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Die skurrile Welt der Flimmerkiste - Filmforen.de

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Die skurrile Welt der Flimmerkiste


10 Antworten in diesem Thema

#1 Joe Walker

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Geschrieben 21. März 2006, 18:35

Joe Walker's Filmtagebuch


So, nach reiflicher Überlegung habe auch ich mich entschlossen ein Filmtagebuch zu führen. Wenn's meine Zeit zulässt, werde ich versuchen, in nächster Zeit wieder mal einen wahllosen Rundumschlag in Sachen Zelluloid zu veranstalten. Quentin Tarantino sagt man nach, pro Tag mindestens einen Genrefilm zu konsumieren; soweit ist's bei mir nicht, aber der Wille ist da. Das Spektrum der Filme wird sich durch alle Spielarten und Stile der Filmgeschichte ranken, was meine persönliche Begeisterung für's Kino an sich hoffentlich einigermassen gut wiederspiegelt.

Nun denn, hinein in's Vergnügen. Vorhang auf - Der Spass beginnt.

#2 Joe Walker

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Geschrieben 21. März 2006, 22:27

Der Fluch des schwarzen Rubin
D / F / I / Bangkok 1965 | Video: Taurus (Kaufkassette)

Der erste Film meines Tagebuchs ist auch gleichzeitig einer der trashigsten. 1965 in Bangkok gedreht, als einer der letzten klassischen Abenteuerfilme aus der Schmiede von Wolf. C. Hartwig entstanden, bildet der Film auch die erste und einzige Adaption des Groschenromanheldes Rolf Torring.

Bereits die Titelmusik von Gert Wilden baut den Namen als Gestaltungelement mit ein, dieser Track ist ein echter Killer (Die Filmversion der Titelmusik ist um Klassen besser, als die bisher immer veröffentlichte auf CD - Das nur am Rande bemerkt). Die Geschichte ist nicht nur auf dem Papier äusserts krude, Manfred R. Köhler setzt die ganze Sache auch noch relativ unispiriert in Szene. Der selige Horst Frank hielt von seinem Regisseur nicht viel, "ein völliger Nichtskönner" meinte er in einem Interview.

Frank (der sich in diesem Film nicht mal selbst spricht, diese Aufgabe fiel dem gewohnt souveränen Rainer Brandt zu) spielt wie immer den Bösewicht mit viel Charme und einer gehörigen Portion Eleganz und Arroganz, Peter Carsten prügelt sich mit Verve durch den Film, Serge Nubret glänzt weniger durch grossartiges Schauspiel denn durch seine musikelbepackte Statur und den Held Torring schliesslich spielt der Österreicher Thomas Alder, der von Klaus Kindler synchronisiert wird und in seiner Rolle nur dann aufgeht, wenn er mit Chitra Ratana agieren darf. Alder beging 1968 Selbstmord. Chitra Ratana, welche hier wirklich bildhübsch aussieht, war damals in dortigen Gefilden soetwas wie ein Star.

Die Prügeleien sind sehr putzig und zeigen, dass bei dieser Produktion keiner eine Ahnung von Stunts oder Ähnlichem hatte. Lediglich Frank, der sich scheinbar in vorigen Filmen bei Brad Harris einiges abgekuckt hatte, hat einiges Talent in diesen Szenen. Auch sein Ausraster als er am Ende das Uranfeld findet, ist den Film wehrt. Die Spinnenszene mit Ratana wirkt schon ein bisschen rüde, unterstütz wird's durch ihr markerschütterndes Gekreische, welches ihr 2 Wochen Heiserkeit einbrachte. Einige Szenen gibt es, wegen denen man den Film gesehen haben muss: der Stromschlagtod von Carlo Tamberlani, Alders Rückpro-Fight mit einem Tiger und den Unterwasserkampf von Nubret, der sich mit einem Gummikrokodil herzhaft einen abmüht. (Letztgenannte Szene, ein Burner sag' ich *Gröhl*)

Die Aufnahmen von Bangkok und Umgebung sind wie gewohnt gut, Gert Wilden liefert einen wunderschön poppigen Jazzscore und auch Richard Richtsfeld als Effektemeister macht seine Arbeit wie immer erstklassig.

Obwohl meine alte Tauruskassette im falschen Bildformat ist (1,66:1 statt 2,35:1), das Frontcover superhässlich ist und man auf der Rückseite ein Aushangfoto des nicht minder trashigen "Die Rache des Dr. Fu Man Chu" draufgebastelt hat, macht der Film enormen Spass. Das Buch ist zwar von der Logik löchrig wie ein Sieb, aber alle Beteiligten mühen sich nach Kräften, einen gradlinigen und reisserischen Abenteuerfilm von internationalem Format zusammenzuzimmern. Gerade aus dieser Verbindung ergibt sich für den Film eine stimmungsvolle Melange, viele gute Schauspieler gibt's zu sehen und ausserdem hat auch dieser Streifen ein grosses Maß an Charme und einen tollen Soundtrack. Für alle Freunde des Genres und für Fans von nicht ganz ernst zu nehmender Unterhaltung, das pure Fest. Ansehen.

#3 Joe Walker

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Geschrieben 23. März 2006, 13:58

Rush Hour II
USA 2001 | DVD: Warner

Sich einen Jackie Chan FIlm anzusehen, ist im Grunde immer eine Bank; auch in diesem Fall. Mir war dieser 2. Teil eigentlich schon immer lieber als der Erste, vielleicht auch deshalb, weil hier das Zusammenspiel von Chan und Co-Star Chris Tucker einfach besser ist. Jackie ist hier in seinem Element, für Tucker bedeutet es den absoluten Kulturschock. Wenn die beiden sich auf die unterschiedlichste Art durch das von Gangstern geradezu wimmelnde Hongkong fighten und während der Autofahrt lauthals und mit Begeisterung die Beach Boys trällern, weiss man was läuft und macht das enormen Spass . "Hier bin ich Michael Jackson, und du Toto!"- diese Feststellung von Jackie definiert die Charaktere in diesem Film.

Chris Tucker spielt Jackie's Partner als sprücheklopfenden Junge aus der Bronx. Tucker juxt mit den Versatzstücken herum, welche die Revolution der Schwarzen im Kino wie in der Wirklichkeit hervorbrachte. Wenn man sich auf dieses extrovertierte und in einigen Momenten etwas sehr dick aufgetragene Spiel einlässt, macht auch Tucker enormen Spass.

Aber auch alles andere an diesem Film passt: Die Musik stammt von Lalo Schifrin, der sich eines alten "Mannix"-Themas bedient, auch sonst allerlei KlimsKlams aus dem Reich der aufgehenden Sonne auffährt und das alles mit großer Big-Band stimmungsvoll bündelt und uns einen tollen Score etwas im Stile eines "Enter the Dragon" serviert. Die sonstigen Darsteller machen sich gut, John Lone gibt den sarkastischen Gangsterboss Ricky Tan diabolisch und die mandeläugigen Schönheiten (wobei besonders der Racheengel bei mir besondere Verzückung auslöst) wissen ebenfalls zu begeistern.

Übrigens, wer bei einem Jackie-Chan-Film vor Ende des Abspanns rausgeht, gehört nochmal zum Nachsitzen. Die "Pannen & Outtakes" sind bei manch' anderem Streifen das Beste an dem Film. Die DVD von Warner ist nicht nur im schönsten Breitbild (2,35:1) und hat einen kraftvollen Ton (DD 5.1 EX), sondern auch sehr umfangreich ausgestattet, u.a. mit Audiokommentar von Regisseur und Drehbuchautor und Deleted Scenes.

Regisseur Brian Ratner liefert mit "Rush Hour II" schönes Popcornkino mit einigen entdeckenswerten Anspielungen und Homagen an die große Zeit des Easternfilms, Chris Tucker liefert ein wahres Feuerwerk an verbalen Gags und Jackie Chan inszeniert wieder beeindruckende Kämpfe von einer Art, wie sie im heutigen Cinema nur noch Jackie kann. Klasse Film.

#4 Joe Walker

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Geschrieben 23. März 2006, 15:21

Blutiger Freitag
D / I 1972 | DVD: Astro

Es gibt Filme, die einen so hohen Trashgehalt vorzuweisen haben, dass es fast den Bildschirm sprengt. "Blutiger Freitag" ist solch' ein Streifen. "Hemmungen - Null. Rücksicht - Null" - diese Devise müssen hier alle Beteiligten als Leitspruch gehabt haben. Rolf Olsen galt spätestens seit dem 1967 ebenfalls mit Italien produzierten "Das Rasthaus der grausamen Puppen" als DER deutsche Explotionregisseur. Seine St.-Pauli-Filme sind allesamt eine Schau. "Blutiger Freitag" allerdings ist die Potenzierung aller Trash-Ingredenzien der vorherigen Filme, die ganze Sache wird auf eine Metaebene gehoben die geradezu atemberaubend ist.

1972, im Zuge des Terrorismus in Deutschland und der zunehmenden Gewalt, hielt es Olsen für angebracht, seine Stellungnahme zum Tagesgeschehen unter's Volk zu werfen. Er orientierte sich an den in Italien gerade Erfolg erringenden Poliziescos und somit war eine Koproduktion mit der Daunia-Film aus Rom geradezu zwingend. Alles ist hier vetreten: die provokante und größtenteils sexuell betonte Gossensprache, reaktionionäre Sprüche das der Wald rauscht, die ungezügelte Überinszenierung der Gewaltszenen und der schon fast inflationäre Einsatz des Kunstblutes, welches zeitweilig in Strömen fließt. (Die Szene mit dem Polizisten und der Handgranate ist eindeutig over the Top).

Doch was wäre dieser Film ohne seine Darsteller: "Seewolf" Raimund Harmstorf gibt den bulligen, ungezügelten und hochbrutalen Heinz Klett mit großem Enthusiasmus (Synchronstimme: Klaus Kindler), Amadeus August gibt den in die Mühlsteine des Verbrechens geratende Bruder von Christine Böhm, Gianni Macchia spielt den Gastarbeiter, der am Ende durch seine eigene Freundin umgebracht wird, Ernst H. Hilbich spielt konträr zu seinem sonstigen Image einen schleimgen Opportunisten und Gila von Weitershausen macht als Millionärstochter ebenfalls einen guten Eindruck. Auf nicht ungesetzlicher Seite liefern sich die gewohnt guten Horst Naumann und Walter Buschhoff einige spitze Wortgefechte.

Olsen inszeniert wie gewohnt ohne Punkt und Komma, Franz X. Lederle liefert kameratechnische Kabinettstückchen am laufenden Band (die Sexszene zwischen Harmstorf und Daniela Giordano ist da nur die Spitze des Eisberges *heftig*) und Francesco de Masi versieht den Film mit einem groovenden Soundtrack inklusive Grätschgitarre und Italo-Flair, der leider immernoch einer CD-Auswertung haart. Glücklicherweise ist die DVD von Astro so gut wie ungeschnitten und auch fast im richtigen Bildformat.

Alles zusammen ergibt einen höchst spekulativen Reisser, von dem man aus der Retrospektive kaum glauben kann, das er in Deutschland einst produziert werden konnte. Für alle Freunde abseitiger Filmkunst und Fans von hemmungslosen Trashgranaten ist dieser Film ein MUSS. Olsen forever.

#5 Joe Walker

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Geschrieben 26. März 2006, 15:22

Maigret und sein größter Fall
D / I / F 1966 | Video: ARD

"Maigret und sein größter Fall" ist für mich ein absoluter Lieblingsfilm. Von den Darstellern, über die Stimmung und die Schauplätze, bis zur Musik ist alles an diesem Film Klasse. Lose auf einem Simenon-Roman über den wohl berühmtesten französischen Kommissar basierend, schrieb Herbert Reinecker (diesmal sogar nicht unter Pseudonym, was einiges besagen will) das Drehbuch welches von seinem Lieblingsregisseur Alfred Weidenmann mit viel Gespür umgesetzt wurde. Beide hatten bereits oft und erfolgreich zusammengearbeitet, am bekanntesten ist wohl "Canaris" (1954) mit dem unvergesslichen O. E. Hasse.

"Maigret und sein größter Fall" besticht zunächst mal durch eine geniale Besetzung. Den Maigret spielt kein geringerer als Heinz Rühmann, der ein weiteres Mal mit geringem Aufwand eine grandiose Leistung abliefert. Er gibt den Kommissar als weisen Ermittler, der die Verbrecher mit messerscharfer Kombinationsgabe dingfest macht. Neben dem überragenden Rühmann spielt Françoise Prévost überzeugend die Bardame Simone, die schlußendlich völlig resigniert vor den Scherben der durch Phantastereien aufrechterhaltenen Lügengeschichte steht. Eine geniale Charakterstudie gibt auch Günther Stoll, der als drogensüchtiger Schlagzeuger Robin beim Zuschauer tiefes Mitleid erregt und vorallem stimmlich ein Genuß ist. Der junge (jedoch staturmäßig bereits ausgewachsene) Günter Strack spielt den verschmitzten Kommissar Delivigne mit einiger Ironie und es ist eine wahre Freude Strack und Rühmann zuzusehen, wie sie sich über ihre Erfahrungen im Pfeiferauchen austauschen ("Auf das Holz kommt's an, sagen Sie? Dann muß ich 'ne falsche gehabt haben. Aber, warum brennt's auf der Zunge?" - "Man kann für eine Pfeife zu jung sein, lieber Kollege"). Gerd Vespermann verkörpert Maigret's Assistent als ruhigen Ermittler, der seinen Chef schätzt und ihn zu respektieren weiß. Alexander Kerst als schmieriger Millionär Delfosse spielt gewohnt souverän und der Theaterschauspieler Edwin Noel, dessen einzige Filmrolle diese hier war, passt hervorragend in seine Rolle des verängstigten Kellners, der durch seinen Freund Rene immer tiefer ins Verderben gezogen wird. Jener Rene wird gegeben von Ulli Lommel, der hier wie ein deutscher Alain Delon spielt und eine kraftvolle Performance abliefert. Einen Gastauftritt (viel mehr ist es nicht) hat Günther Ungeheuer als fanatischer Bildersammler Holloway - und er beweist, dass man auch aus kleinen Rollen viel machen kann, den Ungeheuer spielt ungeheuer. Schließlich ist da noch Eddi Arent, der sich als ernsthafter Schauspieler in der Rolle des Versicherungsagenten profilieren kann. Das er von einem anderen Sprecher synchronisiert wird, ist seiner Rolle vielleicht sogar zuträglich - aber ich will mich da nicht festlegen. Die weitestgehend unbekannten italienischen Schauspieler liefert solide Leistungen, haben außerdem im deutschen hochkarätige Sprecher wie Michael Chevalier und Martin Hirthe.

Weidenmann inszeniert den Film als ruhiges Kriminaltheater, fängt die unbeschreibliche Atmosphäre des schweizerischen Lausanne in wunderschöne Bilder ein. Die triste Grundstimmung schlägt sich auch auf die Farben des Films nieder, der durchgegraute Kodacolor steht dem Streifen gut. Kameramann Heinz Hölscher setzt die Vorstellungen seines Regisseurs gekonnt um und verdienst ebenfalls Lob.

Allergrößtes Lob gebührt allerdings dem Filmkomponisten Erwin Halletz, der für den umwerfenden Soundtrack verantwortlich zeichnet. Schon die Titelmusik lässt einen Freudensprünge machen, das melancholische Maigret-Thema für Akkordeon, Xylophon und Synthesizer ist ein wahres Prachtstück. Die Moulain Bleu Barmusiken sind grandiose Jazznummern, die Arrangements alter Spirituals für die schwarze Sängerin laden zum Mitträumen. Ein wahrer Himmel auf Erden jedoch ist das kraftvolle und supercoole Trompetensolostück bei dem Verhör von Stoll (dessen leerer Blick in dieser Szenen seines Gleichen sucht) durch Rühmann - und nach all diesen Vorzügen stört es auch nicht, dass das von Stoll dargebotene Schlagzeugsolo einen größeren Unterschied zwischen Bild und Ton kaum haben könnte. Es ist ein wahrer Jammer, das sich bis heute kein Label gefunden hat, die komplette Filmmusik auf CD ins digitale Zeitalter zu bringen.

Somit ist und bleibt "Maigret und sein größter Fall" für mich einer der schönsten Filme der 60er, den ich mir immer wieder ansehen kann, ohne Ermüdungserscheinungen zu bekommen. Hier passt wirklich alles: Eine Bündelung von schauspielerischen Kräften, eine tolle Atmosphäre, wunderschöne Bilder und eine der genialsten Filmusiken, die ich je gehört habe. Ich liebe diesen Film. MUST SEE.

#6 Joe Walker

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Geschrieben 20. April 2006, 17:30

Die 12 Geschworenen
USA 1957 / DVD: MGM

Sidney Lumet's Debutfilm "12 angry men" fesselt noch heute - kein Wunder, handelt es sich doch um eines der ausgefeiltesten Charakterportraits des US-Kinos der 50er Jahre. Denn wenn die 12 Männer über einen jugendlichen Todeskandidaten zu Gericht setzen, kommt es zum großen Schlagabtausch der Charaktere. Alle sind zu Anfang einer Meinung: "Schuldig" - Nur der Geschworenen Nr. 8 meint "Not guilty". Henry Fonda, der den Film auch koproduzierte, liefert nun eine gekonnte schauspielerische Leistung in der Rolle des "Allein gegen alle". Er ist zwar nicht der Meinung, dass der Junge unschuldig ist, aber er hat an der Schuld berechtigte Zweifel. Nach und nach kann er mit seiner messerscharfen, analytischen und teilweise hoch psychologischen Argumentation die restlichen Geschworenen davon überzeugen, für "Nicht schuldig" zu stimmen.

Das großartige Kammerspiel, welches sich mit Ausnahme eines Etablishing-Shot des Gerichts und einer Aussenaufnahme für's Schlußbild in einem einzigen Raum abspielt, wird von Lumet hintersinnig umgesetzt. Die karge musikalische Untermalung von Kenyon Hopkins ("Mister Buddwing") und die zwischen brütender Sonne und wolkenbruchartigem Regen pendelnde Lichtgestaltung, unterstützen die beklemmende Atmosphäre.

Die Schauspieler sind allesamt vortrefflich: Henry Fonda spielt wie erwähnt stark, E.G. Robinson ist als unterkühlter Nr. 3 sehr gut anzusehen, Lee J. Cobb geht mit seiner Interpretation des überheblich-polternden und hasserfüllten Nr. 2 auf und davon, der spätere "Quincy" Jack Klugman als in der Gosse verwurzelter Nr. 4 liefert ebenfalls eine ausgefeilte Studie, Martin Balsam als Nr. 1 bietet ebenfalls solides Schauspiel und Robert Webber liefert mit der Nr. 12 den Prototyp eines oberflächlichen Karrieremenschen. Die deutschen Synchronsprecher gehören ebenfalls zur ersten Garnitur (W. Borchert, G.G. Hoffmann, R. Brandt, A. Marquis)

Die DVD von MGM bietet den Film in guter Qualität. Erstklassige Inszenierung, grossartige Schauspieler, tolle Stimmung. Jede menge Gründe, sich dieses Filmes mal wieder anzunehmen und ihn als Pflichtwerk im Sozialkundeunterricht einzusetzen. Man kann ihn jedem ans Herz legen, der sich mal in seiner Menschenkenntniss weiterbilden möchte. Denn mindestens einem von den im Film beschriebenen Typen wird man im waren Leben auch begegnen - und warscheinlich nicht nur einmal.

#7 Joe Walker

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Geschrieben 22. April 2006, 10:12

Per Saldo: Mord
D / USA 1975 | Video: VOX

Im Jahre 1975 ließ die Münncher Bavaria mal wieder ihre Beziehungen spielen, um mit amerikanischen Koproduzenten einen Thriller nach internationalen Maßstäben zu verfertigen. Neu war das nicht - bereits mit dem leider nie gezeigten "Jack of Diamonds / Der Diamantenprinz" von 1967 hatte man bewiesen, das sowas geht. Nun also machte man sich an einen Actionkrimi, der - wie könnte es anders sein - im Land des Geldes spielt: in der Schweiz. Als Regisseur hatte man sich Jack Arnold gegönnt, einen der versiertesten B-Filmer der 50er und 60er Jahre, dessen putzigen "Der Schrecken vom Amazonas" man sich irgendwann einmal ansehen muss.

Da man durchaus finanzkräftig unterwegs war, gönnte man sich ein Ensemble, das für Freunde des europäischen Filmes dieser Jahre Anlaß zu spontanen Luftsprüngen sein dürfte. Die Hauptrolle des in die Jahre gekommenen, aber dennoch wackeren Privatschnüfflers ging an den vormals auf der Flucht gewesenen David Janssen, dessen relativ dröges Schauspiel wesentlich dadurch aufgewertet wird, dass ihn der unnachahmliche Günther Ungeheuer synchronisiert. Senta Berger ist immer natürlich immer eine Bank, auch hier in ihrer Rolle der durchtriebenen Femme fatale. Ray Milland, "Der Mann mit den Röntgenaugen", wittert als altehrwürdiger Bankpräsident "Bei Anruf: Mord", während Anton Diffring zusammen mit seiner Schickse Elke Sommer den ungesetzlichen Teil innerhalb der Bank ausmacht. John Saxon, gern gesehener Gast in vielen Europroduktionen, hat zwar nur einen verhältnissmäßig kurzen Auftritt als schnellschießender Gangster, darf aber von den beiden Killern des Films - Arthur Brauss und David Hess - am "Last House on the Left" richtig schön hingemacht werden.
Man stelle sich vor: Janssen, Berger, Milland, Diffring, Sommer, Saxon, Brauss und Hess in einem Film - Ja, lechz !!!

Überhaupt gibt's in diesem Film viele schön gefilmte Szenerien zu bestaunen. Bavaria's Stammkameramann Werner P. Hassenstein liefert gekonnte Bilder. Ob's nun die Todeshatz von Saxon oder der schlußendliche Twist auf dem verschneiten Rothorn oberhalb des Brienzer Sees ist, die Kamera ist immer gut dabei. Obwohl man ehrlicherweise sagen muss - bei solcher Kulisse und Atmosphäre wie sie die Schweiz bietet, kann man nicht viel falsch machen (Hassenstein macht's richtig, goldrichtig). Im Übrigen: Für mich ist die Rallye zwischen Janssen und Berger eine der bestinszenierten Autoverfolgungsjagden der 70er Jahre.

Die Bauten besorgte das Urgestein des deutschen Bühnenbildnertums, Rolf Zehetbauer. Die tolle musikalische Untermalung besorgt Klaus Doldinger, der einen Soundtrack liefert, der nicht nur Jazz- und Fusionmäßig äusserst auf der Höhe ist, sondern auch noch treibende Cues am laufenden Band liefert - und die Titelmusik geht, wenn man Glück hat, einem tagelang nicht aus dem Ohr. (Leider gibt's den Score nicht auf CD).

So, nun nochmal zum mitschreiben: Jack Arnold's letzter Kinofilm, mit stiller Ironie und einigem Gespür für Stimmung und Spannung inszeniert, ist ein schönes Stück Kino, welches durch die toller Kulisse der Schweiz und den gekonnten Score von Doldinger noch besser wirkt. Ein großes Dankeschön an VOX diesen Film endlich einem breiten Publikum zugänglich gemacht zu haben. Ich sag' nur: ansehen.

#8 Joe Walker

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Geschrieben 01. Mai 2006, 14:13

Camorra - Ein Bulle räumt auf
I 1974 | Video: VPS

Das Genre des Poliziescos hatte ich mit "Blutiger Freitag" schon gestreift, nunmehr kommt ein Volltreffer dieses Genres. "Napoli Violenta" (OT) erschien Anfang der 80er als Videopremiere beim schon legendären VPS-Label aus München, somit wurde auch die Synchro erst hier erstellt. Einziger Knackpunkt an der ansonsten guten Kassette: 1,66:1 ist für einen Film, der in 2,35:1 gedreht wurde eigentlich immer ein Lapsus, auch wenn sich hier die Handslungsverluste nicht so gravierend auswirken wie bei einem Argento-Film. Wer den Film in Orginalformat haben will, sollte sich schnell die noch im Umlauf befindliche DVD aus dem Hause KochMedia holen. Nun aber zum Film:

Schon der Vorspann vermittelt Atmosphäre: Zu "Folk & Violence" (Titelmusik ... Killertrack) rollen die Credits durchs Bild, die Kamera folgt dem Geschehen durchs Verkehrsgewühl in Neapel. Am Hauptbahnhof angekommen erblicken wir den gerade frisch nach Naples versetzten Commissario Maurizio Merli, ein streetwise-guy wie er im Buche steht. Was nun kommt, ist für die italienischen Polizeifilme der 70er fast Ausnahmslos obligat: Maurizio rastet aus. Die Camorra, gegen den die sizilianische Mafia das reinste Kaffeekränzchen ist, bildet die fünfte Macht im Staat. Wer gegen diese Brüder aufmuckt, hat im Grunde schon verloren. Commissario Betti (welch' ein Name, herrlich sowas) hat von dem ganzen Kram die Faxen gründlich dicke. Brutale Banküberfälle (meist mir Todesfolge), Vergewaltigungen, Raubmorde und Drogenhandel - all diesem Schmunzius hat Betti den Kampf angesagt. Das er sich bei seinem Vorgehen nicht immer ganz gesetzestreu verhält, stößt bei seinem Vorgesetzten auf wenig Gegenliebe. ... und am Ende wird den 2 großen Mafiabossen von Betti unter Aufbietung einiger Selbstjustiz ordentlich ins Getreige gefahren.

Maurizio Merli spielt den Betti-Charakter wie gewohnt erstklassig - mit eiserner Miene werden die Verbrecher gejagt, dass es nur so raucht. Silvano Tranquili weiss als sein Partner ebenfalls zu überzeugen und John Saxon gibt den Gangsterboss, der die Camorra zu gern über's Ohr hauen wollte, was ihm im Nachhinein kein ewig Glück einbringt. Barry Sullivan gibt als "Der General", die Nummer 1 im illegalen Geschäft von Neapel, ein schön sadistisches Schauspiel. Luciano Rossi, der immer die "Kanonenfutter-Parts" abbekam, portraitiert hier einen gemeingefährlichen Raubmörder - und wird auf seiner Flucht vor Betti von einem Zaun kiefergerecht auf die Rolle genommen.

Umberto Lenzi inszenierte mit "Camorra" einen seiner besten Thriller. Allein die Kameraführung hat gewiss was für sich, die Motoradverfolgungsjagden sind richtig gut gemacht und auch die Szenen mit Merli auf der Bergbahn sind gut fotografiert. Letztere war eine eindeutige Hommage an den ein Jahr zuvor entstandenen Belmondo-Hauer "Angst über der Stadt / Puer sur la ville"; auch hier schmeisst Merli die Sache selbst.

Das Sahnehäubchen bietet der kraftvolle Soundtrack von Franco Micalizzi, der die meisten Lenzi-Kracher vertont hat und klasse Musik mit reinbringt. Auf dem coolen und auch ansonsten sehr zu empfehlenden Crippled-Sampler "Beretta 70" findet sich zum Glück das Titelthema sowie das wundervoll melancholische Vokalstück "Men before your time", performed von der Gruppe Bulldog. Die Micalizzi-Scores nehmen sich auf Grund ihrer Eingängigkeit und ihrem hohen Mittanzcharakter sowieso nicht groß was - die Dinger waren fast immer gut.

Krönender Abschluß ist die Videosynchro aus dem Hause VPS, welche mit einigen bekannten Sprechern wie Herbert Weicker ("Faszinierend") und Artur Brauss aufwarten kann und viele erinnerungswürdige Knaller im Programm hat: Gangster zu Betti, nachdem dieser ihn unsaft aus dem Wagen zerrt: "Ich spiel' jedes Wochenende Karten mit dem Polizeipräsidenten!" - Betti's Antwort: "Ich bums' mit seiner Frau". Davon findet sich im Film so einiges, ob's sich's nun um "Die Krake mit den klebrigen Fingern" oder "diesen Haufen Scheisse" handelt. So mancher "Klowichser" kann seine "Eier hintern Baum hängen", wenn der Film zu Ende ist. Die Kiste mit den lockeren Sprüchen steht jedenfalls in greifbarer Nähe.

Direkt unbrutal ist der Film nicht gerade (gemessen am heutigen Standart hat's sich damit aber auch), die gute alte VPS ist auch noch fast ungeschnitten. So wird einem enttarnten Polizeispitzel vom "General" per Bowlingkugel die Fontanelle gespalten, einer Frau wird der Kopf aus dem Zugefenster gedrückt, als der Gegenverkehr kommt. Das Schiesseisen sitzt natürlich verdammt locker, auch die Fäuste sprechen des Öfteren.
Den Vorwurf der Propagierung der Selbstjustiz müssen die meisten Lenzi-Granaten sich schon gefallen lassen, schliesslich schiesst Belli am Ende den mit den Mitteln des Gesetzes nicht beizukommendem "General" einfach über den Haufen und schiebt dem Gangsterboss (Saxon) die Schuld zu.

Alles in allem bleibt "Napoli Violenta" ein mordsunterhaltender Thriller aus der goldenen Zeit des italienischen Poliziescos mit toller Besetzung, knalligem Score und einem Kult- und Trash-Faktor, dessen Skala erst im dreitstelligen Bereich beginnt. "Blast 'em, Merli. Betti, spara!"

#9 Joe Walker

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Geschrieben 18. Mai 2006, 19:47

Sieben Tage Frist
D 1969 | DVD: SAT1

Nachdem Alfred Vohrer als Regisseur 18 Edgar-Wallace-Filme betreut hatte und 1968 sein Vetrag bei der Rialto-Film auslief, ging er mitsamt seiner Assistentin Eva Ebner zu Luggi Waldleitner's Roxy-Film - und weil Vohrer augenscheinlich Kriminalfilme am Besten lagen, war Luggi's erster Auftrag die Verfilmung des Paul-Henricks-Romans "Sieben Tage Frist für Schramm", damals gerade hoch im Kurs. Zum Jahreswechsel 68/69 versammelte man sich im hohen Norden - St. Peter-Ording, Schloss Plön - um mit einer hochkarätigen Besetzung einen der besten Kriminalfilme des Jahres zu verfertigen.

Hendricks bezieht sich in seinem Buch auf wahre Ereignisse. Dass Vohrer den Stoff visuell noch reichlich aufpeppte und den Zeitvorstellungen anpasste, braucht man wohl nicht weiter zu erwähnen. Die Story um mehrere unaufgeklärte Todesfälle an einem norddeutschen Privatinternat ruft nicht nur die Lehrer- und Schülerschaft, sondern auch die Polizei auf den Plan. Nach verschiedenen Ver- und Entwicklungen offenbart sich schließlich eine Auflösung, die man in dieser Form wohl überhaupt nicht erwartet hätte.

Die Hauptrolle des Studienrates Henricks ging an Joachim Fuchsberger, der eine gewohnt gute Leistung abliefert. Der 2. Main Part des von allen hochgeschätzten Lehrers Fromm wurde indes übernommen von Konrad Georg, der neben Paul Albert Krumm die schauspielerischen Glanzpunkte setzt. Krumm spielt mit seiner zerbrechlichen Stimme Mitleid erregende Szenen. Den ermittelnden Kriminaler legt Horst Tappert als zigarrespuckenden Sarkasten an, während "Die Berliner My Fair Lady" Karin Hübner als vom Leben enttäuschte Hausmeistersgattin eine beeindruckende Charakterstudie vorlegt. Petra Schürmann hat mit "Blacky" als dessen Love Interest einige hübsche Auftrittte, während Robert Meyn und Otto Stern in ihren Rollen ebenfalls aufgehen. Unter den Schülern stechen Frithjof Vierock (als pseudo-moralistischer Faxenmacher), Arthur Richelmann (als nachdenklicher Kurrat) und Gunther Beth (als hintertriebener Aufschneider) hervor.

Auch der Cast hinter der Kamera weiß zu gefallen: Für's rechte Bild sorgt Harald Reinl's Stammkameramann Ernst W. Kalinke, dessen an der schneebedeckten Küste einfangene Aufnahmen den Film zu einem echten "Wintermovie" machen - und sein Herumgeschwenke (in Zusammenspiel mit Lichttechnik und Musik) während der Striptease-Szene von Hilde Brand sucht wahrhaft seinesgleichen. Das Drehbuch schrieb der spätere "Simmelautor" Manfred Purzer unter seinem Pseudonym Ernst Flügel, welches er noch einige andere Male bemühte. Die wundervolle musikalische Untermalung stammte von Hans-Martin Majewski, damals eine der lebenden Legenden der deutschen Filmmusik. Majewski versah den Streifen mit teilweise atonalen Bläserfetzen, mengte knackige Gitarrenriffs, sonore Klavier- und Cembaloakzente sowie feuriges Schlagzeug dazu und gab somit Atmosphäre en gros. Ein schönes Stück aus dem Score findet sich übrigens auf der genialen "Deutsche Filmkomponisten Vol. 10 - Hans-Martin Majewski" aus dem Hause Bear Family.

"Deutschland's Krimispürnasen auf einen Blick" - so schrieb einst eine Tageszeitung zu diesem Film. Doch es wäre eine Verkennung von Qualitäten, würde man diesen Film rein als Krimi sehen. Vohrer gibt der stringent ablaufenden Handlung zusätzlichen Pfiff durch einige Halbseidigkeiten und viel sozialem Flor - und die Auflösung sogar mit einer "Vergesst nie das Vergangene"-Attitüde zu versehen, hat großen Stil (Noch dazu weil einem dieses Ende wirklich nahegeht).

Zusammengefasst - Ein prächtig agierendes Ensemble mit einem grandiosen Zusammenspiel von Fuchsberger und Georg, eine fesselnde Story, die meisterhaft triste Stimmung und der geniale Soundtrack von Majewski ergaben eine gekonnte Zeitstudie und einen der ruhigsten, gleichzeitig aber auch besten Kriminalfilme des ausklingenden Jahrzehnts. Es besteht Ansichtspflicht.

#10 Joe Walker

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Geschrieben 21. Juni 2006, 17:24

Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn
D 1967 | Video: Royal

Manche Filme muss man einfach gesehen haben, um zu glauben, dass sie wirklich existieren. In diese Kategorie fällt auch „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“, der allererste St. Pauli-Film der, abseits von Seefahreratmosphäre und Hans-Albers- oder Freddy-Quinn-Romantik, die härtere Gangart der cineastischen Unterhaltung propagierte. Im Oktober 1967 war EA für diesen neuen Geniestreich von Regisseur Rolf Olsen. Bereits mit „In Frankfurt sind die Nächte heiß“ (1966) und „Das Rasthaus der grausamen Puppen“ (1967) hatte er kleine Kunststücke vollbracht – nämlich rigoros, ohne Punkt und Komma und mit fast kindlicher Unbedarftheit zwei Kriminalfilme, voll gepackt mit sleaziger Action und höchst spekulativen Ideen zu inszenieren, die schon damals ihresgleichen suchten. Nun also mit „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“ der Doppelschlag in 67. Nach einem wie immer selbst verfassten Buch wurde in Hamburg - St. Pauli ein neuer Zelluloidhammer verfertigt.

Die hanseatische Oberschicht wird, wenn es ihr nach jungem Fleisch gelüstet und die Ehefrau dem Abbau der überschüssigen Hormone wenig zuträglich ist, von einer Bande Wohlstandsbubis mit Mädchen versorgt, welche vorher durch LSD gefügig gemacht werden. Als sich jedoch im Umkreis dieser Bande die Leichen derer die zuviel wissen zu stapeln beginnen, schaltet sich nicht nur die Kripo (vertreten durch den „Süßigkeiten-Maigret“ Kommissar Zinner) sondern auch der grundehrliche Journalist Danny Sonntag ein, mit dem die Bande gleich zu Anfang einen flott macht, da er den ganzen LSD-Sumpf öffentlich anprangert. Richtig interessant wird’s aber erst, als sich der junge Till Voss, der die Drogen liefert, von der ganzen Mischpoche lossagen will, was „Feuerhotte“ – der Bandenchef – und seine Spießgesellen natürlich mit einigen geschickt platzierten Abscheulichkeiten auf’s Schärfste missbilligt. Als die ganze Sache in einem Privatfeldzug von Sonntag, Till und Zinner kulminiert und beim finalen Showdown Olsen mit den Erwartungen und Gefühlen des Zuschauers ordentlich Schlitten fährt, weiss man – Ja, dass ist ein echtes Meisterwerk.

Was Olsen hier abliefert, läßt einem die Kinnlade minutenweise herunterfahren – Scheibchenweise muss man seine Ansichten übers Nachkriegskino (zumindest in diesem Genre) revidieren. Haufenweise werden hier Handlungen und Interaktionen abgespult, dass es nur so raucht. Gleich zu Anfang wird eine durch LSD völlig verwirrte Schülerin vom ebenfalls nicht ganz nüchternen Rudolf Schündler per Mercedes auf’s Korn genommen. Als Danny Sonntag dann in einem alten Lagerhaus von Feuerhotte’s Schlägerclub harpuniert werden soll, lässt einen die unfreiwillig komische Prügelei spontan laut lachen. Selbiges bleibt einem bei der Ermordung der Fotografin Pinky sprichwörtlich im Halse stecken. Überhaupt Gewalt: Olsen inszeniert solche Szenen, mit Hilfe des schon damals genialen Franz X. Lederle, mit Schmiss und ohne viel Federlesens – da wird gemordet, gefoltert, per Rasiermesser zum Tragen von Tüllgardinen animiert, erpresst, gefügig gemacht, Suizid begangen und dergleichen mehr. Stichwort Kamera: Das Handgehaltene während der Partysequenzen vermitteln echtes Rauschgefühl und die mit viel Weichzeichner fotografierte Traumsequenz von Marianne Hoffmann, bei der sie mit ihrem geliebten Fritz Wepper am Strand herumtollt, gehört (im Verein mit Schnitt und Musik) zu den romantischsten und melancholischsten Liebesszenen der 60er Jahre. 1 drauf mit Mappe.

Doch was wäre auch dieser Film ohne seine Darsteller. Erik Schumann spielt mit viel Engagement den aufrechten „Pressescheißer“ (O-Ton Feuerhotte), dem die ganze Verlogenheit der oberen Schicht so was von auf den Geist geht und den Film im Semi-Documentary-Style aus dem Off moderiert. Unterstützung erfährt er vom in absoluter Spiellaune befindlichen Heinz Reincke, der seinem Kleinganoven Uwe Wagenknecht wahrhaft komische Elemente mit auf den Weg gibt. Fritz Wepper ist wie geschaffen für seine Rolle als zerrissener Chemiestudent, der mit dem ganzen Unterweltklüngel nichts mehr zu schaffen haben will. Als seine große Liebe Lotti (schön wie nie: Marianne Hoffmann) unter Drogen Selbstmord begeht (schockierende Szene), ist ihm alles egal – er hat den Kanten voll, er rechnet gnadenlos mit Feuerhotte ab. Konrad Georg spielt mit hintergründigem Witz seine Rolle des gutmütigen und doch herzhaft durchgreifenden Kommissars und Karl Lieffen muss als schwuler und von Gewissensbissen geplagter Barbesitzer Sugarcharlie am Ende selbst ins Gras beißen. Feuerhotte wird gegeben vom verlässlichen Jürgen Draeger, der sich mit SM-Fetisch und viel ungezügeltem Jungschauspiel bis in die Ekstase agiert. Die Gangstertruppe setzt sich aus den damals immer mal auftauchenden Frank Nossak, Joachim Richert, Alexander Pari und Dieter Wagner zusammen, die alle einen guten Job machen – und das Berliner Urgestein Willi Rose ist als Danny’s Vertrauter Mumps die vielleicht auf Anhieb „normalste“ Figur in diesem ganzen Kasperkram.

Ein erneutes Glanzstück vollbrachte auch wieder der von mir sehr hoch geschätzte Erwin Halletz, der sich für dieses Lichtspiel musikalisch ebenfalls nicht Lumpen ließ. Allein die Titelmusik ist als echter Klassiker einzustufen, das wundervoll-kräftige Groovemonster „A new day“ ist auch wieder mit dabei und das hier verwendete Arrangement von „Blue Dreams“ (aus dem Puppenrasthaus) ist um Klassen besser als die CD-Version von der „Deutsche Filmkomponisten vol. 8“. Dafür ist der „Party-Cha-Cha“ von gleicher CD der beste Grund diese Scheibe zu kaufen – genial.

Meine alte Royal-VHS ist zwar übersät mit Rollenrissen, bietet aber ein ansonsten gutes Bild und präsentiert dieses echte Partymovie aller Ansicht nach ungeschnitten.

Alles in allem, ein Streifen voller Genialitäten, ein Film der sich nur schwer in Worte fassen lässt – Ein Meisterwerk – Ein Film den man gesehen haben muss. „Vatern hat heute Geburtstag“ (Zitat von Mumps).

#11 Joe Walker

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Geschrieben 18. Juli 2006, 20:07

X312 - Flug zur Hölle
D / ES 1970 | Video: ZDF

Nachdem die beiden vorigen Streifen mit Soledad Miranda einigermassen gut angekommen waren („Vampyros Lesbos – Erbin des Dracula“ und „Sie tötete in Ekstase“), schusterte Artur Brauner dem guten Jess einen weiteren Regieauftrag zu. Das nächste Projekt sollte ein Abenteuerfilm mit Krimielementen vor exotischer Kulisse sein. Da Brauner gerade wie viele andere Produzenten in der schlechten Situation waren, jede Mark zweimal umdrehen zu muessen, schrieb er das Drehbuch zu “Tödlicher Amazonas” (Arbeitstitel) gleich selber. Aber auch Brauner hatte einen Ruf zu verlieren, somit musste das schlichte Pseudonym Art Bernd herhalten, das ihn neben Franco als Storylieferanten auswies. Ergänzungen, meist erst am Drehort den gerade herrschenden Umständen angepasst, nahm wie erwähnt Franco vor, das Dialogbuch für die deutsche Synchro besorgte der erst 22-jährige Arne Elsholtz (später deutsche Stimme von Tom Hanks, Kevin Kline und vielen Anderen).

Da die Geschichte in Brasilien spielte, aber man niedrig budgetiert hatte, musste wieder einmal Franco's spanische Heimat und deren verlaubte Wälder als Dschungelersatz herhalten. Die Geschichte beginnt damit, das der Reporter Tom Nilson in seinem Büro beginnt, für seinen befreundeten Kriminalkommissar Joe Varga einen Tonbandbericht über die Erlebnisse im letzten Monat aufzunehmen. Die nachfolgende Geschichte ist praktisch eine grosse Rückblende.

Im Amazonasgebiet stürzt eine Maschine der Utape-Linie auf dem Weg von Chile nach Rio ab. Die illustre Gesellschaft kämpft sich nun durch den Dschungel und hat sich dabei mit so einigem Ungemach zu plagen. Da einer von ihnen im Besitz wertvoller Diamanten ist, entbrennt um die Steine ein erbitterter Kampf, dem so nach und nach alle zum Opfer fallen. Blutdürstige Kopfjäger und im Rudel auftretende Dschungelbanditen tun ihr übriges, bis schliesslich nur noch Tom, die schöne Esperanza und die Diamanten übrigbleiben. Nachdem er seinen Bericht fertigdiktiert hat, geht er zu ihr um die Diamanten der Polizei zu übergeben. Doch erst da erkennt er, dass Esperanza und deren verbrecherrischer Freund den Absturz des Flugzeuges herbeigeführt haben. Tom wird über den Haufen geknallt, die Halunken glauben sich am Ziel. Doch Tom hat die Polizei verständigt und somit entgehen die beiden ihrer gerechten Strafe nicht.

So weit, so wenig neu. Andere Regisseure machen aus derartigen Stoffen ganze Serien, bei Franco reicht’s nur für ein laues Filmchen. Wenigstens sein Cast verdient wieder mal Beachtung. Da wäre zunächst Thomas Hunter, der den Reporter Tom Nilson mit ausreichender Gelassenheit und gleichzeitiger Deprimiertheit spielt und man ihm bereits von Anfang an ansieht, dass er diesen Film nicht überleben wird. Fernando Sancho, ein altes Schlachtross des europäischen Genrefilmes, gibt den bulligen Stewart, der im Laufe der Handlung gleich zwei seiner Reisegäste ins Jenseits befördert, weil die Verlockung durcht die Diamanten einfach zu gross ist. Das schwedische Model Ewa Stroemberg, damals in fast allen Franco-Werken dabei, hat einen nur kurzen Auftritt als anstrengende Edelnutte, die schliesslich von Sancho während einer Kussszene erstickt wird. Ebenfalls auf dessen Kappe geht der alterwürdige Siegfried Schürenberg, der hier bei Franco seinen Einstand gab und anscheinend in Geldnöten steckte. Sein Bankpräsident, der mit den unterschlagenen Diamanten stiften gehen will, hat nur kurze Momente. Weit mehr zu bieten hat da schon Esperanza Roy, die ihre Gage durch's splitternackte Herumturnen im Wasser und giftige Blicke verschicken wieder reinholt und neben Paul Müller, der den Gangsterboss im Hintergrund spielt, die Einzige ist, die den Film überleben darf. Weder Hans Hass jr. noch Gila von Weitershausen, beide damals von Drogen ziemlich geschafft (und das sieht man ihnen auch an), überleben diesen Film. Er wirf sich um seine Freunde zu retten den Kopfjaegern als willfähriges Opfer vor, sie wird von den Banditen zu hart rangenommen (beides Sequenzen, die ziemlich garstig ausfallen); und Howard Vernon, die Graue Eminenz der Franco-Filme, liefert als Dschungelgangster ein sattes Overacting jenseits des guten Geschmacks.

Der Film ist billig, und es wäre satt gelogen, wenn man behaupten würde es sei dem Streifen nicht anzusehen. Da helfen auch die nach Drehschluss durch ein 3-Mann-Team in Rio gedrehten Postkartenimpressionen der brasilianischen Metropole nichts mehr. Für ein Flugzeugwrack reichte es gerade noch, aber für eine Explosion fehlte der Groschen und somit muss man sich mit Soundeffekten begnügen. Der Film ist von der ganzen Stimmung dermassen trist gehalten, man wendet sich eher ab ob der unmotiviert dargebotenen Grausamkeiten und der redundanten Nuditaeten. Einzig Hunter schafft es, dass man mit seiner Figur am Ende sogar Mitleid hat, als er vom Boss einfach so über seinen eigenen Haufen geschossen wird.

Was die Musik anbetrifft, hatte man auch diesmal wieder einen guten Riecher. Den Credit teilten sich der langjährige Morricone-Mitstreiter Bruno Nicolai (dessen Musk man aus dem Archiv der romanischen Sermi-Film geholt hatte) und der deutsche Schmierenkomponist Wolfgang Hartmayer, welcher dem Film immerhin ein melancholisch-brasilianisches Big-Band-Thema bescherte. Aber über die akustische Beschallung konnten sich die Franco-Filme sowieso nie beschweren. Die Kamera machte Franco's Stammmitarbeiter Manuel Merino, den Schnitt für die deutsche Fassung erledigte Veteran Carl Otto Bartning.

Was auch diesen Film wieder einmal anhob, war die Synchro, die viele nahmhafte Sprecher der Berliner Garde im Aufgebot hat. Während sich Schürenberg und von Weitershausen selbst sprechen, übernahm Beate Hasenau die Esperanza, Arnold Marquis lieh sein knorriges Reibeisenorgan Fernando Sancho und Heinz Petruo legte Howard Vernon so manche Sauerei in den Mund. Arne Elsholtz turnte durch 3 bis 4 Nebenrollen und Peer Schmidt schliesslich gab dem Hauptdarsteller Thomas Hunter wunderbar akustische Kontur.

Die Videoauswertung besorgte Polyband anfangs im legaenderen Dreiviertelcover uncut, die Kaufkassette der 90er musste allerdings reichlich Federn lassen. Erst das ZDF befleissigte sich vor einiger Zeit den Film zu restaurieren und verfrachtete ihn ungekürzt wieder auf die Mitternachtsschiene. Auf DVD gibt's den bisher nur aus den USA, wobei man diese Fassung schnell vergessen sollte, da hier das Ding übelst Cut ist und noch dazu am Vor- und Nachspann fleissig rumgebastelt wurde.

Vom Gesamteindruck her macht der Film für Franco-Fans natürlich einiges her, die Schauspieler mühen sich nach Kräften aus ihren klischeebeladenen Rollen das Beste zu machen. Dennoch ist der Streifen im deutschen Filmgeschehen jener Tage, vielleicht vom stimmungsvollen EA-Plakat mal abgesehen, wirklich nur eine Fussnote.





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