The Diarrhoea Diary
#481
Geschrieben 03. Dezember 2006, 04:27
Norwegen / Dänemark / Schweden 2005 Regie: Pål Sletaune
Offensichtlich beeinflußt von Polanskis Mietswohnung-Paranoia-Trilogie, vor allem Le Locataire, entstand wohl einer der für mich funktionstüchtigsten Thriller der letzten Jahre. Auf technischer Ebene hochgradig zurückhaltend, gelingt es dem Film mit einfachen Mitteln eine bedrückende Atmosphäre aufzubauen. Zwei Kritikpunkte seien anzumerken: 1) Das erste Drittel hatte eine Menge Potential, um in alle möglichen Richtungen zu divergieren, tut dies aber nicht und 2) ahnt der Genre-affine Fan schon recht bald, auf was es hinausläuft und fühlt sich dann später bestätigt – nix gegen diese Art der Auflösung, aber sie ist schon zu einer Art Konvention geworden, was bei einem anfangs unkonventionell wirkenden Film dann eher schade ist. Nichtsdestotrotz wird diese Geschichte um einen nach Beziehungsproblemen plötzlich einsamen jungen Mann und seinen bizarren Nachbarinnen in einer Art und Weise erzählt, die bemerkenswert derb, düster und konsequent ist und den Zuschauer über die kurze Laufzeit ständig an der Stange hält. Definitiv eine freudige Überraschung, ich hatte nicht erwartet, so etwas feines und gemeines zu sehen zu bekommen, das auf vielerlei Ebenen funktioniert.
#482
Geschrieben 05. Dezember 2006, 00:28
GB 1981 Regie: Douglas Camfield
Auf einer entlegenen schottischen Insel geschehen brutale Morde, die Polizei und Einwohner vor ein Rätsel stellen. Auch wenn man eine Spur des Mörders verfolgen kann, fällt es schwer ihn zu finden, da die Landschaft schwer zugänglich ist und zudem noch voll mit diesem Scheißnebel. Als dann auf den Leichen noch Bißwunden gefunden werden, die weder von Mensch noch Tier stammen können und ein seltsames Gefährt am Strand angetrieben wird, scheint es noch rätselhafter zu werden...
Auch wenn die Geschichte auf den äußeren Hebriden spielen soll, wurde doch in Cornwall gedreht. Macht nichts, bei der Hafenszene am Anfang dachte ich unwillkürlich, ich würde mal wieder den Wicker Man besuchen. Die Geschichte dieses Fernseh-Vierteilers bietet genügend Spannung und am Ende ein paar brauchbare Twists - auch die Figuren sind mal wieder solche, die man schnell ins Herz schließt. Besonders gefiel mir der Sergeant, der bei jeder neuen unglaublichen Entdeckung fluchend ins Gälische zurückfällt. Zwar sind die POV-Shots des "Killers" mit Rotfilter und lautem Stöhnen recht preiswert gehandhabt, und Aufbau und Auflösung der Story können sich auch nicht mit der cleveren und spektakulären BBC-SF von Nigel Kneale messen, aber Spannung, sicheres Handwerk und Atmosphäre sind genügend vorhanden, so daß sich für Freunde von derlei Dingen eine Sichtung durchaus lohnt.
#483
Geschrieben 07. Dezember 2006, 21:03
USA / Kanada 2006 Regie: James Gunn
Nach dem sehr unterhaltsamen Eight Legged Freaks eine weitere Hommage an die 50er Jahre-Science-Fiction-Filme, wobei hier noch bewußt zahlreiche visuelle Versatzstücke der 70er und 80er aufgenommen werden, z.B. die Badewannenszene aus Shivers und ein Haufen Gekröse. Der Humor geht nie in albernen Klamauk über, sondern bleibt glücklicherweise zurückhaltend und trocken. Diese Kombination macht großen Spaß, kann man nicht anders sagen. Das Ende ist auch nicht von schlechten Eltern.
#484
Geschrieben 09. Dezember 2006, 02:17
USA 1935 Regie: Roy William Neill
Der böhmische Schloßherr ist nicht erfreut, als seine Frau Zwillinge auf die Welt bringt, gibt es doch die Familienlegende, daß, was einst mit Zwillingen begann, auch mit Zwillingen enden wird, und zwar durch einen Brudermord im schwarzen Zimmer. Außerdem hat eins der Kinder einen steifen rechten Arm. (Nein, angewinkelt, nicht ausgestreckt. Wiewohl die Geschichte über einen Typen, der ständig den Hitlergruß machen muß, auch etwas hätte.) Die Jahre ziehen ins Land, und man versucht, sich und dem schwarzen Zimmer aus dem Weg zu gehen. Als einer der Brüder nach vielen Jahren nach Hause zurückkehrt, muß er feststellen, daß sein naher Verwandter wie ein Tyrann übers Land herrscht. Die Bauern sind nicht nur durch Ausbeutung und Unterdrückung aufgebracht, auch gehen ihnen langsam die Frauen aus, sind diese doch alle früher oder später mal zum Schloß gegangen und nicht mehr zurückgekommen. Fackelzug, anyone? Überraschend verkündet dann jedoch der böse Zwilling, daß er sich verpissen möchte und überlässt den Besitz seinem sanftmütigem Bruder. In Wirklichkeit hat er freilich ganz anderes vor…
Karloff kann in diesem Gothic-Melodram mehr von seinem Können zeigen als üblich. Spielt er schon anfangs befreit auf, als er nebem dem guten (körperlich verkrüppelten) auch den bösen (seelisch verkrüppelten) Zwilling darstellt, übertrifft er dies noch mit seinem Porträt des Bösen, wenn dieser später vorgibt, der Gute zu sein. Wie erwähnt, mehr Melodram als Horrorfilm, aber dank einer Story mit zahlreichen Höhepunkten und hoher Schauspielkunst durchaus kurzweilig. Auch das Matte Painting der Burg hinter dem Friedhof ist äußerst entzückend.
#485
Geschrieben 10. Dezember 2006, 02:49
Spanien 1973 Regie: Víctor Erice
In einem kleinen spanischen Dorf kurz nach dem Bürgerkrieg sehen zwei kleine Mädchen im zum Kino umfunktionierten Bürgerhaus James Whales Frankenstein. Vor allem die jüngere Ana läßt der Film nicht mehr los. Sie bedrängt ihre ältere Schwester mit Fragen, vor allem konnte sie nicht verstehen, warum das kleine Mädchen und schließlich auch das Monster umgebracht wurden. Ihre Schwester ist jedoch in dem Alter, in dem man Überlegenheit gerne ausspielt und erfindet die Geschichte, daß das Monster gar nicht getötet wurde, sondern draußen in einer abgelegenen, verlassenen Scheune wohnt. In dieser Scheune soll die kleine Ana einiges über das Leben und die Menschen erfahren...
In zahlreiche prächtige Totalen eingerahmt, spielt ein überzeugendes Ensemble (Hauptdarstellerin Ana Torrent spielte einige Jahre später auch die Hauptrolle in Amenabars beachtlichem Tésis) eine Geschichte, die zwar sehr traurig ist, andererseits aber auch Hoffnung versprüht. Die politischen Aspekte sind zwar deutlich herauszulesen, jedoch funktioniert der Film auch ohne sie. Er ist, ähnlich wie Curse of the Cat People, hauptsächlich ein Gedicht über die Luftschlösser und Enttäuschungen der Kindheit, aber auch die Magie des Kinos. Und als solches ein wunderschönes Werk.
#486
Geschrieben 10. Dezember 2006, 23:56
Mexiko 1958 Regie: Fernando Méndez
Nicht ganz so gut wie der erste Teil, aber doch kurzweilig genug. Vor allem schade, daß der Blutsauger sich vor dem Verschwinden nicht mehr in einen irritierenden vertikalen schwarzen Strich verwandelt, sondern einfach verschwindet, wenn er verschwindet, und das ein bißchen oft im ganzen Film. Die Locations (größtenteils ein Krankenhaus, aber auch eine Mischung aus Wachsfigurenkabinett und Folterkammer) sind auch nicht ganz so prächtig wie die verlassene Hacienda im Vorgänger. Andererseits hält man sich nicht viel mit Dialogen auf, sondern spinnt ein relativ dichtes Netz aus Action-Szenen und hübschen Schattenspielen. Der Prolog ist auch nicht von schlechten Eltern, und eine nächtliche Verfolgungsjagd mit riesigen Schatten besonders fein. Alles in allem nicht in der Oberklasse der s/w-Mexenhorror-Streifen, aber doch irgendwo im Mittelfeld und durchaus ansehbar.
#487
Geschrieben 12. Dezember 2006, 19:47
GB 1950 Regie: Anthony Pelissier
Der kleine Paul merkt, daß zuhause nicht mehr alles in Ordnung ist, und das liegt nicht nur am spielsüchtigen Vater, sondern auch an seiner Luxusverliebten Mutter. Beeindruckt von den Rennbahn-Geschichten des neuen Cockney-Gärtner/Chauffeurs Bassett (John Mills mit Hinkebein), hört der sensible Paul bald das Haus flüstern "We need more money" und reitet sein Schaukelpferd bis zur Erschöpfung – dort, wo er in Gedanken hinreitet, bekommt er jedoch manchmal den Gewinner des kommenden Derbys verraten. Diese Vorhersagen treffen immer ein, und bald hat er mit Hilfe des Gärtners und seines Onkels ein Vermögen angesammelt. Jedoch werden später die Vorhersagen immer seltener und Paul wird körperlich und geistig zunehmend geschwächt...
Ein Haufen Leute aus David Leans Dickens-Filmen sind hier versammelt (John Howard Davies aus Oliver Twist, Mills und Hobson aus Great Expectations), die Vorlage stammt hier jedoch von D.H. Lawrence, der in Sachen Gesellschaftskritik wesentlich ätzender vorging. Fängt der Film auch wie ein netter Weihnachtsfilm an, ändert er sich zum Ende hin in eine äußerst bittere und unheimliche Angelegenheit. Der Grusel geht hier hauptsächlich auf das Konto des Kameramanns Desmond Dickinson, der wundervolle Sachen mit Licht und Schatten macht und vor allem Pauls manische Ritte auf dem Schaukelpferd äußerst bedrohlich erscheinen läßt. Das flüsternde Haus ist auch nicht ohne. Toller Film, der aus unerfindlichen Gründen wie zwei weitere Versionen der Geschichte außerhalb Englands kaum Beachtung fand, dabei gibt's Pferderennen doch auch woanders. John Howard Davies mit seinen unglaublichen Augen wurde übrigens später Produzent und Regisseur für Fernsehcomedy und drehte z.B. die Hälfte von Fawlty Towers.
#488
Geschrieben 16. Dezember 2006, 03:32
Mexiko 1984 Regie: Carlos Enrique Taboada
Der Taboada hat’s einfach drauf. Sein letzter Film als Regisseur erzählt die Geschichte von der "Freundschaft" zweier Schulmädchen in den 50er Jahren: Flavia ist neu in der Gegend, hat reiche, moderne Eltern, die nicht an Gott glauben, während Veronica ohne Eltern bei ihrer greisen Großmutter und einem abergläubischen Kindermädchen aufwächst. Dieses erzählt ihr alle möglichen Geschichten von Hexen, die in Veronica den Wunsch aufkommen lassen, selbst eine zu werden, am besten die Böseste, die es je gab. Da kommt ihr die verwöhnte, naive neue Mitschülerin gerade recht.
Im ganzen Film sieht man die Gesichter von Erwachsenen nur, wenn sie häßliche Greise oder tot sind. Eltern und Lehrer werden nur fragmentarisch und von hinten gezeigt. Ana Patricia Rojo ist perfekt in der Rolle der Veronica und kann blitzschnell zwischen dem zuckersüßen Unschuldslamm und der berechnenden Intrigantin umschalten. Mittlerweile verdingt sie sich als böse Blondine in Telenovelas. Auch hier zaubern Taboada und Kameramann Lupe García wundervolle Bilder aus dem Ärmel und beenden die interessante Geschichte bitterböse. Ja, von dem Mann muß ich noch mehr sehen...
#489
Geschrieben 17. Dezember 2006, 00:21
GB 1976, written by Nigel Kneale.
BABY (Regie: John Nelson Burton)
Die hochschwangere Josephine scheint wenig begeistert davon zu sein, daß ihr Mann Tierarzt auf dem Lande geworden ist. Als dann beim durchreißen einer Wand ein Gefäß mit einem scheinbar uralten, vertrockneten Embryo eines nicht näher zu identifizierenden Tieres gefunden wird (Quatermass, ick hör dir trapsen), macht das einsam gelegene Haus auch nicht unbedingt einen gemütlicheren Eindruck. Der Cliffhanger zur Werbepause-Halbzeit ist eine an M.R. James gemahnende verdammt unheimliche Szene im Wald. Erst kurz vor Schluß erfahren wir, daß Josephine bereits ein Kind verloren hat, was ihren jähzornigen Gatten als noch größeres Arschloch da stehen läßt als zuvor. Sein meist besoffener Kollege faselt auch munter darüber, daß die umliegenden Felder ja alle Brucellose-verseucht sind und ein alter Maurer plaudert auch gerne aus, wer und warum einst Embryos dieser merkwürdigen Viecher einmauerte. (Spoiler: Daß in dieser Welt von rücksichtslosen Säcken am Ende ausgerechnet Josephine auf unschöne Art und Weise dran glauben muß, hatte ich nicht erwartet.) Das dürfte wohl eines der bösesten Fernsehprogramme sein, die je gesendet wurden. Der Nigel hat es einfach drauf. (Hmm, wiederhole ich mich?) Berichten zufolge mußten Kneale und der Produzent das Ende selbst drehen, da der Regisseur sich weigerte.
SPECIAL OFFER (Regie: Richard Bramall)
Noreen ist ein häßlicher Tolpatsch und bei ihren neuen Kollegen im Supermarkt nicht sonderlich beliebt. Selbst die Kunden stellen sich lieber in einer längeren Schlange an, als von ihr bedient zu werden. Wie das nun mal so ist, verliebt sie sich auch noch in den arroganten Fillialleiter. Noreen hat ihre neue Stelle jedoch nicht allein angetreten, sie hat da noch einen imaginären Freund, ein Tier, daß sie auch nicht näher beschreiben kann, und das so imaginär auch nicht sein kann, richtet es doch bald eine Menge Unheil an...
Trotz einem guten Schuß schwarzen Humor plätschert diese Episode mehr so vor sich hin – keineswegs langweilig und gut zu kucken, jedoch fehlt ein wenig der gewisse Kick.
DURING BARTY'S PARTY (Regie: Don Leaver)
Recht unangenehmes Paranoia-Kammerspiel über ein Ehepaar, das sich einer Invasion von mutierten Ratten ausgesetzt sieht. Die Viecher sind allerdings nie zu sehen, nur zu hören, aber dieses Dauergeräusch, das zunehmend lauter wird, ist schon sehr nervenzerrend.
WHAT BIG EYES (Regie: Donald McWhinnie)
Patrick Magee nutzt die Beschaffungsmöglichkeiten des Tierladens seiner Tochter, um Experimente in Sachen Lykanthropie zu machen. Ein korrekter junger Beamter der Tierschutzbehörde ist leicht irritiert. Diese Geschichte hat eine durchaus interessante Plotline und vor allem ein großartiges Ende, welches einen in einen wunderbar rätselhaften Schwebezustand versetzt. (OK, man selbst beginnt nicht, zu schweben, aber ihr wißt, was ich meine.) Getragen wird diese Episode hauptsächlich von der Schauspielkunst Patrick Magees, der nicht umsonst einer von Samuel Becketts Lieblingsschauspielern war. Es macht nicht nur Spaß, ihm zuzusehen, er füllt die von anderen Darstellern wohl zum Klischee gemachte Figur auch mit einem gehörigen Haufen Emotionen und Sympathie. Ja, das dürfte die zweitbeste Folge der Serie sein.
BUDDYBOY (Regie: Don Taylor)
Martin Shaw (hmm, von den "Profis" könnte ich mir auch noch mal ein paar Folgen angucken) spielt einen Pornokino-Besitzer, der ein verlassenes Delphinarium kaufen will, um sich zu vergrößern. Es sollte ihm freilich zu denken geben, daß der ehemalige Besitzer einen sehr verängstigten Eindruck macht, vor allem wenn die Rede auf seinen Star-Delphin "Buddyboy" kommt, der einst unter rätselhaften Umständen starb, woraufhin sich seine Artgenossen ebenfalls für den Tod entschieden. (Ja, das gibt's wirklich bei Delphinen.) Dann ist da noch eine verwirrte junge Frau, eine ehemalige Pflegerin, die sich im Keller versteckt und den Ort nicht verlassen will...
Das dürfte die wohl bizarrste Folge der Serie sein, vieles ist einfach un-er-klärlich und vor allem das Ende führt nicht nur zu einem erstaunt geöffneten Mund, sondern auch zu erheblichem Kopfkratzen. Aber man muß auch sagen, daß die Story sehr originell ist, etwas Vergleichbares fällt mir beim besten Willen nicht ein.
THE DUMMY (Regie: Don Leaver)
Kneale rechnet aufgenzwinkernd mit den Erfahrungen, die er bei Hammer gemacht hat, ab. Der Darsteller einer beliebten Monster-Filmserie ist psychisch offensichtlich vollkommen am Ende, nachdem seine Frau ihn verlassen hat und ihr neuer Macker ihm auch noch in einer Nebenrolle gegenüber steht. Da müssen erst mal ein paar Scotch her. Der Produzent versucht, die Situation zu retten, schließlich müssen heute noch ein paar Szenen abgedreht werden und der bekannte Alt-Star (herrlich: Thorley Walters) ist auch nur für diesen Tag gebucht. Leider führt seine pathetische Rede, mit der er dem Darsteller die weltweite Beliebtheit der von ihm geschaffenen Figur ins Gedächtnis rufen möchte, nicht ganz zum gewünschten Ergebnis, kommt dieser doch nicht mehr aus der Rolle heraus und läuft im bizarren Monsterkostüm mordend durchs Studio...
Neben der offensichtlichen Parodie ging es Kneale hier wohl hauptsächlich darum, die bei Low Budget-Produktionen herrschende Diskrepanz zwischen den horriblen Dingen, die gedreht werden und der familiären Atmosphäre im Studio aufzuzeigen. So scheint die wichtigste Person am Set weder Regisseur, Produzent noch Darsteller zu sein, sondern die lustige alte Cockney-Frau, die die Anwesenden immer im richtigen Moment mit lecker Kaffee und Sandwiches versorgt.
AGAINST THE CROWD: MURRAIN (GB 1975 Regie: John Cooper)
Weil's auf der BEASTS-Doppel-DVD dankenswerterweise als Bonus enthalten war, schmeiß ich dieses von Nigel Kneale für eine frühere Serie geschriebene Stück auch noch rein. Ähnlich wie in der „Baby“-Folge wird der Beruf des Land-Tierarztes hier zum Alptraum. All creatures hate and fall, könnte man sagen. Ist der fortschrittliche Vet von den üblichen Hausmitteln und Aberglauben schon genügend angenervt, steigert sich sein Widerwillen in Entsetzen, als er feststellt, daß die Dorfbauern eine einsame Witwe für eine Hexe halten und für sämtliche Krankheiten und Übel verantwortlich machen. Sie rächen sich, indem sie sie auszuhungern versuchen oder ihre Katze auf grausame Art töten. Der Tierarzt will der anscheinend nur ein bißchen exzentrischen Dame helfen, aber was liegen da für komische Puppen in ihrer versifften Bude herum?
Das gibt mal wieder die volle Punktzahl, die Entwicklung und das Ende der Geschichte sind fein, und dazu gibt es einen Haufen von Charakterdarstellern (u.a. Bernard Lee) wunderbar interpretierten Figuren, nebst einer hübsch zwischen idyllisch und trostlos schwankenden Landschaft.
#490
Geschrieben 25. Dezember 2006, 03:05
USA 1971 Regie: William Grefé / Terry Merrill
Was macht man als Regisseur, wenn man nach LA gelockt wird und dort dann feststellen muß, daß es weder ein Drehbuch noch ein Budget gibt, sondern nur eine Idee und ein paar Wertmarken? Andere wären vielleicht wieder nach Hause gefahren, aber nicht der Grefé, der improvisiert, weil die Idee so schlecht auch nicht war. Ein junger Priester erwischt aus Versehen eine LSD-Cola, bekommt Hallus und Zweifel an seinem Beruf. Mit Rucksack und Zelt macht er sich auf den Weg Richtung LA und trifft dabei einige Vertreter der jungen Generation, zu denen er in seinem Beruf so schlecht mit seinen Gedanken durchkommt. Der junge Ed zum Beispiel ist gar kein Hippie, sondern ein Arzt, der dem Erfolgsdruck kurz entfliehen wollte, um sich über seine Zukunft klar zu werden. Jetzt weiß er, er möchte in die Krebsforschung gehen, um die Welt evtl. ein bißchen schöner zu machen. Zu blöd nur, daß er beim nächsten Halt in einem Restaurant von zwei Redneck-Cops totgeschlagen wird, weil er schwarz ist. Es ist zum Heulen! Auch Sunny, eine Anhalterin die unser Pfaffe mitnimmt, hat ihre lichten Momente, kommt aber nach einem Mißverständnis wieder auf Droge und nimmt sich das Leben. Scheißdreck. Der Pfarrer ist nun mittlerweile auf der Skid Row gelandet und kommt über Alkohol und Pillen zum Heroin. Jugendliche mit einem VW Bus werfen ihn schutzlos in ein christliches Selbsthilfe-Zentrum. Wieder in der Rahmenhandlung auf einem Rock-Festival angekommen, wird mir nicht ganz klar, ob das jetzt alles Einbildung war, eine Rückblende oder was auch immer. Auch nicht ganz klar ist die Motivation des Ganzen: Für einen Kirchen-Werbefilm taugt die Charakterisierung der Normalbürger als gewalttätige Rednecks nämlich nicht viel. Vielleicht erklärt das auch, warum der Film in der Zeit seiner Entstehung nie zur Aufführung gekommen ist, sondern erst in den letzten Jahren von Henenlotter ausgekramt wurde. Andererseits ist hier auch vieles ziemlich übel: Von den Darstellern, die man scheinbar einfach auf der Straße angesprochen hat, da sie wie Hippies aussahen, bis zu der schludrigen Kamera-Arbeit, die zuweilen unscharf wohl komplett "first take" gewesen ist. Die Halluzinationen sind auch nicht wirklich spektakulär, bis auf die Heroinsequenz gegen Ende, die macht schon was her. Auch sonst kommt hier und da ein netter Einfall zu Tage, und die Musik ist auch recht brauchbar. Als Zeitdokument ist das Ganze durchaus ansehbar, wenn auch weit entfernt von der Qualität und dem Unterhaltungswert etwa eines The Trip.
#491
Geschrieben 26. Dezember 2006, 01:34
Spanien 2005 Regie: Jaume Balagueró
Die tablettensüchtige Krankenschwester Ally...äh, Calista Flockhart wird in einer Notfallsituation von einem entlegenem Krankenhaus auf der Isle of Wight angeheuert, das eigentlich schon längst hätte schließen sollen, aber die zahlreichen Opfer eines Eisenbahnunglücks versorgen muß. Mit der angeknacksten Protagonistin wähnt man sich zunächst auf "Turn of the Screw"-Spuren, streift anschließend aber auch noch The Haunting und Poltergeist. Fotografiert ist das alles recht ansehnlich, aber die Kamera schleicht ein bißchen zu oft herum, und die Geschichte hätte ruhig auf ein paar Konventionen verzichten können. Über weite Strecken durchaus stimmungsvoll und handwerklich solide, aber leider alles etwas zu zahm und harmlos. Bis auf einen kleineren Twist wird das Gelände des Geisterfilms abgegrast, ohne mal über den Zaun zu gucken. Letzteres ist zwar nicht zwingend notwendig, hätte aber nicht geschadet, wenn’s schon inszenatorisch kaum Originalität zu vermelden gibt. Spoiler: Das sentimentale Ende läßt mich zwar nicht derart aufwimmern wie das von The Dark (mit dem der Film einiges gemein hat), aber ein wenig Biß verloren hat der Herr Balagueró scheinbar schon. Schade drum.
#492
Geschrieben 27. Dezember 2006, 00:11
USA 1938 Regie: Sam Newfield
Seit ich das erste Mal von diesem legendären Film gelesen habe, standen meine Synapsen auf Empfang. Wenn schon Gimmick- oder Konzept-Filme, dann bitte so. Dramen, in denen nur Frauen mitspielen? Wer's braucht. Thriller mit ausschließlich Afro-Amerikanern? Meinetwegen. Ein Western-Musical, in dem ausschließlich Kleinwüchsige mitspielen? That’s more like it! Ist man nach den ersten zehn Minuten eher etwas angenervt von dem Konzept, die Kleinwüchsigen als drollig und putzig erscheinen zu lassen, wird man langsam in diese Welt der Zwerge hineingezogen und bekommt dadurch einen anderen Blick auf unsere. Sie haben kleinere Pferde, aber Salontüren, Kontrabässe oder Kutschen z.B. haben die normale Größe. Die Ponies waren wohl im Budget noch drin, aber für andere Sets oder Props hats wohl nicht gereicht. Der Bösewicht hatte wohl auch höchstens eine Stunde Reit-Unterricht, läuft sein Pferd doch meist anderswohin, als es für die Kamera vorteilhaft ist. Nein, es ist kein Film mit lauter komischen Elementen, die gibt es hier noch separat, z.B. den deutschen Koch Otto und seine Ente Fritz. (Charles/Karl Becker, gebürtig aus Muschenheim.) Zum Ende hin erliegt der Verfremdungseffekt dann doch ein wenig, bekommt man doch eine zwar spannende, aber doch recht konventionelle Westernhandlung geboten incl. Romeo und Julia-Subplot. Dazu 5 Songs in 60 Minuten. Außer Billy Curtis, der noch bis in die 80er Jahre aktiv war, traten die meisten anderen Darsteller ein Jahr später nur noch als "Munchkins" im Wizard of Oz auf, über dessen Dreharbeiten auch schon ganze Bibliotheken gefüllt worden sind. Produzent Jed Buell wollte zwar noch einen Paul Bunyan-Film mit noch viel mehr Kleinwüchsigen drehen, aus dem wurde aber nichts, stattdessen gabs dann Harlem on the Prairie, der erste All-Black-Western. Terror of Tiny Town blieb somit lange Zeit der einzige Film seiner Art, bis 1970 der Herzog kam.
#493
Geschrieben 28. Dezember 2006, 00:27
GB 2004 Regie: Richard Ayoade
Beileibe kein schlechtes Konzept: Eine Horrorserie aus den 80ern, die den damals Verantwortlichen ein zu heißes Eisen war und (außer in Peru) nie ausgestrahlt wurde, wird jetzt endlich auf die Menschheit losgelassen, begleitet von Kommentaren des Schöpfers, des Produzenten und der Darsteller, die es überlebt haben. Garth Marenghi vereint alle Klischees des 80er Jahre-Horror-Bestseller-Autors, ist vollkommen von seiner Genialität überzeugt und hat einen Stil, der einen dazu verleitet, mit der Kniescheibe mehrmals auf die Stirn zu stoßen. (Oder andersherum.) Der Vorspann ist ganz große Kunst (und sollte irgendwo auf youtube zu finden sein), die einzelnen Episoden geraten aber gewollt-auf-billig-getrimmt teilweise etwas zu albern und langatmig. Großartig jedoch "Scotch Mist", in der Nebel und Geister aus den Highlands das Krankenhaus heimsuchen, weil sich Dr. Dagless einst in Glasgow über einen in der Mitte noch gefrorenen Cheeseburger beschwerte. Oder "Skipper, the Eye-Child", wo die unglaublichsten Zusammenhänge und Geschehnisse eher beiläufig erwähnt werden (Sentimentale Rückblende über Dr. Dagless' Sohn: "He was half boy, half grasshopper. He never had a chance"). Durchaus kurzweilige Comedy mit dem Herz am rechten Fleck, aber auch potentiellen Abnutzungserscheinungen. Warum man diesen Spoof jetzt auch unbedingt in einem Krankenhaus spielen lassen muß, was viele Parallelen zu Lars von Triers weit überlegener Serie Riget/Geister zuläßt, will mir auch nicht ganz in den Kopf, da hätte es doch zahlreiche andere Möglichkeiten gegeben. Nichtsdestotrotz, für einmal kucken gibt es genügend Spaß. Und den Vorspann könnte ich auch noch viel öfter ansehen, da besteht Suchtgefahr.
#494
Geschrieben 29. Dezember 2006, 00:44
Brasilien 1990 Regie: Fauzi Mansur
“I don’t believe that you want our company to sponsor some bullshit like that.” Meta-Dialogzeile
Der Vorspann ist ja schon mal faszinierend: Billigste Wischblenden und ein schlimmer Popsong. Mit der Beleuchtung hat man sich wenig Mühe gegeben und der Einsatz der Nebelmaschine macht auch den Eindruck, da hätte ein Bekiffter drangesessen. Das stümperhafte US-Dubbing macht die Sache bestimmt nicht qualitativ hochwertiger, aber die meisten Schauspieler sind auch dann beschissen, wenn sie nichts sagen. Die Montage ist auch recht katastrophal und ich hatte mich schon gefreut, endlich mal wieder einen Film zu sehen, an dem überhaupt nichts stimmt, da kam dann eine doch relativ gutaussehende Sequenz mit einem Pärchen, das sich in der Badewanne mit einem Ziegenkopf einreibt. Worum geht's überhaupt?
Brad, Mickey und Carol klauen auf Anregung von Schöngeist Jim (in Wirklichkeit der Lieblingsneffe eines untoten Kultführers) für ein Theaterstück ein wertvolles Manuskript mit Ritualen, was der alte Bibliothekar gar schröcklich findet. Um ein paar Indianer oder Ägypter (das Todesritual des Titels wurde von beiden benutzt, nur zu unterschiedlichen Zwecken!) um eine angebundene Blondine tanzen zu lassen, braucht man natürlich eine entsprechende literarische Vorlage, so was kann leicht unglaubwürdig herüberkommen. Doch einer unser jugendlichen Theatermenschen hat beim untoten Kultführer wohl einen Stein im Brad und nimmt gar unangenehme Veränderungen an sich wahr.
Die meiste Sorgfalt ging wohl bei den Spezialeffekten drauf, denn als Brad träumt, er würde mit Hilfe eines Eiterpickels seine halbe Gesichtshaut abziehen, um darunten grünen Glibber vorzufinden, sieht das schon recht anständig aus. Auch die folgenden, nicht eben knappen Mordszenen gehen in Ordnung, und die Mädels sind auch nett anzuschauen. Die engl. Sprecherin der Ex-Prostituierten-Tänzerin ist allerdings eher enervierend. Sie ist aber auch bald tot. Warum nach dem Erdolchen noch ein Eisenbahnrad über ihren Körper läuft, habe ich nicht kapiert. Das muß da noch irgendwo herumgelegen haben. Ich weiß auch nicht, ob alle brasilianischen Studentinnen unten ohne Bilder aufhängen, vielleicht tragen sie aber auch String-Tangas, war so genau nicht zu erkennen. Die Sängerin vom schlimmen Pop-Song beim Vorspann versucht beim schlimmeren Popsong während des Abspanns, ein paar Heavy Metal-Schreie einzubinden. Es fällt trotzdem schwer, das für Rockmusik zu halten. Wie es zugegebenermaßen auch ein wenig schwerfällt, diesen Splatter-Schinken überhaupt irgendwie ernst zu nehmen. Hmm, als Regisseur hätte ich eher einen Jungspund vermutet, nicht einen 49jährigen, der bereits in den siebziger Jahren "Pornochanchadas" (brasilianische Sex-Komödien, die gerade soviel zeigten, wie die Generäle erlaubten) gedreht hat. Er hat im selben Jahr noch einen weiteren Horrorfilm gedreht, der hier auch schon in den Startlöchern steht. Wahrscheinlich verweilt er dort aber noch ein wenig länger.
#495
Geschrieben 30. Dezember 2006, 01:33
Spanien 2006 Regie: Álex de la Iglesia
Keine schlechte Idee, die Horror-Serie des Altmeisters Ibáñez-Serrador wiederzubeleben und mit jüngeren Regisseuren in kurzer Spielfilmlänge umzusetzen. Bei den vier bislang Gesichteten war auch keine Niete dabei, aber dieser hier hat mir am besten gefallen. Auf Iglesias erneuten Vorstoß ins Horrorgenre nach El Día de la Bestia war ich eh besonders gespannt. Und es hat sich gelohnt: Gewürzt mit dem vom Regisseur gewohnten Humor und Skurrilitäten bekommt man hier eine originelle, vielschichtige Old School-Horrorgeschichte geliefert, die wie eine Geistergeschichte anfängt, aber dann noch einen Schritt weitergeht. Ein junges Elternpaar richtet sich gerade in einem neuen Haus ein, als sie plötzlich per Babyfon mitbekommen, daß ihr Baby ohne Grund zu lachen beginnt. Kurz darauf gibt es auch merkwürdige Stimmen zu hören...
Gern gesehene Darsteller wie die leckere Leonor Watling oder Sancho Gracia in einer Nebenrolle und ein prima Ende runden das Ganze ab. Fein, fein! Die verbleibenden zwei Beiträge zur Serie werden zweifellos auch recht bald in meinem Player landen.
#496
Geschrieben 31. Dezember 2006, 02:08
Italien 1996 Regie: Pupi Avati
Hmm, schade, daß ich kein italienisch kann, denn so ist mir einiges aus diesem Film verborgen geblieben. Ein Seminarist sucht im 16. Jahrhundert einen einsiedlerischen Ex-Priester auf und ist über dessen Bibliothek nicht schlecht erstaunt. (Bücher bis unter die Decke ist man ja gewohnt – wenn diese Decke aber über 20 Meter hoch ist, ist das schon was anderes.) Allerdings scheint sich Monsignore nun der schwarzen Magie zugewandt zu haben und es dauert nicht lange, bis seltsame Erscheinungen ihr Unwesen treiben...
Ähnlich wie der feine Dove comincia la notte, für den Avati das Drehbuch geschrieben hatte, ein sehr zurückhaltender Film, der sich hauptsächlich um Stimmung und Atmosphäre kümmert. Daß der Regisseur dies mit prächtigen Bildern – sowohl vom Inneren der Burg als auch der Seenlandschaft drumrum – erreichen kann, sollte denjenigen klar sein, die schon mal einen Film von ihm gesehen haben. Der Score von Pino Donaggio trägt dann auch seinen Teil zur Atmosphäre bei, genau wie Carlo Cecchi als finsterer Okkultist, der in manchen Momenten an eine extrem grimmige Ausführung von Vincent Price erinnert. Da ich den Dialog nicht verstehen konnte, fehlten mir für die teilweise sehr gänsehautigen Erscheinungen und das scheinbar ambivalente Ende etwas die Erklärungen und die dialoglastigen Szenen waren etwas ermüdend, aber egal: Hat auch so Freude bereitet.
#497
Geschrieben 06. Januar 2007, 02:13
GB / Niederlande 1974 Regie: Alexander "Sandy" Whitelaw
Amsterdam – Die Stadt, in der fast alles aussieht wie ein erigiertes Glied.
Nein, Moment, ich fang noch mal von vorne an.
Amsterdam – Grachten, Meisjes, Touristen. Interesssant, daß der Regisseur in Venedig geboren ist und für seinen ersten Spielfilm das "Venedig des Nordens" als Handlungsort aussuchte. Eine ähnliche Stellung, wie in Venedig einst die Dogen einnahmen, nehmen in Amsterdam jetzt die Drogen ein. (1) Der junge amerikanische Wissenschaftler Ben Land kommt in diese wunderliche Stadt, um an einer Konferenz teilzunehmen und einem Kollegen zu helfen. Doch am nächtsten Tag baumelt dieser schon an der Zimmerdecke. Ben versucht, die Geheimnisse um den Selbstmord zu lüften und ist fasziniert von den Forschungsergebnissen des Kollegen, der in Sachen Unsterblichkeit einen großen Schritt vorwärts gemacht zu haben scheint...
Trotz seines Themas ist das vorliegende Werk hier eher existenzialistisches Drama denn ein Science Fiction- oder Horror-Film. Ein paar Genre-Versatzstücke sind freilich drin: Kinski als böser Schweizer Kapitalist und eine ungemütliche nächtliche Exhumierung auf dem Friedhof zum Beispiel. Es gelingt dem ganzen jedoch sehr gut, einen an der Stange zu halten – das liegt vor allem an den Locations, die für eine passende elegische Stimmung genutzt werden oder wie das Anne Frank-Museum auch weitere Perspektiven der Handlung eröffnen. Die Off-Stimme wird zwar ein wenig zu dominant eingesetzt, aber dafür gibt es noch einen höchst originellen Score und ein ungewöhnliches Ende. Ein interessanter, leiser, eigenwilliger Film.
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(1) Um den Unterschied noch mal genau zu erklären und den äußerst bescheidenen Witz zu Tode zu reiten: Dogenmütze ≠ Drogenmütze
#498
Geschrieben 07. Januar 2007, 02:09
Japan 1969 Regie: Koji Wakamatsu
Ein Student kehrt verletzt von einer Demonstration nach Hause zurück, nur um dort wieder Streit mit seinem Bruder zu bekommen. Der Bruder, selbst Polizist, reagiert auf die Ansichten, Argumente und Beleidigungen indem er auf ihn einprügelt. Seine Frau möchte dem deutlich unterlegenen Studenten helfen und erschießt dabei ihren Mann. Zusammen begeben sich die beiden auf die Flucht in eine ländliche Gegend am Meer...
Obwohl hier die bekannten Stilmittel wiederkehren und vom Regisseur teilweise verfeinert wurden, wirkt das Ergebnis dann doch ein wenig zu glatt (für seine Verhältnisse), wozu auch der eher konventionelle Liebes-Drama-Plot beiträgt. Zu den Elementen pinku und Politik gesellen sich aber zahlreiche feine Momente, vor allem die Szenen im Schnee sind visuell betörend und mit einem effektiv irritierenden Score unterlegt. Das Ende bietet eine in diesem Falle eher zurückhaltene Eruption der Gewalt, die aber nicht minder bitter schmeckt. Guter Film, hinterließ bei mir aber nicht so einen starken Eindruck wie die bislang gesichteten Wakamatsus.
#499
Geschrieben 14. Januar 2007, 02:59
Mexiko 1972 Regie: Alberto Mariscal
Basierend auf einer Radio-Serie, wurde Kaliman in den sechziger Jahren eins der meistgelesenen Comics Lateinamerikas. Der Held trägt weiße Klamotten mit einem roten K auf Turban und Gürtel. In dieser ersten Verfilmung versucht er in Ägypten Außerirdische aufzustöbern. Dabei kommt ihm eine Mumie und ein deutscher Grabräuber in die Quere. Erich von Krauss sagt oft "verdammt", hat hübsche Schweißflecken auf dem Hemd und einen extrem behaarten Kerkermeister. Gespielt wird er von keinem geringeren als dem Regisseur Chano Urueta. Kaliman ist Mestize, hat beachtliche Titten und tötet nicht. Zu seinen Kräften zählen hier: Plötzliche Sonnenfinsternis hervorrufen, Massenhypnose, sich tot stellen, laut seinen Namen rufen und mit dunkler Gesichtsschminke herumlaufen. Begleitet wird er von einem kleinen Waisenjungen. Die Mumie, so stellt sich heraus, wurde von einem außerirdischen Gehirn in einem Glas, welches sich in einem verborgenen Raum einer Pyramide befindet, ferngesteuert. Der Deutsche versinkt in Treibsand, "Verdammte Pharaonen!" ausrufend. Ist auch gemein, so nah am Schatz fiese Fallen aufzustellen.
Nu ja. Der Film hatte ein für mexikanische Verhältnisse riesiges Budget und das ist wohl sein Hauptproblem. Das sieht alles viel zu glatt und sauber aus und lässt ein wenig Innovation und Spannung vermissen. Verspricht die Story zwar einiges an Amüsement, wird dieses durch zu viele Dialoge und konventionelle Subplots verwässert. Einziges Highlight ist der Deutsche, der in der Comic-Vorlage wohl noch ein waschechter Nazi war, hier aber trotz des zeitgenössischen Settings eher preußisch herummonokelt. Interessant auch, daß nicht nur die Amis, sondern auch die Mexikaner "Schweinehund" für eins der faszinierendsten Wörter der deutschen Sprache halten. Obwohl die Darsteller durchaus anständig sind, möchte man Hauptdarsteller Jeff Cooper allerdings schon recht bald das Dauergrinsen aus der Fresse hauen.
#500
Geschrieben 14. Januar 2007, 16:12
USA 1963 Regie: Maury Dexter
Ein Architekten-Ehepaar soll ein riesiges, entlegenes Anwesen ausmessen, um das sich zahlreiche merkwürdige Geschichten ranken. In der Nacht kommt es dann auch zu seltsamen Vorkommnissen...
Hmpf, schade. Der Film hat eine prächtige s/w-scope-Fotografie, einige höchst gruselige Momente, aber leider eine extrem unbefriedigende Auflösung. Langeweile gibt’s bei der guten Stunde Laufzeit zwar keine, und neben Richard Kiel auch zahlreiche interessante Nebendarsteller, aber das enttäuschende Ende hat mir den Rest dann doch irgendwie versaut. Da wäre einiges mehr drin gewesen.
#501
Geschrieben 20. Januar 2007, 01:23
Niederlande 1963 Regie: Fons Rademakers
Henk "Hennie" Ducker lebt ein recht apathisches Leben im von den Nazis besetzten Holland: Sein Zigarren- und Fotoladen läuft nicht besonders gut, seine Mutter scheint immer irrsinniger zu werden und seine Frau beschimpft ihn eigentlich nur noch. Zu allem Überfluß hat sie auch noch eine Affäre mit dem Nachbarn Turlings, der den Deutschen in den Arsch kriecht. Als Ducker jedoch eines nachts aus dem Fenster schaut, sieht er hinter seinem Haus einen Fallschirmspringer landen: Es ist der britische Geheimagent Dorbeck, bis auf die Haarfarbe ein komplettes Ebenbild seiner selbst. Dieser erteilt ihm direkt einen Auftrag und bald findet sich Henk in der Rolle des Widerstandskämpfers wieder, der auch nicht davor zurückschreckt, Frauen zu ermorden, wenn es der Sache dient...
Ich war ja recht erstaunt, daß dieser Film in den Niederlanden auf DVD erschienen ist, war ich doch in letzter Zeit eher zufällig zweimal auf seine Existenz gestoßen – einmal als Verfilmung von W.F. Hermans’ Roman "De Donkere Kamer van Damocles" und dann als Film von Fons Rademakers, der ja auch als Schauspieler tätig war, z.B. in Lifespan. Die Scheibe läßt auch nichts zu wünschen übrig mit zahlreichen Untertiteln, auch für den Audiokommentar. Diesen werde ich mir wohl auch mal anhören, gibt es vielleicht näheres zu der Geschichte, daß der Film lange Zeit von Brauereibesitzer Freddy Heineken aus dem Verkehr gezogen wurde, weil er die Hauptdarstellerin geheiratet hatte. (Sowas scheint öfter vorzukommen.) Aber auch sonst dürfte es Interessantes zu vernehmen geben, bietet der Film doch so einiges: Bis zum Schluß hält er gekonnt die Schwebe zwischen Agentenfilm, politischer Parabel und Psycho-Thriller – ich persönlich hätte mir mit dem Doppelgänger-Motiv einhergehend mehr Phantastisches gewünscht, aber enttäuschend ist der Film keineswegs: Eine kaum zum Ruhepunkt kommende Geschichte, gekleidet in feine Scope-Bilder vom Nouvelle Vague-Knipser Raoul Coutard und mit einem effektiven Score unterlegt, dazu hervorragende Darsteller und Locations, die trostloser wirken als das, was man meistens aus diesem Land zu sehen bekommt. Hat sich gelohnt.
#502
Geschrieben 21. Januar 2007, 01:41
USA 1957 Regie: Boris Petroff
John Carradine wird sauer, wenn er in seiner abgelegenen Klink Patienten bekommt, die noch Verwandte haben. Tor Johnson heißt wieder mal "Lobo". Aha, der Doktor hat eine neue Drüse entwickelt, die der Menschheit Unsterblichkeit und ewige Jugend schenken soll. Dummerweise gingen aber die bisherigen Experimente schief, die Versuchsobjekte wurden entweder zu apathischen Zombies, tragen Gehirnschäden davon oder bekommen eine Schrumpelhaut. Ein mutmaßlicher Mörder und das suizidale Love Interest (Allison Hayes, im selben Jahr ungemein verführerisch in Cormans innovativem The Undead, ein Jahr später dann das "50 Foot Woman") merken bald, daß in dieser Klinik nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Doch das wahre Grauen soll die Polizei erst viel später entdecken...
Der Film ist nicht ganz ohne Schnitzer. So spielt Carradine seinen Gästen/Patienten vor dem Abendessen die Toccata auf der Orgel vor, als er damit fertig ist, stapft Lobo in den Raum "Time fo’ go to bed", und die Patienten wandern brav auf ihre Zimmer, ohne daß die überhaupt gegessen haben. Carradine als Dr. Drüsentrieb, äh, Dr. Conway ist klasse, und es wird einem schmerzhaft bewußt, daß die Filmindustrie den Mann in viel zu viele undankbare Rollen gesteckt hat. Die neue Drüse sieht aus wie eine kleine Kackwurst. Nun, der Film ist weder richtig gruselig noch eine Oase unfreiwilliger Komik, aber wenn man solchen Stoff mag (wie ich - aber das brauch ich wohl nicht mehr extra zu erwähnen) kommt man durchaus auf seine Kosten und wird bestens unterhalten.
#503
Geschrieben 27. Januar 2007, 01:18
Hong Kong 1982 Regie: Zhao Li
Ein junger Mann kommt sich vor wie Hamlet: Erscheint ihm doch der Geist seines ermordeten Vaters, der um Rache bittet. Dazu muß er in die Stadt, in der man die Toten skalpiert. Dort herrscht der skrupellose Kam, den ein Zauberer mit Blut aus frischen Herzen bespuckt. Die Herzen müssen einem jungen Paar während dem Orgasmus entrissen werden, sonst taugt das ganze Gerotze nicht dazu, Kam unbesiegbar zu machen. Der Magier kann sich beim Kämpfen dank schwarzer Magie stroboskopisch vervierfachen. Unser Held übernachtet in einer Gruft mit Hüpfe-Vampiren. Nachdem all das passiert ist, sind gerade mal 30 Minuten vergangen. Zwischen dem Geschilderten gab's natürlich auch noch eine Menge Gekloppe.
Unser junger Freund hatte vorher ein "Buch der Magie" gefunden und setzt die Hüpf-Vampire für seine Sache ein. Der böse Magier setzt dem zwei Geister mit großen Hüten und langen Zungen entgegen. Hurra, grüne Spots! Geblitze! Geblutze! Geblatze! Die Zungenhüte sind bald kaputt, da ruft der Magierarsch mit einem Bündel entflammender Geldscheine Graf Dracula zu Hilfe! Pardon für die vielen Ausrufezeichen! Ich kann nicht anders! Der Film zwingt mich dazu! So! Da! Harr! Harr!
Die lokalen Vampire sind von diesem Gastarbeiter eher weniger angetan, der soll sich "um seinen eigenen Kram kümmern", raunen sie ihm zu. Oh Schreck, gegen diesen Blutsauger hilft aber das magische Buch nicht! Das Kreuz ist auch schnell kaputt! Aber ein paar Knoblauchzehen, genau auf den Mann geworfen, erledigen dann den Job. Sie explodieren sogar. Wir sind erst bei Minute 40 und halten kurz ein, um erneut ein Ausrufezeichen zu setzen!
Anschließend auf dem Friedhof laut zu fragen, daß Papa ihm ein Zeichen geben soll, wo er denn genau begraben liegt, war dann eine weniger gute Idee, denn die Toten wollen alle da weg und strecken ihre Hände aus der Erde. Wie gut, daß Papa sechs Finger hatte und demzufolge leicht zu erkennen ist. Es wird eine Falle für den bösen Magier aufgestellt, doch der erweist sich als zäher Brocken: Selbst junge Mädchen, die weiße Waschlappen auf ihn werfen, setzen ihn nur kurz außer Kontrolle. Ah, ihn zu dritt zu einem blutigen Bündel zusammenzutreten hilft aber, auch wenn des Magiers letzte Worte solches Verhalten unfair finden. Mit dem Zauberer aus dem Weg möchte dann auch der Rest der Dorfes mit Kam abrechnen. Der Rest der Friedhofsbewohner auch. Mit ihnen kommen dann auch wieder die grünen Spots, Geblitze, Geblutze und Geblatze. Der Bösewicht überlebt die Nacht zwar, doch am nächsten Morgen entdeckt unser Held, daß er wohl nicht genügend mit Blut berotzt wurde, denn er hat Achillestitten.
Hui. All zu viel hatte ich von dem Film nicht erwartet, tu ich mich doch mit haufenweise Kung Fu am Stück manchmal etwas schwer. Hier wird aber ordentlich Gas gegeben und auch wenn zum Ende hin die übernatürlichen Elemente leider etwas abnehmen, kommt kaum Langeweile auf. Dazu ist das Ganze ein viel zu irrer Genrebastard, mit sympathischen Übertreibungen Marke Hong Kong und genügend Momenten, die einen staunend hinterlassen. Man fühlt sich wie ein Fleisch gewordenes Ausrufezeichen! ! ! ! Und hier noch eins: !
#504
Geschrieben 30. Januar 2007, 23:28
Schweden 2004 Regie: Mikael Håfström
Gibt's eigentlich so viele Leute, die auf diese immer gleichen Teenie-Slasher stehen? Oder warum werden immer wieder welche produziert? Nun, da es so viele Genre-Produktionen aus diesem Herkunftsland nicht gibt, er gerade im Fernsehen lief, und aus der Geistergeschichten-Ausgangssituation evtl. was anständiges gemacht werden könnte, habe ich ihn mir gestern mal angeguckt. Vielleicht ist's ja für ein paar gruselige Momente gut, aber Fehlanzeige, denn statt Geistern (die in letzter Zeit vielleicht auch etwas überstrapaziert wurden, aber zuweilen noch recht anständige Ergebnisse erzielen) gibt's den üblichen irrer Mörder-Schmu. Plot, Inszenierung und Optik sind so nach Schema F, daß es fast schon weh tut, hier war nichts zu sehen, was man nicht schon gefühlte tausende Mal gesehen hat, alles 08/15, keinerlei Originalität oder Überraschungen. Das einzige divergierende Moment mag die beinah dreißigjährige Hauptdarstellerin sein, die man hier mal rotzfrech als Internatsschülerin präsentierte. Aber ich bezweifle, daß das ein gewolltes Verfremdungselement gewesen ist, war wohl eher etwas blödes Casting.
#505
Geschrieben 03. Februar 2007, 01:56
Belgien / Niederlande 1973 Regie: Fons Rademakers
Sechs junge Männer brechen in das Haus eines Juweliers ein und vergewaltigen vor dessen Augen seine Frau. Seine Ermittlungen führen den unkonventionellen Inspektor nach Bloemendaal, einen Villen-Vorort von Amsterdam. In dieser dekadenten Umgebung scheint sich ein hedonistischer Kult zusammengefunden zu haben, der sich hinter Tiernamen versteckt...
Hurra, ein holländischer Giallo mit ein paar anderen Spritzern des europäischen Kinos, z.B. der Anti-Besitzbürgertum-Haltung von Chabrol. Glaubwürdige Darsteller in einer spannenden Geschichte, untermalt von einem eingängigen, von Bläsern dominierten Score. Der Schlagzeuger klingt, als bekäme er jeden Moment einen Herzinfarkt. Der sympathische Inspektor verliebt sich in eine Hure und will mit ihr zusammenziehen. Die Orgien sind mit Verve inszeniert. Viel mehr kann man eigentlich nicht verlangen.
Ein Wort noch zu niederländischen DVDs:
Die Bedenklichkeits-Symbole bei der Altersbeschränkung (hier Sex und ein fluchendes Männlein, bei den Druppels die Spinne für Horror und die Faust für Action/Gewalt - einen Link zur Gesamtübersicht konnte ich leider nicht finden) sind international verständliche Genre-Zuweisungen und wirken wie Empfehlungen. Es ist ein dämonisches Land.
#506
Geschrieben 04. Februar 2007, 01:39
USA 1964 Regie: Jerry Warren
Eigentlich:
Mexiko/USA 1957/1960/1964 Regie: Gilberto Martínez Solares/Rafael Portillo/Jerry Warren
Kann man im Internet eigentlich irgendwo Hypnosemaschinen bestellen? Ich brauch so ein Ding! (Notiz an mich: Unternehmen gründen, www.hypnosemaschinen.de )* Ah, die Pyramiden von Yucatán! Unter Einfluß einer Hypnosemaschine sieht eine junge Dame sich sie emporsteigen, offenbar als Menschenopfer der Azteken oder Mayas. Die Gelehrten staunen nicht schlecht, als sie später in einer der Pyramiden den mummifizierten Lon Chaney Jr. vorfinden! Die ambitionierten Wissenschaftler stecken ihn flugs in eine Zentrifuge (Hurra!), allerdings ohne brauchbare Ergebnisse. Der beste Platz, eine Mumie aufzubewahren, ist natürlich das Wachsfigurenkabinett. Ah, als die Mumie erwacht, ist es Vollmond. Was Lon Chaney Jr. an irgendwas erinnert und pelzig durch die Gegend ziehen lässt. Nebenbei gibt es aber noch eine "echte" aztekische Mumie ohne Gringo-Beteiligung, und auch diese richtet einen sympathischen Haufen Unheil an.
Als Editor ist Jerry Warren eine ähnliche Katastrophe wie als Regisseur. Kaum ein Übergang will ihm richtig gelingen. Die Stilsicherheit der hier verbratenen Sequenzen aus den mexikanischen Filmen La Momia Azteca und La Casa del terror reißt es aber noch raus. Die letzte Werwolf-Mädchen-Chase-Scene ist zwar ein bißchen cheesy, mag aber an der unpassenden Big Band-Begleitung liegen. Sie ist zumindest noch besser als die neuen amerikanischen Einfügeszenen von Nachrichtensprechern und Detektiven, die in irgendwelchen Zimmern von Jerry Warrens Ranch äußerst statisch und unglaubwürdig Texte ablesen. Die Maya-Tänze ziehen sich auch etwas in die Länge. Besser als Apocalypto ist der Film aber bestimmt.
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#507
Geschrieben 10. Februar 2007, 16:09
USA 2006 Regie: Darren Lynn Bousman
Na, hoffentlich kommt nicht auch noch ein vierter Teil. Waren die ersten beiden noch leidlich unterhaltsam, wenn auch stilistisch unterbemittelt und zuweilen nervig, geht einem das Getue außerhalb der Gadgets und dem Gekröse hier gründlich am Arsch vorbei. Uninteressante Figuren, die einem einfach nur egal sind, ein Plot, der in Rückblenden zu Tode erklärt wird – das schon von Anfang an nicht besonders fruchtbare Konzept wird hier erfolgreich zu Tode geritten. Langweilig.
#508
Geschrieben 11. Februar 2007, 00:14
Italien 1962 Regie: Roberto Mauri
"Primitiver Grusel." (Filmdienst)
"Prima Genrefilm." (Ich)
"Popoficken Gratis." (Inschrift auf einer Toilettentür)
Walter Brandi ist hier ausnahmsweise nicht der Vampir, sondern der frisch verheiratete Wolfgang. Den Blutsauger gibt der spätere Tatort-Kommissar Dieter Eppler. Die Hauptdarstellerin Graziella Granata macht ihrem Namen alle Ehre und wird schon in der 17.Minute gebissen. Durch die Blässe der Hausherrin besorgt, schickt der Hausarzt den Ehegatten zu einem Spezialisten in Wien: Dr. Nietzsche. ("Zum ersten Mal: Vampire und Nietzsche in einem Film!" wäre ein guter Spruch für ein Wiederaufführungs-Plakat.) Dieser klärt ihn über die Gefahren des Vampirismus auf und möchte die blutsaugende Brut so schnell wie möglich vom Antlitz der Erde tilgen. Die Unterredung dauert allerdings etwas zu lang, ist Wolfgangs Angetraute doch schon kalt und steif, als er wieder nach Hause kommt...
Der Film hat definitiv das ein oder andere Defizit, so ist Eppler etwas übertrieben geschminkt und auch der Score übertreibt bei melodramatisch-romantischen Szenen ein wenig. Bei den unheimlichen Sequenzen ist die Musik dann wiederum große Klasse und geht, wie in vielen italienischen Filmen, mit einer exzellenten Kameraführung einher. Diese Qualitäten kann auch das eher schlampige US-Dubbing nicht versauen, und es würde mich mal interessieren, ob der Van Helsing in der deutschen Fassung auch Nietzsche geheißen und in Wien gewohnt hat.
#509
Geschrieben 11. Februar 2007, 21:42
USA 1973 Regie: Denis Sanders
In einer kalifornischen Kleinstadt werden immer mehr männliche Leichen gefunden, die offensichtlich während des Geschlechtsverkehrs einen Herzstillstand erlitten haben. Die Autorität vor Ort kann es sich nicht so recht erklären und vermutet eine neue Geschlechtskrankheit. Doch die tatsächliche Ursache des Übels scheint viel phantastischer zu sein und mit einer Bienenkönigin zusammenzuhängen...
Das erste verfilmte Drehbuch von Nicholas Meyer macht in der Tat sehr viel Spaß. Wenn auch der Plot im Verlauf des Films ein paar eher hirnrissige Pfade betritt, so ist er zumindest origineller als das 08/15-Wiedergekäue, das einem die meisten Hollywood-Genrefilme heutzutage bieten. Der häufige Einsatz von ansehnlichen Brüsten und der Klang der Wah-Wah-Pedale ist auch über jede Kritik erhaben. Und es finden sich sogar ein paar Momente, die visuell durchaus eindrucksvoll sind, wie die von Bienen übersäte Puppe. In Sachen Unterhaltung gibt es hier jedenfalls nichts zu meckern.
#510
Geschrieben 14. Februar 2007, 00:28
Rußland 2005 Regie: Ilja Khrjanovsky
In einer Moskauer Bar treffen sich nachts drei sich fremde Menschen. Alle geben vor, jemand anderes zu sein, als sie tatsächlich sind: Der skrupellose Fleisch-Großhändler gibt sich für einen Mitarbeiter des Präsidenten aus, die Hure als ein Werbe-Model von neuen japanischen Erfindungen, und der Klavierstimmer für einen Genetiker, der den anderen von den seit 50 Jahren in Rußland lebenden Klonen berichtet. Er erzählt die längste Geschichte, u.a. auch von den abgelegenen Dörfern, die eigens für die vereinzelt mißlungenen Experimente erschaffen wurden. Am nächsten Tag erfährt die Frau vom Tode ihrer Schwester und reist zurück in ihr Heimatdorf, in dem fast nur noch alte Frauen wohnen.
Im zweiten Teil verliert der Film leider etwas vom Tempo und Abwechslungsreichtum der ersten Hälfte, er bleibt aber eine intensive Erfahrung. Es tut gut, mal wieder eine ungewöhnliche, unverbrauchte Art des Filmemachens begutachten zu können. Das verantwortliche Team schert sich einen Dreck um Konventionen und will möglichst brachial und dreckig herüberkommen. Das gelingt, ohne daß es bemüht oder gewollt künstlich erscheint, die Dialoge, die Kameraführung und der tolle Industrial-Score ergänzen sich hervorragend und ergeben ein einheitliches Bild. Überhaupt ist die Ton-Mischung exzellent und gäbe auch komplett ein gutes Album ab. Die Straßenhund-Metaphern erinnern an Bulgakow. Ansonsten entgeht mir als Nicht-Russen aber wohl einiges an Anspielungen und Bedeutungen. (In Rußland ist der Film von der Kritik scheinbar nicht besonders gut aufgenommen worden, aber das könnte wohl auch an den Problemen mit der Pressefreiheit liegen, die dort scheinbar immer noch/schon wieder auftreten.) Und man sieht mal wieder, was für einen Vorteil es bringt, wenn ein richtiger Schriftsteller für das Drehbuch verantwortlich ist, noch dazu einer, der hochgradig eigenständige und originelle Ideen hat. Vladimir Sorokins Humor ist zwar auch hier und da auszumachen (vor allem im Running Gag mit den runden Ferkeln), einen lustigen Film würde das aber sicher niemand nennen. Trotz der Originalität des Drehbuchs fand ich aber die Dialogfreien Sequenzen besonders stark: Meist sieht man einen der drei Protagonisten in Bewegung. Vor allem Marinas Reise ins Dorf ist fabelhaft: Im Zug sitzt sie in einem Abteil mit einer Familie, die unentwegt frißt – ganze Fische, Eier und anderen wohlriechenden Kram – man kann sich vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man mit einem Kater direkt daneben sitzt. (Wobei mir aufgefallen ist, daß mit der Abschaffung von Abteilen bei der deutschen Bahn eine Menge der Intimität dieser Art des Reisens flöten geht – meistens zum Vorteil, aber irgendwie schade drum ist es schon.) Das abgelegene Dorf wird zu einer Horrorfilm-Location, ein dem Verfall preisgegebenes House of Usher hinter elektrischem Stacheldraht von Militär-Übungsplätzen. Überspitzt scheint es aber nur die katastrophale Rückständigkeit einiger Gegenden im ländlichen Rußland zu reflektieren, die nur noch mit einer großen täglichen Dosis Selbstgebrannten zu ertragen ist. Selbst die Mamutschkas feiern hier Orgien, die eine willkommene Abwechslung zum Tagesablauf (Brot kauen, um aus der Paste Puppen zu formen – die einzige Finanzquelle des gesamten Dorfes) bieten. Vielleicht wurde dem Dorf in der zweiten Hälfte des Films zu viel Raum geschenkt – ich hätte gerne noch etwas mehr von den ebenso keineswegs uninteressanten anderen beiden Protagonisten gesehen – aber übrig bleibt immer noch ein beeindruckender, origineller, kompromißloser Preßlufthammer von einem Film.
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