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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern - Filmforen.de - Seite 15

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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern


818 Antworten in diesem Thema

#421 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 12. Oktober 2006, 13:30

The Fountain
Darren Aronofsky, USA 2006


Mehr als vier Wochen ist die Sichtung nun her, eben schaue ich mir nochmal den Trailer an - den Trailer zu dem Film, der es hätte werden können, sollen, müssen...

Drauf geschissen auf die zahlreichen erbarmungslosen Verrisse, die man dort aus Venedig lesen musste, wo der Film drei Tage vorher im Wettbewerb lief - Scheiß auf Variety, Hollywood Reporter, Spiegel Online, die FAZ und artechock - Böse sah das aus, Angst machte es mir, verwirrt hinterließen mich die Anfeindungen...

~~~

The Fountain also - der neue Aronofsky - ein Film, der 6 Jahre Entstehungszeit in Anspruch nahm. Erst stand der Film schon 2002, die Pre-Production bereits abgeschlossen, 18 Millionen Dollar verpulvert - und dann der nicht ganz gentleman-like Absprung von Brad Pitt, der ja immerhin das Konzept seiner Figur über ein Jahr mitentwickelt hatte. Woran es nun konkret lag, da mixen die Gerüchte wohl so eine Halbwahrheit zutage, die an den Ecken schon stimmen wird - Pitt drehte lieber Troy, Pitt hatte Angst um einen Imageschaden mit diesem sehr unkonventionellen Film, Pitt wollte das Ende geändert haben und überhaupt mehr Einfluss in den Entstehungsprozess etc pp.

Dann also die Auferstehung "wie Phoenix aus der Asche", wie es Eric Watson, der Producer auf der Pressekonferenz so schön formulierte. Es kommt dem Charakter des Films gleich - eine Auferstehungsgeschichte. Lassen sich vielleicht hier schon erste größenwahnsinnige Poesieliebeleien entdecken?

Aronofsky stand also eines Nachts auf - in der Phase wurde vielleicht gerade sein Drehbuchentwurf zu Batman Begins abgelehnt, welchen daraufhin Christopher Nolan zu dieser unsäglichen Fassung inszenieren durfte - der gute Darren setzte sich an seinen Schreibtisch und er realisierte, "that i was an independent filmmaker" - aha - die schwülstige Einsicht knackig auf den Punkt gebracht - die positiven Resonanzen auf seine ersten beiden Filme zu Kopf gestiegen? Oder doch das Kapitel aus "How to become a smart filmmaker" zu ernst genommen? Oder ist das so eine rätselhafte Geek-PR, coded language für Geekville? In jedem Fall recht berechnend und nervig, und wenn man sich so häufig selbst zitiert kann das nicht gut sein fürs Ego.

Andererseits: So spielt das Leben eben - früher noch Tiefkühlpizza und Falafel in der New Yorker Butze gespeist, mit Kaffeeflecken auf der Hose das Drehbuch zu Pi ausgearbeitet und heute bräsig das Leben mit dieser wunderschönen Frau an der Seite genießen, Windeln wechseln bei Henry Chance und der dabei glückliche und gemäßigte Blick auf die Welt.

Rachel Weisz im Übrigen wurde permanent hyterisch "Raschel!" von den französischen Kollegen da gerufen, die sich einen Zacken aus der Krone brachen, damit dieses Fetischobjekt ihnen kurz einen Blick würdigte - herrlich...

~~~

Wo waren wir - ja, Deauville, das Sylt Frankreichs oder so, ganz was Elitäres, schicke Menschen in Chanel-Kostümen auf rotem Teppich. 80% des Saales war reserviert für die Großmenschen der Stadt, sicherlich große Filmliebhaber. Meiner Einer quetscht sich da gerne in der dritten Reihe an den Rand, versteht sich von Selbst, da bin ich durchaus verständnisvoll.

Irgendwann nach dem ganzen stilechten Tamtam und Tralala ging es dann endlich los - The Fountain - 96 Minuten...äh, gefühlte Sekunden wohl doch eher...

~~~

The Fountain erzählt die Liebesgeschichte von Tommy (Hugh Jackman) und Izzi (Rachel Weisz) in 3 verschiedenen Zeiten, 16. Jh - 21. Jh - 26. Jh. Im Hier und Jetzt leidet Izzi an Krebs, Tommy ist Arzt und versucht ein Heilmittel zu finden. Wie das mit den anderen beiden Zeitebenen zusammenhängt wird hier erstmal nicht verraten...

Wo da jetzt konkret Anfangen?
Vielleicht damit, dass ich schon jetzt viel zu viel Text zu einem Film schreibe, der es nicht Wert ist, so viele Zeilen zu erhalten?!
Aber das klingt so gekränkt (wie im Übrigen viele der Kritiker ebenfalls), also lieber nochmal neu...

The Fountain - dieser wirklich tolle Film, aber dieser unglaublich schlechte Aronofsky...

Zunächst einmal das Gute, um dieser verbitterten Attitüde des Anfangs etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen:
The Fountain ist der erwartete, unkonventionelle Blockbuster mit epischem Thema und solch fantastischen Bildern, die es verdient hätten in die Filmgeschichte einzugehen. Das fast schon allein stellt den Großteil der Sachen, die in den letzten Jahren aus Hollywood kamen in den Schatten. Der Film begreift sich als metaphysisches Märchen - überdimensioniert, prachtvoll, episch, bombastisch. The Fountain lebt von Aronofskys Stil, der sich, entgegen aller Behauptungen - auch von ihm - ausdrücklich nicht verändert hat. Hip Hop Montage, Split Screen, Heat- und Snorri-Cam sind Passé, richtig, aber ansonsten bleibt alles beim Alten - optisch durchdachte Sequenzen, ungewöhnliche Kamerawinkel, schnelle Schnitte, emotionales Audiogewitter, gleißendes Hell-Dunkel-Spiel, satte Farben, gefühlsbetontes Acting - die Einzelbilder, die dabei kreiert werden lassen Fühlen, wie ernst es den Filmemachern mit diesem Werk war. Mit dieser überambitionierten, fast naiven Herangehensweise überschlagen sich die Filmemacher zwangsläufig.

Allein die Bilderebene wird den hohen Zielen der Crew gerecht. Das mittels Mikroskopaufnahmen chemischer Reaktionen in einer Petrischale erzeugten Zukunftsszenario generiert eine transzendente Atmosphäre, die in den schönsten Momenten eine ruhige, fließende, elegische Stimmung zwischen Himmel und Kosmos verbreitet. Hugh Jackman als einsamer, auf das Nötigste reduzierter Reisender mit Halluzinationen, plagenden Visionen von seiner Ehefrau - als einsamer Wolf in Isolation bietet an sich schon eine berührende Metapher voller Schönheit. Die lichtdurchflutete Unendlichkeit, in der er sich bewegt, eine glattweg geniale Konstruktion ohne CGI - Dieser Fantasytraum gehört zum Eindrucksvollsten, was ich an liebevoll detailert ausgearbeiteten Filmwelten je gesehen habe.

Ein Kritikpunkt, der häufig genannt wurde, ärgert mich ein wenig: Oft wurde sich in den ersten Kritiken darüber lustig gemacht, wie hier mit religiöser Symbolik gespielt wird - von "New-Age-Schnickschnack", "Christen-Kitsch" oder "Jackman als Buddha-ähnlichem Glatzkopf in einer Seifenblase" wurde da geschrieben. Sicherlich, die eklektische Oberflächlichkeit scheint nicht besonders durchdacht, dafür aber empfand ich das in diesem Zusammenhang ebenfalls oft kritisierte, undurchsichtige Ende als hübsch offen gelassene Inspiration zur Interpretation - leider der einzige Moment des Films, in dem man seinen Kopf anstrengen kann.

Denn unter all der Schönheit und der eigentlich thematischen Tiefe, die mit diesen menschheitsgeschichtlichen Themen einhergehen sollte, liegen grobe Schnitzer in der Inszenierung - Tausend mal erlebt, doch nie so schmerzhaft wie in diesem Fall...

Problem Nr.1 - The Fountain steht dramaturgisch auf äußerst wackeligen Beinen! Die Sprünge zwischen den verschiedenen Zeitebenen stellen durchaus eine Schwierigkeit dar, denn auch wenn der Film ein metaphysisches Konstrukt sein will, muss er sich doch filmischen Regeln unterwerfen - das vergisst, ja ignoriert er leider viel zu häufig...

Problem Nr.2 - ...hängt direkt mit Problem Nr.1 zusammen: Mit den dramaturgischen Hängern entstehen auch Probleme bei der richtigen Figurenausgestaltung. Tommy und Izzi sind wie du und ich, haben allerdings kaum eigenständige Züge, Konturen oder Tiefe. Dafür bleibt bei dem Bombast an Aktion und den stetigen Zeitsprüngen schlichtweg keine Zeit. Der Film funktioniert als Liebesdrama jedoch natürlich nur, wenn auch die uneingeschränkte Empathie mit den realistischen Figuren gegeben ist. Nur einer der Punkte, an dem man sich vorkommt, als verkaufe der Film Einen für dumm...

Problem Nr.3 - Die Inszenierung und überhaupt die Idee der Mittelalter-Sequenzen ist glattweg gesagt ein Desaster! Man wird das blöde Gefühl nicht los, dass hier von Herr der Ringe und ähnlichem Fantasygedöns angesichts des Trends abgekupfert werde. Das unterstelle ich dem Film allerdings mal nicht, denn die Idee dazu, war ja schon wesentlich länger geboren. Nichtsdestotrotz sieht man hier ganz eindeutig, wo die 80 auf die 30 Millionen runtergekürzt wurden. Kleine, enge Schauplätze, schlechte Beleuchtung, keinerlei eigenständige Idee in der Inszenierung - wie gesagt, für Aronofsky-Verhältnisse desaströs...

Problem Nr.4 - ...und der zentrale Moment, warum der Film Menschen gegen sich aufbringen wird: einige Szenen bewegen sich auf dünnem Eis zwischen Manierismus, Peinlichkeiten, Selbstverliebtheit und Theatralik. Das eine oder andere Mal hätte ich mir gewünscht, dass Jemand zu Darren gesagt hätte: "Junge, komm, lass die Szene mal besser raus. Das gibt sonst bösen Ärger.". Ja, in Form von Kopfschütteln und Gelächter könnte/ist das wirklich passieren/passiert. Mehr kann ich zu dem Punkt nicht sagen, sonst nehme ich Zuviel vorweg.

Problem Nr.5 - Mein persönlich größter Unmutsstifter und die Tatsache, dass es der Film niemals zum Klassiker schaffen wird: The Fountain ist keine philosophische Reflexion a la 2001 oder Solaris. Damit werden auch jegliche Vergleiche mit solchen Meisterwerken nichtig. Das ist ziemlich traurig und zeigt den deutlichsten Moment, an dem der Film sein Potenzial verschenkt. Es lässt sich schlichtweg Nichts aus dem Werk ziehen, was einem "food for thought" gibt, obwohl sich vom Sujet so Vieles anbieten würde. Das könnte man schon fahrlässig, fast dreist nennen, ein Science-Fiction-Epos ohne Gedankenexperimente, ohne Utopien zu drehen. Und so Etwas rückt den Film dann auch gefährlich nahe an Vermutungen, dass dem größeren Publikum neben der komplexen Narrativik nicht auch noch durch intellektuelle Konstrukte der Kopf brummen soll.

~~~

The Fountain wird nichtsdestotrotz der Audience-Splitter sein, der sich nach Venedig anbahnt. Bei meinem Screening war der größte Teil der Besucher gebannt. Sobald die Lovestory für einen Zuschauer funktioniert dürfte der Film einen bleibenden Eindruck hinterlassen - Der geübte Filmbetrachter (um es einmal nett auszudrücken), vornehmlich auch die Kritiker werden mehrheitlich gegen den Film schreiben.

Am Ende muss ich es so schmalzig wie dem Film angemessen halten:
Es ist ein wenig wie der Moment, an dem man realisiert, dass es die eine, wahre Liebe nicht gibt. Jugendlicher Leichtsinn. Romantisierte Hoffnungen. Mein Fehler. Letztlich auf dem Boden der Realität angekommen ist es aber wichtig, und wohl unablässig Dies einmal durchlebt zu haben...weh tut es trotzdem...

Festival des amerikanischen Films Deauville / C.I.D / OF --- Wertung: 7,5



#422 moodswing

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Geschrieben 16. Oktober 2006, 01:15

Requiem for a Dream
Darren Aronofsky, USA 2000


Schön zu sehen, dass der Film auch beim zigsten Mal Sichtung bei mir noch für Herzrasen und Schweißausbrüche sorgt - schaffte bisher kein Anderer, Der hier dafür immer wieder... gerade nach der Ernüchterung durch The Fountain tut so ein Erlebnis doch sehr gut.

Ein, zwei kurze Gedanken zu der letzten Sichtung:
Ich habe den Film einem Freund gezeigt, der ihn noch nicht kannte. Er fand ihn äußerst interessant, konnte jedoch schwer Etwas mit ihm anfangen. Das lag zum Einen an dem Erzählgestus des Films, der ihn zu meiner Verwunderung an van Sants Elephant erinnerte (auf Nachfragen: im Sinne von "kein Erklären, nur Zeigen"). Zum Anderen hat der junge Mann nie Interesse für Musikvideoclips entwickelt (die im Grundschulalter mein täglich Brot waren), hat die Bildsprache häufig nicht verstanden und somit auch wenig Erfahrung damit gesammelt. Das zeichnet allerdings eben den eigentlichen Erzählgestus des Films aus - er zeigt uns seine Geschichte vorwiegend über die audivisuelle Collage, seltener über Dialoge. Wenn dann aber die Figuren über Gespräche beleuchtet werden, dann mit einer Intensität, die gerade im exzellenten Kontrast aus dem rasanten Bilderreigen und den Raum gebenden Dialogsequenzen ein Erzähltempo entwickelt, welches so unglaublich gekonnt der Geschichte den passenden Rahmen gibt. Andere Probleme waren die fehlende Empathiefähigkeiten und das nicht nachvollziehbare Handeln der Figuren. Auch Das erklärt sich wohl durch den distanzierten Umgang mit der unbekannten Bilderwelt.

Mir fiel dieses Mal auf, wie intelligent die Akzentuierung auf die einzelnen Erzählstränge gelegt wurde. Wir bekommen genau die richtige Dosis, um zu merken, dass hier der Fokus einerseits auf die zerbrechende Liebesbeziehung, andererseits auf die im Alter und der Einsamkeit, auch dem Statusdenken gefangene Figur der Ellen Burstyn die gewichtigste Rolle spielen. An ihrer Person wird eine interessante Strategie verfolgt - wir denken, dass wir das satirische Spiel mit ihr bereits zu Beginn des Films sehen - die eigentliche Karikatur erfolgt dann allerdings erst gegen Ende - mit der Darstellung der körperlicher und seelischer Deformierung dann allerdings mit einer solch ernsthaften Wucht, dass uns das herzliche Lachen, dass wir zum Anfang mit oder über die Figur besaßen, kräftig im Halse stecken lässt.

Requiem For A Dream - für mich weiterhin ein unerreichter Bilderzauber, der seines Gleichen sucht...

DVD / OF --- Wertung: 10,0



#423 moodswing

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Geschrieben 17. Oktober 2006, 17:10

Forgiven
Paul Fitzgerald | USA 2006

Staatsanwalt Peter Miles (Paul Fitzgerald) möchte für den US-Senat kandidieren. Eigentlich sieht alles sehr gut aus, dumm nur, dass just in der heißen Phase des Wahlkampfs Ronald Bradler (Russell Hornsby) begnadigt wird - ein unschuldiger Schwarzer, den Miles 5 Jahre zuvor auf seiner knallharten Linie verurteilt hatte...

Das US-Politdrama habe ich auf dem Festival in Deauville gesehen, mit dem Regisseur und Hauptdarsteller als Gast. Independent gedreht folgt der Film seiner Idee um das moralische Gewissen seines politischen Protagonisten. Das Werk lebt von seiner durchweg guten Inszenierung, auch dank der überraschenden Beteiligung von Odd Nosdam und seiner musikalischen Mithilfe, die dem Film eine eigene, sehr feine Atmosphäre verleiht.

Schwierigkeiten bekommt das Ganze erst, als der eigentlich recht liberale Blick getrübt wird mit der reaktionären Konsequenz, die durch die Richtung forciert wird, die der Plot einschlägt. Von dort an verhält sich die Geschichte nicht mehr nachvollziehbar. Unnötig so etwas, und auch wenn es nicht die vollkommene Destruktion des Werkes bewirkt, so verspielen die Filmemacher doch damit die Chance ein wirklich politisches Statement zu setzen - und sich eventuell auch überhaupt auf dem Filmmarkt zu positionieren - statt dessen erleben wir Unausgegorenes, dass von dem Einen oder Anderen auch als äußerst fragwürdig angesehen werden wird und es letztlich sicher nicht leicht haben wird, gerade in Europa Verleiher zu finden...

Festival des amerikanischen Films Deauville / C.I.D / OF --- Wertung: 5,0



#424 moodswing

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Geschrieben 18. Oktober 2006, 11:45

Marie Antoinette
Sofia Coppola | USA 2006

Marie Antoinettes (Kirsten Dunst) Leben am französischen Hofe Louis XV...

Sofia Coppolas heiß erwartetes Historienepos - wenn man es denn so nennen will - erweist sich als eine überdimensionale Kleine-Mädchen Fantasie, die nach der Hälfte der Laufzeit in ihrer bunten Blase platzt. Bis dahin ist der Film nämlich nett anzuschauen und hat durchaus seinen Reiz. Wenn der Betrachter dann aber irgendwann feststellen darf, das dort nicht viel mehr kommt als die freche Attitüde, die der Film vor sich her trägt, setzt schleichend die Langeweile und Enttäuschung über die magere Substanz des Werkes ein.

Ganz keck inszeniert Coppola den historischen Stoff mit lautem Gehabe, setzt klassische Stücke neben heutige Musikkultur von The Cure über New Order bis zu den Strokes und Aphex Twin, dessen Stücke witzigerweise die Brücke zwischen den Zeiten schlagen (obwohl anscheinend nicht für den Film konzipiert worden, vermute ich, da sie schon auf seinem letzten Album erschienen sind). Knallbunt in Pastell und hübscher Montur bleibt die Kamera wie der hauseigene Mops immer an der Protagonistin kleben - Kirsten Dunst spielt ihre Figur dabei mit mädchenhafter, regressiver Wonne, nett anzusehen in jeder Einstellung. Ihr gegenüber, Jason Schwartzmann (König Louis XVI) hingegen bleibt stoisch bei seinen zwei Gesichtszügen zwischen Sorge und Bekümmertheit hängen - da wirkt er ähnlich impotent wie seine Figur.

Irgendwann schleicht sich auch nochmal ein feministischer Blick in den Film hinein, etwa in der Mitte, als Marie Antoinette in ihrer gesellschaftlichen Rolle gefangen scheint und ihr Dauerlächeln dann doch einmal einfriert, eine Unterbrechung erfährt durch einen Weinanfall. Hätten wir das Thema also auch einmal angesprochen, Fräulein Coppola.

Letztlich bleibt es aber bei der Spielwiese für kleine Mädchenträume - Prinzessin sein wie Kirsten Dunst, im Luxus schwelgend, und irgendwann in diesem Traum kommt dann sogar noch der heißblütige Verehrer und lässt das Prinzesschen auch mal ein paar Wolken höher schweben.

Wir schauen uns das bunte Treiben aus der Distanz an, lassen uns womöglich von Bildern und Musik berauschen und nehmen am Ende doch nicht mehr mit als ein lethargisches Schulterzucken...

PV / Streits / OF --- Wertung: 4,0



#425 moodswing

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Geschrieben 19. Oktober 2006, 22:00

Lord of War
Andrew Niccol | USA/Frankreich 2005

Waffenhändler (Nicolas Cage) macht die dicken Deals, zieht seinen labilen Bruder (Jared Leto) mit hinein, wird von Interpol Agent (Ethan Hawke) gejagt und will schließlich sein Leben ändern...

Die entscheidenden Fehler, die der Film macht, sind schnell ausgemacht: Zum Einen ist schon die Grundidee, einen Waffenhändler als Protagonisten (und dann noch Cage mit Hundeblick) zu installieren eine Fehlleitende. Zum Zweiten versucht der Film zwanghaft eine Familiengeschichte, genauer ein Familiendrama in eine an sich politische Satire zu integrieren und verliert dabei sein eigentliches Ziel, Denkanstöße zu geben aus den Augen. Da stellt sich dann schnell die Frage, ist das wirklich sein zentrales Anliegen?

Nun, der Film kommt an einigen Stellen schon arg zynisch daher, und diese werden dann, wie die Anfangssequenz beispielsweise mit ästhetischer Oberflächenwucht fürs Auge garniert inszeniert. Das erinnert etwas an Fight Club, der Film an sich wird dabei allerdings nie auch nur annähernd so klug wie Finchers Meisterwerk. Mich hat die Strategie letztlich überrascht, dass die zynische Distanz dann nun ausgerechnet bei der Familiengeschichte zugunsten eines empathischen Drama-Anteils aufgebrochen wird. Das mutet schnell wie berechnende Schemenhaftigkeit an. Da ist jemand Unterhaltungskino, obwohl er vorgibt eine kritische Abrechnung zu sein.

Aber nochmal die Frage: Stimmt das so überhaupt, oder ist die vermeintliche Satire von vorne herein schon nur würzige Beiessenz damit das Ganze nach etwas Substanz aussieht? Das wäre dann eigentlich schon wieder äußerst ärgerlich. Aber wollen wir ihm mal noch gütlich eine halbwegs gute Intention unterstellen - Doch selbst dann schneidet der Film recht schlecht ab...

DVD / OmdU --- Wertung: 2,5



#426 moodswing

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Geschrieben 21. Oktober 2006, 23:04

Vorgestern Abend - Stargala zugunsten der Deutschen Welthungerhilfe.
Wenn Dieter Thomas Heck anfängt vom Leiden der Menschheit zu erzählen, hat das etwas von einem Märchen: "Wenn die armen Afrikaner in ihren Nussschalen über den Ozean scheppern..." Weiterhin im Gepäck hatte der Onkel Heck noch Sprüche wie: "Die armen Menschen sollten satt werden...und zwar in ihrem Land!" oder "...und denken sie daran, Afrika ist nicht weit, es liegt vor unserer Haustür." Kleines Augenzwinkern dann noch mit "Sie bekommen die Spendenbestätigung dann auch schwarz auf weiß..." Faux Pas der zynischsten Sorte leisteten sich wohl alle Teilnehmer des C-Prominenten-Stelldicheins, "Wir wollen ihnen das Lachen zurückgeben." höhöhöhö, also singen PUR "Es ist wie es ist" (kann man eben nix machen) und der König der Löwen wird als verklärte Ansicht von Afrika als wildem Kontinent, dessen Ugah-Ugah-Bewohnern man aufgrund der Schönheit der Natur und ihrer hübschen Verspieltheit doch helfen sollte. An Darfur und den Genozid, der im Übrigen keine Erwähnung findet in der Sendung (too many bad vibrations, klaro), wird auch noch kurz gedacht: Der Chef der Welthungerhilfe meint, dass die Bedingungen da ja fast(!) unmenschlich sind. Die beiden Volksmusik-Dudes, die aufgrund der hohen Gefahrenlage nicht mehr ihre "Freundschaften", die sie im Zweisekundentakt geschlossen haben, aufrecht erhalten können, erzählen noch kurz, dass sie darüber ganz traurig sind und weiter geht's, The show must go on...ja, hat sie denn je aufgehört?

Und so haben alle ihren Spass - Unsere herzallerliebsten Prominenten, die Imagepflege, PR und Nabelschau zur Primetime betreiben dürfen; die Zuschauer, die mit ihren Namen und Spenden ja vielleicht mal in die Leiste, die da unten durchläuft kommen (Mama, mach mal schnell den Fernseher an, ich bin im Fernsehen), die wenigstens vielleicht mit einem C-Promi reden dürfen, zumindest jedoch mal für einen Abend (und den Rest des Jahres das Gewissen reingewaschen haben); und natürlich die kleinen Negerkinder, deren Bilder effektiv unter schmerzliche (in welchem Sinne auch immer) Musik gelegt werden.

Deutschland bleibt einig Feierland, und auch wenn die gute Absicht das Ganze natürlich sinniger als irgend eine Standard-Grenzdebile Abendshow macht, sagt es doch so viel mehr über den ätzenden Zynismus dieser Gesellschaft aus - Gevatter Fernsehkiste zeigt bei so Etwas seine grinsende Fratze am Deutlichsten...

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Geschrieben 23. Oktober 2006, 15:48

Dead Poets Society
Peter Weir | USA 1989

Ein Lehrer (Robin Williams) begeistert einige Jungs in einem Edelinternat für Literatur. Diese reaktivieren daraufhin den geheimen Club der toten Dichter...

Hüstl...etwas verstaubt wirkt der gediegene ältere Herr ja, muss ich sagen. Mit seinen 17 Lenzen bleibt sein Thema zwar Daueraktuell, seine Inszenierung hingegen muss sich die Beschreibung altmodisch, ja fast altbacken gefallen lassen. Denn Dead Poets Society ist leider ein Paradestück an Film, das paradoxerweise Jedem in der Schule zugeführt wurde - Ironie des Schicksals, ausgerechnet. Das verschuldet der Streifen jedoch der konzepttreuen, arg gewollt wirkenden Herstellungsweise, brav auf sein Ziel hinarbeitend. Man könnte fast von "Uniformität" sprechen...hüstl, kleine böse Spitze meinerseits, soweit muss man dann vielleicht doch nicht gehen. Aber die schablonenhaften Szenarien, Charaktere und streckenweise auch Dialoge sind zumindest aus heutiger Sicht nicht unbedingt revolutionär.

Aber nichts für ungut, wichtig bleibt der gute Geist des Coming-of-Age Streifens, der sich als Dokument und Denkmal einer rebellischen, aufbegehrerischen Jugend begreifen lassen kann - eine, wie sie jeder Gutmensch mit Köpfchen durchlebt hat, eine wie sie auch in der Filmwelt erlebbar ist, eine aus der eben auch Kunst (das offensichtlichere Thema des Films) erwächst, wenn auch mit Ecken und Kanten. Die engstirnige Gesellschaft, das fiese Schulwesen - Dinge, die wir alle kennen und von daher kann der Film eigentlich nicht verlieren. Somit kann man den Film übrigens auch nicht wirklich schlecht finden. Und das mich hier niemand nostalgisch verklärt schimpft...

TV: ZDF / DF --- Wertung: entfällt



#428 moodswing

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Geschrieben 24. Oktober 2006, 18:24

Stay
Marc Forster | USA 2005

Ein Psychiater (Ewan McGregor) versucht dem Leben eines Patienten (Ryan Gosling), der andeutet, dass er in 3 Tagen Selbstmord begehen wird, nachzuspüren. Dabei rutscht er selbst in einen realitätsverzerrenden Sog ab...

Der Film macht es sich selbst von Beginn an recht schwierig, denn man wird einfach das Gefühl nicht los, dass hier David Lynch kräftigst nachgeeifert werden wollte. Der Mystery-Thriller setzt auf narrative Verwebungen und stilvolle Atmosphäre ohne es dabei jedoch zu schaffen etwas Besonderes, Abseitiges, Neuartiges zu kreieren. Statt dessen verliert sich die Story recht schnell in bekannten Plotelementen und gesichtslosen Figuren, was erstaunen mag angesichts der Tatsache, dass mit McGregor, aber auch Naomi Watts und Bob Hoskins auf der Ebene eigentlich nichts schief gehen sollte. Inszenatorisch wirkt das alles zwar immer nett ansehbar, vermittelt aber Nichts außer der Idee, dass hier ein großer Twist noch kommen wird. Das fühlt sich dann an vielen Stellen recht Neunmalklug an. Immerhin bestätigten sich meine Befürchtungen letztlich doch nicht, dass hier die allerbilligste "der-Psychiater-ist-der-eigentlich-Kranke"-Pointe herausgeholt wird. Das rettete dann immerhin den Gesamteindruck ein wenig und ließ den Film (uffgepasst, große Wortspiel-Anspielung!) dem Tod in letzter Minute nochmal von der Schippe springen. Mehr als ein Schulterzucken konnte er dennoch nicht provozieren...

Die ganze Geschichte hätte man sich im Übrigen sparen können, wenn man den Interviews bei den Specials gelauscht hätte. So strunzdumm, wie die Männchen und Naomi Watts dort Worte von sich geben, konnte der Film eigentlich nur schlecht werden...

DVD / OmdU --- Wertung: 2,5



#429 moodswing

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Geschrieben 25. Oktober 2006, 17:20

21 Grams
Alejandro González Iñárritu | USA 2003

Ein tragischer Autounfall führt die Lebenslinien von einem herzkranken Mathematikprofessor (Sean Penn), einer trauernden Mutter (Naomi Watts) und eines geläuterten Ex-Häftlings (Benicio Del Toro) zusammen...

Iñárritus dramatischer Episodenkoloss konnte mich auch bei der zweiten Sichtung als klug konstruiertes Melodram überzeugen. Sein Konzept der langsamen Ineinanderführung der Erzählstränge funktioniert dramaturgisch ungewöhnlich gut und lässt den Gedanken des Schicksals sichtbar und spürbar werden. Die narrative Technik ist dabei kein bloßer zum Markenzeichen gewordener Handkniff wie man ihn beispielsweise aus Memento kennt, sondern bietet hinter der Idee auch inhaltliche Substanz. Dem Film kommt dabei vor allem die starken Leistungen des Darstellerensembles zu Gute, von Naomi Watts bis Sean Penn können die Hollywoodgrößen auch dank des intelligenten, penibel ausgearbeiteten Drehbuchs all ihr Können aufzeigen. Beste Bedingungen dafür, dass der Film um Schuld und Sühne, Verlust und Trauer, Rache und Reue seinen Themen und Motiven gerecht wird, sich die spezifische Inszenierung als angemessen erweist.

Falls Babel so stark werden sollte, wie es nach Cannes den Anschein macht, dürften die Chancen bei den Oscars für den neuen Iñárritu enorm hoch sein - Denn 21 Grams ist prinzipiell schon ein perfekter Film für die Academy, als der erste Film des mexikanischen Regisseurs in den USA aber wohl eben ein paar Jahre zu früh entstanden...

DVD / OF --- Wertung: 8,5



#430 moodswing

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Geschrieben 26. Oktober 2006, 16:15

Babel
Alejandro González Iñárritu | USA 2006

Babel erzählt 3 Geschichten in einem Film. Ein amerikanisches Ehepaar (Brad Pitt, Cate Blanchett) macht Urlaub in Marokko als ein Unglück passiert. Ihre mexikanische Haushälterin (Adriana Barraza) fährt in ihr Heimatland zu der Hochzeit ihres Sohnes und nimmt kurzerhand die 2 Kinder ihrer Arbeitgeber mit. Auf dem Rückweg kommt es zu Komplikationen. Parallel dazu irrt eine junge, taubstumme Japanerin (Rinko Kikuchi) durch die farbprächtige Metropole Tokio...

Iñárritus dritter Langfilm stellt wohl soweit den Höhepunkt seines künsterischen Schaffens dar und hat beste Chancen auf einige Oscarnominierungen, wenn nicht gar mehr. Ich war dagegen ziemlich enttäuscht.

Zunächst einmal ist das Mammutwerk ein hochgradig aufwändiger Produktionskoloss, der von Locations über Farb-, Licht- und Tonspiel bis zum Editing Room so einige Gedankengänge bei den Machern durchwunden hat. Überall sind Ideen zu finden, meist recht subtil umgesetzt, stilisiert, aber nie überkandidelt.

Die filmischen Stilmittel sprechen bereits von der symbolhaften Ebene, welche den Film in Gänze durchsetzt. War nämlich 21 Grams ein finsteres Melodram, dass in seine Einzelteile zercuttet wurde, so ist Babel eher ein fast episches Monument, eine Tragödie zwar, aber mit soviel Hintersinn, dass die Geschichten rasch in den Hintergrund treten - Babel bewegt nicht durch sein Erzähltes, Figuren und Darsteller, sondern durch das Symbolhafte.

Die größten Schwierigkeiten dabei bekommt der Film eben durch seine narrative Struktur - denn die Parallelerzählung ist eigentlich ein unnötiges Element, bringt nicht wie bei 21 Grams und amorres perros durch ihren Einsatz eine weitere Ebene ins Spiel, sondern dient hier nur als Gimmick, als Bestätigung der Handschrift des Auteur.

Die 3 Geschichten laufen recht unabhängig von Einander ab - sie sind zwar in ihrer Geschichte verbunden, erzeugen auch Konsequenzen für die jeweils Anderen - aber doch wirkt alles so lose in Verbindung gebracht - am Auffälligsten wird dies vor allem bei der Japan-Episode.

In Babel geht es primär um Kommunikationsproblematiken - dies wird im Titel schon überdeutlich. Was unter dieser Thematik liegt, ist allerdings wesentlich spannender. Denn Babel lässt sich auch als Beitrag zu diversen politischen Diskursen lesen. Dass sich eine Art unheimliche Terrorgefahr nun gerade in der uneinsehbaren marokkanischen Einöde ergibt, dürfte schließlich kein Zufall sein. Ebenfalls bewusst setzt Iñárritu ein dramatisches Szenario an der US-Mexikanischen Grenze an - dies hat sicherlich mit der Herkunft des Regisseurs zu tun. Interessant in dem Zusammenhang ist die Darstellungsebene des Gezeigten. Denn wo Marokko vor allem chaotisch, ärmlich und staubig wirkt, wird die schillernde Glitzerwelt Tokios als fast dekadenter Sündenpfuhl der ersten Welt inszeniert - somit scheint es fast so, als entgehe Iñárritu der problematischen Situation, Amerika als ebendjenes kapitalistisches Moloch darstellen zu müssen - nichts läge eigentlich näher als das. So aber wird die USA fast ausgeblendet aus dem Weltgeschehen, das Iñárritu hier bebildert, an seine Stelle rückt Japan.

"Fast" ausgeblendet muss man aber zugeben, denn über eine Hintertür bekommen die USA doch noch ihr Fett weg - dann nämlich, wenn die US-Mexikanische Grenze sich als unpassierbar erweist und wir mit den Figuren, die längst unsere Empathie sicher haben, im Niemandsland und Wüstensand verschwinden. Mexiko, das ist wiederum kritisierbar, ist nicht Industrienation, noch Entwicklungsland - Mexiko ist ein bunter, lachender, feiernder, lebenslustiger Haufen von guten Menschen - das wird uns eindringlich und lang von Iñárritu gezeigt. Das nenne ich billigen Lokalpatriotismus und es zeigt gleichzeitig, das Iñárritu es mit dem Film eben nicht gelingt, ein kulturelles Panoptikum zu zeigen.

Eine weitere Ebene des Films ist das Motiv des in die Welt geworfenen Kindes - erschreckt, sich in Sünde begebend, nach Liebe suchend, unverstanden und selbst nicht verstehend. Aus dieser Perspektive wirkt die Tokio-Sequenz wieder sinnig, da sie diese Thematik mit dem taubstummen Mädchen, das sich verliert in der hell-erleuchteten Welt der Metropole verliert.

Man merkt meinem Text wohl letztlich doch an, dass man Babel eine ganze Menge entnehmen kann - Vielschichtigkeit ist wohl der große Pluspunkt des Films. Für die symbolische Ebene jedoch büßt die emotionale zuviel ein, die Konstruktion würde allerdings nur dadurch wirklich gut funktionieren...

PV / Abaton / OF --- Wertung: 6,5



#431 moodswing

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Geschrieben 31. Oktober 2006, 17:13

Domino
Tony Scott | USA 2005

Ein böses Mädchen (Keira Knightley) macht böse Sachen, wird Kopfgeldjägerin und tritt zusammen mit ihrem Mentor (Mickey Rourke) in einige Ärsche...

24 Schnitte/Minute - Tony Scotts Nascar-Racer Domino übertreibt in jeder Hinsicht. Überstylter Krawall mit breiter Brust. Schnittgewitter, Grafischste Bilder, fieseste Videoclipästhetik. So viel Oberfläche, dass dies unmöglich ernst gemeint sein kann - das lässt sich schon im Vorspann erahnen.

Also gibt man dem Film eine Chance - die Möglichkeit sich als Unterhaltungskino mit kritischen Subtönen, die per Komik hier angedeutet werden, zu profilieren. Aber Pustekuchen - Domino stellt sich als unausgegorener Rabauken-Berzerker heraus, welchem die guten Ideen anzusehen sind, der in der Umsetzung aber kläglich scheitert.

3 Dinge, die hier schief laufen:
1.) Die überfrachtete, überbordende Inszenierung geht mit den Nervenendungen um, wie Bukkake-Porndarsteller mit ihrem weiblichen Objekt. Das liegt vor allem auch (überraschenderweise) an der schlechten Umsetzung der visuellen Ideen. Die Shootings sind unübersichtlich gefilmt und wirken im Zusammenspiel mit dem schlichtweg überreizenden Schnitt recht grauselig. So funktioniert kein Unterhaltungskino...

2.) Das Drehbuch von Richard Kelly (Donnie Darko) ist scheiße. Einfach scheiße. Basta. Die Massen an Figuren und die unübersichtlichen Erzählstränge haben mich trotz erhöhter Konzentration irgendwann selbst aus dieser simplen Geschichte geworfen. Das ist mir seit Ewigkeiten nicht passiert, schon gar nicht bei einem Genrefilm und spricht mal wirklich gegen das Screenplay...

3.) Die Stilisierungen und Überzeichnungen der Figuren, die fast schon an Karikaturen heranreichen, gehen schlichtweg nicht weit genug. Die Konturlosigkeit gehört sicher mit zum Konzept, führt aber schnell dazu, dass die Stereotype nerven. Den schlimmsten Auftritt hat dabei Christopher Walken, der hier mit plakativen Schrottsprüchen glänzen darf und den Film in den Momenten seiner Präsenz an peinliche Grenzen bringt. Da wirkt das Teil dann schon wie dummes Actionkino - und verliert die Verbindung zu seinen kritischen Untertönen völlig.

Die gibt es nämlich schon, und wenn man Donnie Darko kennt, weiß man auch, dass Drehbuchverfasser Kelly auf gesellschaftliche Kitzeleien in Verbindung mit Unterhaltungskino steht. Was beim Debutfilm des hiesigen Verfassers der Textgrundlage aber noch gut funtioniert, verliert hier irgendwann seinen Faden und versandet im plakativen Nichts. Beverly Hills 90210 (Brian Austin Green und Ian Ziering spielen sich in Domino selbst) fungiert als Aufzieher für sarkastische Einstreuer zur verblödeten Schickimicki-Fernsehkultur. Nur geht das im Getöse und den angesprochenen Dämlichkeiten vollends unter...

Wo der Film hin will, wusste ich am Ende gar nicht mehr. Komplett verurteilen will ich ihn nicht, da er letzten Endes ja doch Unterhaltungskino sein will und man ihm seinen verkrampften Stilwillen daher nicht unbedingt übel nehmen muss. Ein gelungener Film ist Domino aber bei Weitem nicht...

DVD / OmdU --- Wertung: 2,5



#432 moodswing

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Geschrieben 02. November 2006, 16:33

Princesas
Fernando León de Aranoa | Spanien 2005

Das Sozialdrama um zwei Prostituierte in Madrid ist einer der bewegendsten Filme, die ich im Kino erleben durfte. Irgendwo zwischen Ken Loach und Pedro Almodovar entwickelt der junge Aranoa seinen Nachfolger von Montags in der Sonne, dabei jedoch entsteht solch eine realitätsnahe Intensität, dass ich zumindest die Vergleiche mit Almodovar für die falsche Blickrichtung halte.

Die Inszenierung legt größten Wert auf die facettenreiche Konturierung einerseits der Seelen seiner Protagonistinen, andererseits der sozialen Umstände, in denen diese sich befinden. Dabei schaffen Candela Peña und Micaela Nevárez mit ihrem nuancenreichen Spiel die perfekte Ausgangslage für den emotionalen Sog, der den Betrachter hier von Szene zu Szene tiefer hineinzieht in die düstere Realität, in der sich die beiden Prostituierten zurechtfinden müssen.

Eine Szene geht mir nicht aus dem Kopf: in einem Restaurant hat Caye (Peña) ein romantisches Abendessen mit ihrem neuen Freund Manuel (Luis Callejo), mit dem sie - so hoffen sie und wir - bald ein besseres Leben führen wird. Am Nebentisch erscheinen plötzlich drei Gestalten, die kichern und verschmitzt hinüber grinsen. Schnell ist klar, dass dies wohl Freier von Caye sind. Als sie auf die Toilette verschwindet, folgt ihr einer der Männer ungeniert aufs Damenklo, wo er sie bedrängt, ihr zwei 100 Euro Scheine hinwirft und sie zum Oralverkehr zwingt. Nah den Tränen kehrt sie an ihren Tisch zurück und verlangt die Rechnung...
Die Demütigung, die in dieser wie auch in vielen anderen Szenen durch Gesten, Blicke, Tränen dokumentiert wird, erinnerte mich stark an die eindrücklichen Schamsequenzen der Marion in Requiem For A Dream oder auch des Umberto D. im gleichnamigen Film von Vittorio De Sica - die gebrochene Seele spürbar gemacht in wenigen Einstellungen...

Princesas ist auch ein Film über Freundschaft und Solidarität, und schafft damit einen positiven thematischen Gegenpol zu der drastischen Tragik, die gegen Ende des Films kaum mehr erträglich ist. Die Musikuntermalung von Manu Chao skizziert das südländische Temperament, welches dem Film inneliegt, wenn auch der Score bei manchen trüben Szenen ein wenig deplatziert wirkt. Trotzdem, das optimistische Lebensgefühl, das der Film trotz des harten Szenarios nie verliert, wird damit immer greifbar transportiert.

Aranoas Film bewegt sich immer gerade noch so vor einem melodramatischen Versumpfen, ist eher wütend als weinerlich, die Tränen fließen nicht aus Rührseligkeit, sondern aus purer Verzweiflung. Der Schmerz der Frauen, ihre Auswegslosigkeit ist so spürbar, dass man sich einem Mitleiden kaum entziehen kann. Da ist er so kompromisslos wie das Schicksal zu den zwei Protagonistinen. Ein aufrüttelnderes Sozialdrama habe ich denke ich noch nicht erlebt. Dieser kleine, große Film wirkt lange nach und tut auch im Nachhall noch sehr weh...

PV / Abaton / OmdU --- Wertung: 9,5



#433 moodswing

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Geschrieben 06. November 2006, 20:11

In My Father's Den
Brad McGann | Neuseeland/UK 2004

Ein desillusionierter Kriegsfotograf (Matthew Macfadyen) kehrt aufgrund des Todes seines Vaters in sein Heimatdorf in Neuseeland zurück. Dort freundet er sich mit einem wesentlich jüngeren Mädchen (Emily Barclay) an, dass kurze Zeit später verschwindet...

Der Festivalabräumer (17 Preise) startet nun mit extremer Verspätung (Ein bis Zwei Jahre nach allen bedeutenden Filmländern mit Ausnahme der USA) auch in den deutschen Kinos. Der als Mystery-Thriller angepriesene Streifen ist erstaunlicherweise kaum Mystery als vielmehr Familiendrama. Als dieses funktioniert das Werk durchaus recht effektiv, Inszenierung und Drehbuch sind sehr ordentlich, die Schauspieler hervorhebenswert stark - allen voran Matthew Macfadyen weiß als neuseeländische Mischung aus Clive Owen und Kevin Spacey zu überzeugen. Wer am Ende jedoch einen Plottwist der Extraklasse erwartet, dürfte enttäuscht werden. Die sich anbahnende Familientragödie entpuppt sich als Ebendiese ohne großes Tamtam. Damit ist der Film zwar dankenswerter Weise immerhin kein One Trick Flick, der sich am Schluss mit einem realitätsfernen Überborden selbst demontiert, die Krimihandlung beschränkt sich dafür jedoch leider auf die Qualität einer besseren Tatort-Episode. Der schwache Schluss wirkt sich recht negativ auf das ansonsten kaum zu beanstandende Drama aus - er ist letztlich allerdings in dem Maße harmlos wie der ganze Film sich auch durchweg präsentiert hat...

PV / Abaton / OmeU --- Wertung: 5,5



#434 moodswing

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Geschrieben 07. November 2006, 17:21

1 Sentence/Movie
Life as a shorty shouldn't be so ruff...
Oktober 2006


Happy Together [Wong Kar Wai / Hong Kong 1997]
| Der bisher schwächste Wong Kar-Wai, der mir begegnet ist --- wirkt die erste Hälfte fast wie ein überreiztes Sozialdrama, passt der typische, elegische Stil im zweiten Teil wenig zum bisher Gezeigten --- wo normalerweise Bilder und Musik zusammenfließen zum Einzigartigen, bietet der Film leider nicht viel außer einer hysterische Geschichte...

THX 1138 [George Lucas / USA 1971]
| Lucas Erstlingswerk hat seine Vorteile im optischen, teils mit CGI nachbearbeiteten Bereich. Da hätte sich Einiges draus basteln lassen können, doch leider bleibt das Werk etwas zu plakativ, zu steril und zu spannungs- und ideenarm, als das die heute etwas archiviert wirkende Zukunftsvision Anreize schaffen könnte...

Frühling, Sommer, Herbst, Winter...und Frühling [ Kim Ki-Duk / Südkorea 2003]
| Zwar ein durchaus schöner Film, der seine Kraft aus den meditativen Bilder zieht, letztlich jedoch in seiner Naivität doch zu gewollt diese buddhistische Geschichte bebildert --- Die poetische Wirkung verlor sich bei mir dadurch recht schnell...

Vera Drake [Mike Leigh / UK 2004]
| Solides Sozialdrama von Mike Leigh, dass seine Stärke aus Realitätsnahe, Zeitportrait und einer starken Leistung der Hauptdarstellerin zieht --- Mir persönlich etwas zu weinerlich und unaufregend...

Northern Star [Felix Randau / D 2003]
| Harmloser Coming-of-Age-Fernsehfilm, bei dem ich mich doch ernsthaft fragen muss, warum ich mir sowas in voller Länge angesehen habe...

Wonder Boys [Curtis Hanson / USA 2000]
| So eine großbudgetierte Ensembleproduktion, und so wenig Interessantes dahinter --- verschenktes Hollywood-Cash...

#435 moodswing

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Geschrieben 09. November 2006, 10:55

Coffee and Cigarettes
Jim Jarmusch | USA/Japan/Italien 2003

In 11 Kurzfilmchen sitzen diverse mehr oder weniger Prominente zusammen, und unterhalten sich über allerlei Belanglosigkeiten während sie Zigaretten rauchen, Kaffee trinken und ihre Tassen auf schwarz-weiß karierten Deckchen platzieren...

Jim Jarmusch treibt bei Coffee and Cigarettes seine lakonische Attitüde auf die Spitze. Zwischen 1986 und 2003 stellte er diese Kurzfilme zusammen, die Altersunterschiede sieht man den Zelluloidschnipseln an. Sind die ersten zumeist improvisiert, wenig durchdacht und dramaturgische Nullpunkte - sozusagen New York Kickin' Ass Freestyle - werden die einzelnen Parts zum Ende hin komplexer und interessanter.

Das ist schon ein wenig frech, was sich Herr Jarmusch hier leistet. Diese "Lost Footage" Verschnitte, zwischen Garderobe und Catering geschossen, kosten ziemlich Nerven und machen im Gross keinen Spass. Kein Langfilm Jarmuschs hält mit dieser aufgesetzten Coolness mit. Das wirkt etwas wie der Kindergeburtstag des laid back im Regiestuhl sitzenden Regisseurs, der einmal "Action" ruft und dann den Ball rollen lässt.

Das Glück des Films sind die letzten 3 Episoden. Alfred Molina und Steve Coogan haben ein feines Gespräch, das sich als kleine subtil-nuancierte Abhandlung über Selbstbilder erweist. GZA und RZA representen sodann ein bisschen Wu-Tang-Flavour in Front of "Bill Ghostbunstin' Ass Murray" - das ist ja wenigstens mal lustig. Den Abschluss bilden William Rice und Taylor Mead, die einen melancholisches Schlusswort für den Film finden.

Nichtsdestotrotz hat der Flickenteppich bis dahin seine Chance schon längst verspielt, da von den vorhergehenden 8 Episoden keine Einzige im Ansatz überzeugen kann - allein mit lakonischem Geschwafel gewinnt man keinen Blumentopf...

Kino: Liwu / OmdU --- Wertung: 3,0



#436 moodswing

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Geschrieben 10. November 2006, 17:15

Vargtimmen <> Hour of the Wolf
Ingmar Bergman / Schweden 1968

Ein depressiver Künstler (Max von Sydow) lebt zusammen mit seiner Ehefrau (Liv Ullmann) auf einer kleinen, fast verlassenen Insel. Er wird geplagt von Visionen und Alpträumen, seine Frau steht ihm dabei leidend zur Seite...

Der "Horrorfilm" von Ingmar Bergman, der für meine Begriffe allerdings vielmehr ein Remake bzw Sequel ist. Bergman drehte mit Ansiktet 1958, genau 10 Jahre vorher also, einen thematisch äußerst ähnlichen Film, so kann ein Vergleich mit diesem - meines Erachtens - Meisterwerk nicht ausbleiben.

Bergman installiert in Vargtimmen wieder den einsamen Künstler, erzählt spannender Weise aber die Geschichte aus der Sicht seiner Ehefrau - ein erster entscheidender Unterschied zu Ansiktet. Der wortkarge Künstler also - einsamer, depressiver Wolf; leidend, verfolgt von Visionen - seine Kindheit, seine Liebe, seine Kritiker, seine Bewunderer, sein Publikum, Wir. Genauer genommen sind es also die eigenen Geister, die ihn jagen in den teils surrealen Szenarien. Seine Frau, die Erzählerin, kommt nicht an ihn heran, obwohl sie doch so nahe ist, obwohl sie die Visionen und Stimmen gar teilt. Ihr Schicksal ist mit seinem klar verbunden, sie träumt von einer Verschmelzung - doch mit was für einer Person? Eins werden mit einem Gequälten? Eine versiegelte Hölle...

Seine Verbundenheit mit ihr ist dabei eigentlich eher Freundschaft als Liebe - seine Gedanken sind bei seiner Jugendliebe, später ist dies dann auch der Antrieb für die Schaffung seines letzten Kunstwerks - direkt in Front vor seinem Publikum. Grausam spiegelt es sein eigenes Anspruchsdenken, seine Selbstunsicherheit, seine Versagensängste, aber auch eine schallend lachende Dekadenz im Kunstbetrieb wider - die fratzenhaften Figuren bewundern den Künstler in seiner Qual gleichermaßen wie sie sein Innerstes ausbeuten. Solche Konstrukte zeichnen Bergman eben aus und machen ihn zu einem Meister, wie es ihn in der Filmgeschichte kein zweites Mal gab.

Max von Sydow spielt den Maler - man braucht es eigentlich nicht zu Erwähnen - fabelhaft. Der Schlaflose wird gejagt von seiner Vergangenheit, seiner Kindheit unter dem strengen Regiment seines Vaters. Einmal versucht er sich zu Ertränken - seine Kindheit vielmehr, denn was er da runterdrückt ist nicht sein Körper sondern der eines Jungen, der ihn permanent verfolgt hatte.

Vargtimmen ist weitaus depressiver als Ansiktet. Etwas resigniert jedoch wirkt er im Vergleich zum Vorgänger. Die bedeutungsschwangere Ebene liegt - anders als bei dem zehn Jahre früher entstandenen Werk - nicht so stark auf den Dialogen, sondern auch auf der ruhigen Bildebene und in der Atmosphäre. Hier lässt sich ein wenig Leerlauf an Ideen erkennen, wenn man es böse formulieren will - in diesem Punkt zumindest verliert die Wolfsstunde gegenüber meinem persönlichen Favoriten etwas an Boden.

Aber das bedeutet natürlich bei Leibe nicht, dass diese cineastische Sternstunde nicht zu Bergmans Großen gezählt werden muss - Vargtimmen ist freilich einer der stärksten Filme, die ich in diesem Jahr einer Erstsichtung unterzogen habe.

DVD / OmeU --- Wertung: 9,0



#437 moodswing

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Geschrieben 13. November 2006, 01:00

The Texas Chainsaw Massacre
Tobe Hooper | USA 1974

Teenage-Hippie-Dudes kommen in die Fänge einer durchgeknallten Familie um den liebenswürdigen Leatherface (Gunnar Hansen)...

DER Horrorklassiker bzw. Terrorfilm schlechthin, den ich bis hierhin noch nicht gesehen habe. Schäm dich! Kopf gesenkt und fix den Repo Man gemacht, auf Arbeit listig ans Original gekommen, der Einsatz von Augenbinde und Abschlepphaken war allerdings nicht nötig. Einen krummen Rücken wie mein werter Freund aus alten WWF-Tagen hinterließ das Teil dann aber schon...

...denn The Texas Chainsaw Massacre ist mal wieder so ein Film, der längst am Ende angekommen ist. So wie Fassbinder. Oder Karl Dall. Oder auch der Undertaker, um beim Catchen zu bleiben. The Texas Chainsaw Massacre ist ein Tanz auf dem Pillenhügel der blutigen Kettensägen - und das hört sich jetzt fast so an, als ob der Film besonders brutal wäre - ist er nicht. Sondern fies. Vor allem zu uns. Denn er macht die Küchentür auf, zieht uns kurz rein, macht die Küchentür zu (blechernd schellend) und statt uns zu zerhacken, holt er seinen Schniedel heraus und gibt uns Gelbes. Im Film sieht man das natürlich nicht, ein Skandal! Genau wie die Zensur.

The Texas Chainsaw Massacre ist aus heutiger Sicht vor allem Eines - diese Schablone, von der Kasi (wohlgemerkt der Filmforen-User, nicht meine Hauskatze gleichen Namens) in seinem sehr schönen Text sprach. Das kulturelle Artefakt, dass pausenlos abgepaust wird. Slasherfilm - Terrormovie - Subgenrebegründer - Freizeithighlight. Historisch also ein wegweisender Meilenstein - ein sehr dreckiger und wild gewordener selbstverständlich. Aber eben noch einer für die Geschichtswissenschaft mehr als für mein Herz. Da hätte ich dann doch gerne neben Langnase Nixon gesessen, direkt 1974, in Schlaghosen, mit Pornobrille und mit Power Flower Grinsen im Gesicht...

Von der technischen Seite her überraschte mich der Film interessanterweise in beide Richtungen, sowohl die positive als auch negative. Die stets durchdacht eingesetzte und penetrant passende Tonebene, ebenso manch spektakulär losgelöste Kamerafahrt hätte ich bei dem Low-Budget-Streifen so nicht erwartet. Dem gegenüber stehen jedoch die prinzipiell üble Tonqualität, die mich lediglich 50% der Dialoge verstehen ließ und die dramaturgischen Schlaglöcher, in denen der Film mit seinen beschmadderten Rädern ständig hängen bleibt. Sicherlich, die Bösartigkeit des Werkes ergibt sich erst aus der Fallhöhe, die sich zwischen erster Teenage-Road-Movie Hälfte und zweitem Nun-drehen-wir-alle-durch Part ergibt. Trotzdem doch sehr ermüdend bis dahin...

The Texas Chainsaw Massacre - ein Arschloch also. Eines mit Vietnam und Watergate im Rücken. Und Eines, das sympathische bis proletige Zöglinge in den Folgejahren erzeugte. Wenn Leatherface am Schluss mit seiner Säge ein verliebtes Tänzchen hinlegt - im MorgenGrauen - dann weiß er vielleicht schon warum...

Video / OF --- Wertung: entfällt



#438 moodswing

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Geschrieben 15. November 2006, 13:03

Ein Zombie hing am Glockenseil <> City of the Living Dead
Lucio Fulci | Italien 1980

In Dunwich gehen die Zombies um. Nachdem sich ein Priester erhängt hat, öffnet sich das Tor zur Hölle und die Viehcher krabbeln heraus. 2 Männer und 2 Frauen gehen der Sache auf den Grund.

Mein erster Fulci, nehmen wir mal den in vollkommen verstümmelter Fassung gesehenen Voodoo aus dem Programm. In der Bizarre Cinema-Reihe erlebte ich also den Zombie-Splatter zum ersten Mal so richtig und bin ganz zufrieden mit dem Gesehenen. Die wichtige Frage ist natürlich: Verstümmelt die deutsche Syncro das Werk oder hilft sie dem Film nur noch absurder und bizarrer zu werden, als er schon ist. Für mich funktionierten die bescheuerten Dialoge jedenfalls bestens zur unterhaltsamen Untermalung des putzigen Horrorfilms. Denn zwischen den wahrlich fein inszenierten Goreszenen gibt es doch einigen Leerlauf, der damit gut gefüllt wird.

Als kapitalismuskritischer Bumper entpuppt sich der abgewürgte Zombie leider nicht so recht, dazu waren die Anspielungen doch zu rar gesät (RIP Marx) und wurde die Kulisse der Metropole New York zu wenig genutzt. Schade eigentlich, da hätte er noch gute Pluspunkte sammeln können, so bleibt das Werk lediglich ein unterhaltsamer, etwas historisch eingestaubter Zombiefilm...

Kino: 3001 / DF --- Wertung: 7,0



#439 moodswing

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Geschrieben 16. November 2006, 09:56

Suspiria
Dario Argento | Italien 1977

Ein Mädchen (Jessica Harper) kommt auf eine Ballettschule in Freiburg, wo es nicht mit rechten Dingen zugeht...

Habe den Film auf arte in deutscher Syncro mit ständig wechselnden Sprechern und bös geschnitten erlebt, was mir den Spass schnell verhagelte und mich fast zum Abbruch aufforderte...bin dann aber doch drangeblieben, muss das Teil aber nochmal in Gänze und im Orginal erleben...

Argentos kultiger Horrorklassiker begeisterte mich in den ersten 10 Minuten ungemein. Was da an Atmosphäre aufgebaut wird - durch Farbgelage, Lichtspiele, Kamerabewegungen, Geräuschkulisse und natürlich das gewitterige Soundtrackmonster von Goblin - ist schier atemberaubend und zieht den Zuschauer sofort in den Bann dieser audivisuellen Horrormärchenbombe. Die große Ernüchterung offenbarte sich im Anschluss, denn Suspiria hält nicht, was er zu Beginn verspricht.

Was da so furios startet geht fließend über in eine harmlose Gruselerzählung ohne wirkliche Höhepunkte, versetzt mit Spannungsarmut - und das trotz der bleibenden Stilelemente und düsteren Atmosphäre - Jugendstil ohne Profil.

Das ist schon verwunderlich, denn wenn der Film seine am Anfang positionierte Grundhaltung eines kontemplativen, fast transzenten Filmerlebens beibehalten würde, wäre er ein experimentelles Wunderwerk geworden, das zwischen Bilderbombardement und schauriger Gänsehaut changiert. Ganz so wie früher, als die Gefahr unsichtbar war, man als Kind sich das Grauen aber mit hübscher Kreativität ausmalen konnte. Gruseliger geht es kaum...

So aber verkommt das Werk schnell zur altbackenen Hexenerzählung und lässt einem nur noch die Wahl zwischen Genuss der reinen Bilder oder Abschalten. Die Frage bleibt natürlich wie das geschehen kann, denn der Film gibt sich redlich Mühe, den Zuschauer in seiner Welt zu behalten - skurrile Figuren sollen etwas Würze verleihen, neue Locations Freude in die Sichtung bringen. Klappte aber bei mir nicht so recht. Schade. Wird weder die letzte Sichtung des Films, noch mein letzter Argento sein...

TV: arte / DF --- Wertung: entfällt



#440 moodswing

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Geschrieben 16. November 2006, 19:03

Saw
James Wan / USA 2004

2 Typen wachen fest gekettet in einem dreckigen Kellerbad auf und wissen nicht, was hier passiert. Ein Serienkiller namens "Jigsaw" zeigt sich verantwortlich, ein abgedrehter Polizist (Danny Glover) macht sich ran, ihn zu schnappen...

Wie kurz meine erinnerungswerte Lebenszeit ist was Filmsichtungen angeht, durfte ich erschrockener Weise bei der zweiten Betrachtung von Saw erleben. Ich habe den Film damals auf dem Fantasyfilmfest 2004 gesehen und fand ihn äußerst anregend. Nun, 2 1/2 Jahre später zeigt mir das nochmalige Sichten, dass meine Eindrücke von damals wohl eher für die Tonne sind...

Grundsätzlich braucht man zu Saw eigentlich nicht allzu viele Worte verlieren. Der Film lebt von seiner gehetzten Atmosphäre, einer Grundidee und vielen bösartigen Tötungsvorschlägen. Das ist natürlich ganz schmackhaft, darüber hinaus aber eigentlich wenig erbaulich. Zum Einen bedient sich das Werk tatsächlich an allen Ecken und Kanten von Finchers Meister-Thriller Seven (das ist ja inzwischen auch hinlänglich bekannt und akzeptiert) und lässt dieses Psychomonster eher zum Horrorfilm für das jüngere Publikum mutieren. Auffällig dabei ist vor allem die MTV-Ästhetik, welche die Bildebene regelmäßig bombardiert mit Kollege Zeitraffer und ähnlichen optischen Späßchen - sie damit vor allem aber überfrachtet. Das allein macht die Atmosphäre schnell kaputt und lässt das Augenmerk lediglich auf die Schauwerte richten. Der Film hangelt sich dann als unterhaltsame Showze relativ passabel über die Zeit, hat mit seinem Ideenklau und der hitzigen Taktik aber eben schon frühzeitig zuviel an Substanz eingebüßt...

DVD / OF --- Wertung: 4,0



#441 moodswing

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Geschrieben 17. November 2006, 14:55

RoboCop
Paul Verhoeven / USA 1987

Nachdem ein Cop (Peter Weller) von einer Gangsterbande massakriert wurde, nimmt sich eine Rüstungskonzern seiner körperlichen Überreste an und kreiert den Robocop - ein neuartiger "Superpolizist", halb Mensch, halb Maschine, dessen Gehirn sich nach einer Weile jedoch an die Bösewichte zurück erinnert und jagd auf sie macht...

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Kaltschnäuzigkeit Paul Verhoeven immer wieder sein ultraplakatives Unterhaltungskino daherzaubert. Dabei bastelt der Niederländer verschiedenste Bestandteile für seine ganz spezielle Mixtur zusammen - einen konventionellen Actionplot, etwas härtere Gangarten, süffige Gesellschaftkritik, saublöde Dialoge und dumpfe Figuren, ein bisschen Schmalz und fertig ist der Entertainmentmatsch, den man problemlos als reines Oberflächenzugeballere lesen kann. Wenn das dann noch aus den 80ern stammt, wirkt es schon fast nostalgisch und überhaupt scheint Robocop der legitime Vorgänge der Starship Troopers zu sein, mit dem er dann sowohl was Gebumse als auch Satire angeht noch einen steileren Zahn ablieferte. Dort stellte sich dann noch stärker heraus wie plakativste Subversivität auch als Schauwert prima funktionieren kann. Mit Robocop legte Verhoeven 1987 bereits die Vorlage aufs Parkett...

TV: NDR / DF --- Wertung: 6,5



#442 moodswing

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Geschrieben 18. November 2006, 13:50

House of 1000 Corpses
Rob Zombie | USA 2003

Auf der Suche nach einem legendären Serienkiller werden zwei Teenager-Paare von einer sadistischen Familie gefangen genommen...

Rob Zombies sagenumwobenes "Meisterwerk". Ein lahmer Reinfall, der mir keine drei Zeilen wert wäre, gäbe es da nicht diese Massen an euphorischen FTB-Einträgen, die meine müden Augen eben größer und größer wurden ließen. Also doch etwas mehr als ein paar hingeschmissene Wörter. "Räusper"...Mr.Hyde, wären sie so freundlich?!

...
Gerne.

Zombies Filmchen wirkt als Allererstes einmal quietschfidel, kunterbunt und bonbonsüß - will heißen im Groben ist der Film eine Popcollage. Da wird kräftigst zugekleistert und gestopft, was das Zeug hält - Split Screens, Super 8, billig verfremdetes Material, Nascar-Racinghafte Montage - Masken, Muskeln, Mickey Mouse.

Und aprospos, gegen Die geht es hier ja mit dem Vorschlaghammer im besten Sinne. Die Stars and Stripes immer im Bild und wir wissen im Prinzip schon in den ersten Einstellungen, dass die Leute ihr Ländle nicht sehr mögen.
"You little middle class Barbie" - richtig, auf Cheerleader und so Gesocks können wir alle nicht so gut und die Macher des Werkes haben dann auch einen ganz besonderen Faible, versuchen sie ihre Figuren doch sympathisch ironisch um die Ecke luschern zu lassen. Was für ein plakatives Gehabe. Und ehrlich gesagt stieß mir das auch irgendwie bitter auf. Denn gerade Bill Moseley kann seinen Hass kaum verbergen, was wohl auch an seinen schwachen darstellerischen Leistungen liegen mag. Das Ganze Getue wurde mir jedenfalls zunehmend suspekt, auch wenn der Film eher durch Comic Schemata geprägt ist.

Dieses hysterische Auftreten des Films macht schnell klar, dass hieraus kein Horrorfilm im klassischen Genresinn mehr werden kann. Wenn die im Cut-Gewitter vollkommen verloren gegangene Atmosphäre mit Terror und Satire ersetzt werden soll, der stümperhafte Dilettantismus dem aber einen Strich durch die Rechnung macht, dann ist Deadwood filmisch in höchster Not. An die Nieren ging mir der Film jedenfalls als Allerletztes, dann wohl eher auf die Weichteile. Dr.Jekyll, übernehmen sie bitte wieder...

Ich fand den Film übrigens nicht sonderlich schlimm, als Zitaten-Melange der Vorbilder und etwas durchgeknalltes Dark Fairy Tale sogar recht erträglich. Darüber hinaus aber sehe ich keinen Grund das Teil nicht aus dem Gedächtnis löschen zu können...

DVD / OF --- Wertung: 2,5



#443 moodswing

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Geschrieben 19. November 2006, 17:03

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Christoph Schlingensief | Deutschland 1986

Bei guten Filmen darf man auch das Cover zitieren:
"Die "Meat-Generation" liebt nur das abgehangene Fleisch: Ausgelassenes Treiben auf der Picknickwiese in Mülheim an der Ruhr. Die Eltern haben ihre alten Naziuniformen wieder rausgekramt, da macht die Polonaise noch mehr Spaß." Helge Schneider spielt Joe, verwirrt und allein zurückgelassen in dieser Filmwelt von Christoph Schlingensief. Der hat mit diesem Film anscheinend einen imaginären Brief an Rainer Werner Fassbinder und all die ernsthaften Kunstfilmer der Republik geschrieben. Anfangen tut er mit "Sehr geehrter Herr F." und endet mit "Wenn schon am Ende ankommen, dann bitte richtig!"

Menu Total wurde auf der Berlinale 1986 im Panorama gezeigt. Menschen strömten hurtigst aus dem Saal, Wim Wenders ging nach 10 Minuten, der Film wurde am Ende ausgebuht.

Schlingensief präsentiert in Menu Total eine Filmfassade, wie sie eindrücklicher kaum sein könnte. Menschen - vom Nazidoktor bis zu Mülheim-Ruhr-Zombies - wuseln sich in präziser Beleuchtung und harten grobkörnigen Schwarz-Weiß-Kontrasten durch fragmentisierte Bilderwelten, alles unterlegt mit Helge Schneiders Jazzauswüchsen. Dieser, unser Schneider, noch heute der einzige deutsche Comedian, der einen "ernsthaft zum Lachen bringt" - es sieht aus wie der erste Helge-Film und besitzt schon viel von dem Charme mit dem uns der Meister in den späteren Jahren noch beglücken sollte.

Menu Total ist so rigoros, konsequent und plakativ, dass man diesen Film eigentlich nur lieben kann. Auch hier werden die Endpunkte der deutschen Geschichte und Gesellschaft aufgegriffen, die schon Fassbinder und Konsorten mit ihrer verkünstelten Ernsthaftigkeit versucht haben zu Zelluloid zu bringen. Solchen Themen kann man nur mit konsequenter Absurdität begegnen, das weiß Schlingensief und stellt sich damit geschickter an als seine den Weltschmerz in ihre Werke tragenden Kollegen.

Ebenfalls nebenbei bedient der Film sich einiger Elemente verschiedenster Genres, vom Film Noir bis zum Horrorfilm. Im Zusammenspiel mit der eingänglichen, mal ennervierenden, mal melancholischen Musikuntermalung Helge Schneiders bekommt das Flickwerk sogar an vielen Stellen eine hypnotische, sogartige Wirkung - trotz des handwerkerischen Dilettantismus.

Trotzdem macht sich der Film an einigen Stellen auch als Ungeduldsteufelchen bemerkbar. Das lässt sich kaum vermeiden und ist sicher auch so gewollt. Denn die fiese Serialität, mit der uns der Film ab der Hälfte nur noch begegnet, diese bewusste Ideenlosigkeit mit der er droht auseinanderzufallen, nagt schon sehr an den Nerven.

Trotzdem bleibt Menu Total ein kleiner bösartiger Gartenzwergtumor im deutschen Filmzirkus und mindestens das macht ihn neben der Kotze, Scheiße, Naziuniform und kollektiven Zwangspsychose wertvoll für Deutschland...

DVD / OF --- Wertung: 7,5



#444 moodswing

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Geschrieben 21. November 2006, 16:34

Ransom
Ron Howard | USA 1996

Zwischen Gibsons tragischem, bedrückt-angespanntem Gesichtsausdruck und Gebeten Richtung Gott, zwischen Gary Sinises klischeebeladener Figur des halbpsychopathischen Bösewichts, zwischen pathetischer Drastik und Hollywoodklangteppich finden sich doch 2 Punkte, die mir positiv auffielen - zum Einen ist der Thriller mit der Pointe im Titel für einen Ron *gähn* Howard Film ungewöhnlich spannend inszeniert, zum Zweiten fallen die recht realistisch-rüden Umgangsformen und hohen Blutaktivitäten ins Auge. Dass sich am Ende die Figuren dümmlich-konstruierten Verhaltensweisen zu beugen haben und "Rache aber sein muss" lässt den bibelfesten Film neben all dem Gesagten freilich doch zum Schlingel werden, der für den Bockmist lieber schähmend die Ecke aufsuchen sollte...

TV / DF --- Wertung: 2,0



#445 moodswing

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Geschrieben 22. November 2006, 15:30

The Architect
Matt Tauber | USA 2006

Filmfest Hamburg

Die Mischung aus Sozial- und Familiendrama nach einem schottischen Bühnenstück von David Greig lässt sich auf zu viele Erzählstränge und Figuren ein, um erfolgreich wirken zu können. Die zu kurze Zeit für die einzelnen Charaktere geben den Schauspielern (u.a. Isabella Rossellini als dröges Heimchen und Anthony LaPaglia als einzige Figur mit Konturen) kaum Möglichkeiten, etwas aus ihren Rollen machen zu können. Statt dessen verlaufen sich die einzelnen episodenhaften Erzählungen das ein oder andere mal zu schnell in Drastiken, die bis dato kaum nachvollziehbar erscheinen und sich dem Vorwurf der Konstruiertheiten kaum erwehren können. Coming-of-Age und Midlifecrisis, sexuelle Orientierung und sozialer Habitus - klassischer Fall von zuviel gewollt eigentlich, aber letztlich doch ein solider Indy, dem man durch seine Ambitioniertheit eine Geschichte zwischen sozialen Schichten erzählen zu wollen ohne den Zeigefinger zu heben gar nicht böse sein kann...

Kino: Metropolis / OF --- Wertung: 5,5



#446 moodswing

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Geschrieben 23. November 2006, 11:09

Day Night Day Night
Julia Loktev | USA 2006

Filmfest Hamburg


Ein weiteres Post 9/11 Low Budget Drama. Wir verfolgen eine Selbstmordattentäterin (Luisa Williams) in ihren letzten Stunden. In der ersten Hälfte erfährt sie eine Einweisung durch drei Männer, die maskiert bleiben, sie zuweilen hart vorbereiten und trotz der klaren Distanz das Szenario wie kurz vor einem Gangbang wirken lassen. In der zweiten Hälfte dann steht sie vor der Ausführung des Plans auf dem New Yorker Times Square.

Erst gegen Ende dieses Aktes bemerken wir, dass der Film wirklich funktioniert. Die potentielle Attentäterin wird zum verstörten Kind, das Süßigkeiten und Kuscheltieren fröhnt, um sich abzulenken kurz vor dem Tod. Die eingefallenen Schultern lassen sie mit den passenden Klamotten wie ein dauerdepressives Girlie aussehen - der Senf an ihrem Mund wie ein Baby, das gerade freudig die Welt entdeckt. Wenn "Sie" an der Kreuzung steht und kurz davor ist, die Bombe zu zünden, liegt mehr Spannung in der Luft, als es die meisten Thriller schaffen zu erzeugen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir bereits mit der Figur, aber erst jetzt bemerken wir es.

Ob hier Partei für das im terroristische System geformte Individuum ergriffen wird, könnte sich da herauslesen lassen, muss allerdings auch nicht, denn der Film an sich bleibt was den politischen Aspekt angeht bewusst vage. Moslems? Linksradikale? Wer hat hier überhaupt welche Motive? Symbolik, Glaubensbekenntnisse, aber nichts Konkretes - Leerstellen über Leerstellen, und ganz ehrlich, anders geht es sicher auch nicht.

Wenn man die nüchterne Kompromisslosigkeit des Films mitgeht, ergibt sich gegen Ende jedoch ein Problem, welches die letzten 15 Minuten zur Überschussware werden lässt. Da nämlich, wo ich dann eine klare Linie erwartet habe, fehlt eben jene Konsequenz, die den Film bis dato ausgezeichnet hat. Wie lässt man so ein Konzept enden? Schwierige Frage, auf dessen Lösung ich mehr als gespannt war. Traurig nur, dass ein einfacher Weg gewählt wird - die eigentliche Endhandlung bleibt aus, das Mädchen verliert sich in der Großstadt, wir verlieren ihren Blick, wir verlieren Sie. Ein schönes Ende für einen Film über Anonymität und Entfremdung vielleicht, für solch ein Thema jedoch vollkommen unpassend. Day Night Day Night lässt am Schluss sein eigentliches Sujet links liegen und bringt sich um die hohe Intensität, die bis kurz vor dem Ende spürbar war.

Ob der Film mit diesem harschen Aufgreifen eines hochbrisanten Themas erfolgreich sein könnte, ist schwer einzuschätzen. Als amerikanischer Indy wird er jedoch vor allem schon Schwierigkeiten bekommen, überhaupt registriert zu werden. Schade eigentlich, denn einen Blick aus Interesse ist Day Night Day Night allemal wert...

Kino: Grindel / OF --- Wertung: 6,5



#447 moodswing

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Geschrieben 24. November 2006, 18:58

Conversations with Other Women
Hans Canosa | UK/USA 2005

Filmfest Hamburg

Per Split-Screen begleiten 2 Kameras einen Mann (Aaron Eckhart) und eine Frau (Helena Bonham Carter) bei ihrem Wiedersehen bei einer Hochzeit nach etlichen Jahren. Die alte Leidenschaft entflammt sich in der Nacht neu...

Das Split-Screen-Prinzip ist das bestimmende Merkmal der lockeren Liebeskomödie, die vornehmlich von der Präsenz ihrer Darsteller lebt. Die Eine oder Andere feine optische Idee paart sich mit Dialogwitz der neurotischen Charaktere. Dieses Aufeinanderprallen von zwei recht unterschiedlichen Konzepten zwischen neuem US-Independent-Cinema und alter Woody Allen-Schule wirkt in dieser Kombination etwas seltsam. Zudem wird man das Gefühl nicht los, dass hier mehr hätte herausgeholt werden können. So plätschert die Geschichte etwas resigniert, etwas heiter durch die guten 80 Minuten, ohne wirklich viel Neues zu erzählen. Die spezielle Visualisierung bringt lediglich nur hin und wieder einen Aha-Effekt - die meiste Zeit wirkt sie ein wenig unbedarf eingesetzt und schwach montiert (Der Regisseur hat das Footage nach 2 Stunden Einübungszeit mit ProCut zusammengeschnitten). Als thematisch besonders Hervorhebenswert empfand ich einzig das aufs Ende hinsteuernde weibliche Hin und Her und die ungenierte Akzeptanz ihres eigenen Lügenkonstrukts von Bonham Carters Charakter und die männliche Dackelanhänglichkeit zwischen überheblichem Macho und emotionaler Abhängigkeit in Eckharts Figur. Ansonsten ein typischer Fall von nett, aber braucht die Welt nicht unbedingt...

Kino: Grindel / OF --- Wertung: 4,5



#448 moodswing

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Geschrieben 25. November 2006, 23:30

Crónica de una fuga
Adrián Caetano | Argentinien 2006

Filmfest Hamburg

Das argentinische Kidnappingdrama über die Entführung eines Zweitligakeepers, der im totalitären Argentinien der 70er Jahre zu Unrecht verschleppt, von der Staatsmacht gefoltert und monatelang gefangen gehalten wird, stellte sich bereits nach einigen Minuten als dummes Ärgernis heraus. Der Film bedient sich die Laufzeit hindurch interessanterweise der Syntax des Horrorfilms. Vor allem der wortwörtlich grauenhafte Score, aber auch Kameraeinstellungen, Locations und Atmosphäre orientieren sich an dem Genre. In der zweiten Hälfte dann entwickelt sich das Werk zu einem B-Actionmovie, zu welchem nun auch die Bösewichte passen, die sich dank dämlicher Dialoge und böser Blicke schon frühzeitig als gesichtlose Strohpuppen herausstellen. Zudem streuen die Filmemacher - oh weia - einige Slapstick-Momente ein, zugegebenermaßen aber auch übersehbar Wenige. Der Höhepunkt der Fettnäpfchentreterei bildet dann aber doch das Ende. Hier wird nämlich nochmal mit bedrückter Mine ein melodramatischer Schluss gefunden, an dessen Zipfel schließlich das standesgemäße "Was-ist-aus-wem-nun-geworden" steht.

Dass der Film voll auf Unterhaltung, jedoch zu keinem Zeitpunkt auf politische oder moralische Momente setzt, ist das Todesurteil für diesen Zelluloidfetzen. Wirklich beschissen ist es, eine wahre Geschichte, die Trauma und nahe Historie eines Landes beinhaltet, nur als Zünddraht zu benutzen, um solch einen Genre-Wirrwarr zu positionieren. Man möchte den Filmemachern sicherlich keine böse Absicht unterstellen - es bleibt nur das löbliche Vorhaben festzuhalten, einen Film über solch totalitären Wahnsinn drehen zu wollen - der bittere Beigeschmack der Umsetzung ist jedoch enorm...

Kino: 3001 / OmdU --- Wertung: 0,5



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Geschrieben 27. November 2006, 00:49

1 Sentence/Movie
Life as a shorty shouldn't be so ruff...
Oktober/November 2006


El [Luis Buñuel / Mexiko 1953]
| Mit Buñuel werde ich leider auch weiterhin nicht richtig warm... seine Studie der Eifersucht, die letztlich in psychotischem Wahn endet, sieht auf größter Wegstrecke für seine Verhältnisse etwas zu konventionell geraten aus --- Versetzt eben mit typischen Zutaten eines Buñuel wie Kirchenkritik, etwas Surrealismus und ... Füßen ... natürlich. Es fehlte mir da letztlich so etwas das richtige Gespür für die nötige psychologische Tiefe...

Niceland (Population 1.000.002) [Friðrik Þór Friðriksson / Island/Dänemark/UK/Deutschland 2004]
| Eine skandinavische Tragikomödie, die im Gewand eines Kinderfilms daherkommt --- leidet unter den dilettantischen Darsteller- und Drehbuchleistungen...

Sympathy for Lady Vengeance [Chan-wook Park / Südkorea 2005]
| Stilverliebt wie eh und je, jedoch nicht ganz so eitel daherschreitend wie der Mister Vorgänger --- Zwar wieder recht zerbrochene Teilstücke einer Geschichte, der stringenteste Teil jedoch (das Selbstjustiz-Courtyard-Drama der besonderen Art) konnte sogar begeistern und so etwas wie Interesse am Gesamtwerk erzeugen --- Rettung des ansonsten nur durch audio-visuelle Bombast-Ästhetik glänzenden Werkes...

The Saddest Music of the World [Guy Maddin / Kanada 2003]
| Äußerst seltsame Mixtur aus Hommage an den Stummfilm, gleichzeitigem Überdruß an Schnittfolgen und grobkörnig gezoomtem Bildmaterial, Anklängen von Satire, absurdem Theater und interpretierbarem politischen Kommentar --- Erinnerte mich etwas an die frühen Werke von Triers und an Matthew Barneys Filmcollagen - besitzt ähnliche Tendenzen zu verschrobener Künstlichkeit, wenn auch nicht ganz so ins Leere gehend --- trotzdem ziemlich nervig...

Along Came Polly [John Hamburg / USA 2004]
| Hässlicher Ben Stiller als Uhu-Kleber zwischen Love Story und Fäkalhumor --- Findet das eigentlich wirklich irgendwer jenseits des Plattenbau-Subproletariats lustig?

#450 moodswing

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Geschrieben 27. November 2006, 16:59

Jules et Jim
François Truffaut | Frankreich 1962

Die Freunde Jules und Jim (Oscar Werner, Henri Serre) treffen auf eine Frau (Jeanne Moreau) und verlieben sich in sie, haben aber unterschiedliche Strategien damit umzugehen...

Truffauts berühmtes Liebesdrama nach Henri-Pierre Rochés Novelle beweist mir letzten Endes, dass Truffaut wohl wirklich nicht mein Ding ist. Dieser dialoglastige, artifizielle, mit massenhaft Zeitspüngen in der Geschichte versetzte Stil funktioniert bei mir überhaupt nicht. Der leichtfüßige, ironische Blick auf die Protagonisten ließ mich gar nicht erst in den Film einsteigen. Zum Ende hin wird der ganze Film fast ad absurdum geführt, wenn er sich nämlich auf einmal erdreistet aus diesem distanzierten Draufblick zu einem Liebes-Melodram zu werden. Wenn der Film bis dahin nichts bewegt, dann wirkt das wie ein Totalabsturz...

DVD / OmdU







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