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"All is full of Love..."


230 Antworten in diesem Thema

#151 bekay

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Geschrieben 28. Mai 2006, 01:33

Absolute Giganten
Deutschland: 1999, R: Sebastian Schipper
DVD

Hamburg - trister Hintergrund für eine unzertrennliche Freundschaft: Floyd (Frank Giering), Ricco (Florian Lukas) und Walter (Antoine Monot Jr.) sind die besten Kumpel. Als Floyds Bewährungszeit (für ein nicht weiter beschriebenes Verbrechen) abgelaufen ist, entscheidet er sich sein altes Leben, und damit seine Freunde, hinter sich zu lassen. Er will einen Neuanfang, eine Orientierung im Leben - mit einem Transportschiff nach Südafrika und Singapur. Der Film erzählt von dem Tag und der Nacht vor seinem Weggang, einer intensiven "Reise" mit Ricco und Walter vor der eigentlichen Reise.

Die Erzählzeit umfasst - für filmische Verhältnisse - eine relativ kurze erzählte Zeit von knapp einem gesamten Tag. Solch ein Verhältnis war schon immer gut geeignet, Plot und Kausalität gegen atmosphärisch dichte Momentaufnahmen des Lebens einzutauschen. Absolute Giganten ist ein solcher Film: Hier werden Stimmungen eingefangen, nicht etwas Ereignis an Ereignis logisch geknüpft. Der Moment ist alles, woraus er entspringt nichts. Er ist absolut und gigantisch. Dies auch die Philosophie des Films - denn nichts anderes sagt Floyd in seinem Schlussmonolog aus dem Off, als er den Moment, dessen er sich als erstes im Leben erinnert, Revue passieren lässt. Einer dieser absoluten Augenblicke, in dem nur das wichtig ist, was man gerade erlebt. Die letzten Worte dieses Monolgs fallen allerdings onscreen aus dem Mund der Floyd-Figur: So qualifiziert er auch die Ereignisse des Films als Momente dieser Art - Momente, die für sich stehen und ein originäres Erleben einfordern.
Dieser Grundgedanke würde nicht so unglaublich gut funktionieren, wenn es an guten Schauspielern fehlen würde: Frank Giering, Florian Lukas und Antoine Monot Jr. stellen die drei Freunde kurz vor ihrer Trennung souverän dar. Für letztere Beiden ist die Überzeichnetheit, die auch zum Teil die soziale Schicht, aus der sie kommen, karrikiert, jedenfalls passend. Doch Frank Giering als Floyd scheint ab der ersten Szene in der aufgemotzten Karre nicht ganz dazuzugehören: seine leuchtenden Augen tief und ernst, sein Gesichtsausdruck nachdenklich und ruhig. Er ist die ambivalenteste Figur. Sein krimineller Hintergund unbekannt, wohl aber prägend. Er will das in den Tag hinein Leben, die Momentaufnahmen mit seinen Freunden beenden. In ihm konvergiert der Grundkonflikt des Films, der so wunderschön in der Szene im Fahrstuhl beschrieben wird: die junge Telsa (Julia Hummer) erzählt von einem Traum, in dem sie vom Balkon stürzt. Existenzangst könnte man daraus lesen: Mithin ist es die Verantwortung im Leben, die Verpflichtungen, seien sie familiär oder finanziell, die drängen - besonders in sozial schwächeren Schichten. So wundert es nicht, das Telsa wichtiger Reibepunkt für das naive und absolute Erleben der drei Freunde in der Nachlandschaft Hamburgs wird. Floyd hält dieser Position des Traumes seine Vision von Glück entgegen: der Moment, der wie in einer Dauerschleife ständig erneut erlebt wird. Eine Auffassung, derer er sich selbst nicht mehr so sicher ist - will er ja mit der Reise seinen Platz im Leben finden, seine Zukunft in die eigene Hand nehmen. Oder etwa nicht? Der Film bezieht keine Stellung. Denn erst im Spannungsfeld dieser Positionen kann ja erst diese überwältigende Melancholie entstehen, die den Film durchzieht und ihn großartig macht. Und dazu braucht er nicht soviel zu erzählen, sondern er muss zeigen - gerade in den Nachtszenen (erlesene Panoramen und Totalen) kulminiert diese Stimmung. Selbst das etwas überinszenierte Kickerspiel hat da seinen Zweck. Absolute Giganten betreibt eine Bestandsaufnahme des Lebens an der Schnittstelle zwischen Moment und Verantwortung - wunderbar!

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#152 bekay

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Geschrieben 03. Juni 2006, 23:30

Wu ji - The Promise
China/Hong Kong/Japan/Südkorea: 2005, R: Kaige Chen
DVD (RC0 Korea), OmU

Fällt mir sehr schwer, etwas zum Film zu sagen. Ich hatte eine gewisse Vorfreude, die eigentlich nicht enttäuscht wurde. Doch dann wiederrum war es doch nicht das überwältigende Bilder-Erlebnis, wie gehofft. Und schön war's trotzdem. Ich bin sozusagen in einer Zwickmühle: egal, was ich schreibe, ich würde meinen Filmeindruck wohl nicht adequat wiedergeben können, und dem Film Unrecht tun. Das aber soll nicht bedeuten, das wir es mit einem in Mittelmäßigkeit versinkenden Werk zu tun haben. Oh je, schon wieder...

Wu Ji erzählt relativ klar von einer Liebesgeschichte. Trotz der Flut der Bilder und Schauplätze bleibt er dieser Linie treu. Die beschriebende Dreiecksbeziehung steht eindeutig im Vordergrund und wird nicht von Formen und Farben verschlungen - jedoch ist sie auch nicht so rührend, wie sie vorgibt zu sein. Das ist auch ein kleines Problem. Die bunte und stets maßlos übertriebene Präsentation - gar nicht pejorativ gemeint - mag sich nicht gar so recht auf das Zentral-Thema übertragen. Manchmal gelingt es, wie in der Szene, in der Kunlun Qingcheng aus ihrem goldenen Gefängnis befreit und sie dann über die Dächer des Kaiser-Palasts fliegen lässt. Was mich hier überhaupt nicht gestört hat, ist die (wie ich so gelesen habe) viel kritisierte "Billigkeit" der Effekte. Nein, das war doch großartig anzuschauen. Die Macher haben sich wohl ganz bewusst von jedweden Realitätseffekt verabschiedet. Das Bild will doch gar nicht "real" wirken, es will uns seine fantastischen Welten nicht so zeigen, wie wir sie sehen würden, wenn es sie wirklich gäbe. Es feiert sich in seiner Künstlichkeit und Theatralik - und eben in dem, was es nicht ist: real. Die Farben satt und überstrahlend, die Kontraste fast giftig, Bewegungen comichaft, die Kampfinszenierungen aberwitzig (Yuen Woo-pings Choreographien wirken dagegen dokumentiert). Ich empfand diesen Aspekt als faszinierendsten des ganzen Films. Die offensichtliche Herkunft des Großteils der Produktion aus dem PC tat meinem Spaß keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Macht ein Ölgemälde einen Hehl daraus, dass es mit Ölfarben gemalt wurde? Eben das - die eigene artifizielle Verfasstheit - kann doch auch der Reiz der abbildenden Medien sein und ist es bei Wu Ji besonders. Mein letzter Kritikpunkt schließt paradoxerweise daran an. Da die bewegten Bilder ständiger digitaler Manipulation ausgesetzt waren, gibt es viele Bewegungsabläufe, die ungewöhnlich verwischen. Dieses Phänomen - auch in Maßen bei den Kampfsequenzen von Tiger & Dragon zu begutachten - wirkt auf mich immer, als ob es aus der Home-Video- und TV-Welt stamme. Und das hatte auf mich oben erwähnten Billigkeits-Effekt. Nun, kein Auge ist unschuldig - gerade deswegen ein Film, den man erblicken kann...

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#153 bekay

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Geschrieben 05. Juni 2006, 00:33

Godzilla: Invasion of Astro-Monster AKA Befehl aus dem Dunkel
Japan: 1965, R: Ishirô Honda
DVD (RC4), OmU

1965 bescherte uns Herr Honda also den 6. Teil der Godzilla-Reihe. Böse Außerirdische von Planet X wollen an unsere Wasservorräte - und kontrollieren Godzilla, Rodan und King Ghidorah, um die Erde platt zu walzen. Eine Männerfreundschaft und zwei Liebespaare dürfen nicht fehlen. Am Ende fügt sich alles - fast alle Protagonisten leisten ihren Beitrag und sind ungewöhnlicherweise immer da, wo die Action stattfindet. Ein bekanntes Phänomen bei Godzilla-Filmen. Aber wieso heißt das Dingens denn in Deutsch Befehl aus dem Dunkel? Ein passender Titel, denn den Plänen der Außerirdischen geht ein Komplott voraus - sie geben vor, friedliche und hilfsbereite Erdenfreunde zu sein. Dieses eigentlich vollkommen unnötige - ein Überraschungsangriff würde es auch tun - Vorspiel weiß durchaus zu faszinieren: die Reise der Astronauten Glenn (Nick Adams) und Fuji (Akira Takarada) zum noch unbekannten Planeten X und ihre Landung dort kann über sehr liebevolle Studiobauten und Hintergründe & Ifukubes Musik doch einen reizvollen Spannungsbogen erzeugen. Ein interessanter Beitrag leistet dabei auch die Montage - hier erinnere ich mich an die Szene, in der der schüchterne Erfinder Tetsuo (Akira Kubo) und seine Freundin Haruno (Keiko Sawai), Schwester von Fuji und unwichtigste Figur jemals, in einem ungewöhnlich dunkelblauen und spacigen Restaurant sitzen. Tetsuo soll dort eine seiner Erfindungen an eine Spielzeugfirma verkaufen. Zweimal wird während des Gespräches die Raumfähre, die durch den ähnlich dunkelblauen Weltraum fliegt, eingeblendet, so als ob diese parellel ablaufenden Vorgänge auf eine mysteriöse Art verbunden wären. Schnell wird auch dieses Geheimnis gelöst - die unheimlich anmutende Wirkung dieser Parallelmontage geht mir aber nicht aus dem Kopf. Genau wie die unterirdischen Gänge auf Planet X oder die X-Bewohner selbst - auf gewisse Weise schien mit das alles kaum lächerlich (obwohl es so aussah), sondern eher fremdartig - z.B. die Aliens in ihrer subtilen Andersartigkeit der Bewegungen und ihrem Auftreten in organisierten Formationen. Das erste Drittel des Films wird so geradazu fesselnd und atmosphärisch. Wenn dann die rar gesäten, jedoch spaßig inszenierten Monterkämpfe einsetzen, entwickelt sich Befehl aus dem Dunkel etwas platt und schematisch fort - trotz vieler netter Details. Die anfängliche narrative Klammer, die ständig auf das Unbekannte, Dunkle rekurrierte, fällt im Folgenden weg, und die einzelnen Sequenzen zerfallen in loose erzählerische Bestandteile. Interessant (und schade) ist, dass einige der Godzilla-Beiträge anfangs eine ganz eigentümliche Spannung aufbauen, und diese mit der ersten Erscheinung des Monsters rapide abfällt und nicht weiterverarbeitet wird. Dann vergeht einem auch der Spaß an den schön zertrümmerten Modellbauten, besonders wenn diese zu eindeutig dem Selbstzweck frönen.

Der Film hat schon einige Pluspunkte: Ein m.E. nach sehr gelungenes Produktionsdesign und gute Effekte. Und die frische Idee, die Gefahr an die Außerirdischen zu koppeln - die Bedrohung geht hier wirklich nur mittelbar von den Monstern aus. Godzilla & Co. allerdings verkommen plötzlich zu bloßen Nebendarstellern und verlieren ihre Symbolik, was nicht wenig enttäuscht. Mit der Transponierung der Gefahr wird jedoch auch die belehrende Botschaft transponiert: weg vom Natur- und Atomkraft-Thema, hin zu einer Technik-Kritik. Die emotionslosen X-Bewohner mit ihrer Abhängigkeit von Zahl und Computer sind Prototypen eines technokratischen Systems, welches eben zusätzlich besiegt und überwunden wird.

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#154 bekay

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Geschrieben 08. Juni 2006, 01:55

A Nightmare On Elm Street Part 2: Freddy's Revenge
USA: 1985, R: Jack Sholder
DVD (UK), OmU

Dieser viel gescholtene Film, oft als schlechtester der Nightmare-Reihe beschimpfte, hat mir einen äußerst amüsanten und kurzweiligen Abend bereitet. Man kann diesem zweiten Teil viel vorwerfen, doch ich würde ihn einfach gern verteidigen, als einen höchst interessanten Beitrag - eine kleine Apologie für Freddy's Revenge.

Man muss ihm eines lassen: er erzählt gerade heraus. 80 Minuten, ein interessantes Konzept, viele obskure Ideen. Der Beginn wird, wie schon in Teil 1, von einem expressionistischen Traum markiert - expressiv, weil die höllische Traumwelt Freddy Kruegers, mithin sein Wesen, mit der karg-sandigen und rot beleuchten Landschaft passend bebildert wird. Aber auch, weil in dieser Wüste ein Schulbus auf einem Felsen dem Absturz nahe ist. In diesen Schulbus befindet sich Protagonist Jesse (Mark Patton), zwei kreischende Mädchen und Antagonist Freddy Krueger (Robert Englund). Ersterer wird in diesem Traum als Außenseiter dargestellt, als einsamer und eigenbrötlerischer Teenager. Und selbst wenn der Film im Folgenden diese Charakterisierung eher reißbrettartig spezifiziert, außer in den sehr expliziten Streitigkeiten mit dem Vater, gelingt Regisseur Sholder eine sehr viel gelungenere Inszenierung des jugendlichen Milieus, als dies der erste Teil im Stand gewesen war. Ob das nun an Mark Patton eher sensiblen Äußeren lag, oder anderen Faktoren: Ich spürte diese jugendliche Angst. Irgendetwas war am Brodeln - und ich meine hier nicht nur Freddy Krueger. Und dies ist der Ansatzpunkt des Films - er will ein psychologisches Spiel entzünden. Der Bus, der sich gerade so in Balance hält auf dem Felsen, ist ein solch beeindruckendes Initial-Symbol: nicht nur für die Unsicherheit des Jesse, sondern für das Spiel zwischen ihm und Krueger, welches im Folgenden entbrennt. Die eine Seite der Junge, die andere das Böse, welches ihn übernehmen will - die zwei Teenie-Mädels in der Mitte sind vernachlässigbar... das Konzept zieht ale Register der Doppelgängersymbolik, samt Spiegelsequenz, und besteht in der Gefahr des seelischen Ungleichgewichts, des Mißbrauchs des Körper als Werkzeug. Jesse wurde von Krueger als Medium auserkoren, als Schnittstelle zur körperlichen Welt. Gleich zu Anfang, seine roten Augen starrend und in perfekter Sergio-Leone-Großaufnahme eingefangen, sagt er "You've got the body, I've got the brain". Dann reißt er sich seine Haut vom Kopf, um sein pulsierendes Gehirn freizulegen - eine nette Parallele zum ersten Nightmare. Es ist nicht die einzige Referenz - Nancy, Protagonistin des Vorgängers, wird erwähnt und ihr Tagebuch gefunden. Jesses Freundin Lisa (Kim Myers) schmökert darin herum und betreibt Nachforschungen über Freddy. Sie bringt den psychologische Kampf auf's neue Level. Ihre Theorie - Freddy kann geistig bekämpft werden, Jesse muss sich im Kopf gegen seine Übergriffe wehren. Diese sind mittlerweile körperlich geworden. Mit schierer Drastik und Effektreichtum wird die leibhaftige Geburt Freddys aus Jesse gezeigt - das Psychospiel wurde auf das Körperliche transponiert. Das Traumkonzept wird somit vernachlässigt, viel eher existieren ambivalentere Einbruchstellen. Die Welt des Antagonisten wird der Welt des Protagonisten aufgezwungen. Traum und Realität - weniger unterscheidbar als noch in Teil 1. Dort musste man noch träumen, um umgebracht werden zu können - hier muss keiner mehr schlafen, um in die ewigen Jagdgründe zu gehen: Freddy bringt seine alptraumhafte Welt einfach mit in die Realität. Besonders bildlich bei der Party gegen Ende umgesetzt, wo ganze Horden von Jugendlichen fliehen.

Dieses neue Konzept ist etwas vollkommen Anderes: Der Schlaf ist nun nicht mehr das Dunkle, Unheimliche und Unbekannte - darauf legt Jack Sholder bei der Inszenierung auch nicht besonders viel wert. Dieser ganze Ich-darf-nicht-einschlafen-Aspekt ist wirklich nur rudimentär umgesetzt. Dafür versucht er sich an einem experimentellen Ansatz: Die Horror-Elemente mit denen des Melodrams zu verbinden. Jesse/Freddy werden nun zu zwei Seiten einer Medaille, und Lisa muss "Kopf oder Zahl" spielen. Es werden theatralische Blicke ausgesendet, wird geheult, geschrien, "I love you", "Kill me" & "You can fight him". Sie muss das Finale bestreiten - Kim Myers spielt die liebende Frau, die ihren Mann zurückerobern muss, äußerst souverän. Und auch Mark Patton stellt seine Zweifel und Ängste etwas bemüht, kaum schlecht dar. Am Ende siegt die Liebe. Das ist zwar kitschig und obendrein unausgegoren. Aber es bringt erfrischenden Wind ins öde Slasher-Prinzip.

Liebe spielt in dem Film auch auf anderer Ebene eine große Rolle. Jack Sholder inszeniert den männlichen Körper. Beobachtet ihn, der Blick ist immer auf freie Oberkörper gerichtet, die ungewöhnlicherweise zu jeder Gelegenheit, Nacht- und Tageszeit, anzutreffen sind. Neben diesen latenten Anspielungen auf Homosexualität gibt es auch äußerst explizite, wie dem schwulen Sportlehrer. Warum man das dem Film entgegen halten sollte, weiß ich nicht so genau. Viel interessanter finde ich, dass eine "neutrale" Geschichte durch seine Erzählung so auffällig perspektiviert werden kann, der Regisseur über Spuren im Bild seine Intention so offensichtlich hinterlassen kann - und trotzdem keine Geschichte über Schwule erzählt. Das würde ich als Denk(')mal in all seiner Doppeldeutigkeit bezeichnen. Wenn es dann auch noch zu einer der skurrilsten Duschmordszenen führt, der ein Auspeitschen eines nackten Männerhintern mit Handtüchern vorausgeht, würde ich einfach gerne "Bravo!" rufen.

Daneben gibt es noch viele optische Spielereien und unglaubliche Ideen. So zusammenhangslos und lächerlich der Angriff der Kanarienvögel auch scheint, er ist doch furios geschnitten und über perfekte Point-of-View-Shots aus Sicht der beflügelten Angreifer realisiert. Außerdem: Hunde mit Menschenköpfen, Killerraten, die von hässlich-dicken Monsterkatzen gefressen werden usf. Der Showdown in der Industrieanlage war vollgestopft mit auffälligen Einstellungen, die mir recht gefielen. Und die Musik: Christopher Young hat einen hochwertigen Score beigesteuert, der wegen seinem fremdartigen Sounddesign geradezu lebendig wirkte.

Es fehlt diesen ganzen Elementen die Kohärenz, um es zu einem runden Ganzen zu schweißen. Das ist auch besser so. Der Versuch zählt.

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#155 bekay

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Geschrieben 09. Juni 2006, 01:28

X-Men: The Last Stand
USA: 2006, R: Brett Ratner
Kino, Synchro

X-Men Numero 3 ist nicht der vielerorts befürchtete Totalausfall, und dann ist er doch nicht sonderlich gut. Das liegt zum Einen an Ratners teilweise schrecklich öden und lachhaften Standard-Umsetzung, zum Anderen an einem vollgestopften Drehbuch, dass sich einfach nur in seinen zahlreichen Vorgängen verläuft. Die Geschichte will viel, will ganz großes Kino machen. An den Vorgänger anschließend, geht's gleich zur Sache: Jean Grey (Famke Janssen) kehrt zurück, und Professor X (Patrick Stewart) verrät mal mir nichts, dir nichts, dass sie die ziemliche Obermutantin ist - da ihre Mutation im Unterbewusstsein stattgefunden hat. Wir wissen's vom Freud: da tanzt alles nach der Pfeife des ES', deswegen ist sie nun meist rollig oder böse. Zu diesem Übel kommt hinzu, dass ein Heilmittel gegen das X-Gen, welches die Mutation hervorruft, entdeckt wurde - dies sorgt für reichlich Konfliktpotential. Ratner schafft es nicht, diese tiefgreifenden Umwälzungen in der erzählten Welt glaubhaft und dramatisch auszuspielen. Alles passiert im Vorbeigehen: Grey tötet mal eben ihren Freund Cyclops (James Marsden), Xavier fällt ihr zusätzlich zum Opfer, zugegebenermaßen in einer furiosen Actionsequenz. Emotional kann man den ganzen Film aber in die Pfanne kloppen. Kein Identifikationspotential und platte Klischees, wohin man schaut. Nach dem Abgang von X darf sich Wolverine (Hugh Jackman) theatralisch und heulend auf den Boden hauen, und Storm (Desaster: Halle Berry) umarmt ihn in, beide in aufgesetzter Trauer-Laune vereint. Ähnliche Ausfälle stellen die Beerdigung Xaviers, die Dreiecksbeziehung Iceman-Rogue-Kitty (verknappt und unausgegoren) und das finale Aufeinandertreffen Greys und Wolverines dar. Absoluter Kracher allerdings: Magnetos Erkenntnis seines eigenen Leichtsinns, als er begreift, was für eine Amazone er sich mit der Grey da eigentlich an Land geholt hat. "Was habe ich nur getan?" Man sollte sich eigentlich schon hüten, so eine vorbelastete Aussage ins Drehbuch zu schreiben - noch mehr davor, sie so unnatürlich umzusetzen, dass sie leer und nebensächlich bleibt. Wie alles an dem Film. Eine Menge Wind um nichts.

Auch die von Bryan Singer in ersten und zweiten Teil eher angedeutete, aber stets klare und über dem Geschehen schwebende Außenseiterthematik wird hier ungewöhnlich verwässert. Denn durch das Gegenmittel, mit dem man das "Anderssein heilen" kann, ist zwar der Grund des zentralen Konfliktes zwischen der Armee Magnetos (Ian McKellen) und den Menschen/X-Men glaubhaft gemacht, gleichzeitig nimmt diese neue materialistische Ausrichtung The Last Stand einiges an idieller Wirkungskraft. Gleich ist es nicht mehr so einfach, Mutanten als Symbol für eine Minderheit zu lesen. Durch eine Spritze kann man sich der "lästigen Homosexualität" entledigen. Filmintern wird dieser "Impfungsvorgang" auch noch gerechtfertigt, indem Rogue sich heilen lässt, um mit Iceman intim zu werden - hier wird jegliche von Singer aufgebaute Symbolik zunichte gemacht. Auch andere moralische Konflikte, wie die von Xavier und Magneto, werden stiefmütterlich behandelt und gehen ein.

X-Men: The Last Stand ist folglich wie ein schlechtes Festmahl - es sieht unglaublich gut aus (ich denke dabei besonders an die Golden-Gate-Bridge Szene) und macht richtig Appetit. Es verspricht, geradezu delikat und wunderbar zu schmecken. Die Häppchen jedoch werden bloß verschlungen, schmecken nach nichts und lassen einen ungesättigt zurück...

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#156 bekay

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Geschrieben 12. Juni 2006, 11:12

Avalon
Japan/Polen 2001, R: Mamoru Oshii
DVD (Kinowelt), Synchro

Ash (Malgorzata Foremniak) ist eine Größe im verbotenen Online-Spiel Avalon. Sie gilt als Einzelgängerin im Game. In der "realen" Welt führt sie ein unscheinbares, jedoch auch einsames Leben, dass sie sich und ihrem einzigen wirklichen Freund, einem Hund, mit dem Geld angenehm macht, welches sie durch Umwandlung der Score-Points verdient. (Batou aus Ghost in the Shell 2: Innocence lässt grüßen.) Als sie von einem geheimen Level erfährt, aus dem man nicht aussteigen kann, setzt sie alles daran, in dieses einzudringen. Nicht nur, um sich als Spieler zu beweisen, sondern auch, um Murphy (Jerzy Gudejko) wiederzusehen. Er war der Führer eines berüchtigten game-internen Teams, den "Wizards", in dem Ash Mitglied war und das in einer der Extremsituationen des Spiels zerbrochen ist. Er hatte sich in das versteckte Level begeben, mit der Folge, dass sein Körper in der realen Welt nur noch eine leere Hülle ist...

Avalon ist der Name des Films. Es ist der Name des Online-Spiels. Es ist der Name eines Konzertes, in dem es um das Avalon des Artussage geht. Ein mythischer Ort, von Nebel umgeben, ein Versprechen, etwas Verborgenes zu finden. Avalon wird zum Symbol der Wahrheit - und somit letztendlich der Realität. Der Film breitet 3 Realitätsebenen vor dem Zuschauer aus, die filmintern folgendermaßen zueinanderstehen: Die Realität, die das Online-Spiel enthält, welches das Geheim-Level enthält. Jedenfalls markiert die Geschichte, in Aussagen, Handlungen und Beweggründen der Figuren, diese Reihenfolge. Aber gewisse bildliche Merkmale und Hinweise sabotieren diese Stellung der Ebenen. Die fast monochrome Farbgebung, mit hohen Kontrast und starker Überblendung, die dem Bild ihre Tiefe raubt, findet sich nicht nur in Avalon, vielmehr auch in der vermeintlich realen Welt. Diese optische Spielerei wirkte anfangs allzu platt und aufgesetzt, eröffnete aber mit voranschreitender Zeit ihre Funktionalität. Gerade im Gegensatz zum versteckten Level, welches visuell einer natürlichen Filmaufnahme gleichkommt - und somit mehr Ähnlichkeit zu unserer Weltwahrnehmung besitzt als die ersten zwei, dieses Level angeblich umschließenden Ebenen. Ist diese Stufe des Online-Spiels die eigentliche Realität? Die Antwort bleibt aus. Genau wie in der ersten Ebene Vorgänge virtuellen Urspungs passieren, wie das Verschwinden des Hundes oder die leeren Bücher, bleibt uns die dritte Ebene den Realitätsbeweis schuldig: Murphy löst sich in Daten auf, nachdem er von Ash erschossen wurde, und die Zuschauer im Konzertsaal sind plötzlich verschwunden. Vorgänge, die nur in einer programmierten virtuellen Umgebung geschehen können. Etwaiige Vergleiche mit Matrix halte ich eher für unangebracht, denn die Trilogie trennt Realität und virtuelle Umgebung meist haarscharf voneinader ab. Avalon versucht sich an der Versinnbildlichung des Zusammenrückens von Spiel und Realität - besteht das Leben nicht aus dem Drang, weiterzukommen, aufzusteigen, der Suche nach Wahrheit, dem Erreichen eines gesteckten Ziels? Auffällig die Sequenz in der Kantine: in einer sozial schwierigen Zeit und Umgebung wird der eklige Eintopf offenbar mit den gesammelten Punkten aus Computerspielen bezahlt. Diese Verzahnung von Sozialität und Virtualität halte ich für die zentrale Aussage - eine Gesellschaft, die auf den Mechanismen des Computers, hier im Speziellen des Spiels, basiert. Das Werk nimmt zu dieser Entwicklung eine eher kritische Stellung sein, wenn man bedenkt, dass Ash dieser Welt entflieht, indem sie ihrem Hund mit viel Liebe und Sorgfalt ein Essen kocht. Das gibt ihr die größte soziale Erfüllung - die Farben der Zutaten dringen durch die Sepia-Töne hindurch.

So wird Avalon, in all seinen Ausdeutungen, zur Metapher des modernen Lebens - der gesamte Film, respektive das Leben, ist das Spiel. Diese Lesart ist jedoch kaum zwingend, denn außer dem aufdringlichen, viel zu sehr um Erklärung bemühten Text-Prolog weist der Film glücklicherweise nicht die dumpfe Sophisterei und philosophischen Plattitüden von Oshiis nachfolgendem Werk Innocence auf. Die Bilder, da von einer eher loosen Erzählung zusammengehalten, fragmentiert und aus meist auffälligen und künstlichen Winkeln photographiert, legen Fährten, die in ihrer Wirkung allesamt bestehen bleiben. Eine Auflösung der Rätsel um die "realere" Welt bleibt vollkommen bei dem Zuschauer... diese prinzipielle Offenheit und der symbolische Charakter machen Avalon, trotz des knappen Budgets und der etwas ungelenken Schauspielerführung, zu einem angenehmen Erlebnis.

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Geschrieben 03. Juli 2006, 01:59

From Hell
USA/UK/Tschechien: 2001, R: Albert Hughes & Allen Hughes
DVD, OmU

Ich hätte den mal nicht im O-Ton gucken sollen. War nicht einfach. Selbst wenn man Alan Moores umfangreiche Comicvorlage aufs Wesentliche runtergekocht und gar geändert hat - komplex bleibt die ganze Geschichte immer noch. Der Film an sich ist grundsolide: Das London des Jahres 1888 dreckig, obszön - das Viertel Whitechapel wird als sozialer Brennpunkt recht interessant bebildert. Auch wenn es etwas nach Studioatmosphäre stinkt. Die Farben, besonders der Kostüme, sind ungewöhnlich farbenfroh ausgefallen - gern wird sich ja des Klischees bemüht, die Vergangenheit in irgendwelche digitalen grau-braun-Töne zu hüllen. Die Farbdramaturgie hier, wenn auch etwas künstlich, war in den meisten Belangen an ihrer Funktion ausgerichtet. Hier und da etwas übertrieben und giftig, ansonsten durchaus ansehnlich. Johnny Depp mimt uns den Frederick Abberline, ermittelnder Inspektor im Fall "Jack the Ripper". Er macht das ganz gut, eine gewisse Lustlosigkeit jedoch kann man da schon spüren. Abberlines Ermittlungsmethoden und forensische Wissen sind zum Teil äußerst versiert. Zum anderen stützt er sich bei seinen Fällen zusätzlich auf seine hellseherischen Fähigkeiten. Die Visionen kommen sehr gerne im Drogendelirium. Dieser interessante Aspekt der Geschichte - besonders die Point-Of-View Perspektiven während der Visionen - haben überhaupt keine weitere Funktion für die Erzählung an sich. Die Leichen werden kurz darauf sowieso gefunden, womit seine esoterischen Ausflüge leider ziemlich zwecklos sind. Auch für Heather Graham gilt: Ihre Rolle als Prostituierte Mary Kelly ist weder enttäuschend, noch aufregend. Die Liebesbeziehung zwischen ihr und Abberline kommt zwar nicht aufdringlich oder kitschig daher, wiederum konnte sie mich kaum berühren. Mit anderen Worten: die zwei Hauptfiguren waren mir eigentlich herzlich egal. Der heimliche Star des Films ist Ian Holm. Er spielt Sir William Gull, einen Arzt im königlichen Dienst. Seine Arbeit als Chirurg musste er nach einem Schlaganfall aufgeben. Er scheint Abberline gutherzig mit hilfreichen Tipps bei der Lösung des Falles zu unterstützen, bis er sich selbst als gesuchter Täter herausstellt. Das Konzept des Films, die Figur des Jack the Ripper während des Films langsam zu enthüllen, ist wohl der gelungenste Aspekt an From Hell. Sie wird umso menschlicher, je weiter sie sich durch die Prostituierten-Gruppe um Marry Kelly (als faszinierender, historischer Mikrokosmus porträtiert) mordet. Das erste Opfer findet noch in absoluter Schwärze sein Ende - nur das aufblitzende Messer schwebt hektisch durch die geisterhafte Leere. Gleich danach eine Kamerafahrt auf eine steinerne Teufelsfratze - Jack the Ripper, der Dämon. Auch die Kamera-Einstellungen, die seinen Körper nur bis zum Kopf darstellen, und seine tiefe, eindringliche Stimme machen ihn zum Monster. Zug um Zug, Mord um Mord werden uns mehr blutige Details präsentiert: die präzise, teufliche Arbeit wird zum Menschenwerk - samt Fehlern, Zeitdruck und schmutzigen Händen, die im Wasser gesäubert werden müssen. Bis am Ende ein wehmütiger Ian Holm auf dem Bett seines letzten Opfers sitzt und wartet, bevor er seine rituelle Prozedur beginnt. Eine gebrochene Seele, die sich den Erfolg und das Ansehen als Chirurg zurückwünscht. Auch ein religiöser Fanatiker. Mitnichten ein Dämon. Diese Umkehrung des Mythos ist wirklich sehenswert - die Freimaurer-Verschwörung und Vertuschungsaktion der britischen Krone, um die Affäre des Prinzen mit einer Prostituierten geheimzuhalten, geraten da eher ins Hintertreffen. Auch weil der Film, wie in so vielen Belangen, einfach eine klare Linie vermissen lässt.

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#158 bekay

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Geschrieben 04. Juli 2006, 01:37

24 - Staffel 1
USA: 2001/2002, Creator: Joel Surnow & Robert Cochran
DVD, OmU

Jack Bauer (Kiefer Sutherland), Agent der Counter Terror Unit, kurz CTU, erlebt die Hölle in 24 Stunden: Seine Tochter und Ehefrau werden entführt, um ihn zu zwingen, einen Mordanschlag auf Senator David Palmer (Dennis Haysbert) auszuüben. Er hat als erster Schwarzer reale Chancen auf die Position des Präsidenten der Vereinigten Staaten und ist somit eine politisch brisante Persönlichkeit. Allerdings ist es kaum seine Hautfarbe, die ihn zum Ziel macht, sondern die Taten seiner Vergangenheit - die Genehmigung der Operation "Nightfall" im Kosovo. Ausgeführt wurde sie von Jack Bauer. Die Leute, die nun auf Rache für die damaligen Ereignisse sinnen, haben sogar die CTU mit Doppelagenten infiltriert. Jack Bauer ist auf sich allein gestellt...

24 - oder der Traum von der Echtzeit, die eigentlich total unecht ist. 24 Folgen, 24 Stunden, 72 Werbepausen, die den so "echten" Stunden jeweils über 15 Minuten Zeit nehmen. Diese Serie wurde für ihr revolutionäres Konzept gefeiert. Und man kann nur mitfeiern, wie Leute auf so einen Blender hereinfallen. Die Erzählstruktur der ersten 24 Folgen - möge jede Folge auch noch so direkt an die Ereignisse seines Vorgängers anschließen - ist konventionell und überhaupt an keiner Stelle innovativ. Es wird Szene an Szene an jeweils unterschiedlichen Spielorten gereiht, wie man es kennt. Die Echtzeit soll durch eine digitale Anzeige der Uhrzeit kommen, die uns immer daran erinnert, wie weit wir in der Stunde fortgeschritten sind - oder, wie viel Zeit wir in der Werbepause verloren haben (auf DVD bleibt diese Werbe-Zeit, deren Beginn und Ende jeweils durch ein lautes Ticken der Sekunden markiert werden, ein undefinierter Nimbus, in dem scheinbar die 5-6 Minuten verschwunden sind). Dieses Bestehen der Serie nach zeitlich genauer Taktung bringt viel mehr Probleme, als das es 24 zur "Revolution" macht. Man muss sich doch fragen, was bitte in der Zeit passiert, in der die Kamera hier, und eben nicht dort ist. Scheinbar nichts, denn wenn sie wieder dort ist - also eine neue Szene an einen früheren Ort eröffnet - scheint das hier zu ruhen, bis es wieder wichtig für die Erzählung wird. Und genau da ist das Grundproblem: Echtzeit ist Parallelität - ihre Grundvorrausetzung ist die chaostische Gleichzeitigkeit der Ereignisse. Erzählung ist Liniearität - ihre Grundvorrausetzung ist eine selektive Instanz, die die Ereignisse zweckmäßig anordnet, so dass die Handlung spannend bleibt. 24 erzählt absolut linear. Darüber können auch die wirklich schicken Split-Screens nicht hinwegtäuschen, die zu selten und zu kurz in einem Zusammenhang der wirklichen Parallelität stehen - sondern meist eher optische Spielerei sind. Ich will die Wichtigkeit des gesplitteten Bildes für die Serie nicht herunterspielen - sie sind ihr Markenzeichen. Ich meine allerdings, dass die kurzen Momente der Parellelität kaum mehr als sekundär für die Spannungerzeugung sind. Durch die Echtzeit, die eigentliche gar keine ist, aber eine sein will, kommt es sogar zu Redundanzen, dass einem ganz unwohl wird. Menschen grüßen sich so, als ob sie sich letzte Folge (gleich: vor einer Stunde) nicht gesehen hätten. Menschen wiederholen Konflikte, Prämissen und Glaubensbezeugungen so, als ob sie eine duracell-betriebene Leier wären. Was in anderen Serien der sichere Anker des repetitiven Elements ist, ist hier einfach störend und unlogisch - da die Macher ja auf seine 24 Stunden bestehen mussten.

Aber kommen wir zum Wesentlichen: wenn man diese nervige digitale Uhr mal außen vor lässt, die ich jedenfalls bald schon nicht mehr beachtet hatte, dann erblickt man eine stellenweise großartige Serie. Und eine der spannendesten seit Langem. Und das hat nichts mit ihrem unglücklichen Grundkonzept zu tun, sondern mit einem höchst glücklichen Händchen bei Schauspielern und den Szenarien. Kiefer Sutherland gibt uns den Bauer sehr überzeugend als fast schon zwielichtige Doppelfigur: übermenschlicher, kaltblütiger Terrorbekämpfer und fürsorglicher Familienvater in einem. Ein uramerikansches Klischee? Nein, nicht so richtig. Auch er mißtraut dem System und glaubt an Wahrheit, die er nicht unbedingt mit Amerika gleichsetzt. Überhaupt - Amerika? Dieser Begriff wird selten erwähnt, und wenn, dann nicht darüber abgefeiert. Auch Senator Palmer ist eine ambivalente Figur. Dennis Haysbert spielt seine Rolle ehrfurchtserbietend. Als erster schwarzer Präsident hängt ihm das Symbol einer grundlegenden Veränderung oder gar Erschütterung an. Da er nun das Prinzip Wahrheit in Reden nicht nur predigt, sondern hinter den Kulissen dafür auch kämpft, kann man durchaus Kritik gegenüber der Bush-Regierung wittern. Hatte ich schon erwähnt, dass er Demokrat ist? Auch darüberhinaus ist die Serie einmal mehr, einmal weniger daran interessiert, gesellschaftliche Mikrokosmen zu skizzieren, die die USA als Land der begrenzten Möglichkeiten entlarven. Man denke an den Junkie, auf den Kim Bauer (Elisha Cuthbert) & ihre Freundin auf der Flucht vor ihren Entführern treffen. All das sind natürlich kaum mehr als Andeutungen, die auch nicht sonderlich konsequent daherkommen. Auch gerade die Terrorthematik wird äußerst unpolitisch und "atheistisch" angegangen. Sowohl die bösen Buben vom Balkan handeln aus persönlichen Rachemotiven - und auch Bauers furioser Final-Angriff ist rein emotional motiviert. Es geht auf der einen Seite weder um einen Glaubenskrieg, noch auf der anderen um Patriotismus. Ein Politikum ist die Serie in der ersten Staffel nur ansatzweise. Ihr wirklicher Verdienst ist eine stellenweise umwerfende Verwebung von Spannungs- und Suspense-Prinzipien. Informationen über die Figuren und ihren Zustand fließen, werden unterbrochen, umgeleitet. Hier steppt der Bär vor Aufregung. Die Handlung ist stellenweise unerträglich spannend inszeniert - habe ich schon erwähnt, dass diese Wirkung ihren Grund in der Liniearität der Erzählung hat? Handwerklich ein wahres Meisterstück.

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#159 bekay

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Geschrieben 07. Juli 2006, 13:27

Im Todesgriff der roten Maske
Großbritannien: 1969, R: Gordon Hessler
DVD (ems), Synchro

Sir Julian Markham (Vincent Price), britischer Lord, benimmt sich ziemlich daneben auf der Plantage in Afrika und trampelt mit seinem Pferd auf einem kleinen Jungen rum. Die Eingeborenen sinnen auf Rache und entführen fälschlicherweise seinen Bruder Sir Edward Markham (Alister Williamson). In einer klischee-beladenen, aber durchaus auch beängstigend inszenierten Voodoo-Zeremonie wird er mit einem Fluch belegt, der sein Gesicht entstellt. Wieder im Königreich angekommen, sperrt Sir Julian seinen Bruder in eines seiner vielen, vielen viktoriansichen Zimmer und kettet ihn an. Diese drastischen Maßnahmen erwachsen aus einer Mischung von Schuldgefühle, Furcht vor seinem nun sehr ungestümen Verwandten und Angst vor den gesellschaftlichen Reaktionen auf seinen enstellten Bruder. Anwalt und Freund der Familie Samuel Trench (Peter Arne) arbeitet - wohl eher aus zwielichtigen Motiven - an der Befreiung von Sir Edward. Eine Substanz, von einem angeheuerten Voodoo-Mann (Harry Baird) zubereitet, versetzt ihn in einen koma-ähnlichen Tiefschlaf. Die Befreiungsaktion misslingt jedoch und Sir Edward wird lebendig begraben. Glück für ihn, dass Grabräuber seinen Sarg ausbuddeln und an Dr. J. Neuhart (Christopher Lee) verkaufen. Der staunt nicht schlecht, als er mit seinen illegalen Untersuchungen an der scheinbaren Leiche beginnen will und diese lebendiger ist, als er es möchte. Sir Edward, der sich dem Doktor als Gast aufzuzwingen weiß, beginnt mit einer roten Maske ausgestattet seinen blutigen Rachefeldzug...

Schön erzählte Genre-Kost, der etwas an Atmophäre fehlt und stellenweise unentschlossen voranschreitet. Besonders die Figur Edwards leidet darunter. Er hätte eigentlich das Zeug zum eiskalten Racheengel. Doch eine angedeutete Liebesgeschichte musste noch eingebaut und somit aus der "Schöne & das Biest"-Motivik das Suchen Edwards nach Menschlichkeit und Zuneigung verwertet werden. Die blutrote Maske wäre ein probates Mittel gewesen, ihm etwas Entmenschlichtes und Unheimliches zu verleihen. Stattdessen sitzt er snobistisch mit Neuhart beim Essen und plaudert mit ihm. Oder in dieser (wohl auch augenzwinkernd gemeinten) Szene: Zwei Betrunkene schleifen ihn lustig-lallend in ein Bordell und er sieht sich nicht imstande, sich zu wehren. Aber wahrscheinlich sollte man die Maske noch nicht in dieser starken übersinnlichen und effekthascherischen Funktion der Slasher-Filme der 80er betrachten. Hier war der Mörder auch noch Mensch. Aber eben auch Mörder: die Tötungs-Szenen waren - trotz des offensichlich künstlichen Blutes - von erstaunlich expliziter Qualität. Die Grausamkeiten geschahen nicht etwa außerhalb des Bildkaders, sondern vor der Kamera. Nicht nur das, sondern aus der Sicht von Edward. Der Film bedient sich nämlich einer pfiffigen subjektiven Erzählstruktur. Es gab eine Menge technisch geschickt umgesetzter Point-of-View-Einstellungen, die mehr als visuelles Entertainment waren. Erstens erlauben sie dem Zuschauer eine Art der Involviertheit, die einer neutralen Kamera abgeht. Besonders die Voodoo-Zeremonie, mit der der Film beginnt, erhält dadurch eine ganz andere Qualität des Grusels - da sich das fremdartige Ritual äußerst direkt auch an uns richtet, wir unmittelbarer Bezugspunkt des Geschehens sind. Aber auch die Morde gewinnen dadurch. Zweitens aber ist der subjektive Erzählstrang ein narrativer Trick, um der Figur des Edwards doch noch etwas Unberechenbares zu verleihen und die Lösung des Rätsel um sein Aussehen an den Schluss zu verlagern, ohne wichtige Handlungen vorzuenthalten. Das hält die Spannung aufrecht, denn die auffällige Perpektivierung erlaubt zwar anderen Figuren, das Gesicht zu erblicken, bloß eben dem Zuschauer nicht. Am Ende muss jeder seine Schuld bezahlen und der moralische Kreis schließt sich. Unterhaltsam.

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#160 bekay

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Geschrieben 13. Juli 2006, 01:09

Der dritte Mann
UK: 1949, R: Carol Reed
TV (hr), Synchro

Der Schriftsteller Holly Martins (Joseph Cotten) wird von seinem Freund Harry Lime (Orson Welles) in das zerstörte Nachkriegswien eingeladen. Als er ankommt, lebt Harry nicht mehr. Calloway (Trevor Howard), Major der amerikanischen Besatzer, deutet an, dass Hollys Freund in kriminelle Machenschaften verwickelt war. Der Schriftsteller will dies nicht wahrhaben und stellt eigene Nachforschungen an, um den Namen Harrys reinzuwaschen. Er stößt dabei auf Ungereimtheiten - besonders die Umstände des Todes bleiben unklar. Angeblich war ein "dritter Mann" anwesend, als Harry angefahren wurde. Wer war das? Anna Schmidt (Alida Valli), Geliebte des Verstorbenen, hilft Holly bei seinen Ermittlungen eher zaghaft - sie hält sich illegal in Wien auf und fürchtet aufgrund ihrer slowakischen Vergangenheit die russischen Besatzer. Calloway führt den rumschnüffelnden Autor engültig in die dreckigen und unmoralischen Schiebereien Harrys ein. Es wäre so durchaus in seinem Interesse gewesen, von der Bildfläche zu verschwinden, indem er seinen eigenen Tod vortäuscht...

Ein faszinierender Film, der seine Wirkung eher aus dem Spiel der formalen Elemente schöpft. Die Geschichte an sich ist recht einfach konstruiert, stellenweise nicht besonders straff erzählt (es gibt nicht wenig Nebenhandlungen, die kaum auf die Lösung des Rätsels um den dritten Mann hinarbeiten) und bietet für einen Film Noir m.E. zu wenig Bedrohungspotential für die Hauptfigur. Holly ist in keiner lebensgefährlichen Situation, sondern scheint sehr oft die bestimmende Figur zu sein. Auch das angedeutete Doppelgängermotiv Harry/Holly (man beachte die gleichartige Struktur der Namen) ist recht schwach und verliert sich im Sande. Zusätzlich ist der Film moralisch zu sauber - so sauber wie die Krankenstation, in der die Kinder liegen, die mit dem gestreckten Penicilin Harrys zu Pflegefällen wurden. Hier vollzieht sich die endgültige Wende zur Gerechtigkeit. Nein, diese Geschichte ist harmlos und zahm. Interessant empfand ich, dass sich die Oberflächen-Elemente des Noir von diesem Inhalt emanzipierten. Die konsequente Verwendung des geneigten Kamerawinkels, und damit die eklatante Verletzung von Bildkonventionen, die nächtlichen Trümmer Wiens neben den noch erhaltenen historischen und riesigen Gebäuden, das Spiel von Licht und Schatten - zeitlose Einstellungen, perfekt inszeniert & gewählt photographiert. Aber kaum im Dienste dieser vor sich hin plätschernden Handlung. Denn wenn dies so wäre, würde diese Kraft der Bilder im Erzählten aufgehen. Aber das passiert hier kaum. Die formalen Elemente scheinen Meta-Aussagen zu sein, die auf eine über das filminterne Geschehen hinausgehende Bedrohlichkeit hinweisen, vielleicht auf die Essenz des Noir, die schwierige Nachkriegssituation in Wien oder kriminelle Energie an sich. Eine der extremsten Beipiele ist das Finale in der Kanalisation, die zu einer reinen Hetzjagd zwischen Formen, Licht und Schatten, Bewegungsrichtungen wird und dabei stellenweise vollkommen auf Narrativität verzichtet. Auch liegt Dem dritten Mann sehr viel daran, mit den Elementen des Noir zu brechen - Anton Karas feierliche Zither-Partie konterkarriert jegliche Bildspur der Gefahr. Auch die zynische sprechende Erzählinstanz zu Beginn des Films erfüllt die gleiche Funktion - und widersinnigerweise sogar der Plot tut diese ansatzweise. Erstens durch oben schon erwähnte Zahmheit, und zweitens da dieser auch eine Menge amüsanter und skuriller Figuren und Momente enthält. Vielleicht sind es jene Ironisierungen, die versuchen, die elementare Ursprünglichkeit eines Genres zu bergen. Im Nachhinein halte ich den Film für ein Film-Noir-Experiment... eine gelungenes obendrein!

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#161 bekay

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Geschrieben 26. Juli 2006, 09:10

Gregoire Moulin gegen den Rest der Welt
Frankreich: 2001, R: Artus de Penguern
DVD (Synchro)

Der schüchtern-neurotische Gregoire Moulin (Artus de Penguern) beginnt ein neues Leben in Paris. Schnell verliebt er sich in die Ballett-Lehrerin Odile Bonheur (Pascale Arbillot), die ihre Schule gegenüber seiner Arbeitsstelle hat. Nach einer Woche Überwindungsarbeit will er sie ansprechen, schafft jedoch nur, ihre Brieftasche zu klauen. Er wendet dies zum Vorteil, indem er sie anruft, meint, er hätte ihre Brieftasche gefunden, und einen abendlichen Übergabetermin in einer Bar mit ihr ausmacht. Allerdings verschwört sich das Schicksal gegen ihn. Es ist der Abend eines von den Parisern sehnlichst erwarteten Fußballspiels. Moulin begegnet grundsätzlich Verrückten, Gewalttätigen, Sexsüchtigen, die ihm wahlweise an den Kragen oder die Unterwäsche wollen. Der Weg zu seiner Angebeteten wird zum Spießrutenlauf...

Ich habe von Verrückten, Gewalttätigen, Sexsüchtigen geredet, will dies aber noch präzisieren: Menschen. Der Titel verschlüsselt es ja schon - "gegen des Rest der Welt" (aus dem Französischen noch eindeutiger: "versus die Menschheit/Menschlichkeit"). Gregoire Moulin und auch Odile Bonheur sind trotz ihrer Tollpatschigkeit und Schüchternheit, oder eben gerade deswegen, die Normalität, an dem sich die Taten der Anderen messen lassen müssen. Die Zoten mögen nach französischer Manier recht platt, lärmend und teils auch geschmacklos sein (vieles zündet trotzdem). Sie sind zusätzlich aber sozial bedeutungsvoll. Es steckt immer eine Gewalt und Totalität hinter den Aktionen der Menschen, die m.E. über die (nur) amüsanten Hindernisse sonstiger Vertreter dieses Komödien-Types hinausgehen. Zu betrachten wäre da schon ein Flashback in die Moulins Vergangenheit: Seine Eltern streiten sich darüber, ob er seine Zukunft als Arzt oder Fußballer bestreiten soll, und werden darüber nicht schlecht handgreiflich. Sie hauen sich gegenseitig solange auf die Fresse, bis sie gemeinsam aus dem Fenster stürzen und sterben. Moulin entwickelt nun während seiner Kindheit eine ganz natürliche Abneigung gegen Fußball. Als ihn seine Arbeitskollegen nun zum besagten Fußballspiel befragen, bekundet er nicht sonderlich viel Interesse. Das gipfelt gleich in der Unterstellung, er sei schwul. Die Kontrahenten, die das Zusammentreffen zwischen dem vorbestimmten Liebespaar sabotieren, sind in erster Linie egomanisch, faschistisch-totalitär und diskriminierend. Sie schrecken vor Waffengewalt und Vergwaltigung nicht zurück. Manchmal schluckt man da als Zuschauer. Das dann auf einer Kostüm-Party ein als Hitler Verkleideter eine nicht ganz unwichtige Rolle spielt, passt dann auch ins Gesamtbild.

Reizvoll ist, wie der Regisseur, gleichzeitig Hauptdarsteller, zwei weitere Erzählungen in die Odyssee Moulins einbindet. Einmal gestellte, auf "authentische Fernsehaufnahmen" getrimmte Szenen des Fußballspiels, und eine Fantasie Odile Bonheurs, die Flauberts "Madame Bovary" liest, während sie auf den Unbekannten mit ihrer Brieftasche wartet. Letzteres sorgt für eine transponierte Liebesgeschichte, da die echte ja verhindert ist. Schön zu sehen, dass den Franzosen ihr literarisches Kulturgut nicht heilig ist. Das Fußballspiel hingegen setzt eine Parellelität zwischen der voranschreitenden Verrohung und Verdummung draußen auf den Straßen Paris' und dem Treiben auf dem Spielfeld: Auf einem Trikot wird auch für "Smith & Wesson" geworben, der Unparteiische greift öfter zur grünen Karte, der gefoulte Torwärter wird durch einen Einarmigen ausgewechselt. Die Welt ist verrückt, das Liebespaar kommt nicht nach typischer Struktur zusammen, denn die Konsequenz des Films wird durch kein Happy End gestört. Ein Massaker erhebt die Grausamkeit zum Normalzustand, den vermeintlich Durchschnittlichen bleibt nur ein Ballettanz auf dem Mond. Und so geschieht es am Ende des Films auch. Selbst wenn diese Kompromisslosigkeit der letzten Einstellung imponiert, muss man doch ein dickes Fell mitbringen, die zotigen Unwägbarkeiten und Ungerechtigkeiten im Verlauf der Handlung zu ertragen...

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#162 bekay

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Geschrieben 31. Juli 2006, 13:23

Last Life in the Universe
Japan/Thailand: 2003, R: Pen-Ek Ratanaruang
TV (ARD), Synchro

Im TV lief der Film unter dem Titel "Leben nach dem Tod in Bangkok", so unpassend und unsinnig, wie man es von der Eindeutschungslandschaft nur gewöhnt ist. Wenn sich der internationale Titel noch auf die Allegorie der Einsamkeit und somit auch das Kinderbuch, welches als bedeutungstragende Parallelwelt dem Inhalt wichtige sinnbildliche Impulse gibt, bezieht, versuchen sich die deutschen Programmbetreiber mit dem Paratext gleich noch an einer Deutung. Denn Kenji (Tadanobu Asano) ist in der ersten Filmhälfte ständig kurz davor, sich das Leben zu nehmen. Immer wieder wird er unterbrochen (meist durch an den Nerven zerrende Signaltöne der Lebensumwelt). Allerdings zeigen zwei Fantasiesequenzen den möglichen Ausgang seiner vergeblichen Bemühungen. Hier könnte man ja durchaus einen "Tod" annehmen oder meinen zu sehen, jedoch tritt dieser mitnichten ein. Es gibt auch kein Danach. Nur das Davor, und das in diesen Sequenzen dargestellte Sehnen. Dabei bleiben Kenji und seine Beweggründe schwer nachvollziehbar. Er ist lethargisch und zwanghaft, hat eine sterile Wohnung, mit perfekt aufgestellten Bücherreihen, arbeitet als Bibliothekar. Man kann ihn durchaus als einsam beschreiben, was allerdings aus seiner eigenen Unwilligkeit, mit Menschen Kontakte zu knüpfen, herrührt. Sein Bruder ist ein Yakuza, auf der Flucht vor seinem Boss in Bangkok untergekommen, wo auch Kenji lebt. Ein Kumpel des Bruders stellt sich als Killer des früheren Arbeitgebers heraus und führt in Kenjis Wohnung die Exekution des untreuen Yakuza aus. Kenji erschießt im Gegenzug den Mörder. Seine Gleichgültigkeit beim perfiden Wegwischen des Blutes ist unnahbar. Wie der komplette erste Teil des Films eine ganz eigene sperrige Qualität vorweist. Schwer zugänglich sind hier die z.T. stillstehenden Einstellungen mit den abgebildeten ultrasterilen Einrichtungen und grauen Farben.

Die Wende in der Handlung, auch eine Wende für den Hauptcharakter und für mich als Zuschauer: Kurz vor dem Sprung von einer Brücke erblickt er Nid (Laila Boonyasak). Beide stocken und starren sich an. Nid wird in diesem Moment angefahren und stirbt. Sie ist es, die den Bann, der über Kenji lag, bricht. Auch sie war es, die das symbolische Kinderbuch in die Handlung einführte. Jedoch ist es deren ältere Schwester Noi (Sinitta Boonyasak), die mit dem einsamen Japaner Kontakt aufnimmt, was weiter als der technische Moment verstanden werden sollte. Die Handlung entwickelt sich zu einer traum-haften, wunderschönen Reise. Denn Noi bildet eine Art Gegenpol. Die Lebensweise der Thailänderin ist chaotisch. Mit ihrem unaufgeräumten und dreckigen Haus wird so auch ein symbolisch aufgeladener Gegenraum zu Kenjis Umgebung entworfen. Trotz seinen Ordnungsaktionen hat ihr Haus mehr Stil und Gefühl. Kenji öffnet sich langsam und es entsteht eine teils ambivalente Beziehung zwischen den einsamen Seelen, die ruhig und sensibel von Inszenierung und Kamera eingefangen wird. Nichts wird hektisch angegangen, das melancholische Beieinandersein wird in teils fantastischen (doppeldeutig) Sequenzen, wie das Aufräumen im Zeitraffer mit schwebenden Büchern und Zetteln, abgebildet. Das ganze geschieht so feinsinnig, das man einfach mitschwebt. Kenji wird jedoch von seiner eigenen Yakuza-Vergangenheit eingeholt und Noi bricht nach Osaka auf, um ein neues Leben zu beginnen. Ein Happy Ende scheint nur in Gedanken möglich...

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#163 bekay

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Geschrieben 12. August 2006, 00:30

Ghost World
Deutschland, Großbritannien, USA: 2001; R: Terry Zwigoff
TV (3Sat), Synchro

Enid (Thora Birch) und Rebecca (Scarlett Johansson) sind anders als die anderen High School Absolventen - oder sind sie etwa normal; und der Rest der Schule anders? Das ist eigentlich egal, denn Ghost World macht seinen Titel zum Programm. Über allem schwebt etwas Geisterhaftes, der frische Mief des Verschrobenen und Andersartigen. Schon der Anfang montiert neben überzeichneten Reihenhaus-Klischees eine atemberaubende Sing- und Tanzsequenz eines Bollywood-Streifens aus den 60ern. Nur: was ist hier eigentlich verrückter und absonderlicher? Die zwei Freudinnen jedenfalls wollen dadurch auffallen bzw. sich abgrenzen, indem sie eigentlich alles abschätzig beäugen. Interessant hierbei ist, dass besonders Enid geradezu auffällig arrogant gezeichnet wird. Denn das Problem ist: Sich über andere lustig machen und seine Andersartigkeit eben nur darüber definieren, das kommt einfach nicht gut. Rebecca wird das schnell klar, und Johansson spielt die langsam aufkeimende Reserviertheit gegenüber ihrer Freundin so wunderbar leise und zart, dass es eine Freude ist. Aber auch Thora Birch meistert ihre Rolle vom weißen, geisterhaften Mädchen, welches im süßen Entengang ihren Platz im Leben sucht, und damit auch sich selbst, ganz großartig. Irgendwo zwischen schrillen schillernden Dekors und dicken Menschen lernt sie Seymour (Steve Buscemi) kennen. Er ist auch anders, aber anders anders. Von der ruhigen Sorte der Außenseiter, die ihr Außenseitertum nicht so genüsslich und eben selbstrefentiell zelebrieren, wie das Enrid tut. Zuerst sieht sie auch nur einen Spinner in ihn, wie in allen anderen. Aber eine Beziehung entsteht - und jegliche Beziehung ist schmerzhaft und bringt einem sich selbst näher.

Im Übrigen will ich nicht missverstanden werden: Der Film propagiert weder den Ausgang bzw. Aufstieg eines Freaks in das bürgerliche Leben oder die Möglichkeit, sich selbst zu definieren und so glücklich bis ans Ende seiner Tage zu leben. Nein, trotz auffälligen Set- und Charakteredesign erzählt der Film ganz ruhig und unauffällig nicht etwa von Ereignissen, sondern von Menschen, die auf der Suche sind. Und diese Suche beginnt nicht etwas urplötzlich oder ist einfach abgeschlossen, sondern sie ist stetig. Fingerzeige und Anprangerungen gibt es nicht - selbst die Seitenhiebe auf amerikanische Absonderlichkeiten und Lebensweise gestalten sich liebevoll. That's life. Alles eine Frage des Standpunktes, der sich mit jedem Tag ändern kann. Da wundert es nicht, dass Kameraarbeit und Montage stellenweise präzise und geradezu analytisch eingesetzt werden. Regisseur Zwigoff und Drehbuchautor Daniel Clowes, die der sich auch für die Comicvorlage verantwortlich zeichnet, müssen Ghost World dann auch ganz selbstverständlich offen enden lassen. Was wär das auch für eine geisterhafte Welt, wenn nicht...

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#164 bekay

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Geschrieben 18. August 2006, 00:07

24 - Staffel 2
USA: 2002/2003, Creator: Joel Surnow & Robert Cochran
DVD, OmU

I.

Das Konzept ist unverändert. Dabei muss ich meine harsche Kritik daran auch etwas relativieren. Es als Echtzeit zu bezeichnen, finde ich frech, da der Aufbau der Handlung eindeutig klassisch und nach bekannten dramaturgischen Prinzipien verläuft. Nichts desto trotz ist da die Fiktion der 24 Stunden - mithin des Zeitdrucks. Nach 12 Folgen deckt man sich als Zuschauer, der Herr Jack Bauer hat doch nur noch 12 Stunden Zeit, um das Übel, welches kein kleines ist, abzuwenden. Und das kann er unmöglich hinkriegen. So erschafft das Konzept neue Spannungspotentiale, die aber alle einer Illusion entspringen. Die digitale Uhr, so nervend sie sein mag, erinnert uns stets, in welcher Stunde wir uns befinden. Und nur diese Uhr und das dahinterstehende Konstrukt der 24 Folgen als 24 Stunden ist das Neue, ist die pfiffige Idee. Wie schon erwähnt, die Handlung, die Liniearität des Plots, das brave Abgrasen der Handlungsplätze und wichtigen Figuren - das ist alter Mumpitz. Groß inszeniert zwar, aber wie gehabt. Und so wird Spannung durch ein paar eingeblendete Zahlen quasi aus dem Nichts erschaffen. Das ist so einfach wie effektvoll - und letztendlich genial...

II.

Der Zeitdruck jedoch macht die Handlung zu einem Ödland für Authentizität und Realismus. Dafür wird - wie in vielen der erfolgreichen US-Serien der letzten Jahre - ein Klischee ans nächste gereiht. Oder besser: eines löst sich im nächsten auf. Die urplötzlichen Wendungen, immer und immer wieder, sind Teil des Spiels, Teil des Spaßes, Teil der Spannung. Nur wenn man das hinnimmt, also die ständige Unsicherheit des Status Quo akzeptiert, dann erst wird's bombig und das hohe handwerkliche Niveau kann einen umgarnen.

III.

Jack Bauer wird von Kiefer Sutherland wieder als übermenschlicher Held dargestellt. Die Beweggründe seines Handeln sind schwer ergründlich. Zuerst rettet er LA vor einer Atombombe, die die islamistische Terrorgruppe "Neue Welle" in die USA schmuggeln konnte. In der zweiten Hälfte begnügt er sich intensiv und mal wieder vollkommen auf sich allein gestellt mit der Entkräftung von Beweisen, die die USA zu einem Überraschungsangriff gegen drei Staaten aus dem Nahen Osten geradezu zwingen (Ländernamen werden nicht genannt). Diese drei Staaten sollen gemeinsame Sache mit der "Neuen Welle" gemacht haben. Und Jack Bauer sucht nun Beweise zur Entlastung dieser Staaten, damit der Krieg eben nicht beginnt. Warum? Er ist eine Tötungsmaschine. Aber eben eine vernunftbegabte... Trotz seiner durchaus gewaltbereiten Ader ist ihm das unschuldige Leben heilig, und das derer, die dieses bedrohen, eben nicht. Amerika ist ihm übrigens schnuppe, wie ihm auch jeder Patriotismus oder Fahnengeilheit abgeht. Er hat einen gewissen moralischen Standard, dem er sich hin und wieder auch entledigt. Schade ist schon, dass Bauer nicht der schwarze Engel ist, der für sein Ziel über alle Leichen geht. Kinder werden nur über Videoinstallationen, also virtuell, getötet, um den Terroristen ein Geständnis abzuringen. So bleibt er höchst ambivalent, schwer einschätzbar - und somit ein nicht zu unterschätzender Spannungsfaktor für die Serie. Warum also? In erster Linie, weil er es kann...

IV.

24 ist schon allein des Sujets wegen nicht nur reine Unterhaltung. Die Atombombe in LA ist nur die konsequente gedankliche Weiterführung vom 11.09. Folgerichtig kann die Reaktion des diegetischen amerikanischen Präsidenten darauf nichts anderes als ein impliziter Kommentar über Bush sein. Der Präsident in der Serie ist ein afroamerikanischer Demokrat, gespielt von Dennis Haysbert, dem besseren Denzel Washington. Er hat im Übrigen mehr Vernunft im Kopf als Bibelzitate und kann sich schon so als Gegenentwurf zum Junior Bush behaupten. Es kommt noch besser. Dem Krieg gegen die drei "Schurkenstaaten" sieht er nur sehr widerwillig entgegen bzw. sich in Opposition zu kriegsgeilen Generälen, die nur so darauf brennen, ganze Länder zurück in die Steinzeit zu bomben. Er will absolute Authentizität der Beweise, bevor er den Überraschungsangriff startet und unschuldige Leben gefährdet. Das hat Brisanz, wenn man bedenkt, dass der Irakkrieg z.T. auch durch die angebliche Verbindung des Hussein-Regimes zu Al-Qaida gerechtfertigt wurde. Er maßt sich gar nicht erst an Freiheit in die Welt tragen zu wollen, sondern muss zuvorderst für Sicherheit im eigenen Land sorgen. Und das ist schwierig genug, sieht er sich einem korrupten Verwaltungsapparat ausgesetzt, der ihn zu Fall bringen will und - so wunderbar - sogar mit den Terroristen gemeinsame Sache macht. Marode und verfaulte Strukturen durchziehen den eigenen Staat. Nicht nur Elisha Cuthberts Odyssee (als Tochter von Bauer) durch das "normale" Amerika zeugen von dessen gewalttätiger und unsozialer Natur. Wenn zum Schluss als Gesamt-Drahtzieher ein zwielichtiges Wirtschaftskonsortium auftaucht, welches für die arabischen Ölquellen auch bereit ist, einen Krieg anzuzetteln, ist klar: hier gibt's Schelte für platten Amerikanismus und Säbelzahnkapitalismus.

V.

Ein Lob auch für die Darstellung des Fundamentalismus. Nicht etwa der Araber, der in die amerikanische Wohlstandsfamilie einheiratet, ist der Terrorist. Nein, die Tochter des Hauses, das unschuldige Schulmädchen-Lookalike, stellt sich als Mitglied der "Neuen Welle" heraus. Diese schleichende Gefahr, die Unsicherheit im eigenen Haus - das ist jene Bedrohung, die die westliche Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten wohl erwarten kann. Moslems unter Generalverdacht zu stellen - auch das macht die Serie vor - ist wohl schwerwiegendster Fehler...

VI.

Nach diesen ernsten Worten: Lass krachen, Bauer!

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#165 bekay

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Geschrieben 18. August 2006, 11:03

Suzhou River
Deutschland/China: 2000, Regie: Ye Lou
TV (BR), Synchro

Ein traumwandlerisches Märchen über Liebe - und über den Erzähler im Kino. Denn eine objektive Erzählinstanz gibt es scheinbar nicht mehr. Die für ihre authentische Qualität gerühmte Handkamera wird in den Dienst eines extremen Point-Of-View-Erzählers gestellt, dessen Sicht wir "ausgesetzt" sind. Verwackelt, aber stets ein Auge auf die kleine Schönheit werfend, führt er uns durch das abgefrackte und neonerleuchtete Shanghei. Formale Standards wie Schuss-Gegenschuss oder der Mastershot werden im steten Fluß der Bilder aufgelöst. Über die Perpektivierung kann eines der Tabus des klassischen Kinos, der Blick in die Kamera, problemlos gebrochen werden. Das alles nimmt der Erzählung aber nicht an Wahrheit. Ganz im Gegenteil - jede Geschichte wird als vornherein Subjektives und Erdachtes entlarvt. Der Fluß Suzhou durch Shanghei, um den sich viele Großstadt-Mythen und -Sagen ranken, wird Metapher für diesen mythischen Grundzustand. Hier beginnt der Film, hier beginnt der Ich-Erzähler zu beobachten, hier philosophiert er über das Märchenhafte des Lebens. Er ist Videofilmer, der alles animmt und aufnimmt, was Geld bringt. Man muss sich fragen, ob die Bilder nicht schon Bestandteil eines seiner Videos sind. Sein Treffen auf Meimei (Xun Zhou), die in einem Nachtclub als Meerjungfrau in einem Wasserbecken auftritt, weist diese Vermischung von Realität und Traum auf. Dann beginnt eine zweite Erzählung, durch die uns der Erzähler mit seiner Stimme leitet. Seiner Mitteilungsaktivität entspingen, trotz neutraler Kameraperspektive, diese Bilder, die von Mardar (Hongshen Jia) berichten, der sich in Moudan (Xun Zhou) verliebt und sie verliert. Dieser Erzählstrang wird mit ersterem verwoben, als Mardar seine Moudan in Meimei wiedererkennt. Selbst wenn Suzhou River selbstreflexiv die Möglichkeit in Aussicht stellt, dass die inhaltichen Verflechtungen nur das Werk eines Träumers sind, haben die Geschichten doch genug eigene tragische Kraft, um zu rühren...

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#166 bekay

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Geschrieben 08. September 2006, 00:43

Man on Fire
USA/UK/Mexiko: 2004, R: Tony Scott
DVD, OmU

Dieser durchaus gehypte Film hat mich doch etwas ratlos zurückgelassen. Die Geschichte jedenfalls reißt nichts - was sie aber wohl kaum soll: Der abgehalfterter Ex-CIA-Killer Creasy (Denzel Washington) wird als Bodyguard für Pita (Dakota Fanning) eingestellt. Die wohlhabenden Familien Mexico Citys haben Angst um ihre Kinder, da die Stadt derzeit von einer Welle von Entführungen samt Lösegeldforderungen heimgesucht wird. Der ruhige Creasy, ach so gepeinigt von seiner von Gewalt geprägten Vergangenheit, lässt niemanden an sich ran. Da jedoch Dakota Fanning einmal mehr Dialogzeilen bar jeglichen Kinderverstandes in den Mund gelegt werden, beginnt der eigentlich gescheiterte Mann aufzutauen und entwickelt eine tiefe Freundschaft zu seiner Schutzperson. Die Vaterrolle füllt seine Existenz mit neuer Bedeutung. Natürlich wird Pita entführt, wobei Creasy stark verletzt wird. Die Lösegeldübergabe schlägt fehl und das Mädchen wird ermordet. Als der Bodyguard davon erfährt, besorgt er sich nach seiner Genesung ein komplettes Waffenarsenal, räumt in der Unterwelt und korrupten Polizei Mexico Citys so richtig schön auf und kommt einer perfiden Verschwörung, die auch ihn ausnutzte, auf die Spur...

Der Film zerfällt in zwei Hälften - nicht nur inhaltlich, sondern parallel auch qualitativ. Eine Stunde lang, eine sich ziehende Exposition, wird uns Creasy und seine wachsenden Zuneigung zu Pita vorgestellt. Das ist stellenweise recht biedere, kitschige und altbekannte Erzählkost. Selbstverständlich alles in recht knackigen Bildkompositionen. Auch das Stilmittel der verwackelten Bilder kommt hier schon zum Tragen. In der zweiten Stunde sorgt Creasys eiskalter und ultrabrutaler Rachefeldzug für einige Freude. Moralische Bedenken gibt es glücklicherweise nicht oder werden mit markigen Sprüchen wie "Forgiveness is between them and God. It's my job to arrange the meeting." beiseite geschoben. In seinen lichtesten Momenten verfolgt der Film ein ästhetisches Konzept, dass er sogar selbst - besser gesagt durch Christopher Walken in der Rolle von Creasys Kumpel - erklärt: Creasy sei ein Künstler des Todes, und dies ist sein Meisterwerk. In einigen Szenen braut der Regisseur Tony Scott eine mitreißenden und Gänsehaut erzeugende Melange aus seinen Wackelbildern, der Musik und der rohen Gewalt: Einmal wenn der nach Vergeltung sinnende Leibwächter zur musikalisch breit gefächerten Songauswahl aus dem Radio einem der Handlanger des Entführers die Finger abschneidet und, an zweiter Stelle, wenn er die bösen Buben im Technogetümmel einer Disco aufspürt und sie regeltrecht exekutiert. Gerade letztere Szene ist bemerkenswert, da sie dem Zuschauer zynsich den Spiegel vorhält: Die Discomassen zeigen sich äußerst begeistert von den Schüssen und Explosionen. Ihre Reaktionen wirken auf Anhieb geistlos und sensationsgeil - und sind doch ähnlich denen von uns Zuschauern. Wir bringen schließlich dieser Personifizierung der puren Rache in Form von Creasy auch eine perfide Faszination entgegen.

So kann die Gewaltästhetik in einigen Szenen den Film durchaus aufwerten. Diese Entschlossenheit, sich für den Entzug der neu entdeckten Menschlichkeit, für nichts anderes steht Pita symbolisch, auf so unmenschliche Weise zu revanchieren, ist konsequent, ja hat in gewisser Weise etwas Reines - wie sollten in diesem Kontext nicht die ständige Anwesenheit der Bibel vergessen. Auch die Idee der Integration von Text im Bild, der gewisse Dialogzeilen in einer bedeutungstragenden Form noch einmal doppelt, ist richtig gescheit und führt zu einer inhaltlichen Vertiefung. Es gibt allerdings einige Kritikpunkte am Film, die für mich sehr schwer wiegen. Da wäre einmal der gegen Ende aufkeimende Familienaspekt, samt Drama und Hoffnung, der so schrecklich moralisch daherkommt und damit der bisherigen Entwicklung Creasys und obendrein des Films entgegensteht. Verstärkt wird das ganze durch den Score von Harry Gregson-Williams, der mit Lisa Gerrard das Gejaule aus Zimmers Gladiator Musik äußerst gelangweilt kopiert. Hier ist wohl ein Scott zuviel in der Familie. Wie dem auch sei, das kitschige Semi-Ethno-Kluksen unterstützt traurigerweise diesen gefühlsduseligen Aspekt gegen Schluss. Dem Stilmittel Bildwackeln muss man sich zusätzlich gesondert annähern: Anscheinend zur Erzählung passend, wird hier manchmal so penetrant mit der Kamera geschwurbelt, dass man um das Ettikett "selbstzweckhaft" nicht umhin kommt. Und auch wenn ich nichts dagegen habe, dass die Inszenierung schreit "Hallo, hier bin ich", so muss dieser Effekt wenigstens dezent & abwechslungsreich eingesetzt werden, um sich nicht schnell selbst zu verbrauchen und aufgesetzt zu wirken. Man muss dieser Visualität zu Gute halten, dass sie roh und ungeschliffen ist und einem stellenweise desorientiert - folglich schon Relevanz für die Geschichte hat. Also keine Bay'sche CGI-Geschliffenheit. Trotzdem genauso ermüdend...

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#167 bekay

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Geschrieben 15. September 2006, 17:41

Herr der Ringe Trilogie: SEE
USA / Neuseeland / Deutschland: 2001-2003, R: Peter Jackson
DVD, OmU

Zitat

"How do you pick up the threads of an old life? How do you go on... when in your heart... you begin to understand... there is no going back? There are some things that time cannot mend. Some hurts that go too deep... that have taken hold."

So ungefähr fühlte ich mich, als ich darüber grübelte, ob ich mich hier zu der "Herr der Ringe"-Verfilmung äußern sollte, anlässlich der neuerlichen Sichtung aller Teile in ihren verlängerten Fassungen und im Original-Ton. Zwar hat es nichts mit Schmerz zu tun, mein Nicht-Zurückkehren-Können, sondern eher mit Freude und Flucht, aber doch ist da etwas, was mich einfach nicht loslässt. Wie Frodo seine Schmerzen und seine Bürde nie mehr vergessen wird können. Schon diese Analogie zeigt wohl, dass ich mir eine gehörige Distanz zu den Filmen fehlt. Trotzalledem erwuchsen ein paar assoziative Gedanken zur Trilogie, die ich nun gern niederschreiben will.

Anfangen muss ich 2002: ich war dumm und dachte, etwas von Filmen zu verstehen und viele gesehen zu haben (das denke ich heute kaum noch). Nur weil man so eine abgenudelte VHS-Kopie von "Tanz der Teufel II" hatte - ach, was war ich naiv. Dem Hype um den ersten Teil habe ich mich ganz verschlossen. Ziemlich billiges Möchtegern-Underdog-Verhalten. Jedenfalls ging ich nicht ins Kino. Da mir die Kultur um Tolkiens Buch auch vollkommen unbekannt war, konnte ich das ganze "Ereignis" darum auch kaum nachvollziehen. Jedenfalls hat der Film dann doch irgendwie den Weg in meine DVD-Sammlung, also die paar DVDs, gefunden. Und eines Nachmittags, die Details dieser Sichtung sind noch so klar in meinem Kopf, habe ich ihn mir angesehen. Und obwohl ich nicht wusste, was mir da widerfuhr, spürte ich einen Klick. Da war doch etwas. Diese Bilder machten etwas mit mir. Diese Bilder hatten eine Kraft. Bilder haben Kraft. Bilder können dich erreichen, berühren. Mein ernsthaftes Interesse an Film begann mit diesem. Film ist nicht nur Figur, Dialog, schönes Bildchen. Da ist auch Perpektive, Farbe, Form, Überwältigung - und: Unverständnis. Ich habe das alles nicht begriffen, mit diesem Ring, diesen verschiedenen Völkern, der eigenen Geschichte. Peter Jackson hat mir mit einem Hammer sozusagen dermaßen auf den Kopf gedroschen...

Ob mir die Filme gefallen, das ist für mich kaum eine Frage mehr. Sie nehmen in meiner Film-Sozialisation eben einen besonderen Schritt ein. Sie sind ein Fluchtpunkt geworden, eine Bilderwelt, in der ich mich maßlos verlieren kann, in der ich mit allen Figuren mitflenne und fiebere. Als einer der Hauptgründe dafür würde ich die optische Konsistenz von Peter Jacksons Verfilmung angeben. Mit Sicherheit ist das einer fast schon kitschigen Überinszenierung, die auch Kritik ausgesetzt war, zu verdanken. Auf der anderen Seite spürt man hier den überwältigenden Willen, eine Welt visuell komplett aus dem Nichts zu erschaffen, die ganz für sich existiert, nur in sich interagiert und eigenen Gesetzen gehorcht. Hier z.B. zeigt sich die Verfilmung äußerst loyal zu Tolkien und seiner Ansicht zu den "fairy-stories": die Erschaffung eine zweiten Welt, die unabhängig von unserer Realität existiert, nur auf sich selbst verweist und in sich logisch ist. Ich weiß zwar, dass gerade die Logik der Handlung und Zeit Tolkien sehr am Herzen lag, und diese hat Jackson für die Gleichschaltung dramaturgischer Höhepunkte meist geopfert. Man denke nur an den zweiten Teil: Völlig abweichend vom Buch nimmt Faramir Frodo und Sam mit nach Osgiliath, damit der dortige Angriff mit dem Sturm auf Helms Klamm parallel geschaltet werden kann. Diese Erschaffung paralleler Spannungsbögen machen die zeitlich korrekten Wanderruten, die sich Tolkien erdacht hat, vollkommen zunichte. Und trotzdem: Ich sage, hier liegt Konsistenz vor. Wir dürfen nicht vergessen, dass Film medienhistorisch nicht als Erzählmittel konzipiert wurde. Seine Eigenart, bis ins heutige Blockbuster-Kino, ist das bewegte Bild, der Effekt, die Attraktion. Und die Faszination, die dies bei uns auslöst. Ich halte es deswegen für gut und recht, die Maßstäbe der Logik, die Tolkien an sein Werk ansetzte, ins Visuelle zu transponieren, um sowohl der Eigenart des Kinos, als auch des Buches gerecht zu werden. Ich kann mich in diesen Bildern wiederfinden, verlaufen, sie erzeugen eine Umgebung von Präsenz und Konsistenz. Sie sind wirklich.

Eingestehen muss man, dass in "Die Rückkehr des Königs" dieses Konzept einige erzähltechnische Schwächen evoziert: der Handlungsbogen nach der Verteidigung Minas Tirith ist, was die zeitliche Ausgestaltung angeht, krud ausgefallen - Aragorn fordert Sauron heraus, seine Armee reitet mal eben schnell zum schwarzen Tor, genauso flink räumt Sauron die Ebene von Gorgoroth mit den abertausenden von Orks frei, eben genau jene Einöde, dir Frodo & Sam auf dem Weg zum Schicksalsberg überqueren müssen. Das alles geschieht so schnell und in einem regelrechten Montage-Gewitter, dass man sich fragen muss, wie klein Mittelerde ist. Hier entsteht eine sehr spürbare Dissonanz zwischen Form und Handlung. Denn während uns die Bilder die schiere Größe, Unendlichkeit und Authenzität dieser Welt anzeigen, lässt die zeitliche Koordination der Handlungen das Gefühl einer Sandkiste aufkommen. Mit diesem Problem hat verstärkt der dritte Teil zu kämpfen, in "Die Gefährten" ist der Wanderaspekt so ausgeprägt, dass die visuell gewaltige Welt mit den sich darin bewegenden Figuren zur Deckung kommt. Auch der zweite Teil hat wenig mit diesem Problem zu kämpfen.

"Herr der Ringe" ist auch Ensemble-Kino. Und was für eines. Jackson hat ein äußerst feines Näschen für Schauspieler bewiesen. Ich kann jetzt kaum jeden Schauspieler nennen und besprechen. Vielleicht bleiben wir deswegen bei dem umstrittensten, der auch noch die Hauptrolle trägt: Elijah Wood als Frodo. Hauptkritikpunkt war sein Alter. Eigentlich um einiges älter als Sam nach dem Buch, wirkt er doch sehr kindhaft. Das ist zwar eine berechtigte Erkenntnis, nur wurde gerade schauspielerisch zwischen ihm und Sean Astin als Sam präzise herausgearbeitet, wer den höheren (Wissens)Stand hat. Die Chemie stimmte ja sowieso zwischen den Beiden. Wie auch das ganze Ensemble bestens zusammen interagierte. Wood konnte besonders im Finale des letzten Teils zeigen, wie er als Darsteller durchaus gewachsen ist. Die Bürde des Ringes wurde in den ersten beiden Teilen jedenfalls etwas platt inszeniert. In den zentralen Szenen, auf dem Weg zum Schicksalberg und im selbigen, kann Wood nun doch brillieren: Frodos Qualen, seine seelische Leere und zu guter Letzt sein Aufgeben vor dem Ring. Das darf man nicht vergessen: Frodo ist kein Held, sondern der Verlierer. Der Ring hat ihn gebrochen. Nur Gollums Gier nach "seinem Schatz" sorgt dafür, dass der Ring und damit auch Sauron zerstört wird.

Dann: Ein zerschundener Frodo, geistig und körperlich gebrochen, liegt mit geschlossenen Augen auf harten Stein, umgeben von Lavamassen. Der befreiende Tod scheint nah.

Zitat

Frodo: "I can see the Shire. The Brandywine River. Bag End. The Lights in the Party Tree."
Sam: "Rosie Cotton dancing. She had ribbons in her hair. If ever I were to marry someone, it would have been her. It would have been her."
Frodo: "I'm glad to be with you, Samwise Gamgee, here at the end of all things."

Das ist jetzt zwar plakativ (also von mir), aber: ganz, ganz großes Kino. Hier ist Jackson so nah an Tolkiens Vorlage und seiner Essenz - der Held, der gescheitert ist & die Freundschaft als Trost kurz vor dem Tod. Wie auch sonst Jackson einige der wichtigen Grundpfeiler von Tolkiens Konzeption treu bleibt. Ich denke da z.B. an Mittelerde, das von Tolkien sowohl in "Der Hobbit" als auch auch in "Der Herr der Ringe" als melancholische Welt porträtiert. Eine Welt, die ihre besten Tage, Tage der Ehre und der großen Taten, des Mutes und der Schönheit, hinter sich gelassen hat - ein Abglanz und Schatten einer viel größeren Zeit, die vergangen ist. Die ganze Trilogie ist durchzogen von dieser Atmosphäre: man denke an den Prolog von "Die Gefährten", an die wunderschönen Settings der längst verlassenen Orte glorreicher Tage, an die Figuren, wie Aragorn und König Theoden; der zweitere symbolisiert das letzte Aufbäumen der alten Ordnung, im Wissen, dass es im Untergehen begriffen ist, und ersterer steht für das neue, das sog. Vierte Zeitalter, wie es in der Mittelerde-Mytholgie genannt wird. Diesen Zeiten- und Stimmungswechsel halte ich in den Filmen für kongenial umgesetzt.

Auch sonst beweist Jackson Mut und widersetzt sich, trotz vieler Plattheiten und Vereinfachungen, die sich durch alle drei Teile ziehen, einiger grundlegender Blockbusterkonventionen: Der Verzicht auf die Liebesgeschichte bzw. die Beibehaltung deren Distanz. Mag es nun durch die Aufschreie der orthodoxen Buch-Fans gewesen sein, oder auch nicht, die kämpfende Xenarwen, die an der Seite von Liebchen Aragorn Orks metzelt, ist uns erspart geblieben. Genauso wurde für die "Final Round" ein völlig intakter Sauron vorgesehen, der sich einen Kampf mit dem Königsanwärter leistet (das wurde sogar abgedreht). Darauf wurde in der endgültigen Fassung ebenso verzichtet, und somit die Eigenheit des Buches, den Kampf des Guten gegen das Böse zu beschreiben, ohne das Letzteres anwesend wäre, weitesgehend entsprochen. Natürlich kann man die wohl übertriebene Inszenierung des Feuerauges kritisieren, jedoch bleibt auch dieses nicht fassbar, kein Gegner. Und zum Schluss will ich den Aspekt der zahlreichen Lieder und Gesangseinlagen loben, die von den Figuren oft zum Besten gegeben werden. Dieses für heutige Verhältnisse altmodisch und fast lächerlich anmutende Gebaren spricht wieder für die Konsistenz einer eigenen Welt mit eigenen Traditionen und Ritualen. Hier wird einiges von der seltsamen Energie des Buches in die Verfilmung gerettet...


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#168 bekay

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Geschrieben 17. September 2006, 23:03

Dead Zone
David Cronenberg, USA 1983
TV (Arte), Synchro

Ich wollte schon damit beginnen, "mein erster Cronenberg" auszurufen, dann fiel mir ein, dass ja "Die Fliege" auf'ner abgenudelten Videokassette zu meinen großen Lieblingen gehörte. Egal - "Dead Zone", soviel jedenfalls habe ich begriffen, scheint nun nicht besonders repräsentativ für Cronenbergs Motivik und seine Film-Thematiken zu sein. Johnny Smith, Lehrer mit Hornbrille (Christopher Walken), fährt gegen einen Milchlaster (auch dies ist kein repräsentativer LKW für US-Filme der 80er). Er fällt ins Koma, verliert so nicht nur fünf Jahre seines Lebens, sondern auch seine große Liebe Sarah (Brooke Adams). Wieder unter den Wachen weilend, wird schnell klar, dass er übersinnliche Kräfte besitzt. Sowohl die Vergangenheit, als auch die Zukunft von Menschen, die er berührt, kann sich ihm eröffnen. Die "Dead Zone" nun ist ein toter Winkel, in dem er die Freiheit besitzt, auf zukünftige Ereignisse Einfluss zu nehmen. Seine zunächst als Fluch empfundene Gabe eröffnet ihm nun Möglichkeiten, positiv auf noch Geschehendes einzuwirken. Es besteht auch Handlungsbedarf: Der korrupte Senator Stillson (Martion Sheen), ein Arschloch mit Allmachtsphantasien, wird als Präsident der Vereinigten Staaten einen Atomkrieg anzetteln. Johnny sieht sich moralisch zum Handeln verpflichtet und plant ein Attentat...

Einer der deutschen Titel lautet u.a. "Dead Zone - Der Attentäter". Ein äußerst irreführender Titel, da er sich gerade einmal auf die letzten 10 Minuten des Films bezieht. Auch erweckt er den Eindruck, man würde mit einer Psychologie des Attentäters konfrontiert werden. Auch dem ist nicht so. Johnnys Handeln ist filmintern moralisch absolut integer. Und wird sauber & rein beendet, da er gar in die Verlegenheit nicht kommt, den Mord erfolgreich auszuführen. Seine Beweggründe sind verständlich. An der Wahrheit der Visionen lässt die Narration nie Zweifel aufkommen. In sehr episodenhafter Form werden die paranormalen Kräfte stets als "echte Fähigkeit" bestätigt. Also sind auf der einen Seite die Visionen, die sehr kunstfertig in den Ablauf der Bilder einmontiert werden und daraus auch ihre teilweise Schockwirkung schöpfen, auf der anderen Seite eine melodramatisch angehauchte und Sympathie erheischende Charatersierung vom leidenden Johnny und eine Liebesgeschichte, die recht konstruiert und konventionell geraten ist. Später im Film tritt dann noch der Senator auf die Bildfläche, den Martin Sheen so wunderbar gewissenlos und kalkulierend darstellt, dass es eine Freude ist. Er ist die Hassfigur & der Antagonist, auch wenn er als solcher unmotiviert in den Plot eingeführt wird. Alle diese Elemente, es sind noch einige mehr wie religiöse Anspielungen und Übernahme der Vaterrolle usw., und Genreversatzstücke lassen sich schwer zur Deckung bringen. Da bleibt man dann trotz einer feinen Inszenierung und wirklich gelungenen Bildkompositionen etwas verloren zurück und die Geschichte vermag nur so vor sich hinzuplätschern, ziellos.

Ich konnte da höchstens noch einen roten Faden, einen sehr dünnen, in den Gewalttaten sehen. Als Johnny in einer der schon erwähnten Episoden seine übersinnlichen Fähigkeiten einem bei einem Serienmord verzweifelten Sheriff (wird immer Bulle bleiben: Tom Skerritt) zur Verfügung stellt, erlebt man eine einigermaßen intensive Darstellung menschlicher Abgründe - nicht erklärend, einfach zeigend. Dieser Mikrokosmus, auf dem Land, im Kaff, im Familienhaus, wird kosmopolitsch aufgebläht mit dem Atomangriff. Der Präsident ist in dieser etnscheidenden Vision einfach geil darauf, die Sprengköpfe loszuschicken. Er will es. (Im übrigen, hochaktuell, mit Verweis auf göttliche Vorsehung - eine allzuleichte und bequeme Rechtfertigung für Mord.) Diese Gewaltlinie konfrontiert uns mit der Möglichkeit menschlicher Grausamkeit und ihren Facetten. Dieses Motiv ist allerdings nicht weiter expliziert; es schimmert sozusagen nur durch und kann gegen den inkonsequenten Genrebrei schwer ankämpfen. Fazit: schon unterhaltend, auch weil der Christopher Walken ganz souverän spielt, aber zum Schluss hin substanzlos...

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#169 bekay

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Geschrieben 26. September 2006, 12:47

Jurassic Park
Steven Spielberg, USA 1993
DVD, OmU

Ja, ein Wiedersehen. Obwohl die Betonung auf "wieder" wie in "Wiederholung" liegt. Denn das ist wirklich einer der Filme, die ich in meiner Kindheit in Endlosschleife geschaut habe. Und so erbrachte die erneute Sichtung nach einigen Jahren doch keine wirklich neuen Erkenntisse, so eingebrannt haben sich schon Bilder und Dialoge. Schon eher kritische Distanz konnte ich gewinnen - was ich eigentlich nicht wollte. Aber sei es drum. Positive Aspekte gibt es trotzdem eine ganze Menge: Ich zähle die Computeranimationen, hier ja erstmals massiv für lebendige Kreaturen eingesetzt, noch immer zu den realistischsten, die je auf die Leinwand gezaubert wurden. Wohl, weil man 1993 zu einer Zusammenschweißung verschiedenster Film- und Effektmaterialen gezwungen war. Ja, hier wurde das CGI noch in den Film eingefügt, und nicht etwa vice versa, wie heutzutage ganz üblich. Und ganz im Gegensatz zu einem George Lucas gibt es sogar Regisseure, die freiwillig reale Kulissen und Modelle immer wieder zu schätzen wissen. Peter Jackson macht es vor, mit verblüffenden Ergebnissen. Doch der erste Vormacher war wohl Steven Spielberg. Der darüber hinaus noch ein feines Näschen für über alle Maßen spannende Szenarien beweist. Der Ausbruch des T-Rex und zusätzlich alle Szenen mit den Velociraptoren würde ich als legendär bezeichnen. Montage, Effekte und die Darstellung der instinktiven Kaltblütigkeit der Dinosaurier gerinnen hier zu großem Kino. Auf der anderen Seite werden manchmal Spannungspotentiale auf Kosten der Logik abgeschöpft. Wenn z.B. an der gleichen Stelle, an der der T-Rex ausgestiegen ist, sich plötzlich ein 20 Meter tiefer, betonierter Abgrund befindet, ist dies einfach nur ärgerlich. "Urwald - Urwald 20 Meter abgesenkt" - das ist ein Filmfehler, da verblasst so etwas wie "Kette da - Kette weg" zu nichts.

Natürlich wäre Spielberg nicht Spielberg, wenn es keine Parabel gäbe. Und "Jurassic Park" hat der Belehrungen nicht zu wenig. Wie wir alle wissen, sollen Dr. Alan Grant (Sam Neill), Dr. Ellie Sattler (Laura Dern) und Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum) dem "Dino Park" einen wissenschaftlichen Freischein verleihen. Dem anfänglichen Staunen und der Faszination folgen Skepsis, gerade was die moralische Verantwortung der Wissenschaft und die Zurschaustellung & Kontrolle der "Natur" zu Unterhaltungszwecken angeht. Die Befürchtungen bewahrheiten sich: es kommt zum GAU, die Viecher brechen aus, alles geht schief. Totale Kontrolle ist Illusion. Eine lohnenswerte Lehre, die Spielberg uns pauken lassen will. Und er schafft gute Vorraussetzungen für die Schulstunde. Er setzt dem Zuschauer den Spiegel vor. Das Konzept des Parkes ist auch das Konzept des Films, nicht nur durch das Logo, auch Grant, Sattler und Malcolm sitzen in Sesseln, gieren nach Attraktionen. Doch sie werden eines besseren belehrt. Die Unterhaltungsindustrie im Film wird zur Hölle, die des Filmes läuft weiter wie geschmiert. Spielberg ist neben dem Lehrer eben auch das Kind, der den Zuschauer weiter staunen lassen will - und das kann und macht er. Damit werden aus der Warnung vor der selbst proklamierten Herrschaftsrolle des Menschen jedoch leider zuckersüße "die Natur findet ihren Weg"-Augenblicke.

Hat er Sam Neill, Laura Dern und Jeff Goldblum, gute Schauspieler, keine Superstars, gecastet, um seinen kritischen Subtext von authentischen Charakteren beglaubigen zu lassen oder um den Urzeit-Tieren nicht die Show zu stehlen? Es ließe sich trefflich und lange streiten. Wie auch immer, Spielberg entwickelt nicht die erforderliche Härte und verheddert sich zu beliebig im Spannungsfeld zwischen Unterhaltung und Unterhaltungskritik, um eine echte Karthasis herbeizuführen. Gut, dann nehmen wir den Film eben als das, was es ist: als einen richtigen Vergnügungspark.

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#170 bekay

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Geschrieben 09. Oktober 2006, 00:56

Close Encounters of the Third Kind
Steven Spielberg, USA/UK: 1977
DVD, OmU

Jurassic Park hat mich schon etwas enttäuscht - dieser Spielberg hingegen wirkte taufrisch. Was für ein Film - ich habe ihn in meiner Kindheit geliebt, ich liebe ihn noch immer. Nun aber wohl aus leicht abgewandelten Gründen. Das Thema der Außerirdischen an sich ist mittlerweile aus der Mode - in vielen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein geradezu populärkulturelles Phänomen, wieder und wieder mit verschiedenartigen Ausrichtungen. Im neuen Jahrtausend jedenfalls ist mir noch keine solche Welle untergekommen. Wahrscheinlich könnte der Film heute kein Interesse mehr wecken, wohl auch bei mir nicht. Nur gut, dass mein Interesse für den Film eben in den 90ern geweckt wurde: von Buttler, von Däniken und Akte X, das waren Zeiten. Auch die Friede, Freude, Eierkuchen Botschaft samt intergalaktischer Kuschelstunde, die der Idealist Spielberg hier vom Stapel lässt, kann kaum noch mitreißen.

Was mich bei dieser Sichtung so faszinierte, war der audiovisuelle Ideenreichtum und eine Art experimentelle Anmut des Films. Mir ist aufgefallen, dass Close Encounters in keinster Weise eine klassische Erzählung darstellt. Die Szenen sind sehr loose verbunden, das Rot des Fadens bleicht aus - ein strammes, ständiges "Außerirdische kommen" und "UFOs fliegen" gibt's stattdessen. Es wird sich auch nicht sonderlich bemüht, den Umstand, dass sich etwas der Erde nähert, noch herauszuzögern. Nein, die erste Hälfte des Films begnügt sich damit, mir in fast schon essayistischer Form allerlei Beweise vor den Latz zu knallen, dass es längst schon da ist. Auf der ganzen Welt darf Claude Lacombe (Francois Truffaut) im Auftrag der UN verschwundene Artefakte und außerirdische Gruß-Botschaften finden, Roy Neary (Richard Dreyfuss) wird in einer bemerkenswerten Sequenz von einem UFO dermaßen angestrahlt, dass seine Familie ihn nicht nur buchstäblich kaum noch wiedererkennt, Gillian Guiler (Melinda Dillon) läuft ständig ihren Sohn Barry (Cary Guffey) nach, der UFOs für Spielzeuge und Außerirdische für Spielkameraden hält. Die flapsige Zusammenfassung soll nur verdeutlichen, dass diese Ereignisse - natürlich in gewisser Weise zusammenhängend - zeitlich und kausal nur schwach geklammert sind. Spielberg genießt es vielmehr, jede Szene so groß zu visualisieren, dass sie eine eigene Aura erhält. Die Idee, die UFOs durch ihre strahlende und bunte Lichtervielfalt zu formen bzw. ihre Form bloß anzudeuten und ihnen nicht einfach eine schnöde Gegenständlichkeit zu verleihen, ist unerreicht. Hier entstehen über die prächtig leuchtenden Modelle und die Motion-Control-Technik Trickaufnahmen, die eine ganze eigene Präsenz und Qualität im Gegensatz zu heutigen, nur digitalen Effekten besitzen. Als Meister der Spannung kann Spielberg vielen Szenen eine un+angenehme Atmosphäre verleihen. Die Entführung von Barry - ganz untypisch und gar zu weltlich für Aliens zerren sie ihn durch die Hundeklappe - hat einen schier aggressiven Drive an sich, da wird das Haus in der Dämmerung von wilden Lichtkegeln durchbohrt und in der Küche scheppert's wie verrückt. Ins Gesamtkonzept kaum passend, fast dysfunktional, doch als einzelne Inszenierung ganz wunderbar.

Zuguterletzt, Herr Regisseur wird familiär, ganz gewohnt (und diesmal recht knapp): so zerbricht auch noch Nearys Familie in einem hochschäumenden Drama, garniert mit vielen Wut- und Tränenausbrüchen. Seine Obsession für die Außerirdischen zerren den unterdrückten, lange schon vorhandenen Familienkonflikt an die Oberfläche. Das fesselt schon, allessamt: auch den superben Schauspielern sei Dank. Das Finale am Devil's Mountain trumpft mit dem riesigen Mutterschiff effekttechnisch noch einmal richtig auf und präsentiert dieses traumhafte Konzept der Kommunikation über Musik. Traumwandlerisch haut John Williams in die Tasten und verleiht den Aliens lautmalerisch eine dunkle, unheimliche, ja überlegene Charakteristik. Natürlich findet er auch die passenden Töne für den zuckersüßen All-Frieden. Warum der Dreyfuss dann am Ende unbedingt an Bord will, das weiß ich so genau nicht. Aber wenn es dort oben so wild abgeht, wie unten auf der Erde während des Films, dann komme ich auch mit...

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#171 bekay

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Geschrieben 28. Oktober 2006, 00:45

Magical Shopping Arcade Abenobashi (01-04)
Japan 2002, Hiroyuki Yamaga
DVD, Synchro

GAINAX' FLCL hat mich so fassungslos zurückgelassen, ist sowas von unbeschreiblich (dumm & gescheit), tanzt auf deinen Sehnerven Tango und balsamiert gleichzeitig deine Seele. Worte werden diesen Bildern kaum gerecht, deswegen zu etwas leichterer Kost vom gleichen Anime Studio (das sich ja auch für Neon Genesis Evangelion verantwortlich zeichnete). Magical Shopping Arcade Abenobashi ist deswegen aber nicht minder ambitioniert, auch wenn das Prinzip der Serie schnell durchschaut ist. Sasshi und Arumi sind gemeinsam in einer verwinkelten und großen Einkaufsarkade groß geworden. Nun stirbt diese langsam aus, weil die Verkäufer allesamt verschwinden und die Geschäfte schließen. Der Ausgangspunkt wird klar herausgearbeitet: Ein Stück Kindheit, ein Stück Fantasie geht für die Beiden verloren. Nicht weiter schlimm, entdecken sie doch ein Portal in eine andere Welt, richtiger noch, in viele andere Welten. Genauer noch: eine Welt pro Episode. Jedenfalls sind die Folgen 2 bis 4 auf diese Art strukturiert (- für den Rest der Serie will ich meine Hand jetzt nicht ins Feuer legen). Das Prinzip mag etwas einfach, ja ganz ähnlich den übleren Merchandise-Animes a la Pokemon & Sailor Moon erscheinen. Diese Annahme der simplen Überstrukturierung ist weder richtig, noch falsch. Denn die Macher wissen hier genau, was sie tun, indem sie sich einmal diesem industriellen Konzept unterwerfen und es gleichzeitg ad absurdum führen. Wenn der Ausgangspunkt das Wegbrechen von Kindheitserinnerungen darstellt, wird im weiteren Verlauf ein Streifzug durch die Unterhaltungs- und Medienkultur Japans, und weit darüber hinaus, unternommen. Satirisch brechend und spielerisch zitierend steht jede Welt für ein anderes popkulturelles Phänomen: zuerst finden sich Sasshi und Arumi in einer Rollenspielumgebung wieder, darauf im Weltraum und zuguterletzt im Kung-Fu-Film. Jede Episode gipfelt in einer kämpferischen Konfrontation, ein genre- und medienübergreifender Topos. Im Speziellen wird ein enormes Wissen abverlangt: von den "36 Kammern der Shaolin" bis hin, ja selbst vorm Kino-Olymp wird nicht haltgemacht, Kubricks "Space Odyssey" wird hier alles verwurstet. Auch seine Artverwandten zitiert Abenobashi: Vom Mecha-Genre bis hin zu - ganz explizit - Dragon Ball Z ist alles vertreten, was Japan zu bieten hat. Dazu gehören selbstverständlich auch wogende Riesenbrüste. Der Umkehrschluss gerade daraus: Im Allgemeinen ist die Posse universell.

Sasshi und Arumi sind zwei Streithälse, ersterer nicht so helle, zweitere etwas herrisch und aufbrausend. Als ganz normale Jugendliche in einer trostlosen Umgebung werden sie uns in der ersten Folge vorgestellt. Die Beiden treffen nun mit aller ihrer Einfachheit und Durchschnittlichkeit auf den ganzen Unterhaltungspomp der letzten 30-40 Jahre und helfen Motive und Handlungsstrukturen quer durch alle Genres neu zu kontextualisieren und so wunderbar wirr und blödelnd zu parodieren. Denn die Frage bleibt doch, wie eine Spielfigur in einem Rollenspiel ihre ganze Ausrüstung samt Waffen überhaupt tragen kann? Und was bringt es eigentlich zum Jupiter zu reisen und ein Fötus zu werden? Und warum muss ein Mecha eigentlich von fünf Leuten gesteuert werden? (Und wer verdammt nochmal sind die anderen drei neben unseren zwei Hauptprotagonisten?) Augenzwinkernd wird sich vor den Vorlagen verbeugt und eine wilde, urkomische Tour aus ihren Versatzstücken gebaut. Der Zeichenstil ist dabei nicht ganz so sprunghaft und krass wie der von FLCL. Zwar werden die Figuren, besonders bei Streitereien, wieder bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, die Ästhetik ist hingegen spielerischer, die Formen passen sich an die Reminiszenzen an. Diese offensichtlich funktionale Einbindung der Stile lässt sich noch verdauen. Wenn gleichfalls die Diegese, Erzählung und Logik chaotischen Brechungen unterworfen werden. Die Selbstreferenz, vom Kulturbetrieb als beste Möglichkeit der Medienreflexion angepriesen, findet hier keine prätentiöse Verwendung. Denn Abenobashi filtert aus seinen Vorlagen, ob nun Kunst oder Unterhaltungindustrie, eine Art Reinkultur. Es wird über die Populärkultur hergezogen - und das mit den Mitteln der Populärkultur. Mit dem Ergebnis, sich dieser wieder anzunähern und sie als wahrhaftig zu installieren. Gerade in Verbindung mit dem Aspekt der Erinnerung und der Kindheit: Richtig so!

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#172 bekay

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Geschrieben 03. Dezember 2006, 02:15

Casino Royale
USA/Deutschland/Großbritannien/Tschechische Republik 2006, Martin Campbell
Kino (Synchro)

James Bond wurde zum besten Beispiel von purem Anachronismus - das kann man auch von denen behaupten, die meinen, der neue Eintrag in die traditionsreiche Reihe wäre ein neuerlicher Rückschritt. Da verkommt diese Reihe seit 20 Jahren, weil das, was sie einmal ausmachte, aus einem spezifischen Zeitkontext erwachsen ist - und nur aus einem nostalgischen Blick auf diesen funktioniert. Das ist gut, den Blick habe ich ebenfalls, dafür kann man niemanden verurteilen. Nur - dass eine Orientierung am alten Konzept nichts brachte, hat doch Brosnan gezeigt. Krude Versuche, das Flair, den Zeitgeist und das Gentlemännische der alten Filme mit absolut überzogenen Technikluftnummern und modernen Pomp zu verbinden, hat nichts gebracht. Endlich kommt ein Versuch, der sich wirklich einmal wagt, Bond neu zu schreiben, denn die Lösung lag auf der Hand: einfach die Technik zu erneuern war ein formales Konzept, welches keine neuen Qualitäten entstehen ließ. Modern - und nur in der Modernisierung kann ein neuer Bond zuletzt an den alten anschließen - heisst nun: härter denn je, auch emotionaler denn je, "realistischer" denn je. Das gilt gesondert für die Technik, die nun authentisch ins Geschehen eingebaut wird - und das heisst eben keine Rakten und Schleudersitze, die zwar wunderbar in 60er und 70er passten, aber min. ab den 90ern nur noch lachhaft wirkten. Der Wegfall von Q ist somit nicht nur zu verschmerzen, er schien dringend nötig zu sein; er war eben zeitwidrig, also wurde er gestrichen. Auch der Zeitkontext wurde aktualisiert: Die Anspielungen zwar auf den weltweiten Terror sind minimal, jedoch können sie eine am Horizont flimmernde, wahrhafte Gefahr in die Geschichte projezieren.

Daniel Craig verkörpert diesen neuen Bond nicht nur überzeugend, sondern schlichtweg erstklassig. Sein zerfurcht-markantes Gesicht ersetzt den Gentleman durch einen arroganten, brutalen Übermenschen, jedoch mit Stil. Und Menschlichkeit. Das mag paradox klingen, aber genau so ist es: Sein Ego ist mit dem Herzen gewachsen. Und seine Gewaltbereitschaft - Casino Royale zerberstet fast an der unerbitterlichen Härte, die jeden Moment auf's Neue ausbrechen könnte. Töten ist zur dreckigen Angelegenheit geworden. Es ist dies wohl eine der ersten Kino-Großproduktionen, die sich am eigentlichen kreativen Pool der heutigen Unterhaltungslandschaft orientiert - der Fernsehserie. Der neue Bond hat von 24 und Jack Bauer einiges gelernt. Das ist nur recht so. Denn dort, im TV, entstehen heute Ideen und Experimente mit dem Medium Film.

Natürlich zitiert sich dieser Bond oft auch selbst, doch bricht dabei mit einem Augenzwinkern oft Traditionen. Hier wird ein Neuanfang signalisiert. Auch das narrative Paradox eines ersten 007-Abenteuers im Jetzt ist, wobei es die Reihe ja nie auf filmübergreifende Kohärenz angelegt hat, frappierend. Ein James Bond Begins, sozusagen. Man beruft sich allerdings auf alte Tugenden, wenn man die ständig wechselnden Schauplätze extravagant, exotisch und stinkend reich inszeniert; oder hintergründige, fast ätzend ironische Dialoge einschreibt. Unter Brosnan entwickelte die Reise um die Welt so ein Schießbuden-Flair samt Biergeruch; und das Reden bestand aus klischierten Onelinern - die waren im übrigen ziemlich anachronistisch. Der Selbstverbrauch ist gestoppt - Mission erfolgreich abgeschlossen!

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#173 bekay

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Geschrieben 17. Dezember 2006, 00:40

Born to Fight
Panna Rittikrai, Thailand 2004
DVD, OmeU

Das ist ja wohl mal der dreckigste und menschenverachtendste Action-Schmonz seit Langem - für erstklassige Unterhaltung ist also gesorgt. Die Handlung sei kurz zusammengefasst, um auch das schiere Ausmaß der Einfachheit zu illustrieren: Ein Gangster-Boss wird von einem jungen Cop und seinem Chef, der die Aktion nicht überlebt, dingfest gemacht. Das stürzt den Polizisten in eine (äußerst kurze) Sinnkrise - er trinkt Bier und redet nicht mit seiner Schwester, die allerdings seine Unterschrift braucht, um als Repräsentantin des thailändischen Sportverbandes in einem Kaff am Ende der Welt gemeinnützig Geschenke zu verteilen. Da kommt er gleich mit. Dort angelangt mit dem restlichen Rudel Spitzensportler und barmherzig Puppen und Decken unter's hiesige Volk gemischt, stürmen irgendwelche Militärs das Dorf, schießen alles tot und blutig, was im Weg steht und nehmen die Überlebenden als Geisel. Zufällig wollen sie besagten Ganger-Boss von der Regierung erpressen - und danach Bangkok mit einer Atombombe in die Luft sprengen. Als der Cop davon Wind kriegt, gibt's Saures: ein nationales Erbauungslied aus dem Radio mitträllernd, erheben sich sowohl die Sportler als auch die Dorfbewohner und gehen mit bloßen Händen gegen die Maschinengewehre vor. Das mündet in dem etwa die zweiten Hälfte andauernden "Showdown".

Das Geisel-Szenario und die Atombombe sind schon muffig, aber was hier an harter und kompromissloser Action abgefeuert wird, das macht dieses Story-Ersatzteillager locker vergessen. Sowieso, es wurde gleich auf den bloßen Anschein einer organisierten Narrativität verzichtet. Auch die Charaktere sind kaum noch als Stereotypen zu bezeichnen, denn selbst die würden noch irgendwie schlüssig, jedenfalls in einem bestimmten Kontext, handeln. Nein, die Figuren bestehen punktuell aus stereotypen Elementen, wie "Patriotismus" und "Trauma wegen Verlust des Mentors" - doch wissen wir deswegen nicht mehr über sie. Es fällt jeglicher Denkballast weg und folglich bleibt: Form und Bewegung. An wahnsinnigen Stunts gibt es in "Born to Fight" nicht wenige zu bestaunen. Am laufenden Band wird gefallen, geflogen, geworfen, gesprungen - und someist behindern ungewöhnlichste Gegenstände die Fluglinie. Diesen ganz eigentümlichen Spaß an der Dynamik der Bewegung - das Urmoment des Kinos - habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Ong-Bak beispielsweise hat mich dahingehend eher gelangweilt, hier jedoch steppt die Kuh. Ebenfalls sprüht der Film vor einigen visuell erstklassigen Ideen, wie den funkenden Kampf mit den noch klimmenden Holzscheiten und einer atemberaubenden Plansequenz, in der die Kamera dem Polizist wie in einem Videospiel immer in gleichem Abstand über die Schulter schaut, während er präzise die Gegner niederschießt.

Früh jedoch wird klar, dass der Film noch eine ganz andere "Qualität" birgt: Er ist über alle Maßen brutal und blutrünstig. Diese neue, zur Schau gestellte Härte wird ideologisch geradezu unverhohlen eingebunden. Wenn in den amerikanischen Actionern bloß eine begrenzte Anzahl von Spezialisten den "Unschuldigen" schützt und sich als vaterlandsgeil verdingt, sind es nun eben die "Unschuldigen", die ohne Rücksicht auf Verluste den Gegensturm auf Nestbeschmutzer loslässt. Da wird sich Glied um Glied niederschießen lassen, bis einer seine Hände um die Kehle der bewaffneten Bösewichte legen kann. Helau. Kinder werden geschlagen und schlagen zurück. Helau. Rentner haben das MG sicher im Griff. Helau. Selbst Einbeinige sind "born to Fight". Für die patriotische Sache muss jeder einstehen und Opfer bringen. Falls man eine vordergründige Politisierung durch das Aktiv-Werden der Dorfbewohner und Sportler im Auge hatte, ging der Schuss nach hinten los. So sichtbar wurde selten die Flagge geschwungen - dafür war es auch selten so amüsant & spaßig. Der Film, den sich die USA in den 80ern nicht getraut haben...

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#174 bekay

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Geschrieben 03. Februar 2007, 13:29

Die Hard: With a Vengeance
USA: 1995, John McTiernan
DVD, Synchro

Als ich vor kurzem den Trailer zum bald erscheinenden vierten Teil der "Die Hard"-Reihe sah, ist mir negativ aufgefallen, wie überzeichnet dort die Action-Sequenzen zu sein schienen: fliegende Autos und Menschen allerorten. Es brauchte die Sichtung des dritten Teils, um mir klar zu machen, dass diese jedoch integraler Bestandteil der Reihe sind - schon "Stirb Langsam" setzt sich mit seinen extravaganten und comichaften Szenarien vom Gros der 80er-Actioner ab. Ein völlig "unrealistischer" Flug/Sturz McLanes (Bruse Willis) ist wohl zum Topos der Reihe geworden - ob nun der Sprung vom Nakatomi Plaza, der schleudernde Sitz aus dem explodierenden Flugzeug oder das wasserdruckbedingte Herausspeien McClanes aus einer senkrechten Röhre samt Fontäne. Die dritte Installation der Reihe, die eine Rückkehr des Original-Regisseurs John McTiernan markiert, treibt dies nun zugegebenermaßen auf eine Spitze. Eine Spitze jedoch, die repräsentativ für die Umwandlung des Action-Kinos während der 90er ist. Allerdings kommt dieser Film noch mit einer rohen und rauhen Optik daher, deren höchste technische Finesse vielleicht einmal ein bedacht eingesetzter Zoom ist. Die Dynamik wird hier noch eher vor der Kamera kreiert als diese selbst zu dynamisieren: Da habe ich auch gleich eine meiner liebsten Action-Szenen wiederentdeckt - die Entgleisung einer U-Bahn, die nun die gesamte Breite einer Haltestation plattwalzt. Hier kommt man noch ganz ohne geleckten und farbgefilterten Zeitlupen-Kitsch à la Bay aus.

Auch beim Drehbuch hat sich ein Wechsel ereignet: Jonathan Hensleigh übernimmt zum ersten Mal die Reihe. Selbstverständlich wird das Gesamt-Szenario größer. Ganz New York wird folgerichtig bedroht. Bruce Willis kriegt mit Samuel L. Jackson - ganz traditionell - einen richtigen Buddy zur Seite gestellt; die beiden können somit wunderbar augenfällig über Rassismus streiten, tauschen ihre gegenseitigen Ressentiments im Verlauf natürlich gegen eine dicke Männer-Kumpelei ein. Noch auffälliger sind jedoch zwei eng verwobene Aspekte der Handlung: Erstens ist eine komplexe, fast unüberschaubare narrative Struktur festzustellen. Der erste Teil konnte durch seine "Beschränktheit" auf einen eng umrissenen Raum und somit eindeutigen Strukturen sein Spannungpotential entfalten. Der zweite Teil war nie richtig spannend und hat sein Augenmerk eher auf Krawall und Pose gerichtet. "Jetzt erst recht" ist jetzt ganz anders: die Öffnung des Handlungsraumes verhindert geradezu den Überblick über die drei & mehr Handlungsparteien, die sich während des ganzen Filmes ständig von Ort zu Ort bewegen, trennen & aufeinandertreffen: McClane & Zeus, die von Antagonist Simon Gruber (Jeremy Irons) auf terroristische Schnitzeljagd durch New York geschickt werden; die Sicherheitbehörden; die Bösewichte. Der hohe konstruktive Charakter hält das fragile Geschehen im ständigen Fluß und eine Spannung aufrecht, die jedoch immer in Gefahr ist in der Unübersichtlichkeit zu verpuffen. Damit hängt eng der zweite vordergründige Aspekt der Handlung zusammen: Der Umsturz des Psychologischen und Politschen ins Banale. Schon in Teil 1 der Serie angewandt, kommt es hier zur Überzeichnung: Die Rache Grubers an McClane ist nur Vorwand - die kriminelle Energie richtet sich eigentlich auf einen erstaunlichen Gold-Raub der amerikanische Zentralbank. Dieser Raub wird politisch thematisiert, denn das Gold soll zerstört und so das westlich-kaptialistische System ins Chaos gestürzt werden. Selbst diese Motivierung wird mit einem Augenzwinkern bagatellisiert - entgegen dem Wunsch seiner Verbündeten behält Jeremy Irons das Gold für sich, vielleicht um sich einen Staat zu kaufen und dort Mojito zu schlürfen. Dieses selbstreflexive Oszillieren zwischen Hintergründigkeit und Geistlosigkeit, man denke an das bestimmte Darstellen des Psychologen als Witzfigur zu Beginn, bringt einen Kommentar zum Genre hervor: Bums und gut!

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#175 bekay

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Geschrieben 05. Februar 2007, 12:22

Saw III
USA 2006, Darren Lynn Bousman
Kino, Synchro

Jens Hinrichsen beschreibt SAW III als einen Testfilm: wer am längsten im Kino sitzen bleibt, hat gewonnen. Das ist selbstverständlich nur ein Versuch, dahinterzukommen, warum sich diese Folter-Filme in letzter Zeit so großer Beliebtheit erfreuen. Kein uninteressanter. Aber dann müsste man sagen: SAW III will den Zuschauer nur zu Beginn testen. Denn ungewöhnlicherweise fährt der Film hier mit drei ganz ekelhaften Gewaltszenen auf, aneinandergereiht wie in einer Peepshow. Das wiederrum war für mich nicht das Problem. Ja gut, das war happig. Gegen Happigkeit habe ich nichts, ihre Integration ist der entscheidende Faktor. Und da sehe ich das ähnlich wie Hinrichsen: Der Film ist erzählerisch so bieder und ungeschickt, das haut einen wirklich vom Hocker. Keine Reflexion, keine Dramaturgie, null Ideen. Der Anfang markiert den Höhpunkt, dem eine spannungsarme Erzählung folgt, "vorhersehbar" ist noch geschmeichelt. So konnte mich auch nur dieser Gewaltausbruch, der den Film einleitet, desorientieren. Desweiteren steht dieser Ausbruch aber allein da. In der Geschichte, aus Klischees zusammentragen (wie z.B. der obligatorischen Enthüllung des Masterplans gegen Ende), macht man es sich schnell gemütlich. Genau dabei geschieht eine paradoxe Umkehrung. Die Gewalt im standardisierten Umfeld wird handzahm. Das Blut fließt nur in den ersten Minuten um seiner selbst Willen, im weiteren Verlauf wird es zum Blut von lächerlichen Papp-Figuren. Was geht mich Pappe an? In dieser Frage steckt die perfide Doppelmoral: Gewalt, an der man sich "satt" sehen soll, und ihre narrativ ungenügende und scheinheilige Einbindung in einen quasi-religiösen Test, an dessen Ende die moralische Erlösung der Figuren steht - oder deren Verdammnis im Scheitern. Der Erfolg dieser Filme allerdings scheint zu bedeuten, dass diese Doppelmoral noch nicht gesehen ist. D.h., es gibt zwei Gründe, gleichsam unberuhigend, sich diese Filme anzuschauen: um der Gewalt Willen oder der "tiefgründigen" Moral-Fabel wegen. Diese beiden Aspekte zusammengedacht, komme ich jedoch zu folgendem Schluss: SAW III ist Gülle.

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#176 bekay

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Geschrieben 15. April 2007, 00:52

Die Insel
Michael Bay, USA 2005
DVD, OmU

Soviele Filme hat uns Michael Bay noch gar nicht diktiert, sein Name ist trotzdem seit einiger Zeit stets bekannt & genannt. So richtig kann ich das auch niemandem übelnehmen, denn er hat eine unverwechselbare optische Handschrift und ein einfach tolles Näschen für - ja, doch - bahnbrechende Action (für diesen Film soll dies ruhig wortwörtlich gelten). Seine Geschichten kopieren gerne Genre-Prämissen, werfen aber jeglichen Ballast des Subtilen, des Hintergundes und der Reflexion über Bord. Wie vielleicht schon oft angemerkt: Bay dringt immer zuerst zum Bild vor, was dahinter steckt, das interessiert ihn gar nicht. Das ist schon ein bisschen gegen das Kino, denn soll uns dieses nicht auch Geschichten erzählen? Und statt Wörter soll es dazu eben Bilder benutzen. Und es ist dies die wahre Erzählkunst des Kinos: Der Verzicht auf Wörter. Auf Wörter verzichtet Bay gerade nicht, dafür auf Erzählkunst. Doch das, was ich hier rede, würde ihn nicht weiter interessieren. Er will die Oberfläche: Die Spiegelung, den Lack, das Lensflare, den Farbfilter. Und obwohl dies oberflächlich klingt, meine ich schon, er müsse erst dahin vordringen. Denn dies ist auch eine Kunst: Mich ans Sofa zu fesseln, trotz lauer Lüftchen und Bilder, die er seit Bad Boys immer wieder neu zu zitieren scheint.

Aber wollen wir uns die lauen Lüftchen einmal genauer anschauen: Lincoln Six Echo (Ewan McGregor) und Jordan Two Delta (Scarlett Johansson) wähnen sich mit vielen anderen (und zusätzlich in gleicher, langweiliger Bekleidung) in der letzten Bastion der Menschheit, einem Schutzwall vor der verseuchten Außenwelt. Regelmäßig darf einer von ihnen im Zuge einer Lotterie aus dieser blockigen Wohnanlage auf das letzte, unkontaminierte Flecken Erde: DIE ominöse Insel. Das ist natürlich alles gelogen. Eigentlich sind die angeblich Überlebenden der Seuche nur Klone von reichen Säcken, die sich für viel Geld eine medizinische Versicherung in Form eines menschenlichen Ersatzteillagers gekauft haben. So geht das natürlich nicht: Die Ethik und das Gen, die vertragen sich bekanntlich nicht sonderlich gut. Lincoln und Jordan fliehen also, erleben viele Abenteuer in der leicht anfuturisierten Außenwelt, werden zu Individualitätsbestien und befreien den Rest der Klone. Sean Bean, der den Leiter der Gen-Werkstatt spielt, wird gegen Ende aus heiterem Himmel ganz böse und götterkomplex, aber zielsicher abgemurkst. Neben Lincoln Six Echo und Jordan Two Delta somit ebenfalls Dystopie 08/15.

Bay kriegt es hin, dass selbst die Dystopie ausieht wie eine Utopie. Bei ihm ist selbst die Natur, der Dreck, die Bösewichte, eben einfach alles lackiert und geleckt. Seine Ästhetik scheint mir gar nicht geeignet zum Erzählen. Weil sie eben keine Semantik in sich tragen kann, sie kann kein Unwohlsein auslösen. Dies wäre das Mindeste, was man von einer negativen Zukunftsvision verlangen sollte. Trotztdem: Die Genre-Prämisse ist vorhanden, auch wenn nur im Stil des Nachplapperns. Ernsthaft umgesetzt ist sie nicht: Wie sehen das Bay'sche Bild, es lässt sich aber nicht wie ein Blatt Papier umdrehen, um zur anderen Seite, der Erzählung, der Bedeutung, zu gelangen. Da ist nichts. In die Belanglosigkeit lässt er sein Plot-Gerippe wiederum auch nicht abdriften: Dazu steht ihm, wie sooft, eine viel zu gut gelaunte und exzellent agierende Schauspielerriege zur Verfügung, die ihre Genre-Sentenzen ernst- & glaubhaft vertritt. Aber auch das verblasst im Kontrast zur Oberfläche.

Ja Bay, polier' sie uns noch einmal! Auch wenn er seit Bad Boys stets wieder auf die gleichen Mittel zurückgreift, wird sein Kino eben doch ständig schneller und halsbrecherischer. Was mich besonders beeindruckte, war die "Selbstverständlichkeit" der Effekte. Dies gilt sowohl für die Action-Sequenzen als auch die erwähnte anfuturisierte Welt. Der George-Lucas-Zeigefinger "Hier, schau mal, da, dort ist der Effekt" (mittlerweile ja: "Überall Effekt") bleibt hier völlig aus. Es wird alles zu einer einheitlichen, ästhetischen Vision zusammengeschweißt und diese dann mit Volldampf gegen die Wand gefahren. Und obwohl die Lok rast und bricht, bleiben stets Konturen und Linien erkennbar. Die Klarheit und Übersicht, die Bay in seinen Action-Szenen behält, ist wohl sein markantestes Merkmal. Selbstverständlich benutzt er in großem Stil die Wackelkamera, in genauso großem Stil weiß er sie auch zur Seite zu legen. Die Königin der Verfolgungsjadgen (die in Bad Boys II) wurde nun auch gestürzt. Lasst uns das neue Königsgeschlecht feiern - und dann solten wir besser ganz schnell unseren Rausch ausschlafen ...

Ach ja: Den doofen Bush-Seitenhieb hätte man sich sparen können, wie auch die Musik von der Hans-Zimmer-Saat Jablonsky. Mehr als zum 1000. Mal Elektro-Geschrabbel und Gladiator-Schluss-Kopieren kommt bei dem eh nicht rum.

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#177 bekay

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Geschrieben 04. Mai 2007, 23:36

Mein Nachbar Totoro
Hayao Miyazaki, Japan 1988
TV (SuperRTL), Synchro

Mit "Mein Nachbar Totoro" zeigt Hayao Miyazaki in Gänze, was in seinen sonstigen Filmen eher im Hintergrund schwirrt und ab und an zum Vorschein kommt: das völlige Eintauchen in lebensechte Situationen und authentische Atmosphären. "Das Schloss im Himmel" war eine Abenteuer-Geschichte mit einem klar definierten Ziel, in "Kikis kleiner Lieferservice" ging es um die Ausbildung zu einer Hexe (ergo eines Verantwortungsbewusstseins und des Vermögens der Selbständigkeit) usf. Natürlich gibt es in Miyazakis Filmen immer Situationen, in denen das Davor und Danach unwichtig werden, und ein zwischenmenschliches Ereignis ganz einfach angeschaut wird und eben nur in dieser reinen Einzigartigkeit seine Kraft entwickelt. In diesem Studio-Ghibli-Film hingegen wird das sensomotorische Band, das Band von Ursache und Wirkung, nun vollkommen zerschnitten. Die Geschwister Satsuki und Mei ziehen mit ihrem liebevollen Vater aufs Land, in eine kleines, heruntergekommenes Haus. Die Mutter liegt im Krankenhaus. Das Warum dieser Fakten, die der Anime uns präsentiert, treten vollkommen zurück. Die daraus entwickelten Handlungen besitzen keine Intentionalität: das wilde Herumtollen der Geschwister im Haus, ihr Warten im Regen an der Bushaltestelle, ihr Treffen auf die Fantasiegestalt (und gleichzeitig das Sinnbild der Natur) Totoro. All das läuft nicht auf ein Ziel hinauf, das gehorcht nicht einer Handlung.

Selbstverständlich integriert Miyazaki einmal mehr zwei zentrale Themen, die sein Gesamtwerk durchziehen: Die Natur und das Erwachsen-Werden. Die ältere Satsuki muss auf ihre Schwester Mei jetzt besonders aufpassen, da die Mutter außer Haus ist und der Vater seine Arbeit an der Universität wahrnimmt. Die kleine (unglaublich putzige) Mei ist in ihrer Obhut und hinter all dem kindlichen Spiel verbirgt sich eben doch der Ernst des Lebens, jedenfalls ein klein wenig. Miyazaki zeigt dabei sein großes Gespür für authentische zwischenmenschliche Beziehungen und den allgemeinen Charakter des Kindes. Die Naturbotschaft kommt vollkommen bescheiden und unaufdringlich daher, denn schließlich ist unberührte Natur Schauplatz, besser noch: Umgebung, der Ereignisse. Die fotorealistischen Hintergründe (ein Markenzeichen Studio Ghiblis, hier in Perfektion zu bestaunen) und das Zirpen der Grillen ziehen einen geradewegs hinein in die Reis- und Gemüsefelder des idyllischen japanischen Hinterlandes, mit seinen verschlungenen Pfaden und den kleinen Shintoo-Schreinen allerorten. Doch dies und jene Adoleszenz-Motive sind nur Teil des zentralen Gestaltungsprinzips des Filmes, der alle Situationen zu ihrem Recht in und aus sich kommen lässt: der kindliche Blick. "Mein Nachbar Totoro" ist ein unbedingtes Plädoyer für das Kind und seine Weltsicht, welche niemals verloren gehen sollte. Es ist ja auch der Vater, der seine zwei Töchter anhält, an die Ruß-Wesen und Geister im Haus zu glauben. Dieser Film zelebriert eine Einfalt, die mit der ursprünglichen Bedeutung dieses Begriffes verloren gegangen ist. Ein reines Erleben trägt den Zweck schon in sich und funktioniert völlig unabhängig von der ziel-berechnenden Rationalität moderner Gesellschaften. Ich denke hier beispielsweise an die beinahe befremdlich wirkende Freude der Geschwister, als es darum geht, das alte Landhaus zu putzen und auf Vordermann zu bringen.

Kindlicher Blick und Öko-Botschaft werden über die Reinheit enggeführt: Als Totoro (und seine zwei kleineren Abbilder) des Nachts einen skurrilen Fruchtbarkeitstanz um das Beet veranstalten, in dessen Erde Satsuki und Mei Nüsse eingepflanzt haben, stoßen die Geschwister hinzu, um an dem Ritual teilzunehmen. Ihre nachäffenden Bewegungen sind nicht rein mechanischer Natur oder einfacher Spaß, sie wissen, was auf dem Spiel steht. (D. i. der Raum, in dem sie ihre Fantasie entfalten können.) Es folgt eine wunderschöne Szene, in der die Bäume aus dem Boden sprießen und im Zeitraffer zusammenwachsen. Ob das (oder auch der mehrbeinige Katzenbus) nun "echt" ist, d. h., Teil der erzählten Welt, wird belanglos. Lediglich die kindliche Fantasie kann die Wahrheit der Natur, ihre Allgegenwart und Unhintergehbarkeit, gleichzeitig auch ihre Gerechtigkeit, begreifen. Dafür ist Totoro, der tief in der Wurzel eines alten und riesenhaftes Baumes lebt, schließlich ein Sinnbild. Kinder denken ökologisch durch und durch. Man könnte fast meinen, Miyazaki setzt alle Hoffnungen in sie: Der Schluß zeigt uns die besorgten Eltern im Krankenhaus; sie reden darüber, wie schwer es ihre Kinder haben müssen in dieser Ausnahmesituation. Satsuki und Mei schauen von draußen zu und stellen beruhigt fest, dass es der Mutter gut geht. Denn eigentlich sind sie es, die heimlich über ihre Eltern wachen und nicht umgekehrt ...

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#178 bekay

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Geschrieben 06. Mai 2007, 12:51

Forbidden Planet
Fred M. Wilcox, USA 1956
DVD, OmU

Commander Adams (ein junger Leslie Nielsen!) ist mit seiner Crew und seinem Raumschiff auf dem Weg zu dem Planeten Altaire-4. Vor zwanzig Jahren hat sich dort eine Forschungsexpedition niedergelassen. Adams soll nach dem Rechten sehen. Vor der Landung werden sie von Dr. Morbius (Walter Pidgeon) eindringlich gewarnt, den Planeten nicht aufzusuchen. Selbstverständlich landen sie trotzdem und Adams und seine obersten Offiziere werden von Robby, dem (serviceorientierten) Roboter, abgeholt und zu Morbius gebracht. Es stellt sich heraus, dass er und seine bildhübsche Tochter Altaira (Anne Francis) die einzigen Überlebenden der Expedition sind. Die Anderen sollen von einer unheimlichen, unsichtbaren Macht bestialisch ermodert worden sein, berichtet der Doktor. Diese ist nun im Begriff, auch die Crew von Commander Adams anzugreifen. Währenddessen stellt sich heraus, dass Morbius heimlich an einem riesigen, unterirdischen Computer arbeitet, dessen schier unglaublichen Ressourcen einmal dem hochentwickelten Volk der Krell, die ehemaligen Bewohner von Altaire-4, zur Verfügung standen. Auf dem Höchststand ihrer technischen und evolutionären Entwicklung wurden sie jedoch ausgelöscht...

"Forbidden Planet", ein Film-Klassiker, war der erste Versuch MGMs mit einem A-Movie in das in den 50er Jahren florierende Science-Ficition-Genre vorzudringen. Diese Zeit, die Mccarthy-Ära, zeichnete sich durch eine ausgeprägte Paranoia gegenüber dem Kommunismus aus, wie auch eine ganz grundsätzliche Angst vor der Atombombe und ihren kaum absehbaren Folgen ständig präsent war. Diese diffuse Gefühlslage wird in vielerlei Hinsicht als verbunden mit dem Science-Fiction-Genre gesehen: Die durch atomare Strahlung riesenhaft gewordenen Insekten und die Außerirdischen, die unbekanten Fremden, die unsere Erde von Außenhalb angreifen, kann man als Manifestationen dieser Angst verstehen. Richtig gute Science-Fiction zeichnet sich aber wohl derart aus, dass sie nicht in solche einfachen Denkschemata passt. So kann man "Forbidden Planet" nur als erstklassig bezeichnen.

Die Klasse dieses Filmes ist hauptsächlich drei Elementen zu verdanken: den noch heute ansehnlichen Special Effects, dem Soundtrack (der erste vollkommen elektronische der Filmgeschichte) und der hintergründigen Story. Letztere ist natürlich nicht gegen den aus dieser Zeit bekannten Sexismus gefeit. Die junge Altaira hat noch nie so stattliche Jungs wie diese Weltraumhaudegen gesehen. Einer der Offiziere Adams nutzt diese Unschuld sofort aus und will ihr das Küssen als Freizeitbeschäftigung, so nebenbei, verkaufen. Als Commander Adams ihn erwischt, ist er stinkig, denn ihm ist durchaus klar, wohin das führen kann (die Möglichkeit der Vergewaltigung wird explizit nicht angsprochen, aber durchaus wird auf sie angespielt). Also gibt er Altaira eine Standpauke, seine Männer hätten seit hunderten von Tagen keine Frau gesehen und sie solle sich gefälligst nicht so aufreizend und offen kleiden. Sie versteht nicht, was er meint und vordergründig regt sie sich über seinen forschen Ton auf. Das Perfide ist aber die Kehrtwende, dass ihr dieses herrische Motzen doch gefallen hat, denn die beiden werden ruckzuck ein Paar. Und obwohl nichts Explizites vorfällt, geht es nur um das Eine: Altaira merkt an, sie sei durchaus mit der "Biologie" vertraut, man höre und staune, O-HO, A-HA etc. pp. Adams ist in seiner Art eine Blaupause für Captain Kirk, der 10 Jahre später die Weibchen des Alls unsicher machen wird. Anderes aus dem Film hat bei Star Trek ebenfalls ein Heim gefunden (wie so ein Dialog zwischen Ingenieur und Commander Adams: "Das ist unmöglich zu reparieren!" - "Unmöglich... Wann sind sie fertig?").

Kommen wir zum interessanten Finale, einer Art psychoanalytischen Wende, die den Film so erfrischend und interessant macht: Die unheimliche Macht, die auf dem Planeten ihr Unwesen treibt, ist eine Manifestation des Unbewusstseins Morbius', zum Leben erweckt durch die riesige Rechenmaschine. Auch den Krell wurde dieses, ihr "Es" zum Verhängnis, trotz ihrer so hohen Entwicklungsstufe. Das vermeintlich Andere also, vom dem die Zerstörung ausgeht, sitzt tief in uns selbst. Die typische Technik-Kritik wird mit einer klugen Kritik am menschlichen Wesen verknüpft. Egal wie fortgeschritten wir uns sehen, unsere verdrängten Instinkte, Begierden und Wünsche sind nicht kontrollierbar. So verliert Morbius sowohl Kontrolle über die Technik, als auch über sich selbst. Dass "Forbidden Planet" diese unbändige "Es"-Kraft so unangenehm und furchteinflößend zu präsentierten versteht, verdankt sich zu großen Teilen den unheimlichen elektronischen Klängen, die Bebe und Louis Barron technischen Schaltkreisen entlockten. Die meist unfreiwillig komische Kopplung dramatischer Szenen mit pompöser, ausdrücklich dramatisierter Orchester-Musik entfällt hier völlig. Das Wabern der Klangflächen und die eintönigen Rhythmen könnten Teil des Filmgeschehens (z.B. der Raumschiff-Technik) oder vielleicht doch nur Hintergrund"musik" sein. Derartige Ununterscheidbarkeit führt geradewegs zu hochspannenden Sequenzen: Wenn sich das unsichtbare Monster nähert, nur markiert durch versierte Tracking-Shots, die "Nichts" verfolgen und dadruch dieses Nichts erst anzeigen, ist ein Rhythmus zu hören, der sowohl die Schritte des Wesens als auch die Atmosphäre vorantreibt.

Ja, das wirklich Beeindruckende an dem Film ist, dass er selbst aus heutiger Sicht nur an ganz wenigen Stellen lächerlich ist. "Forbidden Planet" nimmt sich ernst und das darf er auch, schließlich hat er etwas zu sagen, das über reine Schock- und Enthüllungsmomente hinausgeht. Das manifestierte Unbewusstsein von Morbius wird niemals eindeutig enthüllt, lediglich in einer Szene werden über Energieströme seine Umrisse beeindruckend angedeutet (dafür zeichnete Walt Disney verantwortlich, die MGM Animatoren auslieh). Es verwundert nicht, dass der Film eine Fundgrube für die modernen Science-Fiction-Filme wurde: Vom anthropomorphen Roboter Robby, der stets zu Diensten ist und über 100 Sprachen beherrscht, bis zu den detailverliebten Effekten und der liebenswürdigen Studio-Ausstattung sind nachahmungswürdige Standards gesetzt worden, vom hintergründigen Freud-Diskurs und dem kritischen Ansatz ganz zu schweigen ...

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#179 bekay

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Geschrieben 09. Mai 2007, 00:27

300
Zack Snyder, USA 2006
Kino, Synchro

Ich halte mich kurz. Eben wurde mir von einem Freund noch angetragen, doch bitte nicht mehr als 300 Wörter an den Film zu verschwenden. Gute Idee! Es wurde ja auch genug schwadroniert, gesabbelt und gegeifert. Ja, wenn man über 300 redet, dann kann man so richtig schon darüber reden, was Film überhaupt ist & kann. Also für mich war es ein Riesenspaß, um ganz ehrlich zu sein. Andernorts meinte man gleich, wir hätten es hier mit einem Propaganda-Film für Bush und seinen Irak-Feldzug zu tun. Halt mal, Propaganda? Ist die nicht schleichend? Versteckt die sich nicht? 300 spielt immer mit offenen Karten. Es gibt ganz eindeutig eine Freund/Feind-Einteilung: Die Spartaner sind ein militantes Volk mit einer kriegerischen Six-Pack-Elite, die als einzige das Heil bringen kann. Die Politiker hingegen sind korrupt und bestechlich. Für die Freiheit (super-duper hohes Gut, ey!) stirbt man oder lässt sich gleich vergewaltigen. Behinderte dürfen nur das Schlachtfeld säubern, keinesfalls mitkämpfen (voll Diskriminierung, ey!). Perfekte Körper, straighter Heterosex und spitze Nippel gehören ganz klar auch zum spartanischen Repertoir. Das sind also die Guten. Die Bösen, das sind die Perser: Sklaven, angeführt vom Despoten Xerxes. Ein Herz für Behinderte und missgebildete Lesben, die heißen Sex haben, hat der Herr schon. Spitze Nippel gibt es hier aber auch, so ist es nicht. Insgesamt aber eher dunkel und pervers, ja unmenschlich, so müht sich der Film ab, uns diese Perser zu zeichnen. Klar, das macht den Film auch politisch. Wir sollen uns schließlich mit den Guten identifizieren, mit denen, die ihre Freiheit wollen und dafür ihre geölten Körper am Schluß von Pfeilen durchbohren lassen. Da 300 eine wirklich historische Anbindung fehlt und seine Handlung ebenfalls nichts wert ist, sind solche Schlagwörter wie "Freiheit" natürlich schnell ins "Heute" übersetzt. Aber Sparta die USA? Also ehrlich, die erinnern mich eher ans Dritte Reich, wenn man denn schon mit solchen ungewöhnlichen Analogien anfängt.

Ganz grundsätzlich: Wie ein ganz und gar lächerlicher und diffuser Film, der sich in seinen eigenen, so offenkundigen politischen Aussagen verstrickt (ja sich vielleicht sogar einen Dreck um diese schert), wie jener Film soviel Aufmerksamkeit erregen konnte, das scheint doch schwer verständlich. Oder auch nicht, weil er eben mit offenem Blatt spielt. Wie auch seine ganze ästhetische Konzeption, die höchst interessant ist, den Zuschauer auf Distanz hält. Monochrome Bilder, die uns einen flachen und gedrängten Raum präsentieren, der seine Studioherkunft nicht verschleiert. Die blutigen Schlachten in Seitenperspektive von Parallelfahrten eingefangen, das alles erinnert an die Jump'n'Run-Spielfläche. Dazu noch ein- bis allerhöchstens zweisilbige Helden-Sprüche und schnell werden aus den platten, undefinierbaren Schlachtfeldern die Vereinigten Staaten und ein mythologisches Polit-Monstrum ist geboren, das Jugendliche in den Irak-Krieg lockt. Hingegen könnte einem auch auffallen, dass der Film so offenkundig seine anfangs eingebrachte Freiheitsbotschaft mit einem Haufen verwegener Kriegsgeiler tauscht, die Spaß am Metzeln und Leichenhaufen-Bauen haben, dass es nur so kracht vor thematischer Inkohärenz. Da gibt es dicke Kumpels, die sich gegenseitig anstacheln und symbolisch Schwanzvergleich betreiben, und das ganze andere Männer-Zeuchs, wie affenhafte "UH-UH-UH"-Schreie. Libertas my ass! Spätestens ab dem pubertären & urkomischen Gespräch zwischen Leonidas und Xerxes sollte man herzlich lachen können und sich von inhaltichem Humbug und neuem optischem Formalismus ein Honigkuchen-Lächeln aufs Gesicht zaubern lassen. Alles weitere Denken über den Film verbietet seine motivisch-inhaltiche Unentschiedenheit, die jegliche politische Projektion unmöglich macht: Zynder lädt uns in jeweils aufreizenden Sequenzen entweder zum Hetero-Paar-Sex oder wildem Swinger-Treiben ein; seine Spartaner sind eben faschistische Freiheitskämpfer. Hier passt kein Stein auf den anderen. Das ist wie ein kaltes Buffet, aus dem man wählen kann. Es bleibt aber kalt, mithin ebenfalls eine Gewissheit, vielleicht versöhnt sie uns alle: die harten Nippel...

Kurz gehalten habe ich mich trotzdem nicht.

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#180 bekay

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Geschrieben 09. Juni 2007, 00:40

Final Fantasy VII: Advent Children
Tetsuya Nomura/Takeshi Nozue, Japan 2005
DVD, OmU

Über einen Film, der eigentlich gar kein Film ist...

Bevor es los geht, verraten uns die japanischen Schriftzeichen, dass Advent Children den Spielern gewidmet ist. Denjenigen, die ihre Zeit in der Welt von Final Fantasy VII verbrachten. Also unter anderen auch mir. Schließlich habe ich weit über 200 Stunden meines Lebens an dieses japanische Rollenspiel verschenkt (oder anders herum), welches in der Playstation-Gemeinde des Jahes 1997 schon eine Sensation war. Ja, es wurde sogar im Fernsehen dafür geworben (die Erinnerungen kommen zurück). So konnte ich einfach nicht ungerührt bleiben bei einem Wiedersehen mit den alten Spielfiguren und einer Geschichte, die genau an das Ende des Spiels anknüpft. Letzteres hat auch seine Nachteile: Die Narration ist genauso verquast und pseudo-episch mit einem fast unerträglich religiösen Charakter: Gut, Böse, Vergebung & am Ende die Verwandlung zum Heiland. In Final Fantasy VII mag das alles geklappt haben, weil dieses viel eher von dem Dasein in der Atmosphäre der Spielewelt lebte. Im Film ist es dann eher suspekt und kann wohl nur die Zocker hinhalten. Die werden aber auch belohnt: viele kleine Ideen, wie die allseits bekannte Sieger-Fanfare als Handy-Klingelton, und Reminiszenzen - die Turks konnten ihr urkomisches Comic-Relief als ewige Verlierer, die nicht aufgeben und niemals ihre Fassung verlieren, auch in Advent Children unter Beweis stellen. Das Beste war überhaupt die Transformation der doch recht starren Kampf-Fläche im Spiel in einen dreidimensionalen Raum, der vollkommen frei und in wirklich alle Richtungen durchquert wird. Die Spielfiguren, die recht unspektakulär ihre Strecke zum Gegner und zurück absolvierten, nun im offenen Aktionsfeld im halsbrecherischen Gefecht mit Bahamut zu erblicken, das ließ mein Herz schon höher schlagen. An das Kämpfen knüpfen sich zwei entscheidende Aspekte: einmal, dass der Plot sehr dünn ist und die zeitschindenden Action-Szenarien schnell ermüdend werden. Das Encounter-Prinzip hätte ruhig in der Spielreihe und nur da bleiben können. Auf der anderen Seite muss auch ein Wort zu den Animationen gesagt werden: Der Qualität des Chefs, also Pixar, zwar unterlegen, orientieren sich Perpektive, Bewegung und Montage an einem gänzlich unklassichen Prinzip. Dem Begriff der entfesselten Kamera wird mit Advent Children ein beeindruckendes Denkmal gesetzt, welches aber nicht mehr im Filmischen anzusiedeln ist. Die fast unübersichtliche Ästhetik samt hemmungsloser Zeitmanipulation lässt Bullet-Time und Matrix doch recht alt aussehen. Orientiert wird sich entschieden am modernen taktilen und ultraschnellen Videospiel. So kann es auch passieren, dass die Hände um einen imaginären Controller greifen, der leider nicht da ist.

Als Fan-Film, gleichwohl von den Machern von Final Fantasy VII selbst, hat Advent Children ebenfalls einige Schwächen: Allein zwei Schauplätze der riesigen Spielwelt finden hier Platz. Wenigstens die Atmosphäre von Midgar und der Vergessenen Stadt sind passend übersetzt worden. Nobuo Uematsus Score ist ebenfalls durchwachsen: Bedauerlicherweise werden den Orchestrierungen der unvergesslichen Melodien auch synthetisiertes Rock-Geschrabbel beigemischt, was weitestgehend peinlich, da bemüht aggressiv wirkt. Ich verzeihe hingegen alles - wegen Aeris... Aeris! Der emotionale Kern des Spiels drehte sich um diese tragische Figur und ihren Tod, der glücklicherweise nicht rückgängig gemacht wurde. Ihre kurzen Auftritte entlockten mir am Ende doch eine Träne. Dafür zeichnete aber nicht der Film verantwortlich - das hat er dem Spiel zu verdanken...

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