Der Monroe ihre dicken Hupen
#481
Geschrieben 02. September 2006, 19:21
Der wegen Disziplin-Problemen aus der Armee entlassene Stuart Grady verdient sein Geld als Vorarbeiter in einer Näherei. Dort ist seit kurzem auch der 17-jährige Bill angestellt, ein Waisenkind mit einer ziemlich unglücklichen Geschichte. Grady verliebt sich in den Jungen und nimmt ihn bei sich auf. Schon am nächsten Morgen werden die beiden von Gradys Vermieterin erwischt und sofort steht der Vorwurf der Homosexualität im Raum, obwohl Grady immer noch nicht entsprechend tätig geworden ist. In dem sich anschließenden Handgemenge kommt es zum Mord an der Frau. Grady und Bill fliehen und schon bald fällt der nächste dem höchst labilen Pärchen zum Opfer, ein Sozialarbeiter, der Bill seit Jahren betreut ...
Mit rund 100 Minuten Länge fast ein Quickie im Kontext der Serie geht es in BEST BOYS wieder mehr um den Kriminalfall, die Probleme um die Ermittler treten zumindest für eine Folge in den Hintergrund, nachdem sie die letzte Episode der Serie bestimmten. Dennoch geben einige kurze Szenen einen Hinweis darauf, wie die Serie mit der nächsten und letzten Folge zu einem Abschluss gebracht werden wird. Die Geschichte um das homosexuelle Liebespärchen Bill und Grady, die beide mit ihren mehr oder weniger schweren Problemen zu kämpfen haben, weiß aber zu fesseln und findet im Finale einen echten tragischen Höhepunkt. Mehr gibbet nicht zu sagen.
#482
Geschrieben 03. September 2006, 12:16
Es ist schon ziemlich erstaunlich, wie viele gute Filme Alex De La Iglesia mittlerweile vorzuweisen hat. 800 BALAS habe ich bisher noch nicht gesehen, alle anderen Filmen von ihm haben mir immer gut gefallen, beim zweiten Sehen meist noch besser als beim ersten, was eigentlich ein untrügliches Zeichen von echter Klasse ist. Verfolgt man die Rezeption von Iglesias' Filmen, ist der einhellige Tenor, dass seine Filme "wüst" und "anarchisch" seien, eher durch ihre vielen Einfälle zu überzeugen wissen, durch einzelne Szenen, denn als Gesamtentwurf. Seit PERDITA DURANGO wird jedoch auch immer wieder gern betont, dass Iglesias in seinem aktuellen Film dem Vorhaben, einen "runden" Film abzuliefern am nächsten gekommen sei. Auch bei CRIMEN FERPECTO liegt diese Bewertung nahe. Wie auch bei LA COMMUNIDAD stehen die Geschichte und die einzelnen Figuren im Vordergrund, mehr als singuläre Einfälle oder Bilder. Dennoch drängen sich die Vergleiche zu vorigen Filmen förmlich auf: Die Konstellation der beiden Protagonisten, die sich zueinander verhalten wie Feuer und Wasser, erinnert an MUERTOS DE RISA (wie übrigens auch die narrative Struktur von CRIMEN FERPECTO), die teuflische Energie, die sie entfachen, an PERDITA DURANGO. Die Kritik an materiellen Werten und Oberflächlichkeit, die Sympathie für die kleinen Verlierer und Durchschnittstypen stellt wiederum ein Bindeglied zu EL DIA DE LA BESTIA, ACCION MUTANTE und eben LA COMMUNIDAD dar. Typisch auch die Verquickung von bösem Humor und grimmiger Tragik: Ein echtes Happy-End wird verweigert, die Figuren machen vielmehr eine kleine Privatapokalypse durch.
Im Verhältnis der einzelnen Elermente zum Film als Ganzem möchte ich im Falle von CRIMEN FERPECTO dem Urteil, dieses sei besonders ausgewogen, zum ersten Mal wirklich zustimmen. Die unzähligen kleinen Gags dienen immer dem erzählerischen Gesamtentwurf, die Iglesias'sche Wildheit nimmt nie überhand, sondern ist der Ausgewogenheit verpflichtet. CRIMEN FERPECTO, eine böse Geschichte über Erfolgsgeilheit, die Konditionierung auf den schönen Schein der Oberfläche im Kapitalismus und die Dekonstruktion dieses Wahns, ist aber niemals im schlimmsten Wortsinn ebenmäßig. Man bekommt alles das, was man auch bisher immer an den Filmen des Spaniers geliebt hat, in seiner Wirkung durch das gesteigerte Bewusstsein für die Ökonomie (lustig, ausgerechnet in diesem Film!) allerdings sogar auf ein Vielfaches potenziert. CRIMEN FERPECTO ist nichts anderes als die absolute Essenz von Iglesias' Werk, einfach ein verdammt ferpekter Film.
#483
Geschrieben 04. September 2006, 08:26
Im Kino habe ich diesen mit viel Vofreude meinerseits bedachten Film sausen lassen, nachdem ich wusste, dass der Hollywood-Fließbandarbeiter Paul W. S. Anderson auf dem Regiestuhl Platz genommen hatte. Der Fachmann für uninspirierte Auftragsarbeiten mit möglichst wenig Identität und noch weniger Substanz hatte ja schon den Sargnagel in den Sarg, der einst der Romero-Film RESIDENT EVIL war, geschlagen. Na gut, wahrscheinlich ist es eher Eichinger, der für diesen Rohrkrepierer zur Verantwortung zu ziehen ist. Trotzdem: AVP versprach ein potenzielles Ärgernis zu werden, zumal der Film ja auch noch mit PG-13-Freigabe ins Kino kommen sollte. Gestern habe ich mir dann doch die Extended Version zu Gemüte geführt und siehe da: Der Streifen hat mir richtig Spaß bereitet.
Ein Satellit des Superindustriellen Weyland (Lance Henriksen), der auf einer Zeitschrift als "Bishop" apostrophiert wird - Anspielung auf ALIENS - entdeckt unter dem Eis der Antarktis eine vorzivilisatorische Pyramide. Ein Team von Spezialisten wird zusammen getrommelt, um diese Pyramide zu erkunden. Diese entpuppt sich als Bauwerk zu Ehren der bekannten Predatoren, außerirdischer Jagdwesen. Im Inneren schlummern die Aliens, die von den Predatoren als ultimativer Gegner gehalten werden, an dem sich ihre Heranwachsenden in einem Initiationsritus beweisen müssen. Als das Expeditionsteam den Mechanismus asulöst, der die Erweckung der Aliens zufolge hat, lassen die Predatoren nicht lange auf sich warten und das fröhliche Gemetzel in dem sich ständig neu konfigurierenden Gemäuer kann beginnen ...
Wie es sich für einen zünftigen Special-Effects-Blockbuster dieser Art gehört, bietet ALIEN VS: PREDATOR inhaltlich eine bunte Mischung aus unsagbar blöden und hoch interessanten Elementen. Für ersteres Element sind vor allem die menschlichen Protagonisten verantwortlich: Schon nachdem der Archäologe im Team eine rudimentäre Computeranimation des unterirdischen Bauwerks sieht, kann er voller Überzeugung sagen, dass es Elemente kambodschanischer, ägyptischer und aztekischer Pyramiden enthalte und somit die älteste Pyramide der Welt sei. Wissenschaftliche Zurückhaltung my ass! Sehr geil fand ich auch, dass der Superarchäologe in der Lage ist, die komplexen Hieroglyphen bis in grammatiklaische Details hinein zu entziffern. Da fragt man sich schon, ob die Bilderschrift den Unterschhied zwischen "auserwählt" und "wählen" überhaupt kennt. Die Soldaten im Team sind natürlich jeglicher Vernunft abholde Tumbmänner, die in dem Moment, als es noch die Möglichkeit gibt abzuhauen, nur noch den Profit im Kopf haben. Diese Kapitalismuskritik kennt man zwar aus den anderen ALIEN-Filmen auch, hier wird sie aber wirklich völlig unvorbereitet eingeworfen und danach auch nicht mehr aufgegriffen. Wo der Film eindeutig zu punkten weiß, das ist bei der Erfindung der Mythologie, die um die Predatoren gestrickt wird. Diese werden als Götterwesen eingeführt, die die Erde schon seit Jahrtausenden besuchen und zu deren Anbetung eben die genannten Pyramiden gebaut wurden. Auch ihre Jagdmentalität wird gut ausgearbeitet: Schön etwa die Szene, in der ein Predator der Hauptdarstellerin aus dem Skelett eines von ihr getöteten Aliens Waffen herstellt und ihr diese überreicht. Auch die Szene, in der der Predator den Brustkorb des an einem bösartigen Tumor leidenden Weyland scannt und beschließt, das kranke und zum Sterben verurteilte Wesen zu verschonen, weil es keine angemessene Trophäe darstellt, hat mir gut gefallen.
Mit Schauwerten geizt Andersons Film nicht: Allein die Pyramide unter der Erde (sehr Lovecraft-inspiriert) mit ihren sich verschiebenden Wänden bietet einen faszinierenden und unheimlichen Background, die schönen Kampfszenen zwischen den Titelhelden funktionieren ebenfalls gut und sind recht einfallsreich realisiert. Allerdings wird deutlich, dass die Aliens für eine Quasi-Heldenrolle nix hergeben: Sie sind dann auch einfach die entindividualisierte Brut, die fröhlich hinweggemetzelt werden kann, sofern sie ihrem Jäger nicht zuvorkommt. Die Sympathien liegen eindeutig bei den Predatoren, die ja schon von ihrer Gestalt her deutlich menschenähnlich daherkommen. Ein Sequel ist bereits angekündigt und ich für meinen Teil bin relativ gespannt, wie die aufgebaute Mythologie ausgeweitet wird. Feiner Popcorn-Film!
#484
Geschrieben 05. September 2006, 19:04
Oje, das war eine herbe Enttäuschung. Ich fand ja Balagueros LOS SIN NOMBRE und DARKNESS ausgesprochen formidabel, hatte mir also einiges erhofft. Leider löst FRAGILE so gut wie nichts von diesen Erwartungen ein. Der Film kommt überhaupt nicht in die Puschen, die Figuren gehen einem allesamt am Arsch vorbei – bei einem Gruselfilm nicht gerade ein kleines Manko – und die Story bietet auch nichts, was man nicht schonmal besser gesehen hätte. Gut, auch DARKNESS bot nicht viel mehr als einen Plot, aber mal ehrlich: Spuk- und Geistergeschichten sind nun wirklich genau das Gegenteil von innovativ, da sind es eben die Bilder, die Regieeinfälle, die Atmosphäre, die die Spreu vom Weizen trennen und genau in diesen Bereichen wusste Balaguero bisher fett zu punkten. Aber gerade hinsichtlich visueller Ideen ist bei FRAGILE nix zu holen. Klar, der Film sieht ganz gut aus, hat auch die eine oder andere gelungene, schaurige Szene, insgesamt lässt einen das Geschehen um einen zornigen Geist, der in einem kurz vor der Räumung stehenden Kinderkrankenhaus umgeht, aber seltsam kalt. Eine ganz große Bürde für den Film ist die Besetzung: Calista Flockhart, die die verständnisvolle Krankenschwester gibt, konnte ich noch nie leiden, und obwohl sie ihre Sache nicht wirklich schlecht macht, hat sie nunmal überhaupt keine Persönlichkeit. Sie ist völlig austauschbar, jede andere Schauspielerin mit Kulleraugen hätte das genauso gut hinbekommen. Richard Roxburgh, der Chefarzt, war mir zwar hier zum ersten Mal nicht total unsympathisch, aber das reicht immer noch nicht, um ihn zur Identifikationsfigur zu machen. Das Drehbuch passt sich dem Niveau an: Es dauert viel zu lange, bis irgendwas passiert, die ständige vorgetäuschte Bedrohung sich endlich konkretisiert. Und wenn es dann endlich soweit ist, kündigt sich auch schon wieder das vorhersehbare Finale des Ganzen an. So bleiben leider nur ein paar gute Bilder, ein zwar kitschiges, in einem anderen Film bestimmt aber ganz schönes Ende und die gediegene Inszenierung, die man von Balaguero aber nun wirklich erwarten durfte. Am meisten berührt hat mich aber die Widmung am Ende des Films, was aber wahrscheinlich nicht gerade die Auszeichnung ist, die sich Balguero gern ans Revers heftet.
#485
Geschrieben 05. September 2006, 20:42
Interessantes Kontrastprogramm zu FRAGILE: ebenfalls ein recht herkömmlicher Geisterfilm, der aber genau das richtig macht, was beim neuen Balaguero gründlich in die Buxe gegangen ist.
Jonathan Rivers wird nach dem Tod seiner Frau mit dem so genannten EVP konfrontiert, dem Electronic Voice Phenomenon, Stimm- und Bildaufnahmen von Toten, die sich im statischen Rauschen im Radio oder Fernsehen verbergen. Völlig besessen von der Möglichkeit, mit seiner Frau Kontakt aufzunehmen, beginnt er, immer neue Aufnahmen zu machen. Und tatsächlich nimmt sie zu ihm Kontakt auf. Bald schon findet er aber heraus, dass nicht alle der Stimmen (und Bilder) zu Toten gehören, sondern einige von noch Lebenden stammen, die quasi im Moment ihres Todes Warnungen an ihn schicken und ihn so in die Lage versetzen, sie zu retten. Und nicht alle Stimmen, führen Gutes im Schilde ...
Was Balaguero mit DARKNESS für die visuelle Seite des Films erreicht hat, versucht Regisseur Geoffrey Sax mit WHITE NOISE für die auditive Seite. Der Schrecken liegt dann oft eben nicht im Bild, sondern auf der Tonspur verborgen. Besonders in der ersten Hälfte gelingen Sax einige ziemlich unheimliche Effekte, wie überhaupt das Thema "Hören" sehr konsequent umgesetzt wird: Momente der Stille und Geräuschkakophonien wechseln sich ab, Gesprochenes verbirgt sich im "Hintergrund" etc. Wie das zumeist so ist, wird jedoch die Ambivalenz der Geschichte – hört Jonathan wirklich die Stimme seiner Frau oder will er nur glauben, diese zu hören? – bald zu Gunsten eines klassischen Plots fallen gelassen, die subtilen Andeutungen weichen den publikumswirksamen CGI-Kreationen. Schade, denn eigentlich macht Sax sonst fast alles richtig: Michael Keaton ist ideal in der Rolle des zwar traurigen, jede echte Trauer jedoch mittels seines neuen Hobbies verdrängenden Ehemanns. Es geht dann auch unterschwellig um Trauer, ihre Bewältigung quasi durch sich selbst und im Falle von Jonathan, die Unmöglichkeit deises Unterfangens. Sax legt mit einem sehr unterkühlten, beinahe sachlichen Ton das perfekte Fundament für diese Geschichte, deren Tragik und Horror gar nicht so sehr im vordergründigen Geisterplot liegen, sonern eben in disem psychologischen Aspekt. Gerade deshalb ist der gegen Ende reichlich ausfransende und aufgeblasene Geisterplot kontraproduktiv, weil er seine ernste Geschichte fast völlig dem Kintopp ausliefert. Dennoch halte ich WHITE NOISE für eine ausgesprochen positive Überraschung. Also wirklich das komplette Gegenteil zum eben besprochenen FRAGILE: dort große Erwartungen und herbe Enttäuschung, hier eher den Rohrkrepierer befüchtet und auf angenehme Weise eines Besseren belehrt worden.
#486
Geschrieben 07. September 2006, 15:41
#487
Geschrieben 08. September 2006, 14:39
#488
Geschrieben 11. September 2006, 17:19
So, es ist geschafft: Die alten CRACKER-Folgen sind alle geguckt. Lustigerweise lief gestern Abend, nachdem zora und ich die DVD befriedigt aus dem Player nahmen, eine neue CRACKER-Folge, wieder mit Robbie Coltrane und dem Hinweis darauf, dass das ZDF einige alte Folgen wiederholt. Der ausdrückliche Tipp, einzuschalten, ist also ausgesprochen. Im Moment fällt mir zu der Serie nichts mehr ein, was ich nicht schon gesagt hätte. SDa ist dann jetzt einfach mal angesagt, es selbst auszuprobieren. Doch Vorsicht: Wer unter guter Serienunterhaltung mundgerecht dargereichte Witzischkeiten verpackt in allerhand optischen Firlefanz versteht oder zwingend auf als Frivolität getarnte Spießigkeiten á la DESPERATE HOUSEWIVES oder noch schlimmer SEX & THE CITY steht, wird womöglich mit der Darreichungsform – jede Folge ist ein echter Spielfilm – Probleme haben. CRACKER fordert und "bedient" nur selten. Die Halbwertzeit dieser Serie kann aber kaum überschätzt werden. Das zeigt sich auch in dieser letzten Episode: Einige der über die ganze Reihe entwickelten Handlungsstränge werden zu einem nicht rundheraus befriedigenden Ende geführt, wer ein Happy Ende braucht wird definitiv nicht glücklich. Aber gerade dieses unspektakuläre, offene und, ja, auch ziemlich traurige Ende hat mich wieder so richtig getroffen.
#489
Geschrieben 15. September 2006, 13:27
Einer der Klassiker meiner beginnenden Videosammlerkarriere. Ice-T hielt ich damals noch für den Allergrößten, Wesley Snipes befand sich noch in dem Stadium seiner Karriere, in dem er mehr leistete als nur seine Fresse ins Bild zu halten und die Muckis zu flexen, Chris Rock war damals noch ziemlich unbekannt und Judd Nelson wusste ich als toughen Cop noch nicht richtig zu schätzen. Da waren es vor allem der "New Jack Hustle" vom ollen Ice, der mich einnahm, und eben die düstere Crime-Geschichte, mit der Regisseur Mario van Peebles wohl so eine Art schwarze Antwort auf SCARFACE vorschwebte. Jedenfalls verläuft die Geschichte sehr ähnlich: der Gossendealer Nino Brown (ein Name, der heute noch auf diversen Hiphop-Alben auftaucht) macht seinen Weg zum mächtigsten Pusher New Yorks, legt sich im Machtrausch aber mit den falschen Leuten an, sodass es am Ende nach den üblichen Ereignissen – Machtverlust, Rückschläge, Verrat etc. – mit ihm so richtig den Bach herunter- bzw. über den Jordan drübergeht. Und damit man es auch wirklich mitkriegt, wem der Peebles-Mario hier Tribut zollt, guckt Nino Brown den Film natürlich dauernd und zitiert ihn ausgiebig.
Leider will das alles heute nicht mehr so richtig zünden. Sohnemann van Peebels hat ja eh noch keinen wirklich guten Film auf die Beine gestellt, seine Werke kranken immer daran, dass einem das Geschehen meilenweit am Arsch vorbeigeht, man niemals den Eindruck erhält, die handelnden Figuren wirklich zu kennen. So scharwenzeln völlig leblose Schablonenmenschen über die ausgetretenen Storypfade, ohne dass sie irgendwelche Spuren hinterlassen. Ice-T's good cop bleibt ebenso flach wie Judd Nelsons tough guy oder Mario van Peebles Polizeichef. Als Crimefilm oder gar Thriller taugt NEW JACK CITY gar nix. Interessant ist er lediglich als Zeitzeugnis: So kann man sich davon überzeugen, dass die Hiphop-Mode tatsächlich einmal noch bescheuerter aussah als heute. Und der Frühneunziger-Hiphop gehört sowieso zu den Musikrichtungen, die man in den Tiefen des Ozeans versenken sollte, dort, wo auch Ice-Ts Karriere heute friedlich schlummert.
#490
Geschrieben 15. September 2006, 15:52
Filmegucken kann ganz schön ernüchternd sein. Vor allem, wenn es sich bei dem fraglichen Film um einen Klassiker aus der Kindheit handelt, der retrospektiv zum beeindruckenden Alles-Drin-Epos stilisiert wird. Ja und dann sitzt man zwanzig Jahre später vor der Glotze und fragt sich in den Wachphasen zwischen den vor Langeweile gehaltenen Schläfchen: "Wie war ich denn damals drauf?" So geschehen etwa bei der aktuellen Sichtung dieses Fantasyfilms der frühen Achtziger, dem letzten großen Film mit Harryhausen-Effekten. Ich hatte den Film als rundum unterhaltsames und buntes Wer in Erinnerung, abgeschmeckt mit den wunderbaren Animationen des Meisters.
Tatsächlich sind noch nicht mal die das Eintrittsgeld wert, die meisten Kreationen sind ein recht einfalls- und lustloser Abklatsch vergangener Großtaten, einzig der Kampg gegen die Medusa weiß zu begeistern. Dennoch sind des Harryhausens Fabelwesen noch das beste an einem Film, in dem jede Chance kläglich verschenkt wird. Die Geschichte um Perseus, den Menschensohn des eitlen Zeus, der unter dem Schutze seines Vaters die schöne Prinzessin Andromeda vor dem fiesen Calibos rettet und den Kraken (der gar kein Krake ist) besiegt, hätte durchaus was hergegeben. Besonders die Einmischung der olympischen Götterwesen in die Belange der Menschen und die Soap-Opera-haften Intrigen, die Zeus, Hera, Athene und Thetis schmieden hätten unter einer besseren Regie sicherlich was hergegeben. So wirkt das alles nur lächerlich und es tut weh zu sehen wie Lawrence Olivier sich als Zeus zum Idioten macht, die Urbritin Maggie Smith eine griechische Göttin spielen muss und Ursula Andress als Aphrodite total versagt, obwohl sie noch nicht mal ein Wort Dialog bekommen hat. Am besten kommt noch Burgess Meredith weg, retten kann auch er nicht, was Desmond Davis verbockt hat.
Das Schlimmste: Es gibt überhaupt keinen Zusammenhalt zwischen den Episoden, ein durchgängiger Spannungsbogen fehlt ebenso wie der – Fußballmetapher – Zug zum Tor. Lange Zeit ist völlig unklar, wo das alles überhaupt hinführen soll. So schleppt sich der Film über 110 Minuten dahin, versucht sich an erbärmlichem Humor (Plastikeule Bubo), walzt seine Effektsequenzen gnadenlos aus und präsentiert dem Zuschauer eine Schar von Schauspielern, die allesamt aus der Freakshow oder der Entziehungskur kommen. Harry Hamlin mag ja für schwer alkoholkranke und gelangweilte Amischlonzen der heißeste Scheiß sein, aber mal ehrlich, der Mann sieht aus als hätte ein Auto auf seinem Gesicht gewendet. So bleibt eben die Erinnerung an den Film, der KAMPF DER TITANEN in meiner Kindheit war, und eben an die tolle Medusa-Sequenz, für die sich das Gucken dann noch noch so halbwegs gelohnt hat.
#491
Geschrieben 19. September 2006, 15:17
Die DVD dieses Films gab pünktlich zum Ende den Geist auf. Deshalb habe ich keine Lust, was dazu zu schreiben. Halb gesehene Filme stinken, finde ich. Überhaupt scheint es mit dem Filmegucken im Moment nicht zu klappen. Brauche zurzeit wenigstens zwei Durchgänge, weil ich zu heftigen Schlafattacken neige. Ich glaube, ich brauche ne Pause.
Wer trotzdem was zu diesem Film lesen will, kann ja hier, bei meiner werten Gattin nachschlagen. Dieser Eintrag erfolgt übrigens aus reinem Komplettierungswahn. Wenn ich dem nicht nachgebe, zerfleische ich mich nur selbst, wie ich mich schon dafür flagellieren () könnte, dass ich BRICK hier vergessen habe.
#492
Geschrieben 20. September 2006, 08:20
Zickenterror und die Folgen: Zwei Schwestern hassen sich aufs Blut, "Baby Jane" (Bette Davis), stets besoffen, alt, vergilbt und verbittert, die andere, Blanche (Joan Crawford), hilflos und (scheinbar) gutmütig im Rollstuhl unter Obhut ihrer gemeinen Schwester. Baby Jane war einst ein gefeierter Kinderstar, bevor dann der Abstieg folgte, ihre Schwester, früher nur geduldetes Beiwerk zur Supertochter, erlebte später den Aufstieg zum Filmstar, bevor sie ein von Baby Jane mutwillig verursachter Unfall in den Rollstuhl zwang. Nun ist Blanche dem zunehmenden geistigen Verfall ihrer Schwester hilflos ausgeliefert und die macht Anstalten, sich dem Klotz an ihrem Bein endgültig zu entledigen.
Robert Aldrichs landete mit diesem Film einen absoluten Riesenhit, für den er später die Beinahe-Fortsetzung HUSH ... HUSH, SWEET CHARLOTTE, ebenfalls mit Bette Davis, drehte. Letzterer ein Drama mit Psychothriller und Horrorfilm-Anleihen drückte mich seinerzeit fest in die Sitzkissen, der laut Geschichtsbuch bessere Vorgänger gefiel mir zwar durchaus gut, hinterließ aber leider einen weniger starken Eindruck. Der Film ist insgesamt mehr Drama als das "Sequel" und näher an einer möglichen Realität als dieses. Auch inszenatorisch griff Aldrich für HUSH tiefer in die Trickkiste, würzte das Geschehen mit einigen saftigen Effekten und fand beeindruckende Bilder für das zerstörte Innenleben seiner Protagonistin. In BABY JANE bleibt dem Zuschauer diese grafische Konkretion erspart. Das kann man durchaus als Stärke ansehen, aber mir fehlte gerade dieser Wahn, der beginnt, den Film selbst zu befallen. Vielleicht liegt meine Zurückhaltung was BABY JANE angeht aber auch einfach darin begründet, dass das Treiben unserer beiden neuen pelzigen Mitbewohner so viel aufregender und involvierender war als das auf der Mattscheibe.
#494
Geschrieben 22. September 2006, 10:17
Ein Film, der mich unweigerlich dazu inspiriert, auf den Titel meines Tagebuchs zu verweisen. Hawks' MONKEY BUSINESS war einer der ersten Filme, die ich vor rund zwei Jahren an dieser Stelle besprach, und die Monroe - dort nur mit einer kleinen aber feinen Nebenrolle bedacht - ließ mir keine große Wahl, als ihr mit dem Tagebuchtitel ein kleines Monument zu errichten. THE SEVEN YEAR ITCH befindet sich irgendwo in der Mitte dieser mittlerweile zu einer ziemlichen Schwarte gereiften Filmschau und zementierte den Eindruck, den ich bei Hawks' alberner Komödie von der Urblondine gewann. Nun habe ich mit zora GENTLEMEN PREFER BLONDES nachgelegt, einen Film, über den es eigentlich nicht viel zu sagen gäbe, außer, dass er natürlich ein veritabler Klassiker ist, der die perfekte - weil leichte und schnell vergessene - Unterhaltung entweder für triste Sonntagnachmittage oder ausklingende Silversterabende ist. GENTLEMEN ist ein angenehm leerer Film: keine Handlung, keine Charaktere, keine sichtbare Inszenierung. Da ist einfach die Monroe, ihre Brüste über einer diesen Ausdruck wirklich mal verdienenden Wespentaille in umwerfenden Kleider gepresst. Und, ja, diese Frau ist tatsächlich all diese mystifizierenden Lobhudeleien wert. Die Frage, die sich unweigerlich stellt: Spielt sie die schmollmündige Verführung, die gar nicht merkt wie sie den Männern die Köpfe verdreht, wirklich nur oder war sie tatsächlich so? Ist ersteres der Fall, dann gebührt ihr größter Respekt, denn sie macht ihre Sache beängstigend perfekt: das Schürzen der Lippen, das Aufschlagen der Augen, das Säuseln der Stimme, der Hüftschwung, einfach alles. Ich weiß aber nicht, was mir besser gefiele: Wenn die Monroe tatsächlich nicht nur so wahnsinnig attraktiv, sondern auch noch eine so großartige Schauspielerin gewesen wäre, oder aber, wenn sie die unschuldigen Verführerin deshalb so überzeugend gibt, weil sie tatsächlich eine war und gar nicht anders konnte. Der Filmfreund wünscht sich ersteres, der hormongesteuerte Mann letzteres. Ansonsten gibt es über den Film nicht viel zu sagen, der ist einfach nur Podium für die Monroe. Und Jane Russell, sicherlich auch nicht gerade ein hässliches Entlein, sieht neben ihr aus wie ein Kerl.
#496
Geschrieben 25. September 2006, 17:10
Mehr als gelungene Kifferkomödie, die sich an den DUDE, WHERE IS MY CAR-Erfolg anhängt, ohne aber dessen Blödheit und Leere zu erreichen. HAROLD & KUMAR möchte man dann doch eher mit gelungenen Dope-Filmen á la HALF BAKED vergleichen, denn neben allerhand skurrilen Situationen, zotigen Witzen und derben Geschmacklosigkeiten weiß der Film um die beiden Wochenendkiffer, die sich auf eine wahre Odyssee begeben, nur um den besten Burger für die Stillung ihres Fresskicks aufzutreiben, vor allem durch seine beiden doch recht sympathischen und angenehm normalen Hauptfiguren zu überzeugen. Harold und Kumar sind keine ultracool dahergrimassierenden Product-Placement-Zombies, sondern jederzeit glaubwürdige Charaktere, die durch die Hauptdarsteller John Cho und Kal Penn optimal besetzt sind. Natürlich muss man sich durch den typischen Läuterungs- und Reifungsplot kämpfen und auch sonst werden gängige Plotelemente gereicht. Aber mit einigen gut platzierten Gags und subversiven Untertönen garniert lässt sich das alles ganz gut an. Sieht man mal davon ab, dass es vollkommen unrealistisch ist, dass zwei Kiffer im Vollrausch überhaupt die Energie für eine solche Tour aufbringen, kann man mit dem Film durchaus seinen Spaß haben. Das gilt wahrscheinlich nicht für die deutsch synchronisierte Version, die mit Oliver Pocher und Rick Kavanian aufwartet und somit eigentlich verboten gehört. Die direkt an das Ende anknüpfenden Fortsetzung HAROLD & KUMAR GO TO AMSTERDAM kündigt imdb für 2007 an ...
#497
Geschrieben 25. September 2006, 17:25
Der Film hat mich einige Anläufe gekostet, was ich nicht unbedingt ihm anlasten möchte, sondern eher meine post-maritalen Müdigkeit. Die Geschichte um den kleinen Emporkömmling Eddie Bartlett, der mehr durch Zufall zu einem der mächtigsten Profiteure der Prohibition aufsteigt und doch eigentlich nur das Liebesglück sucht, ist zwar nach heutigen Standards gemessen etwas holprig erzählt, weiß aber durch die Darstellung James Cagneys, die Schurkenrolle Humphrey Bogarts und den historischen Hintergrund zu gefallen. Insgesamt krankt Raoul Walshs Film aber daran, dass er eine zu breite Geschichte in einen zu kleinen Film packen will. Will man eine Geschichte von Aufstieg und Fall mit der entsprechenden Durchschlagskraft erzählen, bedarf es einer gewissen Epik. Brian De Palma hat das etwa im sehr ähnlich gelagerten SCARFACE vor- bzw. eher nachexerziert. Raoul Walshs Film glänzt eher durch Auslassungen: Wie der geölte Blitz steigt Eddie vom Taxifahrer zum Alkoholbrenner auf, sein anfänglicher Untergebener George hat sich von einer Szene zur nächsten plötzlich zum Tycoon gemausert, während Eddie den Schlag des Börsencrashs von 1929 zu verdauen hat und pleite ist. Und die Geliebte, eben noch mit Eddie verbandelt, ist in der nächsten Szene schon mit Saubermann Lloyd liiert und noch eine Szene später bereits mit einem fünfjährigen Sohnemann gesegnet. Hier wird es etwas schwierig, dem Film zu folgen. Natürlich hat der trotzdem seine Meriten: Das Duo Cagney und Bogart habe ich ja schon gelobt, der an die Strategien des Achtziger-Vietnam-Heimkehrerfilms gemahnende Anfang – Eddie kehrt aus dem ersten Weltkrieg zurück und findet nirgendwo Arbeit – überrascht ebenso wie der moralisierende und belehrende Voice Over, der die Lücken in Mark Hellingers Drehbuch stopft. Und das Ende geht dann doch in eine ganz ähnliche Richtung wie De Palmas Überfilm SCARFACE ...
#498
Geschrieben 26. September 2006, 14:24
James Cagney ist schlichtweg genial als Tom Powers, dem wir in der Exposition schon in der Kindheit begegnen. Der einleitende, wieder mal sehr pädagogisch anmutende Text hat schon auf eine Geschichte vorbereitet, die vom sozialen Elend und dem damit verbundenen Abstieg in kriminelle Gefilde kündet. Und so ist es dann auch: Der kleine Tom ist mit seinem Freund Matt (Edward Woods) schwer auf Zack, verdingt sich hier und da als Laufbursche für Kleingangster und darf schon bald für den Vorstadtpaten Putty Nose (Murray Kinnell) "arbeiten". Der Weg ist vorgezeichnet und so machen Tom und Matt die klassische Karriere durch, an deren Ende dann beider Tod steht.
Wie auch in THE ROARING TWENTIES verbirgt sich hinter THE PUBLIC ENEMY eine verhaltene Sozialkritik, die einiges an Durchschlags- und Überzeugungskraft durch die Präsenz von James Cagney und dessen Charakter des Tom Powers einbüßt. Der ist schon als kleiner Junge ein ziemlicher Fiesling und man möchte kaum glauben, dass es lediglich die Armut der Eltern ist, die ihn dem Verbrechen in die Arme treibt. Das Blitzen in den Augen macht deutlich, dass in diesem etwas zu kurz geratenen Körper ein durchtriebener Geist steckt, der vor nichts halt macht. Das scheint aber durchaus in der Powers-Familie zu stecken: Bruder Mark verpflichtet sich zum Dienst an der Waffe und kehrt schweigsam und in sich gekehrt aus dem Krieg zurück. Dass der kleine Bruder nun seinerseits Blut an den Händen kleben hat, scheint ihm gar nicht zu schmecken. Man vermutet zunächst die typisch amerikanische Moral, die das Abschlachten ganzer Völker zur Heldentat verklärt, aber schon das kleinste Vergehen mit dem Fegefeuer bestrafen will, dann den Neid des Helden, der seine großen Taten schon hinter sich hat. Aber es ist etwas anderes: Denn Mark weiß, wohin es mit seinem Bruder gehen wird, weil er etwas ganz ähnliches in Europa erlebt hat. Es ist nicht die tugendhafte Standfestigkeit vor der Versuchung, die ihn adelt, sondern eine mit den Mitteln der Vernunft errungene Entscheidung zur Enthaltsamkeit. Das wird im reichlich finsteren und offenen Finale deutlich, in dem der Soldat im Schützengraben wieder aus ihm hervorbricht. Die Gewalt wohnt im Herzen Amerikas, weiß sich ganz gut zu tarnen, bricht aber immer wieder aus ihm hervor.
THE PUBLIC ENEMY wirkt nicht mehr ganz frisch und durch den beinahe vollständigen Verzicht auf Musik schon fast dokumentarisch. Neben der brillianten Darstellung Cagneys, der dem Zuschauer trotz des diabolischen Grinsens und der Kaltschnäuzigkeit seiner Handlungen einige Sympathien abringt, sind es vor allem einige mittlerweile zu Ikonen gewordene Szenen, die haften bleiben: die Pampelmuse im Gesicht der Geliebten, die gewaltigen Schatten, die sich an Putty Nose heranschleichen, der Besuch bei Rajah, dem Pferd, das den Tod des großen Nails Nathan zu verantworten hat, Cagneys Leidensweg durch einen Regen, gegen den der Dauerwolkenbruch aus SEVEN wie ein erfrischendes Sommergewitter wirkt, und eben das Ende, das tatsächlich ziemlich harter Tobak ist. Ein immer noch (und auch zum ersten Mal) faszinierender Film.
#499
Geschrieben 29. September 2006, 11:47
In letzter Zeit geht es in meinem FTB immer weniger um den jeweiligen Film und immer mehr um die Umstände der Sichtung bzw. eher Nicht-Sichtung. Auch bei WHITE HEAT komme ich nicht drum herum, darauf hinzuweisen, dass ich den Film ketzerischerweise gestreckt über drei oder vier Tage gesehen habe, da ich immer zu müde war, um bis zum Ende durchzuhalten. Ideal ist anders und ich habe auch ein ziemlich schlechtes Gewissen dem Film - also sowohl WHITE HEAT im Speziellen als auch dem Film als Medium generell - gegenüber. Wie stark WHITE HEAT wirklich ist, kann ich nur erahnen. Ich vermute aber, dass ein Film, der schon bei episodisch langgezogener Betrachtung beeindruckt, einen in rund 110 Minuten gebündelt einfach nur völlig wegbläst. James Cagney deliriert sich durch seine Rolle des Schwerverbrechers Cody Jarrett, dass einem die Spucke wegbleibt. Und das muss er auch, sonst verkäme dieser Brutalo vor dem Herrn möglicherwiese zur Witzfigur. Der skrupellose Mordbube ist nämlich ein absolutes Muttersöhnchen, das seine Mama zum Partner in Crime erkoren hat. Da er immer schon die ganze Aufmerkamkeit seiner Mama brauchte, diese aber in seiner Kindheit mit anderen teilen musste, erfand er irgendwann einen bohrenden Kopfschmerz, der es ihm erlaubte, sich ganz allein mit der geliebten Mutter zurückzuziehen. Doch die gespielte Pein ist über die Jahre leider Realität geworden und so ist Cody ein wandelndes Pulverfass, dessen überbordenden Aggressionen von den unvorhersehbar auftretenden Kopfschmerzen noch gehörig angeheizt werden. Da fragt man sich dann am Ende schon, ob es das Gewehrfeuer der Polizisten ist, das die finale Explosion auslöst, oder ob nicht doch der gute Cody einfach aus Zorn in Rauch und Flammen aufgegangen ist.
WHITE HEAT ist ein brilliant inszenierter, harter Gangsterflick, der von der Darstellung Cagneys beherzt in die Umlaufbahn geschossen wird. Die Story bietet reichlich Action - der Überfall zu Beginn, die Flucht, der Gefängnisaufenthalt, der Ausbruch, das Finale - und ein cleverer Undercover-Subplot sorgt für ein gerüttelt Maß an Suspense. Letzten Endes ist es aber vor allem die Charakterzeichnung Cody Jarretts, die den Film unsterblich gemacht hat. Eine solch facettenreiche Figur ist im Gangsterfilm-Genre gewiss nicht selbstverständlich und macht den Film auch heute noch zu einem alles anderen als "gealterten" Vergnügen. WHITE HEAT has blown me away!
#500
Geschrieben 30. September 2006, 08:48
Bei der letzten Sichtung vor ein paar Jahren war die Luft ziemlich raus. An den Cundeyschen Bildkompositionen hatte ich mich sattgesehen, die Story konnte ja eh nie mehr als ein laues Lüftchen entfachen, höchstens noch den Sturm im Wasserglas. Tja und ging es einem um das Herzstück des Slashergenres, das HALLOWEEN begründete, Gore galore, so gab es Gewinn bringendere Alternativen, bei denen einem das Boeuf Stroganoff nur so um die Ohren gedroschen wurde. HALLOWEEN ist ja genau betrachtet ungefähr so blutrünstig wie eine Folge der Lindenstraße, der Body Count so ergiebig wie die Torausbeute bei Partieen wie Hannover vs. Wolfsburg oder Bielefeld vs. Cottbus. Und wenn man das alles schon vorher aus zig Sichtungen weiß, dann bleibt irgendwie nix mehr übrig, über das man sich freuen kann.
Gestern hat's trotzdem mal wieder funktioniert: Begeistert war ich von Carpenters Technik, das Sichtbare gegen das Unsichtbare auszuspielen. Die Bedrohung geht nämlich weniger von der Figur des Michael Myers aus als von der Tatsache, dass man weiß, dass er da ist: die unzähligen Subjektiven des Anfangsdrittels, die einen in die Rolle des Maskenmanns drängen, sein Verschwinden von einer Einstellung zur nächsten, das ihn überhaupt erst zum Phantom und wortwörtlichen Schreckgespenst macht. Carpenter dekliniert dieses Prinzip so konsequent durch, das selbst die Lehrerin von Laurie zu Beginn nur aus dem Off spricht, wir sie nicht zu Gesicht bekommen. Da merkt man dann, dass es in HALLOWEEN auch immer so ein bisschen um den Generationenkonflikt geht. Überhaupt: Ist mal jemandem aufgefallen wie lange Michaels Eltern ihren Filius mit dem blutigen Katzendolch in der Eröffnungsszene tatenlos anstarren? Das ist völliges Unverständnis, völlige Ratlosigkeit. Dein Kind, das unbekannte Wesen. Am effektivsten fand ich die Szene, in der Laurie zusammensackt, weil sie gerade die Leichen ihrer Freundinnen entdeckt hat, und aus der pechschwarzen Bildhälfte neben ihr – eine Türöffnung oder so – schält sich plötzlich die Maske Michael Myers' heraus. Ganz groß, dieser Moment. Und von wegen Captain-Kirk-Maske und so: Die ganze Figur des Michael Myers ist so entworfen, dass sie eine absolute Leerstelle repräsentiert, schwarzer Anzug, weiße Maske. Das passt zur Komposition wie der Arsch auf den Eimer, wirft aber die Frage auf, warum es Laurie gelingen muss, dem Killer in einer Szene die Maske vom Gesicht zu reißen. Das hat mich gestern dann fast rausgekickt aus dem Streifen. Hier hat sich Carpenter wohl mehr dem Klischee gebeugt als alles andere.
Das Fazit kann nach HALLOWEEN also nur lauten, dass aus diesem Stoff die Meisterwerke und Geneistreiche gestrickt sind. Ich werde die (saumiese holländische) Scheibe jetzt aber erstmal wieder für ein paar Jahre im Schrank parken und lange von DIESER Sichtung zehren, die mir mehr gebracht hat als alle vorigen – bis auf die erste natürlich. Eigentlich wollten zora und ich danach ja noch den zweiten Teil nachlegen, aber da hat uns dann das Sandmännchen mal wieder ein Schnippchen geschlagen.
#501
Geschrieben 01. Oktober 2006, 18:43
Wie großartig Carpenters Original ist, wird besonders augenfällig, wenn man direkt im Anschluss des Rosenthals Sequel einwirft. Rick Rosenthal war später überwiegend fürs Fernsehen tätig und dort wohl auch am besten aufgehoben, sieht man mal von seinem feinen Jugendknastfilm BAD BOYS ab, in dem sich ein junger Sean Penn und ein ebenso junger Kurgan, äh, Clancy Brown, gegenseitig mit Coladosen aufs Maul hauen. HALLOWEEN II hat als Pluspunkte den direkten inhaltlichen Anschluss an den Vorgänger vorzuweisen und einen deutlich höheren Bodycount, der auch mit gehörigem Blutverlust einhergeht. Das wusste mich dann vor einigen Jahren auch ziemlich zu beeindrucken, doch heute komme ich nicht drumrum, dem Film das Prädikat "stinklangweilig" zu verleihen. Während Michael Myers durch Haddonfield stapft, um Laurie Strode zu murksen, labert sich Loomis um Kopf und Kragen und diverses Krankenhauspersonal benimmt sich auch nicht vernünftiger. Nun mag HALLOWEEN ja auch nicht gerade ein Ausbund an Intelligenz und logischer Strenge sein, aber was hier vor sich geht, nimmt schon beinahe surreale Züge an: Im Haddonfield Memorial arbeitet ein ganzer Haufen Menschen, obwohl es außer Laurie Strode und ein paar Neugeborenen (wo sind deren Mütter?) überhaupt keine Patienten gibt; Michael Myers schlitzt sich erst durchs gesamte Personal, bevor er sich dann endlich mal seinem eigentlichen Opfer widmet; zwei Angestellte ziehen sich mitten während der Nachtschicht mal eben in den Whirlpool zum Stelldichein zurück; ein Polizist fährt völlig unbegründet einen Passanten über den Haufen und rammt ihn in einen Krankenwagen, der daraufhin explodiert; die verbrannte Leiche wird obduziert, der Pathologe stellt fest, dass die Leiche keine Füllungen in den Zähnen hat und deshalb sehr jung sein muss, "etwa 17"; und Loomis, dem eine extra angereiste Kollegin eine sehr wichtige Nachricht überbringen will, lässt diese einfach nicht zu Wort kommen und redet stattdessen völlig entfesselten Schwachsinn über Samhain und Feueropfer. Leider kann man darüber nicht wirklich lachen, denn der Film bemüht sich, dem Ton des Originals gerecht zu werden, und baut auf eine ähnlich finstere Stimmung. Der Schuss geht völlig nach hinten los. Die Lehre, die sich aus HALLOWEEN II quintessenziell herauslesen lässt, ist die, dass es längst nicht reicht, Michael Myers ständig als Schatten im Bildhintergrund herumstehen zu haben, um eine Atmosphäre der Bedrohung zu erzeugen. Ganz so leicht war HALLOWEEN dann doch nicht zu bewerkstelligen. Und noch etwas wird bei Sichtung von HALLOWEEN II ganz offenkundig: Auch wenn HALLOWEEN meist als Urvater des Slashergenres bezeichnet wird, hat er mit den extremen Ausprägungen dieses Genres eigentlich kaum etwas gemein. Die Figur des Michael Myers ist weitaus mehr als ein Jason Voorhees, HALLOWEEN bezog seinen Reiz nicht aus einem hohen Bodycount und auch nicht aus möglichst ausgefallenen Todesarten. HALLOWEEN II verpflichtet sich aber genau dieser Milchmädchenrechnung und gibt die eigentlich immens unheimliche Figur des Michael Myers so leider der Lächerlichkeit preis.
#502
Geschrieben 01. Oktober 2006, 19:51
Keine Shaw-Produktion, aber trotzdem eine altbekannte und tausendfach erprobte Geschichte: Sammo Hung ist der wackere Husker, dessen Onkel von bösen Manchu-Proleten aus Spaß ermordet wird. Husker kann nur hilflos zusehen. Doch ein Mönch eilt zu Hilfe und schickt den Armen anschließend ins Shaolinkloster, wo dieser zum Kung-Fu-Meister heranreift, vom Wunsch nach Rache beseelt. Doch als er loszieht, um seinen Wunsch in die Tat umzusetzen, steht wieder der Mönch auf der Matte und mahnt zu Besonnenheit: Denn wichtiger als die persönliche Rache sei es, das arme Han-Volk in der Rebellion gegen die Manchu-Unterdrücker zu führen ...
Diese eigentlich sehr geradlinige Storyline wird natürlich, wie man das gewöhnt ist, durch unzählige Subplots, Nebenfiguren und Zoten verkompliziert, dennoch ist das alles etwas übersichtlicher als in den Werken der Shaws. Neben der immer wieder beeindruckenden Körperbeherrschung des gar nicht sportlich aussehenden Sammo Hung stechen hier vor allem zwei Aspekte heraus: die Darstellung der Manchus und das Umschwingen des Films vom heiteren Schelmenstück hin zum äußerst ruppigen Klopper. Die Bösewichte sind so eindimensional böse, dass es eine wahre Freude ist. Sie schikanieren unschuldige und völlig harmlose Leute aus reinem Spaß an der Freude, vergewaltigen jede Frau, die ihnen mal so über den Weg läuft und scheinen auch sonst alle schlechten menschlichen Eigenschaften in sich zu vereinen. Sehr differenziert das Ganze, Hut ab, dagegen sind die Russen und Nazis aus dem Hollywoodkino ja fast als ambivalent zu bezeichnen. Da müssen sie sich dann auch nicht wundern, dass ihnen im furiosen Finale so ziemlich alle Knochen im Leib gebrochen werden und dem Oberbösen zu allem Übel auch noch die Augen rausgepiekt werden, damit er nicht mehr so doof gucken kann. Nach dieser Heldentat bricht der Film dann einfach so ab, irgendein Nachgeplänkel würde seine fulminante Durchschlagskraft auch nur verwässern. So ist's sowas wie das filmische Äquivalent zum "Anarchist Cookbook" – vorausgesetzt, man hat ein Shaolinkloster in der Nähe.
#503
Geschrieben 02. Oktober 2006, 18:52
Der arbeitslose Drifter Nada (Wrestler Roddy Piper) kommt einer revolutionären Verinigung auf die Spur, die aus einer leerstehenden Kirche heraus operiert und versucht, mittels des Fernsehens Botschaften nach an die Bevölkerung zu senden, mit dem Inhalt, dass das Fernsehen von "Ihnen" benutzt würde, die Bürger unter Kontrolle zu halten. Nachdem die Kirche eines Nachts von einer aggressiven Hundertschaft Polizisten geräumt wird, entdeckt Nada dort in einem Karton einen Berg Sonnenbrillen, die ihn die Welt in einem wortwörtlich anderen Licht erscheinen lassen: Hinter den Gesichtern reicher Geschäftsleute verbergen sich in Wahrheit Aliens mit Totenkopfgesichtern. Werbetafeln und Zeitschriften fordern die nichts ahnende Bevölkerung auf, zu gehorchen, konsumieren und sich fortzupflanzen. Schon bald wird Nada als Wissender enttarnt und so steht er allein gegen ein ganzes System ...
Vor Jahren habe ich den Film als überwiegend misslungenen Carpenter-Film betrachtet. Der geschätzte Vern weiß den Film aber sehr zu schätzen und sein Text hat dann den Anstoß geliefert, mich dem auch rezeptionsgeschichtlich eher unterschätzten Werk noch einmal zu nähern. Und siehe da, THEY LIVE ist ein Film, der im Vergleich zu einigen Carpenter-Filmen der Neunziger-Jahre doch recht gut abschneidet. Die düstere, antikapitalistische Dystopie weiß vor allem dann gehörig aufzutrumpfen, wenn man den Film mit den zahlreichen reaktionären Actionkloppern vergleicht, die in den Jahren zuvor die Kinos fluteten. Nada ist zwar durchaus aus dem Material geschnitzt, aus dem brave US-Helden geschnitzt sind, der fahnenschwingende Patriotismus geht ihm aber dennoch völlig ab. Und statt die Gefahr von unten zu vermuten, droht sie hier gerade von den oberen Zehntausend. Dennoch musste ich mich zwischendurch mal fragen, ob die Mär der außerirdischen Kapitalisten, die den einfachen Mann auf der Straße mittels des Fernsehsignals hypnotisieren, dumm halten und sich auf seine Kosten die Taschen voll machen, nicht auch im Kern ziemlich rechtskonservativ ist. Wenn etwa Nadas Bauarbeiterfreund Frank (Keith David) über die Großunternehmer mit ihren "foreign fancy cars" lästert, wird ziemlich offenkundig, dass im Kern von Carpenters Dystopie auch wieder die amerikanische Paranoia von der Eroberung ihres Marktes durch ausländische Kräfte steckt. Trotzdem – oder vielleicht auch deshalb – ist THEY LIVE ein ziemlich interessanter Vertreter seines Genres, gerade wegen seiner Verortung im insgesamt unterrepräsentierten Arbeitermilieu. Ich weiß noch, dass mich bei Erstsichtung sehr über die fünf Minuten lange Straßenschlägerei zwischen Nada und Frank mokiert habe, aber gestern erschien sie mir fast als Schlüsselszene. Während der optimistische Nada sich sehr schnell an die neuen Gegebenheiten gewöhnt, ist gerade der zornige Frank nicht bereit, seine Weltsicht aufzugeben. Dieser Konflikt kulminiert dann eben in einem äußerst rustikalen Fight, der auch Platz für den humorigen Teil von Carpenters Film macht. So bleibt dann als einziger echter Kritikpunkt, dass Carpenters Film sein furioses Anfangstempo nicht über die vollen 90 Minuten aufrecht halten kann. Am Ende geht der Invasions- und Revolutionsgeschichte etwas die Luft und wohl auch das Geld aus. Dennoch: ein weit gehend zu Unrecht geringgeschätzter Film.
#504
Geschrieben 03. Oktober 2006, 13:53
Das Mädchen Anna ist vom Geist ihres Vaters besessen, was besonders ärgerlich ist, da es sich bei ihrem alten Herrn um niemand anderen als Jack the Ripper handelte. Als Kleinkind musste sie mitansehen, wie der Papa die Mutter entsorgte, weil diese hinter sein Geheimnis gekommen war, und nun fällt das mittlerweile erwachsene Töchterchen gern in eine mörderische Trance, in der sie auf den Spuren des Papas wandelt. Der Freudianer Dr. Pritchard nimmt sich aufgrund einer Ahnung ihrer an und versucht, sie zu heilen, was jedoch nur von mittelmäßigem Erfolg gekrönt ist.
Mit diesem Film erging es mir nun genau andersrum als mit dem zuletzt besprochenen THEY LIVE. HANDS OF THE RIPPER sah ich zum ersten Mal im Fernsehen und war völlig begeistert. Den Inhalt des Films hatte ich mittlerweile vergessen, ich erinnerte mich nur noch daran, ihn ziemlich toll gefunden zu haben. Bei der heutigen Sichtung konnte ich mich nun nicht ganz des Eindrucks erwehren, mich damals in einer ähnlichen Trance befunden zu haben wie die Antiheldin des Films. Zwar ist HANDS OF THE RIPPER alles andere als schlecht, aber herausragend ist der Film nun auch nicht. Die Versuche, Freudianische Psychologie in den Film einzuweben, wirken halbherzig und werden dann schließlich sang- und kalnglos fallengelassen, ohne das ersichtlich wäre, warum. Da auch das Geheimnis der Ripperin von Anfang an kein solches ist, hält sich die Spannung arg in Grenzen. Zu gefallen weiß Sasdys Film wie alle Hammers durch seine schöne Ausstattung – HANDS sticht vor allem durch relativ ausgiebige und stimmungsvolle Straßenszenen heraus – und der gegenüber den älteren und berühmteren Vertretern des Studios deutlich gestiegenen Blutrünstigkeit. Und wenn der gute Dr. Pritchard sich am Ende einen gut einen Meter langen Degen aus dem Wanst zieht und noch eine kleine Stadtrundfahrt unternimmt, dann wird der Film sehr verspätet von jenem Geist beflügelt, den er in den 70 vorhergehenden Minuten leider vermissen ließ.
#505
Geschrieben 04. Oktober 2006, 11:53
Es hat sich ja so "eingebürgert", eine Filmrezension mit der Zusammenfassung der Handlung zu beginnen und danach in die Kritik einzusteigen. Bei Jacques Tourneurs THE LEOPARD MAN würde ein solches Verfahren allerdings bedeuten, den Leser von Anfang an in die völlig falsche Richtung zu führen, denn der Plot von THE LEOPARD MAN ist hier weitaus weniger als auch nur die halbe Miete: Der Agent (wie in Agentur, nicht in Geheimdienst) Jerry Manning will seiner Freundin, der Schauspielerin und Sängerin Kiki, helfen, deren ärgste Konkurrentin, Clo-Clo, auszustechen. Beide treten in einem Hotel in einem winzigen Grenzkaff in New Mexico auf. Zu diesem Behufe, drückt der findige Jerry Kiki einen Leoparden, genauer gesagt einen Panther, in die Hand. Der Plan geht zunächst auf, doch Clo-Clo lässt sich nicht lumpen und schlägt die Katze beherzt in die Flucht. Wenig später gibt es das erste Opfer zu beklagen, nur kurze Zeit später das zweite. Doch die Verdachtsmomente mehren sich, dass ein Mensch die Ursache für das mörderische Treiben ist.
Diese Geschichte bietet - eigentlich wie in allen Filmen des gewieften Produzenten Val Lewtons - nur den Rahmen für eine wunderbar konstruierte und technisch berückende Meditation über das Wesen des Schicksals und der Bestimmung. Den rudimentären Plot entwickeln Lewton und Tourneur auf so verschlungenen Pfaden, dass zunächst gar nicht klar ist, worauf das Ganze eigentlich hinauslaufen soll. Trotz einiger wunderbar komponierter Horrorsequenzen - der erste Überfall des Leoparden, der Mord auf dem Friedhof, das immer wiederkehrende Motiv der Frau, die eine finstere Straße entlangschlendert - verweigern sich Lewton und Tourneur der klassischen, sehr zielgerichteten Struktur des Horrorfilms. So schweift der Film scheinbar willkürlich immer wieder von seinen Hauptfiguren ab, um beinahe zufällig ausgewählte Nebenfiguren für kurze Zeit zu den Handlungsträgern zu machen und so die perfekte Umsetzung seines philosophischen Diskurses zu liefern. Dies rückt den Film über weite Strecken in die erzähltechnische Nähe kaleidoskopartiger Gesellschaftsbilder á la Robert Altmans SHORT CUTS (den ich allerdings längst nicht so gut finde) oder auch John Sayles LONE STAR, der mit THE LEOPRAD MAN übrigens auch das Setting teilt.
THE LEOPARD MAN ist ein absolut faszinierender Film - eine Erkenntnis, die sich einem nach Ende des mit 66 Minuten sehr kurzen Films nicht sofort erschließt, weil einem seine Besonderheit nicht lautstark aufs Brot geschmiert wird, sondern er sich selbst und seine Erzählhaltung selbstverständlich und unufgeregt vermittelt. Dafür wirkt er dann umso stärker: THE LEOPARD MAN ist ein weiteres Meisterwerk Lewtons und ein absolut außergewöhnlicher Film, der bei mir sicher noch einige weitere Aufführungen zu erwarten hat. Würde ich Punkte vergeben, dann könnte hier am Fußende nur die 10 stehen.
#506
Geschrieben 04. Oktober 2006, 13:19
Die Serbin Irena hat ein gespaltenes zu Katzen: Eine Sage aus ihrem Heimatdorf weiß von Frauen zu berichten, die sich, werden sie von der Wollust gepackt, ohne große Umschweife in räuberische Katzenbrut verwandeln und den Auslöser der Fleischeslust - den Mann - in tausend Stücke reißen. Und Irena glaubt, selbst zu diesen verfluchten Frauen zu gehören. Leider schätzt Oliver Reed (so heißt die Figur tatsächlich) das Ausmaß ihrer Angst zunächst falsch ein und heiratet die schnuckelige Dame vom Balkan. Nach einiger Zeit guckt er aber ziemlich dumm aus der Wäsche und verliebt sich schon bald in seine Arbeitskollegin. Das schürt den Zorn seiner Ehefrau ...
So langsam wird die Aneinanderreihung von Superlativen, zu denen mich die Kollaborationen von Lewton und Tourneur ständig verleiten, langweilig. Auch CAT PEOPLE ist so ein Film, von dem man nicht glauben möchte, dass er in den Vierzigern entstand. Dialoge, Cinematografie und Charakterisierung der Hauptfiguren sind auch heute noch absolut auf der Höhe der Zeit und kein bisschen altmodisch. Wie bei einem Lewton-Film so üblich, verbirgt sich hinter der Horrorstory ein psychologischer Thriller, der sich nicht nur mit der Sexualität, sondern auch mit den Beziehungen von Männlein und Weiblein im Allgemeinen und der Ehe im Besonderen beschäftigt. Erstaunlicherweise werden diese für die damalige Zeit sicher heiklen Themen aber nicht streng verklausuliert und hinter schwer zu entziffernden Symbolen verborgen: Lewton und Tourneur gehen ziemlich offensiv mit ihrem Thema um. Einer der vielen Gründe, warum CAT PEOPLE auch heute noch einiges erhellendes zum ewigen Geschlechterkampf mitzuteilen hat. Natürlich ist ein Lewton-Film kein solcher ohne die wunderbar komponierten Horrorsequenzen: Die Verfolgung Alice' durch einen Hohlweg im Central Park oder ihr nächtlicher Schwimmbadbesuch sind perfekt inszeniert und absolut effektiv. Wunderschön ist auch die Ausleuchtung des Films, deren beeindruckende Schattenspiele so einiges über die verborgenen Ängste der Protagonisten "ans Licht" zu holen wissen. Schlichtweg fantastisch.
#507
Geschrieben 05. Oktober 2006, 17:50
#508
Geschrieben 05. Oktober 2006, 19:38
Schlicht genial wie Val Lewton hier ein Sequel zu seinem Erfolgsfilm vorlegt, das zwar nix mit dem Vorgänger zu tun hat, aber trotzdem nicht so einfach als Fake zu identifizieren ist. Oliver und Alice aus dem Vorgänger haben geheiratet und mittlerweile eine Tochter, Amy, die es ob ihrer träumerischen Art schwer hat, Anschluss bei den anderen Kindern zu finden. Ihr Vater, der noch immer schwer unter den Ereignissen aus dem Vorgänger leidet, befürchtet, dass Amy genauso ein Fall für den Psychiater wird wie seine ehemalige Geliebte. (Erstaunlich, wie das fantastische Element aus CAT PEOPLE komplett ausgeblendet wird, wenn die Figuren in CURSE über die Ereignisse aus der Vergangenheit berichten.) Ein Bild der Katzenfrau Irena beeindruckt Amy jedenfalls so sehr, dass sie sich prompt eine Freundin nach ihrem Ebenbild erschafft. Eine Tatsache, die den Vater nur weitere Sorgen bereitet.
CURSE ist zwar in seinem psychologischen Entwurf nicht ganz so faszinierend wie CAT PEOPLE oder I WALKED WITH A ZOMBIE, in seiner Erzählstruktur nicht so radikal wie THE LEOPARD MAN, weniger verklausuliert als zum Beispiel ISLE OF THE DEAD und nicht von so einer rätselhaften Spannung wie etwa THE SEVENTH VICTIM, dennoch ist er auf seine sehr eigene Art ein Geniestreich. Fast könnte man ihn als Kinderfilm bezeichnen, aber nicht, weil hinter jeder Ecke quietschbunte Tolldreistigkeiten hervorlugen oder sprechende Tiere die Protagonisten vollquatschen, sondern weil er einer von ganz wenigen Filmen ist, die die Bedürfnisse von Kindern Ernst nehmen und denen es gelingt, sich in ihre Psyche hineinzudenken. Niedliche Superblagen gibt es in Tausenden von schlechten Filmen ebenso wie die dösbaddelig dreinblickenden Teufelskinder: Val Lewton macht das kleine Mädchen zu seiner Protagonistin und Sympathieträgerin, ohne sie zu verklären. In seinem Film geht es um die Folgen einer dysfunktionalen Eltern-Kind-Beziehung, die eben darauf beruht, dass Eltern ihre eigenen charakterlichen Unzulänglichkeiten auf ihr Kind projizieren. Während Oliver seine Tochter gerade mit seinem Bedürfnis, sie zu einem ganz normalen Mädchen zu machen, zum völligen Sonderling erzieht, treibt die alternde Schauspielerin Mrs. Farren, mit der sich Amy anfreundet, ihre Tochter beinahe in den Wahnsinn, weil sie sich weigert, sie als ihre Tochter zu erkennen. Man weiß nicht, was in der Vergangenheit zwischen den beiden passiert ist, aber das Bild lässt sich nur unschwer entziffern. Das Ende ist so nah an einem Happy End wie es ein Lewton-Film nur sein kann. Wie gesagt: CURSE ist nicht ganz so ein genialer Entwurf wie die oben aufgezählten Titel, aber immer noch ein wunderschön anzusehender, sehr warmherziger Film. DAS wäre zu Weihnachten eigentlich mal eine willkommene Alternative zu den kleinen Lords und sonstigen Ekligkeiten, die sonst immer die Mattscheibe verkleben.
#509
Geschrieben 06. Oktober 2006, 08:17
Eigentlich wollte ich diesen Film ja immer und endlich mal im Original gucken. Gestern konnte ich dann aber nicht anders und habe mir doch nochmal die unglaubliche Synchronfassung dieses ohnehin schon reichlich bekloppten Films angetan. Ein absoluter Genuss! Das Tolle an diesem frühen Harold-Ramis-Film ist, dass er sich gar nicht erst lang damit aufhält einem vorzugaukeln, er sei mehr als ein paar lose miteinander verknüpfte Sketche. Die Story um den Caddy Danny Noonan (Michael O'Keefe), der vor der Entscheidung steht, ob er sich für das Stipendium an den schmierigen Richter Smails (Ted Knight) anbiedern soll oder doch lieber seinen Überzeugungen treu bleibt, interessiert eigentlich keine Sau - ebensowenig wie die Liebesgeschichte, die sich um ihn und die brave Maggie rankt. Da sind die ganzen Subplots und Randereignisse sehr viel interessanter, wie zum Beispiel der mit harten Bandagen geführte Kampf des geshellshockten Vietnamveteranen Carl (Bill Murray) gegen die den Golfplatz umpflügenden Gophers. Dann sind da noch die Rivalität zwischen besagtem Richter und dem jüdischen Baulöwen und ewig Junggebliebenen Al Czervik (Rodney Dangerfield) und die Lebensphilosophien des Supertypen Ty Webb (Chevy Chase), der nicht nur steinreich, erfolgreich, ein Naturtalent im Golfen und ein absolut bodenständiger Kumpel ist, sondern obendrein noch mit der heißen, sexhungrigen Nichte des Richters, Lacey Underall, herumschäkern darf. All dies wird durch die im Sperrfeuer blödelnde Synchro in eine andere Humorgalaxie befördert. Ich habe mich wieder absolut gekugelt im Bett. Sprüche wie "Ist der Gipshaufen mit Nase da ihre Frau?", Carls Graszüchtung aus "Kentucky Fried Savanne" oder des beknackten Richterenkels Frage beim Galadinner: "Essen sie noch ihr Schlabberfett?" sind einfach nur alles - und nur ein kleiner Auszug dessen, was einen erwartet. Dazu kommen noch wunderbare Szenen wie Chevy Chases Tequilatechnik, das priesterliche Golfspiel mit göttlicher Intervention, Carls und Tys Verbrüderung bei Riesenjoint und Kanonenflasche ("Oh, ein Dreimännerwein: Zwei halten fest und einer trinkt!") und der aufgrund der Provokationen Czerviks stets am Rande des cholerischen Anfalls vorbeischrammende Richter, fertig ist eine mit Sicherheit alles andere als feingeistige, aber doch immens unterhaltsame Komödie mit hohem Zitierwert.
#510
Geschrieben 08. Oktober 2006, 10:16
Erwin Fletcher (Chevy Chase) ist Kolumnist einer großen Zeitung von Los Angeles und für seine derzeitige Story hat er sich unter die Junkies am Strand gemischt. Dort wird er von dem betuchten Alan Stanwyk (Tim Matheson) aufgegabelt, der sich als an tödlichem Knochenkrebs Leidender vorstellt und dem vermeintlichen Drogenabhängigen einen hohen Geldbetrag für die eigene Ermordung verspricht. Fletch schlägt ein und beginnt mit den Recherchen über die Identität des Auftraggebers. Als sich dieser als kerngesund herausstellt, ist klar, dass irgendwas an der Geschichte faul ist ...
FLETCH – DER TROUBLEMAKER ist einer der Lieblingsfilme meiner Kindheit gewesen und hat die Liebe zu Chevy Chase entflammen lassen. Ich habe aus Notalgiegründen erneut den O-Ton links liegen lassen und mich der Synchro ergeben, die mich schon als Kind hat Tränen lachen lassen – sehr oft, obwohl ich gar nicht verstand, WAS genau da jetzt eigentlich erzählt wurde. So habe ich dann bei dieser Sichtung auch festgestellt, wie sehr dieser Film mich und vor allem mein Humorverständnis geprägt hat. Zwar würde ich mich nicht mit Chevy Chase vergleichen wollen, aber der Fletch, der ist schon ein bisschen wie ich: In jeder Lebenslage ne immens große Fresse, aber jemand, der der Gewalt in letzter Konsequenz lieber aus dem Wege geht. Abgeschaut habe ich mir in jedem Fall die Masche, vor Wildfremden und Halbbekannten erfundene Details aus der eigenen Biografie "freimütig" zum Besten zu geben. Naja, zum Film kann ich gar nicht so viel sagen: eine nette Krimikomödie, die einzig und allein von Chevy Chase lebt (und dem feinen Achtziger-Synthie-Score von Harold Faltermeyer). So entsteht der Humor des Films weniger aus Situations- oder Körperkomik, sondern einzig und allein durch die Sprüche von Chase, dem aber vermutlich in der Synchro nochmal kräftig unter die Arme gegriffen wurde. Es gibt unzählige zitierwürdige One-Liner udn Dialogzeilen. Ob sich Fletch als "John McPimmel, ich bin deutsch-schottisch" vorstellt, als vermeintlicher Abgasexperte verkündet "Phase 2, mein Lieblingssmog!" oder aber die Fotos des Polizeichefs Karlin (Joe Don Baker) bewundert – "Sie und Coach Lasorda? – Ich HASSE Coach Lasorda!" – das Zwerchfell wird kräftig durchgerüttelt von der knochentrockenen Art, mit der das rüberkommt. Objektiv ließe sich einwenden, dass FLETCH ein besserer Fernsehfilm ist, aber wen interessiert denn schon "objektiv" ...? Subjektiv ist das einer der besten Filme von Chase, an dem ich wahrscheinlich auch nach 112. Sichtung noch eine Ferkelsfreud haben werde.
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