von Schaben kämpft, die sich auf ihre Art für die Ermordung ihrer Kameraden durch den permanenten Einsatz von Insektenspray bei einem nächtlichen Stromausfall bedanken kommen.
Die alte für die Kinoauswertung angefertigte Synchronisation fängt die Stimmung des Originals ziemlich gut ein, hält sich aber nicht immer unbedingt allzu genau an die Vorlage, was hier allerdings kaum stört. Weniger schön ist die lustlos heruntergeplapperte Neusynchronisation, die ganz deutlich aufzeigt, wie arg ein Film durch derartige Bearbeitung Schaden nehmen kann. In der OF oder der alten Synchronisation ist es schwer, von dem Film jemals genug zu bekommen, ist das Werk für Aug’ und Ohr doch in der Tat eine ziemliche Leckerei.
#294
Geschrieben 08. Mai 2006, 08:34
(USA 1971 – Carl Monson)
Nachdem sie am Straßenrand einen Typen plattgemacht haben, kreuzen die Biker E. J. und Will einen Tag und eine Nacht ziellos durch die Gegend. Dann sammeln sie am Straßenrand zwei Trullas auf, die sich für Joints und LSD gern mal auf den Rücken drehen lassen. Das wird den beiden nach einiger Zeit allerdings langweilig und so ziehen sie weiter, löschen einem Tankwart die Lampe und verfolgen schließlich die Hausfrau Laura und ihre Freundin Barbie bis zu Lauras trautem Heim, wo sie just in dem Moment als Überraschungsbonbon im Zimmer stehen, als Barbie Laura gerade ihren neuen BH vorführt. Gleich darauf erreicht Laura der Anruf ihres Mannes, der dahingehend Bescheid gibt, dass seine Dienstreise noch eine Woche länger in Anspruch nimmt. E. J. und Will sehen das als willkommene Einladung zu einer „Party“, bei der allerdings vornehmlich sie Spaß haben. Nach ein paar Tagen ist der letzte Alkohol gesoffen und den Trinen der Verstand gründlich aus dem Hirn gepoppt, dass diese bereits glauben, Gefühle und unstillbares Verlangen für die Eindringlinge zu empfinden. Da taucht des nachts plötzlich Lauras Mann auf und regelt die Sache kurzerhand mit dem Schießgewehr.
Monsons Film versucht gleich mehrere Bereiche abzudecken. Sex, Rape 'n Revenge und Biker – volle Packung im Grunde also. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf dem Zeigen von nackter Haut, wobei THE TAKERS die Grenzen zum Hardcore sanft zu streifen versteht. Das ist an sich ja nichts Schlechtes, bleibt aber leider qualitativ sogar ganz weit hinter einem Dietrich-Streifen zurück. Ganz zum Schluss offenbart sich Monson in der Rolle des Ehemanns als Fingerzeig der Moral. Und weil das bei so einem Film natürlich totaler Quatsch mit Soße ist, lässt er sein Schmierstück in den letzten Bildern auch zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Wahrscheinlich das Beste, was er hat machen können. Etwas merkwürdig und unpassend ist indes die unkommentierte Aussage des Films insbesondere dahingehend, dass Vergewaltigungen auch für das Opfer Spaß machen können (und Monsons Frauen sind für derlei ganz besonders empfänglich) und vielleicht das unausgesprochene aber durch entsprechende Bilder untermauerte Gesetz des Films, dass die Durchschnittsamerikanerin ganz Feuer und Flamme und unsagbar kirre wird, wenn man stundenlang ihre Brüste besabbert und den begossenen Fleischhügel dann gründlich durchknetet. Eine Erkenntnis, die man durchaus in einer gut verknoteten Lümmeltüte mit nach Hause nehmen kann, denn ansonsten ist da nicht wirklich viel da, was aus THE TAKERS herauszupicken lohnen würde. Möchte man noch etwas Gutes über den Film verlieren, dann vielleicht, dass der Streifen dank seines konsequenten Einsatzes witziger und vor sich hindudelnder Früh-70er-Mucke auch als Dauervideoclip ganz gut funktioniert – vorausgesetzt, man stört sich am Nackedei-Einerlei der Bilder nicht. Gesprochen wird in THE TAKERS eh kaum. Und wenn, dann reduziert sich das auf eher auf die an einen Porno gemahnenden Kommandos wie „Spread legs“ oder „Let’s fuck“. Ein komischer Film für komische Leute – dem Publikum, das diesen Film mit Genuß beigewohnt hat, möchte man irgendwie lieber nicht im Mondschein begegnen.
#295
Geschrieben 08. Mai 2006, 14:48
(USA 1996 – Buddy Giovinazzo)
Der im Kopf durch einen Unfall etwas langsame Joey kommt nach sechs Jahren aus dem Gefängnis und zieht zu seinem mittlerweile verheirateten Bruder Tommy in den miefigen Keller. Tommy allerdings ist ein ziemlicher Tunichtgut, der seine finanziellen Dinge nicht in Ordnung hat und sich mit krummen Drogengeschäften über Wasser hält. Seine Frau Lorraine steuert mit gelegentlichen Strip-Nummern für Tattergreise ihr Scherflein zum Überleben bei. Zunächst will Lorraine Joey nicht im Haus haben, dann aber entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden, an dessen Ende die Konfrontation mit Tommy steht. Für Tommy nämlich, der einst bei einem Einbruch einen Wachmann kaltblütig totgeschlagen hat, ist Joey in den Knast gegangen. Außerdem eskaliert zeitgleich Tommys Drogennummer und das Haus wird von skrupellosen Gangstern gestürmt, die Geld einzutreiben haben.
UNTER BRÜDERN ist weitaus weniger bedrückend als Giovinazzos COMBAT SHOCK, der ein ziemlicher Hieb in die Magengrube ist und dessen Schonungslosigkeit auch nach über 20 Jahren ihresgleichen sucht. Dennoch macht UNTER BRÜDERN ebenfalls keine Gefangenen und ist eine außerordentlich ungemütliche Erfahrung. In Stil und Stimmung gleicht das Werk eher Giovinazzos Romanen wie beispielsweise dem ungemein empfehlenswerten BROKEN STREET als seinem ersten Spielfilm, wirkt gereifter und macht allein durch die tolle Besetzung (Tim Roth in seiner besten Rolle) ordentlich was her, womit allerdings keinesfalls der Einsatz von Giovinazzo-Bruder Rick in COMBAT SHOCK Schmälerung findet, der dort wie hier auch wieder die Musik beigesteuert hat. Nicht nur als Drama, sondern auch als schonungslose Milieustudie ist der Film bestens zu gebrauchen und ist immer dann ganz besonders herausragend, wenn die Bilder dem Betrachter ziemlich in die Mangel nehmen und ordentlich wehtun, womit sich auch der Kreis zu COMBAT SHOCK schließt, bei dem aus jedem einzelnen 16mm.-Frame pure Hoffnungslosigkeit und Trübsal kleckert. Nach wie vor keine einfache Seherfahrung, aber eine ungemein lohnende. Schlimm, dass sich so ein talentierter Kopf wie Giovinazzo mit Fernsehgekröse wie TATORT und POLIZEIRUF 110 über Wasser halten muss.
#296
Geschrieben 11. Mai 2006, 08:37
(Italien/(BR) Deutschland 1967 – George Holloway (Giorgio Capitani))
Sam Cooper hat in den Bergen trotz aller Unkenrufe tatsächlich Gold gefunden, musste aber seinen gierigen Kompagnong ausschalten, der auf einmal nicht mehr mit ihm zu teilen gedachte. Und weil er auch noch seine Pferde verliert, muss er zu Fuß in die nächste Stadt zurückkehren und den gesamten Fund zurücklassen. Cooper traut nach dieser Erfahrung niemanden mehr und schickt nach seinem einstigen Ziehsohn, der allerdings prompt mit Kinski im Gepäck auftaucht, welcher sich erst wesentlich später als gesuchter Mörder im Gewand eines Priesters entpuppt. Da jedoch der undurchsichtige „Blonde“ für Cooper bereits von Anfang an nichts Gutes ahnen lässt, engagiert er zusätzlich aus der Not heraus einen alten Freund, mit dem er allerdings ebenfalls nicht mehr auf sonderlich gutem Fuße steht. Gemeinsam bricht man auf, aus den Bergen erneut Gold zu kratzen. Und da lassen natürlich allerlei unschöne Szenen nicht lange auf sich warten, zumal der Film die Umgebung des Westerns einzig zu einer Art Kammerspiel nutzt, bei der sich die schlimmsten Charakterzüge offenbaren und menschliche Enttäuschung größter Art vorprogrammiert sind. DAS GOLD VON SAM COOPER profitiert fast ausschließlich von dem mit viel Hintersinn von Fernandi Di Leo und Augusto Caminito kredenzenten Drehbuch und dem grandiosen Spiel seiner vier Hauptdarsteller, wobei sich Klaus Kinski nicht sonderlich anstrengen muss, um den hinterhältigen Bösewicht glaubhaft zu machen. Erstklassig auch George Hilton, dessen Verschlagenheit zwar etwas zu offensichtlich ausgefallen ist, den man aber in solch einer Rolle trotzdem durchaus gern sieht. Die Anleihen, die der Film streckenweise aus ähnlichem Gier- und Raff-Werk wie DER SCHATZ DER SIERRA MADRE nimmt, stören den Gesamteindruck des bildprächtigen Ganzen nicht einen Moment. Und den Rest aller Zweifel an diesem erstklassigen Film, sollten sie denn überhaupt bestehen, überrollt der wie immer erstklassige Soundtrack von Carlo Rustichelli mit wunderschönen Melodien aufs beste.
#297
Geschrieben 11. Mai 2006, 11:39
(USA 2002 – Mark Anthony Galluzzo)
Ein Schnösel lädt zu einer Abschlussparty, bei der alle Gäste nach und nach umgebracht werden. Keine große Überraschung, als der Gastgeber sich als Mörder entpuppt, will er doch beweisen, dass er das perfekte Verbrechen begehen kann und cleverer ist als alle Serien- und Massenmörder der amerikanischen Geschichte, von denen er während des kriminalpsychologischen Studiums an der Schule gehört hat. Zu beweisen, dass das Bengelchen doch nicht so ein helles Licht ist, bedarf es nicht weniger als 95 Minuten in PAL-Geschwindigkeit. Das ist natürlich für einen solchen Film mit so einem derartig luschigen Thema und nur einem Set, in dem sich dann alles abspielt, viel zu lang, weshalb es wenig verwundert, dass Galluzzo, der auch noch das Drehbuch zu diesem Unfug geschrieben hat und produzierte, nach einer runden Stunde die teure Zeit seiner Zuschauer damit vertrödelt, die höchst suspekt-unsympathsichen Knaller bei munterem Brettspiel zu zeigen. Danach wird es nicht viel besser – und davor war es das ja sowieso schon nicht. Dafür bemüht sich Galluzzo redlich, seinen Charakteren in unterschiedlicher Gewichtung so etwas wie ein verzwacktes Leben einzuhauchen, das der Zuschauer durch geduldiges Ertragen von äußerst bescheuerten Dialogen und blödem Getue enträtseln und dann „mitleben“ darf. Wenn das nicht interessant ist, dann weiß ich auch nicht... Vom gebotenen Schwachfug hat man jedenfalls ziemlich schnell genug, weil R.S.V.P. nicht wirklich etwas zu erzählen weiß und zu zeigen hat. Noch langweiliger wäre der Film gar noch geraten – und das ist wirklich mal eine Leistung! - würde der Streifen den Täter nicht vom ersten Moment an offenbaren, in den Mittelpunkt des Interesses rücken und den Zuschauer so zum Komplizen machen, sondern eher klassisch zum Miträtseln einladen. Die Partygäste in R.S.V.P. sind allesamt und ohne Ausnahme in ihrem Suff- und Drogengeprotze um Popperei und krude Tötungsphantastereien reinste Grottenolme, demzufolge es einem wahrlich piepegal sein kann, was mit ihnen schlussendlich passiert. Neues bringt R.S.V.P. nicht – außer der Tatsache, dass jeder aus dem Film gemordete Hanswurst und jede auf noch weniger als den Wert ihrer Möse (und damit unter Pornoniveau) zu reduzierende Trulla das Ende des langweiligen Unsinns eher erreichen lässt. Oder man schaut halt ungeduldig aufs Zählwerk. Das größte Kapitalverbrechen bei diesem Werk ist vor allem, dass noch nicht einmal die Morde selbst sonderlich interessant oder zumindest in ihrer Inszenierung halbwegs Aufmerksamkeit haschend ausgefallen sind - und natürlich das von völliger Realitätsferne zeugende Ansinnen, dass Galluzzo seinen Unrat zu allem Überfluss auch noch als Hommage an COCKTAIL FÜR EINE LEICHE verstanden wissen will. Glaubt man ferner der Hülle dieses „Fetzers“, wurde R.S.V.P. in den USA mit vier Preisen bedacht. Mehr als Trostpreise jener Art, wie es sie beim weißbekittelten, bierfahnenbewehrten Rummelplatz-Losverkäufer mit der grobporigen Nase und den Leckaugen in dreifacher Ausfertigung für zwei Mark aus dem gelben Plastikeimerchen zu fischen gibt, können’s ja wohl kaum gewesen sein.
#298
Geschrieben 13. Mai 2006, 17:14
(Großbritannien 1990 – Peter Litten, George Dugdale)
Der Medizinstudent Howard, der sich mit einem schäbigen Job in der Leichenhalle mehr schlecht als recht über Wasser hält, entflammt eines Tages für die knackige Christine, die in dem im Krankenhaus untergebrachten Blumenladen tagein, tagaus bunte Sträuße verkauft. Er verfolgt sie, kauft trotz schmalen Budget völlig sinnlos bei ihr ein und fotografiert sie heimlich. Eines Tages liegt die Angebetete nach einem Autounfall bei Howard in der Leichenhalle, was den jungen Mann in ein ziemliches Gefühlschaos stürzt. Direkt nach ihrer Beerdigung buddelt er seine Angebetete wieder aus und verbringt die Leiche in seine Wohnung. Doch während Howard dank seiner liebestollen Verblendung in Christine immer noch das rosige Mädchen von einst sieht, vergammelt der tote Körper vor sich hin und stinkt dermaßen himmelschreiend, dass die Howard eh auf der Pelle sitzende Vermieterin irgendwann wegen all des Gestanks, der Ratten und Krabbeltiere das Gesundheitsamt ruft. Howard türmt mit der Leiche und will Christines Tod rächen, hat er doch unlängst herausgefunden, dass ihr ehemaliger Freund, ein wirklich schlimmes Individuum, den Unfallwagen unter Einfluss von reichlich Alkohol zu Bruch gefahren hat und nicht Christine, wie dies bei der Polizei zu Protokoll gegeben wurde. Die Rachegeschichte entrollt sich dabei natürlich auch unter dem Gesichtspunkt, dass Howard von der verrottenden Herzdame dazu aufgefordert wird, will sie doch mit ihrem Freund im Tod vereint sein. Zum Schluss hin wird der Film zu einer echten Geisterstunde, wobei man als Zuschauer durchaus mal kurz hin- und hergerissen sein darf, ob all das Gebotene nach wie vor nur dem kranken Geist des Protagonisten entspringt, oder ob doch noch handfester Spuk Einfluss erhalten hat. Gern macht man sich hierzu seine Gedanken, lenkt das wenigstens davon ab, dass die verführenden Leichen der Dahingerafften etwas zu sehr nach HELLBOUND-Matratze aussehen. LIVING DOLL ist eine ziemliche Gratwanderung zwischen Schundstück und Horrorkino der etwas intelligenteren Art, wobei die Macher es zwar nicht unterlassen haben, in bescheidener Gewichtung modischen Teenie-Gruseltand anno '90 einzubauen, dies aber nicht weiter von Belang ist, weil das unschöne Beiwerk dank des mit allen Gäulen durchgegangenen Geisteszustands Howards, einer gewissen Portion sozialen Elends und einigen wirklich äußerst unappetitlichen Szenen doch bestens in den Hintergrund gedrückt wird. Zuhause ist die gammelfleischige K3-LIVING-DOLL irgendwo im Niemandsland zwischen LOVE ME DEADLY, NEKROMANTIK und LUCKER. Anders als dieses Dreigestirn der Nekrophilie hinterlässt LIVING DOLL jedoch nicht wirklich tieferen Eindruck, weil man all das, was der Film zu exponieren in der Lage ist, dann doch schon mal woanders zu Gesicht gekriegt hat. Und so wirklich nachvollziehbar ist die absurde Liebesgeschichte in ihrer Breite auch nicht gelungen, da man sich außer dem etwas oberflächlich-einseitigen Liebesgedöns auf nichts weiter beruft und ein gewisser Antrieb aus krankhafter Obsession gänzlich fehlt. Deshalb braucht man auch einen Hundsfötter wie LUCKER in diesem Stück gar nicht erst zu suchen. Muss ja aber auch nicht zwingend sein. Etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche der Geschichte und ein Wegfall der doch etwas unnötigen Nebenkriegsschauplätze (Auseinandersetzung mit der Vermieterin, Saufgelage mit dem Studentenkumpel zwecks Weiberaufriß, Probleme mit dem Vorgesetzen in der Leichenhalle) hätte sicherlich nicht geschadet, zumal der Film auch mit Aspekten von E.T.A. Hoffmanns SANDMANN herumspielt, die in Verbindung mit der Leichenschmauserei guter Nährboden für einen womöglich ungemein interessanten und ziemlich cleveren Film abgegeben hätten.
#299
Geschrieben 14. Mai 2006, 16:02
((BR) Deutschland 1967 – Alfred Vohrer)
Dave Emerson landet wegen Mordes vor Gericht, wo er dank Gutachten zu lebenslangem Abhocken in der Irrenanstalt des Dr. Mangrove verdonnert wird. Dort verbringt er jedoch nicht viele Tage, denn von einem Unbekannten bekommt er den Schlüssel zu seiner Tür zugespielt und türmt. Zwei Morde weiter ist er auf dem Familienschloss angekommen und offenbart sich dort Inspektor Craig vom Scotland Yard, der auch schon da ist. Zunächst hält man Dave zwar für seinen Zwillingsbruder Richard, doch dann glaubt man ihm schließlich, zudem sich Zweifel an seiner Schuld anmelden, da ein schwarzmaskierter und mit Krallenhand bewehrter Unhold beginnt, nach und nach die gesamte Familie Emerson auszurotten, derweil Dave gar nicht am Tatort gewesen sein kann. Alle Spuren führen schließlich zur Irrenanstalt, dann zurück ins Schloss der Emersons. Am Ende darf der zunächst etwas merkwürdige, jedoch unschuldige Butler noch vermelden, dass DIE BLAUE HAND ja gar nüscht gegen den nächsten Wallace, DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE, ist und aus ist der Streifen, ohne dass man die bedröppelten Gesichter der Schuldigen noch wirklich hat genießen können. Das ist natürlich ein ziemlich schlechter Witz, weil der Film sich in den letzten Sekunden damit wieder einmal gekonnt hoffnungslos gegen die Wand setzt, obwohl er wirklich sehr spannend ausgefallen ist und humoriges Gedöns weitgehend vermeidet. Die Morde mit dem Krallenmann sind enorm stimmungsvoll und auch etwas grausiger als sonst ausgefallen, was ebenso auf der Habenseite verbucht werden kann wie die dabei in Spuren zu findende Nähe zum Giallo. Ansonsten geht’s mal wieder um Erbschleicherei im Adelshaus, einer Masche also, mit der ja auch die vorangegangenen Wallazen immer wieder gestrickt waren. Das langweilt auf Dauer dann mindestens ebenso wie die in ähnlicher Tradition gefertigten Mordstücke im Villenmilieu jeder x-beliebigen DERRICK-Folge. Jedenfalls gibt es an der Qualität eines Klaus Kinski in einer Doppelrolle (und nicht nur auf Buhmann abonniert) sowieso keinen Zweifel, und noch weniger daran, dass man den in DIE BLAUE HAND abholden Eddi Arent nicht eine Sekunde lang vermisst. Harald Leipnitz als Inspektor und eigentlicher Sympatieträger reduziert sich hinter dem grandiosen Klausemann gar zu einem gesichtslosen Schatten. Das war irgendwie aber auch nicht anders zu erwarten.
#300
Geschrieben 15. Mai 2006, 14:31
(Frankreich 1965 – André Hunnebelle)
Gerade noch lässt sich Kommissar Juve für seine Verdienste bei der Bekämpfung von Supergangster Fantomas einen Orden an die Brust heften, schon schlägt der Weltverbrecher wieder zu und entführt eine ganze Riege namhafter Wissenschaftler, die an einem Strahlenapparat arbeiten, der Menschen zu willenlosen Zombies machen kann. Als letzter Stein im Puzzle fehlt Fantomas jedoch noch der geniale Professor Lefèvre, den Kommissar Juve sowie der Journalist Fandor und dessen Freundin Hélène zu schützen gedenken. Doch Fantomas ist natürlich stets schneller, was genügend Anlass dafür gibt, kreuz und quer durch Frankreich und Italien im Sausetempo tolle Verfolgungen und rasante Aktionen ablaufen zu lassen. Dabei ist der zwischendrin durchstartente verwechslungskomödiantische Einschub rund um den Professor zwar durchaus nicht schlecht inszeniert, da man dergleichen allerdings bereits so oft gesehen hat, nicht gerade neu oder sonderlich packend. Und auch De Funes Gezappel, das einhergeht mit allerlei für die heutige Zeit eher müden Witzen auf der Synchronspur, ist nicht wirklich erheiternd – eher das Gegenteil ist der Fall. Volle Punktzahl holt FANTOMAS GEGEN INTERPOL allerdings bei dem bunten Kostümball, den erstklassigen Setbonbons (vor allem das Gangsterhauptquartier, bei dem sich Vergleiche mit farbenfrohen Spielplätzen wie in MODESTY BLAISE oder DIABOLIK nahezu aufdrängen) und durch Jean Marais in dreifacher Ausfertigung. Nach wie vor sensationell auch das Finale mit Fantomas’ fliegendem Citroën.
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