Der Monroe ihre dicken Hupen
#631
Geschrieben 08. Januar 2007, 16:41
Steven Seagal ist Harlan Banks, ein ehemaliger Dieb, der seiner Geliebten Besserung gelobt hat und dann auch prompt bei dem Versuch, sein Geld ehrlich zu verdienen, Opfer eines Komplotts wird. So findet sich Harlan im Knast wieder, wo er sich mit dem Anführer der Schwarzengang Ice Kool (Naughty by Nature's Treach) anfreundet und mit diesem ausbricht, um den Drahtzieher hinter der Intrige zu stellen.
Als Seagalfilm muss man TODAY YOU DIE ja bescheinigen, dass er mal was Neues versucht. Dabei scheitert er dann aber nicht weniger kläglich als die anderen DTV-Filmchen, die unsere Kampfwurst in den letzten Jahren in schöner Regelmäßigkeit raushaut. Man fragt sich beim Gucken unweigerlich, wie man sich bei einem Film amüsieren soll, der trotz seiner beknackten Handlung, seines nur noch lächerlichen Hauptdarstellers (und dessen überpräsenten Doubles) und der grotesken Brutalität so wirkt, als hätten alle Beteiligten eine Überdosis Valium intus gehabt. Was in TODAY YOU DIE passiert – und das ist nicht wenig, das kann man weiß Gott nicht sagen – ist einfach so dermaßen scheißegal, dass man dieses Werk fast schon wieder bewundern muss. Warum kann nicht mal jemand einen Seagalfilm machen, der verstanden hat, worum es bei diesem Mann geht? Stattdessen wird man mit Seagalscher Pärchenromantik gequält, die schmerzhaft unglaubwürdig ist. Der reichlich teigig gewordene Star hält seine gut zwanzig Jahre jüngere Geliebte so emphatisch m Arm als sei sie ein Sack Kartoffeln und redet mit ihr in gewohnt väterlichem Ton. Naja, dafür gönnt man ihm und seinen Fans ein paar ganz lustige Dialogzeilen, die in der deutschen Synchro gleich nochmal so gut rüberkommen und in Verbindung mit der alles andere als friedliebenden Gesinnung des Helden reichlich zwiespältig anmuten. Der Knüller – darauf bin ich noch gar nicht eingegangen – ist in Seagals Spätwerk aber seine Frisur, die eigentlich schon einen eigenen Crediteintrag verdient hat: Für den ehemaligen, geleckten Pferdeschwanz reicht es wohl nicht mehr, deshalb trägt der Gute einen Spoiler schamhaarig-fransiger Konsistenz im Nacken herum, der mehr als einmal den Eindruck erweckt, es handle sich dabei nicht um seine Haare, sondern um eine verkehrt herum sitzende Baseballcap mit Pelzschirm. Erstaunlich auch, dass sich immer wieder richtige Schauspieler in diese filmischen Totgeburten verirren: Hier sind Nick Mancuso und Kevin Tighe mit von der Partie und machen böse Miene zum bösen Spiel. Ob der Regisseur (und hauptberuflicher Kameramann, immerhin u. a. TERMINATOR 2), ein gewisser Don E. FauntLeRoy, mit dem gleichnamigen kleinen Lord aus dem schmalzigen Weihnachtsfilm verwandt ist, ließ sich leider in der Kürze der Zeit nicht eruieren. Die Tatsache, dass er sich nicht lumpen ließ und mit MERCENARY OF JUSTICE gleich noch einen Seagalfilm ähnlichen Kalibers einholzte, lässt aber zumindest auf eine verwandte gutgläubige Neigung schließen.
#633
Geschrieben 08. Januar 2007, 23:14
Auf einem Schrottplatz haust eine Bande von Pennern unter der Führung des durchgeknallten Vietnamveteranen Bronson (Vic Noto) und das ausgerissene Bruderpärchen Fred und Kevin. Ihren Alk besorgen sich die Heimatlosen aus einem nahe gelegenen Schnapsladen, dessen findiger Besitzer eine Kiste uralten Fusels aus dem Keller zerrt, den er zu Schleuderpreisen vertickt. Doch das Zeug namens "Viper" hat es in sich: Wer es trinkt, zerfließt in schillernden Regenbogenfarben. Den Schnapstoden geht der toughe Cop Bill (Bruce Chepin) nach und bald kommt es zur finalen Auseinandersetzung auf dem Schrottplatz ...
Mit STREET TRASH verknüpfen mich zarte Bande: Zusammen mit EVIL DEAD war es der erste Splatterfilm, den ich damals, so mit 13, 14 Jahren, zu Gesicht bekam. Die Bildqualität spottete jeder Beschreibung: Farbe war nahezu vollständig abwesend, Konturen waren kaum noch auszumachen und verstanden habe ich auch nix. Aber das war egal, STREET TRASH schockte mich damals gewaltig, begründete aber (mit Raimis Film) auch eine Liebe, die – wie man auch an diesem FTB ablesen kann – bis heute unvermindert anhält. Die heutige Sichtung, die ich leider aufgrund von diversen Hausarbeiten über mehrere Stunden dehnen musste, brachte wieder einmal neue Erkenntnisse. Nicht zuletzt aufgrund der famosen DVD von Synapse, die eine völlig neue Wahrnehmung des Films ermöglicht: So bunt, so grell, so geil habe ich diesen Film noch nie gesehen. Und meine anfängliche Sorge, der Film könnte wie so viele andere ehemalige Lieblingshorrorfilme der ausklingenden Achtziger und frühen Neunziger an Reiz eingebüßt haben, von der Realität und der Gelassenheit des Alters (ähem!) eingeholt worden sein, erwies sich mit zunehmender Laufzeit mehr und mehr als unbegründet. STREET TRASH ist ein absolutes Unikum: Er ist brilliant inszeniert wie kaum ein Film dieser Provenienz, dabei inhaltlich absolut unvergleichlich und eigenständig und außerdem immens vielseitig und abwechslungsreich. Muro und Drehbuchautor Frumkes verbinden auf äußerst geschickte Weise verschiedene (Sub)Genres und sorgen so dafür, dass ihr Film niemals langweilig wird. STREET TRASH ist nicht nur eine schwarze Splatterkomödie, sondern beinhaltet darüber hinaus Elemente des Action- und Endzeitfilms und erinnert darin an so überaus unterschiedliche Filme wie Castellaris RIFFS-Teile, an Carpenters ESCAPE FROM NEW YORK und Michael Winners DEATH WISH 3, ebenso wie an Giovinazzos COMBAT SHOCK. Was den Film aber endgültig zum Gewinner macht, sind die großartigen Performances von eher unbekannten Schauspielern, die hier einen magic moment nach dem anderen abliefern und zitierfähige Dialogzeilen en masse abfeuern. Vor allem die Szenen zwischen James FRANKENHOOKER Dorinz und Tony Darrow (dessen Filmografie nahezu jeden New-York-Mafiafilm der letzten 20 Jahre beinhaltet) sind schlicht und einfach phänomenal.
Betrachtet man nach dem Film noch die zweistündige Dokumentation THE MELTDOWN MEMORIES, in der fast alle Beteiligten 20 Jahre später ausgiebig zu Wort kommen und sämtliche Aspekte des Films von der ersten Idee bis hin zur Rezeption in der Gegenwart abgedeckt werden, zementiert sich der zuvor gewonnene Eindruck: STREET TRASH ist so ein Glücksfall, bei dem einfach jedes Puzzleteilchen an den dafür vorgesehenen Platz fällt, das Ergebnis der Zusammenarbeit von Fanatikern und Filmverrückten, die ihr ganzes Herzblut in die Verwirklichung eines gemeinsamen Traums gelegt haben. Das sieht man und das spürt man. Und das muss man mir jetzt einfach glauben oder es bleiben lassen. Punkt.
#634
Geschrieben 10. Januar 2007, 00:32
Unser menschlicher Landjäger Steven Seagal ist in diesem Film der CIA-Agent () John Seeger. Er ist es gewohnt, von seinen Vorgesetzten in die Hölle geschickt zu werden, um sein Leben zu riskieren. Seine Einsätze haben jedoch, wie das anscheinend im Geheimdienst so übrlich ist, selten den vorgegebenen Zweck, sondern dienen meist dazu, den dubiosen Hintermännern die Taschen voll zu machen. Gerade hat sein bester Kumpel sein Leben in einem Kampfeinsatz ausgehaucht. John besucht dessen Frau, drückt ihr einen Bündel Knete in die Hand und sagt ihr, dass er fortan für sie und ihren kleinen Sohn sorgen werde. Ein großer Moment für die Emanzipation! Auch die Leiche ihres Mannes will er in die USA überführen, auf dass sie dort ein vernünftiges Begräbnis erhalte. Und das, wo die arme Ehefrau kurz zuvor noch erwähnte, dass ihr solcher Tand am Allerwertesten vorbeigehe! Doch dann entführt das CIA eben diese Frau und ihren kleinen Sohnemann und zwingt Seeger mal wieder, einen Auftrag ausführen. Aber da haben sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht ...
Auch dieser DTV-Seagal vom FauntLeRoy beinhaltet den Makel, mit dem schon alle seine Vorgänger gestraft waren: eine unübersichtliche Story und völlig ungriffige Charaktere. Das größte Problem ist, wie ich im Rahmen meiner Forschungen festgestellt habe, aber dies: Diese ganzen neuen Seagals bemühen sich in vielerlei Hinsicht um Realismus. Gut, das mag vielleicht immer noch die naive Seagal-Vorstellung von Realismus sein, aber es ist definitiv nicht mehr die comichaft überzogene Bubblegum-Action, die hier zelebriert wird. Diesem Realismus steht dann aber der aufgedunsene Hauptdarsteller gegenüber, der zwar einerseits der toughste Agent überhaupt sein soll, andererseits aber schon gedoubelt werden muss, wenn er nur vom Stuhl aufstehen soll. Da stimmen die Relationen zu keiner Sekunde. Wer glaubt, die neuen Seagals seien zu soft, der könnte sich kaum mehr irren: Zwischendurch habe ich mich wirklich fast geekelt vor diesem Film. Der Body Count ist immens, alle Nase lang werden Leute weggepustet, die nur zu diesem Zweck in Bild laufen. Und das sind eben nicht die überdimensionierten Bad Guys oder deren Schergen wie in den Achtzigern, sondern zum Teil ganz normale Leute, die der Steven mit Leichenbittermiene umpustet, weil er ja im Dienste der "guten Sache" – man beachte den Titel – unterwegs ist. Und das wird völlig spaßfrei dargeboten, es gibt niemals die Möglichkeit, über das Geschehen herzhaft zu lachen, wie das bei einem FIRST BLOOD PART II, INVASION U.S.A. oder eben einem OUT FOR JUSTICE jederzeit möglich ist.
Trotz dieser Mängel ist MERCENARY FOR JUSTICE todsterbenslangweilig: zu gut gemacht für anständigen Trash, zu mies für einen echten Film. Genau ein Moment ließ mich aufblicken, eben einen Moment für Seagalologisten, in dem uns der Meister erklärt, warum er nur einen Gesichtsausdruck drauf hat: Wenn man Mordaufträge erhält, dann bekommt man mit der Zeit den Blick einer Statue, sagt er und bleibt dabei todernst. Ein wirklich großartiger selbstreflexiver Moment, vor allem auch deshalb, weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass man ihn dem Seagal untergeschoben hat, ohne dass er es begriffen hätte. Ansonsten ist MERCENARY FOR JUSTICE einfach nur beschissen. Er erreicht noch nicht mal das Niveau eines schwächeren Frühseagals wie etwa HARD TO KILL auch nur annähernd. Das Einzige, was MERCENARY ein bisschen Achtzigerluft schnuppern lässt, ist die Besetzung von CIA-Fiesling Jack Dresham mit dem Ex-Bros-Sänger Luke Goss. Und auch dieser Besetzungscoup unterstreicht letztlich nur mein vernichtendes Urteil. Demnächst gibt es wahrscheinlich das bayrische Cowgirl Nicki als Ersatz für Kelly LeBrock. Man darf gespannt sein.
#636
Geschrieben 11. Januar 2007, 02:11
Der CIA-Mann Jonathan Cold (Steven Seagal) ist nach den Ereignissen vor sechs Jahren (siehe THE FOREIGNER) von der Bildfläche verschwunden. Als er wieder auftaucht, scheint er die Seiten gewechselt zu haben, denn er befreit für Geld einen Waffenhändler, der mit seinem Bruder Baupläne und Material für eine Atombombe beschaffen will, um diese dann an russische Terroristen zu verhökern. Diese Terroristen werden wiederum von Colds Schülerin, der CIA-Agentin Amanda Stewart (Tamara Davies) beschattet, die es kaum glauben kann, ihrem Lehrer, den sie verständlicherweise für einen Verräter hält, wieder zu begegnen. Doch Cold hat mitnichten die Seiten gewechselt: Sein Auftrag ist lediglich so geheim, dass selbst beim CIA kaum einer davon weiß. Und zusammen mit der Agentin macht er sich nun daran, den Atombombenanschlag zu verhindern ...
Nach UNDER SIEGE 2: DARK TERRITORY gibt es mal wieder ein Sequel vom Seagal, ein Seaqual sozusagen, und es trägt auch noch einen sehr ähnlich klingenden Untertitel. Nach den verheerend miesen SUBMERGED und MERCENARY FOR JUSTICE möchte ich diesem Film dann auch wieder bescheinigen, zumindest ansehbar zu sein. THE FOREIGNER: BLACK DAWN verzichtet auf nervige Schnittgewitter, Computergefrickel, Wackelkamera und Highspeed-Shutter-Orgien, ist eher unterkühlt inszeniert. Ja, fast möchte ich da das Vorhandensein eines Stils konstatieren. Wie schon der erste Teil ist auch die Fortsetzung trist und grau und illustriert damit das finstere Treiben der Geheimdienste recht angemessen. Doch man muss die Kirche im Dorf lassen: THE FOREIGNER: BLACK DAWN kann seinen DTV-Ursprung zu keiner Sekunde verbergen, ist teilweise – und hier unterscheidet er sich dann wieder eher unangenehm von den oben genannten Rohrkrepierern – erschreckend billig. Eine Szene, in der Seagal und Davies auf einem fahrenden Truck rumturnen, schockiert mit ultramiesen Repros, die man so zuletzt in den Fünfziger-Jahren in der Heckscheibe von diversen Filmautos ablaufen ließ. Und der Programmierer, der die Atombomben-CGIs am Schluss zu verantworten hat, hat sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Mannomann, sieht das scheiße aus! So wie auch der Seagal selbst, auch wenn man ihm hier wenigstens mal wieder eine annehmbare Frisur verpasst hat. Sein Double sieht ihm aber trotzdem nicht für fünf Cent ähnlich.
Die größte Stärke von THE FOREIGNER: BLACK DAWN liegt in seiner endlich mal wieder einigermaßen nachvollziehbaren Handlung, die zudem recht gelungen aufgebaut ist und den Zuschauer nicht schon in den ersten fünf Minuten mit 35 Plottwists hoffnungslos überfordert. Richtig spannend ist aber auch dieser Seagal mal wieder nicht geworden und Actionszenen sind sowieso Mangelware. Pros und Kontras halten sich schön die Waage, sodass der Seagal-Apologet sich an die wenigen Momente klammern muss, in denen der Mann an seinem Privatmythos weiterstrickt. Sein Film-Ich ist nicht nur Martial-Arts-Experte, sondern vielseitig wie er ist natürlich auch Atombombenfachmann. Und am Ende bemüht er sich auch mal wieder, seine Liebhaberqualitäten in den Vordergrund zu stellen, was aber wie immer kläglich scheitert und hier ganz besonders aufgesetzt wirkt. Es hat einfach immer etwas extrem schmierig-chauvinistisches wenn er über Sex redet. Ekelhaft! Der eine, große Moment, für den man als Fan aber auch diesen Film gesehen haben muss, kommt schon nach 10 Minuten. Der befreite Waffenschieber fragt den mopsigen CIA-Agenten Cold: "Sagt ihnen der Name "fat boy" irgendwas?" Und der Blick des aufgedunsenen Helden lässt keinen anderen Schluss zu, als dass er diese Frage durchaus als Beleidigung auffasst.
#637
Geschrieben 11. Januar 2007, 11:55
Steven Seagal ist Jack Foster ein – tärääää! – CIA-Agent, der sich eigentlich zur Ruhe gesetzt hat. Seine ehemaligen Kontakte will er noch nichtmal mehr zum Steuern Sparen in Anspruch nehmen, doch dann wird sein Tochter entführt. Terroristen wollen einen biologischen Kampfstoff haben und Foster ist irgendwie in die Beschaffung involviert. Eine lustige Hatz durch das preiswerte Bukarest beginnt.
SHADOW MAN steht inszenatorisch und inhaltlich irgendwo zwischen den FOREIGNER-Filmen und Seagals Schnittgurken MERCENARY FOR JUSTICE und SUBMERGED. Der Ton ist ähnlich unterkühlt wie die erstgenannten, insgesamt sieht aber alles ein bisschen besser aus. Auch die Story ist halbwegs nachvollziehbar, aber leider lässt das Interesse ungefähr zur Hälfte der Spieldauer merklich nach. Bis dahin ist SHADOW MAN sogar recht rasant und bietet wieder etwas mehr Action und Gekloppe als etwa THE FOREIGNER: BLACK DAWN. Insgesamt also eines der gelungeneren Werke seines Spätwerks, vor allem weil es zahlreiche tolle Seagalmomente gibt. Das geht gleich am Anfang los, wenn Seagal einigen Asiaten in einem Dojo was vom Chi erzählt, Melonen platzen lässt und einen Schüler zu Demonstrationzwecken quer durch den Raum in die Wand boxt. Wenig später gibt es eine seiner berüchtigten Liebesszenen und endlich trägt er auch mal wieder eine tolle Jacke. Gerade im Jackenbereich ließen seine letzten Filme ja deutlich zu wünschen übrig, aber mit der sandfarbenen Wildlederjoppe macht er hier verlorenen Boden gut. In der wenig später folgenden Verfolgungsjagd wurde mir außerdem erneut bewusst, dass ich Seagal den Autofahrer nie so ganz abnehme. Heute sowieso nicht mehr, wenn man weiß, dass extra die Sitze rausgerissen werden mussten, damit sein kolossal angeschwollener Körper überhaupt hinter das Steuer passt, das in seinen mächtigen Pranken aussieht wie eine Lakritzbrezel. Aber auch früher schon schien mir Autofahren immer viel zu profan für den Esoterikbolzen: Warum sollte er ein Auto lenken, wenn er sich doch wahrscheinlich per Gedankenkraft überall hinmorphen kann? Eben. Seine ausgefeilte Pistolentechnik muss ich ein anderes Mal genauer unter die Lupe nehmen, die ist auch hier wieder fulminant.
Natürlich bringt er als Schattenmann reihenweise Menschen um die Ecke, einem kloppt er einem gar mit einem Schlag beide Augen aus. Seine weiche Seite erhält etwas mehr Raum als sonst: Einmal trägt er eine Brille (!), er hat zwei (ZWEI!) Liebesszenen (in der zweiten sagt er zu der glücklichen Partnerin: "I see your heart" – brrrr!) und ganz am Ende schenkt er seiner hässlichen Tochter sogar ein Pferd. Passend dazu schließt SHADOW MAN dann auch mit einem Standbild vom breit grinsenden Seagal, seine Augen zwischen gigantischen Speckwülsten verschwunden. Ja, SHADOW MAN ist schon ganz ordentlich, wenn man weiß, worauf man achten muss. Das absolute Highlight war für mich aber eindeutig der Schurke, der sich mit einer Pistole bis auf einen Meter unbemerkt an Seagal anschleicht (völlig unnötig, denn an diesem Mann mit den Ausmaßen eines Kaufhauses kann man doch gar nicht vorbeischießen), nur um sich dann von ihm abknallen zu lassen. Selten dämlich, aber vielleicht wurde er ja auch von Seagals Double abgelenkt, das ihm mal wieder kein Stück ähnlich sieht. Wer weiß, ob der nächste Seagalkracher dieses Niveau halten kann? Der Meister hat auf diese Frage eine passende Antwort: "It ain't over till the wolf howls." Und da hat er einfach mal Recht.
#638
Geschrieben 11. Januar 2007, 17:13
Brenda (Rita Tushingham), eine junge, in sich zurückgezogene Frau, lebt mit ihrer überprotektiven Mutter in einer typischen Arbeitersiedlung in Liverpool. In selbst erfundenen Märchen träumt sie sich in die Rolle einer Prinzessin auf der Suche nach dem Prinzen, der ihr das ersehnte Kind schenkt. Diesen Prinzen beschließt sie eines Tages auf eigenen Faust zu suchen: Sie erzählt ihrer Mutter, sie sei schwanger und begibt sich auf den Weg ins swingin' London. Zwischen all den modernen, attraktiven und hippen Menschen fühlt sich Brenda einsamer als zuvor. Bis sie dem hübschen Peter (Shane Briant) begegnet, dem lang gesuchten Traumprinzen. Doch Peter hat ein dunkles Geheimnis ...
STRAIGHT ON TILL MORNING ist ein eher untypischer Film der Hammer Studios. Zwar gehen neben den berühmten gothic horrors durchaus auch einige Thriller auf ihr Konto, doch um den thrill geht es bei Peter Collinsons Film nur ganz am Rande, auch wenn er meist als Vertreter dieses Genres angepriesen wird. Viel eher ist STRAIGHT ON TILL MORNING aber als Psychodrama anzusehen. Es geht um zwei tief verstörte Menschen, deren unterschiedliche Disposition sie schließlich zueinander führt. Hier trägt Collinsons Film deutlich tragische Züge: Die romantische Vorstellung von Liebe als ein Füreinander-Bestimmt-Sein nimmt bald albtraumhafte Züge an. Die Psychosen seiner Protagonisten ergänzen sich tatsächlich perfekt und bringen so Ereignisse in Gang, die nicht mehr aufzuhalten sind. Brendas Unsicherheit äußert sich in einem Rückzug in sich selbst, Peter hingegen, der Schönling, der immer auf seine Oberfläche reduziert wurde, wendet seinen Selbsthass aggressiv nach außen. Er ist ein Serienkiller, der unter dem Zwang steht, alles Schöne zu vernichten. Die eher spröde Brenda braucht demnach nichts von ihm zu befürchten, doch das normale Leben mit Kind und Kegel ist mit Peter natürlich nicht möglich. So muss es dann am Ende zur Katastrophe kommen, die bei Collinson aber nur der logische Endpunkt seiner Geschichte ist. Langsam, aber unaufhaltsam lässt er seine Figuren in ihr Schicksal rennen, das sich schon lange vorher abzeichnet. Die wahre Identität seiner männlichen Hauptfigur gibt er direkt zu Beginn preis und fördert dessen Störung in zahlreichen kurzen Rückblenden zutage. So erzeugt Collinson eher Mitleid für seine Figuren, für die es keinen Platz in der Welt zu geben scheint. Und auch wenn nur einer von beiden überleben kann: Opfer sind sie beide. Ein Film von eiskalter Präzision, der mit der ein oder anderen Straffung sicherlich noch besser geworden wäre.
#639
Geschrieben 12. Januar 2007, 21:00
An diesem Film ist eigentlich alles misslungen: Das an sich ja schon bescheuerte Vorhaben, die Vorgeschichte des Kettensägenclans zu erzählen und damit das schon spannungslose Remake noch einmal beträchtlich zu unterbieten, wird bereits nach fünf Minuten ad acta gelegt und führt wirklich zu gar nichts. TCM:TB ist ein stinknormales, absolut unterdurchschnittliches Sequel, das sich zudem einer peinlichen Zeigewut verschrieben hat. Dabei waren es doch gerade der Verzicht, die Auslassungen, die Sprachlosigkeit, die Hoopers Original zu dem Meisterwerk des Horrorfilms machten, das es nun einmal ist. Solche Subtilität kann man sich natürlich nur erlauben, wenn man auch etwas zu erzählen hat. Ist das – so wie hier – nicht der Fall, muss man halt ordentlich Schmiere benutzen, auf dass dem Zuschauer die Leere nicht auffalle. Und Schmiere gibt es reichlich. Auch wenn es statt Blümchenranken, zwitschernden Piepmätzen, grasenden Schimmeln und Zuckerguss vor allem Blut, Dreck, Rotz und Staub sind, die es dem Regisseur Liebesman angetan haben und in deren Abbildung er sich in diesem Film suhlt, gibt es ein Wort, dass den kompletten Film ziemlich zutreffend umschreibt: Kitsch. Ständig gibt es noch ein Bild des Verfalls und des Todes, das eingefangen wird, bis man sich regelrecht bevormundet fühlt. "Los, ekle dich! Habe Angst!" schreit es einem von der Leinwand entgegen, allein: Es funktioniert einfach nicht. Zumal sich die Effekthascherei auf formaler Ebene zu einer erzählerischen Plumpheit gesellt. Das Drehbuch holt auch den letzten im Remake noch irgendwo zwischen den Zeilen verborgenen Subtext gnadenlos an die Oberfläche. Was Drehbuchautor und Regisseur wahrscheinlich als Beleg für ihren großen Intellekt halten, ist eine absolute kreative Bankrotterklärung. Es gibt keinen einzigen eigenen Einfall, stattdessen wird lediglich alles expliziert, was in Hoopers Original schon offensichtlich war, auch ohne dass er es in riesengroßen Lettern ausformuliert hätte. Jetzt begreift es auch der letzte Depp, dass TCM als zorniger Kommentar zum Vietnamkrieg zu begreifen ist. Und das Letzte, was an diesem Film vielleicht noch halbwegs interessant gewesen wäre, nämlich seine blutigen Effekte, ist in der deutschen Fassung vollständig getilgt: In dieser Version ist der Film nicht mehr als ein Torso, der verdächtig an die zahlreichen Leichen erinnert, die im Keller der Familie Hewitt verrotten. Aber Moment: Wenn ich es mir richtig überlege, ist das eigentlich sogar recht konsequent ...
#640
Geschrieben 13. Januar 2007, 12:59
Blanche (Barbara Harris) verdient sich ihr kleines Geld damit, für alternde Damen Kontakt zu deren verstorbenen Ehemännern herzustellen. Ihre Gabe ist aber weniger telepathischer Natur, sondern eher schauspielerisch begründet. Von der greisen Julia Rainbird erhält sie den mit 10.000 Dollar dotierten Auftrag,ihren letzten Verwandten, einen Neffen, aufzutreiben. Für diese Detektivarbeit ist ihr Geliebter, der Taxifahrer George (Bruce Dern) zuständig, der sich auf die Spur des Verschollenen macht. Bald hat er einen Namen: Eddie Shoebridge, der einst seinen Tod vortäuschte und seitdem verschwunden ist. Was George noch nicht weiß: Eddie Shoebridge nennt sich mittlerweile Arthur Adamson (William Devane), arbeitet als Juwelier und macht sich die Taschen nebenbei damit voll, dass er gemeinsam mit seiner Frau Fran (Karen Black) reiche Leute entführt. Und natürlich bekommen die bald Wind davon, dass sie jemand sucht ...
Hitchcocks letzter Film ist eine wunderbare Komödie, ein clever konstruierter Detektiv- und nebenbei wohl auch ein optimaler und definitiver Pärchenfilm und das gleich in doppelter Hinsicht: Nicht nur kann man FAMILY PLOT super mit der Frau/Freundin gucken, es geht letzten Endes um unterschiedliche Pärchenkonstrukte. Im Grunde verschreibt sich FAMILY PLOT ganz der Strategie der Duplizierung und Parallelisierung: Der Fokus richtet sich mal auf Blanche und George, folgt dann wieder Arthur und Fran und entwickelt zwei ganz unterschiedliche Beziehungen. Während hier Blanche die treibende Kraft ist, der es immer wieder gelingt, den wenig begeisterten George mit ihren Ideen und ihrem Eifer anzustecken, ist es dort Fran, die für Arthur die Handarbeit verrichten muss, während dieser die Fäden im Hintergrund zieht. Und zwischen diesen beiden Pärchen entsteht bald eine immense Spannung, die sich vor allem daraus speist, dass das Hitchcocksche Prinzip der Suspense verdoppelt wird: Der Zuschauer weiß, wem George und Blanche auf der Spur sind, Arthur und Fran wissen, dass ihnen jemand auf der Spur ist, aber nicht, warum, und George und Blanche wissen gar nichts. Das alles wird vom Altmeister wunderbar leichtfüßig und humorvoll dargeboten, unterstützt von den allesamt brilliant aufspielenden Hauptdarstellern. Brilliant fand ich auch das Ende, in dem Hitchcock in einem völlig unerwarteten Moment den Fokus wechselt und eines der beiden Pärchen absolut unvermittelt aus dem Film ausschließt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
#641
Geschrieben 13. Januar 2007, 14:56
#642
Geschrieben 14. Januar 2007, 10:54
George Roundy (Warren Beatty) ist ein Schönheits-Junkie. Als Friseur nicht die schlechteste Voraussetzung dafür, einen guten Job zu machen. Deshalb ist er auch einer der gefragtesten Hairstylisten von Beverly Hills, frisiert die reichen, schönen und vor allem gelangweilten Damen, die ihn dann auch für andere Dienste in Anspruch nehmen. Seine Freundin Jill (Goldie Hawn) weiß von Georges wüstem Treiben nichts, ärgert sich aber darüber, dass mit ihm keine Familienplanung, kein Fortschritt möglich scheint. Als George den reichen Lester (Jack Warden) auf Anraten von dessen Frau Felicia (Lee Grant), die er selbst auch ganz gern mal vernascht, um einen Kredit für den eigenen Salon anpumpen will, begegnet ihm dort Jackie (Julie Christie), Lesters Geliebte, die George ebenfalls kennt und regelmäßig besteigt. Lester ahnt von alldem nichts und so kommt es auf einer Party in der Nacht der Präsidentschaftswahl, auf der alle Protagonisten anwesend sind, zu einigen peinlichen Enthüllungen, die das Leben aller entscheidend verändern.
In SHAMPOO geht es um nichts anderes als um Spiegelbilder und den schönen Glanz der Oberflächen. Alle Figuren sind damit beschäftigt, den richtigen Eindruck auf andere zu machen, selbst gut weg zu kommen, und dabei möglichst wenig von sich zu offenbaren. George kann einfach nicht "Nein" sagen, vögelt alles, was sich ihm in den Weg legt und kommt deshalb weder privat noch beruflich auch nur einen Schritt vorwärts. Und Lester gibt sich auf seiner Fundraiser-Party zur Wahl vollends der Peinlichkeit preis, weil er aus reiner Eitelkeit Frau und Geliebte um sich versammelt. Richtig hart trifft es aber nur George, der am Ende des Tages Farbe bekennen muss und alles verliert. Hal Ashby inszenierte die bittere Gesellschaftskomödie nach einem Drehbuch von New-Hollywood-Ikone Robert Towne und wenn man sich den Film so ansieht, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass dieser eine Ahnung hatte, was der letzten goldenen Ära des US-Films wenige Jahre später endgültig das Genick brechen sollte. Das gilt auch für Warren Beatty, selbst eine maßgebliche Figur im New Hollywood, der als George Roundy eine überspitzte Version seines eigenen Images zum Besten gibt. SHAMPOO ist ein unglaublich guter, aber in seiner gleichnishaften Verkürzung irgendwie auch merkwürdiger Film: Es mutet einfach komisch an, einen promisken und hedonistischen Friseur zum Protagonisten eines solchen Films und zum Repräsentanten gesellschaftlicher Missstände zu machen, zumal SHAMPOO erst in zweiter Linie lustig ist. Heute würde man aus diesem Stoff allerhöchstens noch eine klamaukige Komödie machen, hier ist aber echte Filmkunst angesagt.
#643
Geschrieben 14. Januar 2007, 11:12
Das Städtchen Pleasant Valley lockt per geschickter Umleitung sechs Touristen in ihr Städtchen und macht sie zu Ehrengästen für ihre Jubiläumsfeier. Die Auskunft, worum es bei diesem Jubiläum geht, wird aber beharrlich verweigert. Und wenig später werden die Gäste dann vom gesamten Dorf auf äußerst kreative und fachgrechte Art und Weise verhackstückt.
Nach SHAMPOO ist TWO THOUSAND MANIACS von Herschell Gordon Lewis ein ziemliches Kontrastprogramm. Der Film ist quietschbunt, vollgestopft mit mäßig talentierten Schauspielern und technischen Unzulänglichkeiten, lautem Humor, feinstem Südstaaten-Drawl und fadenscheinigen Goreeffekten, die mit massig knatschrotem Kunstblut zugeschüttet werden. Trotz der Laufzeit von 86 Minuten zieht sich TWO THOUSAND MANIACS wie ein Kaugummi, weil Lewis es leider versäumt hat, seinem Film auch nur die Spur einer Dramaturgie zu spendieren. So schleppt sich der Film von einem Mord zu nächsten und weil es dennoch nur vier an der Zahl sind, wird die Zeit dazwischen eben ziemlich lang. Lediglich das tolle Ende bietet einen echten Überraschungseffekt, der aber beinahe untergeht, weil Lewis es schlicht und einfach nicht versteht, Pointen richtig zu setzen. Aber das soll keineswegs ein Verriss sein: Man weiß schließlich, worauf man sich einlässt, wenn man einen Film des Godfathers of Gore einwirft. Und dem naiven Charme des bunten Treibens kann man sich dann auch kaum entziehen. Den schieren Irrsinn eines BLOOD FEAST erreicht Lewis mit TWO THOUSAND MANIACS aber leider zu keiner Sekunde.
#644
Geschrieben 14. Januar 2007, 17:14
Die junge fantasievolle Sarah (Jennifer Connelly) wird von ihren Eltern ständig zum Babysitten ihres kleinen Bruders Toby verdonnert. Eines Abends reißt ihr der Geduldsfaden und wünscht sich, dass die Goblins ihren Bruder holen mögen. Als dies tatsächlich passiert, ist sie allerdings nicht mehr so begeistert. Der König der Goblins (David Bowie) gibt ihr 13 Stunden, um Toby zu retten. Doch erst muss sie das gigantische Labyrinth durchqueren ...
1986 war LABYRINTH für den Zehnjährigen, der ich damals war, eine absolute Kino-Pflichtveranstaltung. Doch ich erinnere mich noch genau daran, wie ich aus dem mittlerweile zum Varieté-Theater umfunktionierten Savoy in Düsseldorf kam (ein Kino, in dem ich so viele prägende Erlebnisse hatte und in dem ich kurz bevor es 2000 seine Leinwand für immer abbaute immerhin noch Jim Jarmuschs GHOST DOG sehen durfte), und etwas enttäuscht war. Ziemlich erstaunlich, denn das, was mir damals missfiel, konnte ich zwar nicht so genau benennen, aber es ist genau das, was ich auch heute noch als Schwachpunkt empfinde. Zunächst aber zum Positiven: Monty Pythons Terry Jones hat seinen typischen Humor für LABYRINTH kindgerecht aufbereitet und sich gleichzeitig von Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" inspirieren lassen. Das Labyrinth ist eine Manifestation zahlreicher ethischer Dilemmas, logischer Rätsel, philosophischer Fragestellungen und optischer Täuschungen. Da verwundert es dann nicht, dass das Ende geradewegs in ein Gemälde von M. C. Escher zu führen scheint, zumal der Künstler mit einem Bild in Sarahs Zimmer verewigt ist. Jones' Ideen werden von Jim Henson und seinem Effektshop wunderbar umgesetzt: Die Figuren – so anachronistisch sie heute anmuten mögen – stecken voller Liebe, Leben und Charakter und die Settings und Bauten, allen voran die Goblinstadt, sind einfach traumhaft. Demgegenüber – und jetzt komme ich zu den oben erwähnten Mängeln – stehen David Bowie und seine Musik, die eine volle Ladung Achtziger-Chic in diesen Film bringen, die so gar nicht zum Rest passen will, denn die steril produzierten Songs mit ihrem unerträglichen Synthiesound ruinieren viel von der lebendigen Atmosphäre des Films. Ich gebe zu, noch nie ein Bowie-Fan gewesen zu sein und gerade seine Achtziger-Songs gingen mir schon damals meilenweit am Arsch vorbei, heute wirken die Musical-Einlagen aber völlig veraltet. Und wenn das Chamäleon dann mit seinen Spandexhosen, der Tuckenfrisur und der Sackprotese zwischen den ganzen tollen Hensonpuppen herumstakst, geht der zeitlose Charme von Hensons Film mächtig flöten. Dennoch ist LABYRINTH ein feiner Fantasyfilm für Junggebliebene, wie er heute einfach nicht mehr gemacht wird. Ein sonniger Sonntagnachmittag ist demnach der ideale Zeitpunkt für diesen Film, der einem außerdem den diebischen Spaß gönnt, am Ende über die ergriffen schluchzende Herzensdame zu schmunzeln.
#645
Geschrieben 14. Januar 2007, 20:05
Im Empire ist die Kacke am Dampfen: 11 zur Raumfahrt ausgebildete Elitesoldaten lösen sich bei Fallschirmsprung-Manövern buchstäblich in Luft auf, nur die unbemannten Fallschirme segeln zu Boden. Die Militärs sind ratlos und schaltet den smarten Frauenhelden Bob Megan (Patrich Allen) ein. Und der kommt außerirdischem Treiben auf die Schliche.
An THE BODY STEALERS wird schmerzhaft deutlich, dass ein zu niedriges Budget statt trashigem Spaß manchmal einfach nur bodenlose Langeweile nach sich ziehen kann. In Gerry Levys (unter anderem fungierte er als Production Manager für solche Erfolgsfilme wie GORILLAS IN THE MIST, GANDHI, OCTOPUSSY oder OUT OF AFRICA) für die beständig kurz vor dem Bankrott stehenden Tigon Studios eingekurbeltem Film passiert wirklich rein gar nichts. Der Anfang wird noch hübsch mit bei einer großen Flugshow gefilmtem Material aufgemotzt, danach ergeht sich die einfältige Alien-Abduction-Story in zahllosen Dialogszenen, die zu rein gar nichts führen. Während vergleichbare Sci-Fi-B-Movies wenigstens mit missratenen Effekten oder Schauspielern in Gummikostümen aufwarten, versucht THE BODY STEALERS sich noch nicht einmal daran, so etwas wie einen Schauwert zu bieten. Ständig ist man um Seriösität bemüht, sodass sich auch Szenen unfreiwilligen Humors sehr sparsam über die Laufzeit von 85 Minuten verteilen. Für einige Lacher sorgt lediglich das schmierige Stalkerverhalten des Helden, der alles angräbt, was zwei Brüste sein eigen nennt, die völlig irrsinnige Auflösung des Ganzen – die Außerirdischen des Planeten Mygon (eine eloquente Anspielung an den Vietnamkrieg?) sind von der Pest bedroht und brauchen die Menschen, um ihren Planeten neu zu bevölkern – und die Alien-Braut Lorna, die ständig unangekündigt vom Erdboden verschwindet, wenn ihr Macker Bob mal nicht hinguckt. Hinterher, wenn Bobs Kumpel Jim der mysteriösen Dame auf die Schliche kommt, rennt sie aber merkwürdigerweise weg und versteckt sich hinter einem Baum, anstatt wie sonst den Verschwindibus zu machen. Verstehe doch einer die Weiber! Eigentlich gibt es keinen Grund, sich heute diesen Krempel überhaupt noch anzusehen, weil es so viele interessantere, lustigere und spannendere Filme aus diesem Genre gibt. Wenn man aber mal das Bedürfnis nach so einem richtig langweiligen Scheißfilm hat, dann ist THE BODY STEALERS kaum zu toppen. In Deutschland ist der Film in den Achtzigern auf Video unter dem knalligen Titel ALIEN INVASION herausgebracht worden, lustigerweise mit dem "Cannon"-Gütesiegel und einem reißerischen Cover, dass den eigentlichen Film auch dann noch toppt, wenn man es sich 90 Minuten lang ansieht.
#647
Geschrieben 18. Januar 2007, 14:04
Die bewarzte Kirmeswahrsagerin Madame Estrella (Brett O'Hara) hat zwar keine Leichen im Keller und auch keine Skelette im Wandschrank, dafür aber die Titelkreaturen im Käfig: arglose Kunden, denen sie mithilfe ihres grotesk hässlichen Gehilfen Ortega Säure ins Gesicht gekippt hat. In dieses Etablissement stolpern nacheinander erst eine Tänzerin mit Alkoholproblem (Steckler-Gspusi Carolyn Brandt) und danach Jerry (der Regisseur alias Cash Flagg), ein hedonistischer Tausendsassa, sein Kumpel Harold (Atlas King) und Jerrys Freundin Angela. In Jerry erkennt die sinistre Kirmestrulla das idelae Opfer für ihre Mordpläne: Mithilfe ihrer Schwester Carmalita, die in der Bude nebenan das Tanzbein schwingt, programmieren sie den armen Jerry zum gefährlichen Mörder ...
Steckler Attack! Sein Film (zu deutsch CABARET DER ZOMBIES) darf wohl als einer DER Klassiker des trashigen Drive-in-Kinos der Sechziger betrachtet werden. Nun hat der Zahn der Zeit an dieser Art von Film etwas mehr genagt als an den Pendants aus den Siebzigern: THE INCREDIBLY STRANGE CREATURES wirkt heute ungemein brav mit seinem moralischen Gestus, den keuschen Tanzeinlagen, gezügelten Songs und dem schüchtern eingeworfenen Horroranteil. Zudem muss man einige Geduld aufbringen, denn die Laufzeit von 80 Minuten kommt nicht zuletzt deshalb zustande, weil Steckler ganze 20 Minuten für das Abfilmen der süßen und immens lahmen Musiknummern aufwendet. (Vielleicht sollte man den Film deshalb besser nicht kurz nach dem Aufstehen sehen, vor allem dann nicht, wenn man in der Nacht zuvor ausgiebig mit dem Forenmaskottchen gechattet und sich mit dem Außenseiter den vollen 80s-Soundtrack-Pop-Flash gegeben hat.) Dennoch hat mir Stecklers größter Hit – wie bisher alle seine Filme – gut gefallen und man kommt nicht umhin, hier und da den Anflug inszenatorischen Geschicks auszumachen. Das liegt bestimmt nicht zuletzt daran, dass zwei der ganz Großen des Kamerafachs, László Kovács und Vilmos Zsigmond, hier ihre ersten Sporen verdienten und bereits ihr außergewöhnliches Talent unter Beweis stellen konnten. Gerade die musicaleske Traumsequenz weiß zu begeistern, ebenso wie die Masken. Ja, Stecklers Film sieht richtig gut aus, vor allem, wenn man bedenkt, dass man mit seinem Budget heute wohl nicht mal die Kaffeekasse eines durchschnittlichen Holywoodfilms füllen könnte. Es ist der Geist, der diese Film durchweht, der ihn zu einem Seherlebnis macht: Die bodenlose Naivität des Ganzen, der feste Glaube an die eigene Vision, mit dem Steckler den wirtschaftlichen Tatsachen trotzt. Das nötigt größten Respekt ab und unterscheidet Steckler etwa von seinem Zeitgenossen Al Adamson, der weitaus weniger ambitioniert (aber nicht minder kreativ in seinen Methoden) war.
#648
Geschrieben 18. Januar 2007, 17:53
Der aufrechte und mit einer tollen blonden Haarpracht gesegnete Trucker J. D. (Chuck Norris) überlässt seinem kleinen Bruder den Truck für eine Fuhre, um sich in einer üblen Spelunke mit dem bulligen Kaminski im Armdrücken zu messen. Natürlich gerät der kleene Racker prompt in Schwierigkeiten: Er wird durch das Kaff Texas City geschleust, dort einkassiert und eingebunkert – natürlich, ohne etwas getan zu haben. J. D. macht sich am nächsten Tag auf die Suche nach dem verlorenen Bruder und räumt im Zuge seiner Ermittlungen mit dem ganzen korrupten Nest auf ...
BREAKER! BREAKER! lebt zu allererst von der lustigen Grundidee: Von Backwood-Szenarien mit dreckigen Rednecks kann ich eh nie genug bekommen und der Einfall mit der texanischen Spießerkolonie im doch eher liberalen Kalifornien ist besonders perfide. Diese winzige Stadt, durch deren einzige Straße der Geist von Dodge City weht, ist voll mit unfreundlichen und misstrauischen Schnurrbart- und Speckhemdträgern, denen man im echten Leben nie begegnen möchte. Chef dieser ungebildeten Baggage ist der versoffene Judge Trimmings, der sich in einer bösen Szene auch an Schwester Justitia vergreifen darf. Das erinnert dann ein bisschen an die Gerichtsverhandlung in Pete Walkers britischen Sozial-Horror in HOUSE OF WHIPCORD. Insgesamt krankt Don Hulettes Film aber an seiner arg routinierten Inszenierung und dem schematischen Drehbuch, dass nur wenig Überraschungen birgt. Und da BREAKER! BREAKER! dann auch optisch sehr an die Episode einer Fernsehserie erinnert, wünscht man sich manchmal, man hätte dementsprechend auch etwas überflüssigen Ballast entfernt, anstatt die Chose so mühsam auf Spielfilmlänge zu strecken. Inszenatorische Finesse kommt eigentlich erst im Finalkampf zum Vorschein, der mit seinen Zeitlupenstudien und den Schnitten auf ein um die Zankhähne galoppierendes Pferd ein bisschen an Peckinpah denken lässt.
Sehr lachen musste ich über zwei Kleinigkeiten: Der Zeitrahmen des Films umfasst ca. drei Tage, wobei Chucky am zweiten Tag in Texas City einrollt (mit einem geil prolligen Van mit Weißkopfseeadler-Airbrush). Dort lernt er die neben einem geistig Behinderten einzig freundliche Person des Ortes kennen, eine Kellnerin, die er folgerichtig sofort beschläft und ihr dann am morgen danach befiehlt, ihre Sachen zu packen und mit ihm die Stadt zu verlassen. Was ist es nur, was diese Trucker haben, das ich nicht habe? Die unfreundliche Art aller Einwohner des Kuhdorfs, die J. D. etwa im örtlichen Diner entgegenschlägt und ihn sehr misstrauisch stimmt, hat mich außerdem fatal an die Dienstleistungs-Misere in Deutschland denken lassen. Hier würde man sich über solches Verhalten fast gar nicht mehr aufregen. "Servicewüste Texas City" wäre deshalb ein durchaus denkbarer deutscher Alternativtitel.
#649
Geschrieben 19. Januar 2007, 11:10
Eine Bande von finsteren Gesellen terrorisiert Cee Bee Beaumont (Carolyn Brandt), die Freundin des Rock n' Roll-Superstars Lonnie Lord (Ron Haydock, hier als Vin Saxon gecreditet), der – so erfahren wir vom Voice-over-Kommentator – im letzten Jahr 10 Millionen Platten verkauft hat. Als seine Freundin nach etlichen Drohungen und Angriffen schließlich gekidnappt wird, gibt es für Lonnie und seinen Freund Titus Twimbly (Titus Moede) kein Halten mehr: Sie stürzen in ihre Kostüme und machen sich als Rat Pfink und Boo Boo auf die Jagd, zwei Superhelden im Kampf gegen das Verbrechen. Und kurz vor dem Happy End greift auch noch der entlaufene Gorilla Korga ein ...
Über Ray Dennis Stecklers Kultfilm ließen sich wohl Bücher schreiben, denn das kaum als solches zu bezeichenende Budget (in einem einleitenden Interview auf der DVD sagt Steckler, dass man zu Beginn der Dreharbeiten sage und schreibe 20 Dollar hatte) ist hier die Ausgangsbasis für einen der wohl kreativsten Filme der Filmgeschichte. Die erste Hälfte der rund 66 Minuten ist ziemlich düster: Man wähnt sich in einem frühen Vorläufer der DEATH WISH-Reihe und vermag auch Anklänge an THE THRILL KILLERS zu erkennen, den Steckler zwei Jahre vorher machte. Das düstere Treiben um Stalker und anonyme Anrufer wird lediglich durch einige peppige Songs aus der Feder von Ron Haydock aufgelockert, die im Gegensatz zur den müden Nummern etwa aus WILD GUITAR ordentlich Laune machen. Wenn Cee Bee dann erst einmal entführt ist, schlägt die Stimmung des Films jedoch schlagartig um und aus dem düsteren Thriller wird eine schrille, überdrehte Superhelden-Slapstick-Komödie. Zum Humor des Ganzen trägt neben den absurden selbst gebastelten Heldenkostümen auch die Tatsache bei, dass der ganze Film ohne Ton gedreht und dann nachsynchronisiert wurde – übrigens vom selben Tonmann, der später einige Oscar-Nominierungen einheimsen konnte und für solche Filme wie BLACK RAIN, WATERWORLD oder ARMAGEDDON tätig war. RAT PFINK A BOO BOO zeigt ziemlich deutlich, was man mit Liebe, Hingabe und Kreativität erreichen kann: Die Schwarzweiß-Fotografie (auf der DVD ist der Film auch in einer eingefärbten Version zu sehen) ist traumhaft, die Musik versetzt einen geradewegs in die Zeit der lounge lizards, die Schauspieler sind mit Enthusiasmus bei der Sache und generell fällt mir kein Film ein, der sich mit Stecklers Werk auch nur annähernd vergleichen lässt. Ganz, ganz groß!
#650
Geschrieben 21. Januar 2007, 10:32
Rubber Duck (Kris Kristofferson) ist eine Truckerlegende: Jeder kennt ihn und seine Heldentaten werden in unzähligen Countrysongs besungen. Deswegen würde ihm der nicht minder berüchtigte Sherriff von Natosha, Lyle (Ernest Borgnine), allzu gern ans Bein pissen. Und diese Plan scheint aufzugehen. Er stachelt den bärtigen Landstraßencowboy und seine Kumpels Pig Pen (Burt Young) und Spider Mike (Franklyn Ajaye) per CB-Funk zum Rasen an und verdonnert sie anschließend zu saftigen Bußgeldern. Doch das reicht dem Ordnungshüter noch nicht und so kommt es in einer Raststätte zur großen Keilerei, nach der Rubber Duck und seine Kumpels Flüchtige sind. Und weil sie der Truckergemeinde mit ihren Taten aus der Seele gesprochen haben, befinden sich in ihrem Gefolge bald schon Hunderte weitere LKW. Plötzlich geht es nicht mehr nur um Rubber Duck: Er wird zum Führer einer Sache, die er gar nicht versteht ...
Eigentlich hatte ich nicht mehr erwartet als die volle Dröhnung in Sachen Nostalgie: Ich erinnere mich noch an Grundschultage, an denen jeder, der den Film am Abend zuvor gesehen hatte, mit "Rubber Duck" angesprochen werden wollte. Ich gehörte nicht zum erlauchten Kreis, aber die Erzählungen haben dann auch bei mir Eindruck hinterlassen. Generell verhält es sich mit diesem Film ja so, dass er zu den vernachlässigbaren Filmen Peckinpahs gezählt wird. Dies möchte man nach den ersten Minuten nur allzu gern unterschreiben. Doch für CONVOY gilt dasselbe, was Rubber Duck auch von sich sagt: An der Oberfläche ist es ruhig, aber darunter wird heftig gestrampelt. Und so offenbart das albern anmutende Truckermärchen, das mehr als einmal an SMOKEY AND THE BANDIT erinnert, gefährliche Untiefen. Schon der Moment nach der budspenceresken Prügelei – die nur durch die Musik so spaßig wirkt – will nicht so recht glücklich machen und auch später drängen immer mehr tragische Untertöne in den Vordergrund. Rubber Duck wird dadurch, dass er plötzlich die gesamte Truckerinnung im Nacken hat, zum Anführer wider Willen, den bald die Politik für ihre Zwecke entdeckt. Und für den Helden wird mehr und mehr zur Gewissheit, dass seine Flucht, die ja der Ausgangspunkt für den Convoy war, nicht mehr gelingen kann: Er steht zu sehr unter medialer Beobachtung und trägt längst nicht mehr nur die Verantwortung für sich. Die Welt ist zu komplex für den Mann auf dem Bock geworden, ein Schicksal, dass er mit Peckinpahs alternden Westernhelden teilt. Aber weil CONVOY dann eben weniger ein Autorenwerk, sondern eher ein Auftragsfilm ist (ein Konflikt, aus dem er einen Großteil seiner Spannung bezieht), bremst es ihn zum Finale hin ein bisschen aus. Der Meister hätte sich das Happy End wahrscheinlich gekniffen und den Film vorher beendet. Aber letztlich kann dies dem Film keine bleibenden Schäden zufügen. Fazit: Mit Sicherheit keiner der wichtigen, eh schon kanonischen Peckinpahs, aber ein Film, der die Wiederentdeckung trotzdem lohnt. Außerdem: Nostalgie ist zwar nicht alles, aber der Truckerfilm dürfte trotzdem ruhig ein Revival erleben.
#651
Geschrieben 22. Januar 2007, 13:53
Das Model Alison (Cristina Raines) ist auf der Suche nach einer Wohnung, was sich in New York relativ schwierig gestaltet. Schließlich wird sie fündig, darf sich aber bald schon mit den typischen Fällen von Nachbarschaft herumärgern: Der alte Mr. Chazen (Burgess Meredith) ist zwar überaus höflich, aber eben auch ein bisschen aufdringlich – und vielleicht auch homosexuell? Auch die beiden Damen im Erdgeschoss sind sich einander mehr als freundschaftlich zugeneigt und stellen ihre überquellende Libido gern vor Gästen zur Schau. Der einzige, der sich Alisons Blicken völlig entzieht, ist der Pfarrer Halloran (John Carrdine), der den ganzen Tag aus dem Fenster schaut. So weit, so Alltag. Doch der große Schock stellt sich ein, als Alison sich bei der Vermieterin über nächtliche Ruhestörungen beschweren will: Außer ihr und dem Pfaffen, so die verdutzte Geschäftsfrau, wohne doch seit Jahren niemand mehr in dem Haus ...
Michael Winner, der alte Schlammcatcher, hat ja schon des Öfteren sein Gespür für den skandalträchtigen und medienwirksamen Tritt ins Fettnäpfchen unter Beweis gestellt. Vor allem seine DEATH WISH-Filme lassen einen an der Gesinnung des Herren zweifeln, konnten sich allerhöchstens noch durch die wohlmeinende Unterstellung von gezielter Provokation (im Falle des ersten Rächerfilms) oder aber grotesker Satire (bezgl. Teil 2 und 3) auf halbwegs trockenes Ufer retten. THE SENTINEL ist aber so krachledern konservativ, dass es eine wahre Wonne ist und nur wenig zu beschönigen lässt. Die Hölle, die in der zweiten Hälfte ihre Pforten öffnet, ist mit grotesk entstellten Menschen bevölkert, die Winner von tatsächlich Behinderten spielen ließ. Das ist ziemlich shocking und verfehlt seine Wirkung nicht. Richtig fragwürdig wird es aber meiner Meinung nach, wenn Winner sich darüber auslässt, was einen Menschen denn so verdammenswert macht: Alle Höllenbewohner sind entweder homosexuell oder aber zumindest extrem promisk veranlagt und auch ein unschuldiger jugendlicher Selbstmordversuch macht einen zum Kandidaten fürs Höllenfeuer. Wo andere Zeitgenossen sanften Grusel walten ließen und Gott und die Welt in Frage stellten, regiert bei Winner der Holzhammer. Filmhistorisch gesehen ist THE SENTINEL deshalb ziemlich interessant, markiert er doch deutlich den Wandel, der in den späten Siebzigern vom düsteren Suspense-Horror hin zum feisten Splatter vollzogen wurde und den Weg für den mordenden Biedermann mit der Maske bereitete. Für diese würzige Mischung war Winner mit Sicherheit der Richtige. Das dachte sich wohl auch das Starensemble, das hier vor der Kamera versammelt wurde: In illustrer Folge sausen da Chris Sarandon, Ava Gardner, Eli Wallach, Christopher Walken, Jerry Orbach, William Hickey, Arthur Kennedy und José Ferrer durchs Bild und ein junger Jeff Goldblum darf auch noch mitmachen. Vor lauter Eifer, dem Okkulthorror-Boom der Siebziger nach THE EXORCIST und THE OMEN den nächsten Feger hinterherzuschieben, hat man da bei der Drehbuchsichtung vermutlich nicht so genau hingesehen, anders ist das kaum zu erklären.
#652
Geschrieben 22. Januar 2007, 21:05
Frank (James Caan) ist Profidieb, Spezialität Bargeld und Diamanten. Elf Jahre, ein gutes Drittel seines Lebens hat er hinter Gittern verbracht und dabei einen guten Teil seiner Menschlichkeit aufgeben müssen, um zu überleben. Nun sehnt er sich danach, Versäumtes nachzuholen, eine Familie zu gründen, sich niederzulassen. Seinen Traum hat er aufs Papier gebracht, damit er ihn niemals aus den Augen verliert. Immer wieder zieht er den gefalteten Zettel aus der Tasche, auf den er fein säuberlich aus Zeitschriften ausgeschnittene Bilder geklebt hat: Haus, Frau, Kind. Er muss sich diesen bürgerlichen Traum auch deshalb immer wieder vor Augen führen, damit er nicht dem Reiz seines Jobs erliegt. Frank ist ein Dieb mit Leib und Seele, das ist es was er kann, worin er gut ist. Aber es ist ein gefährlicher Beruf und deshalb muss er sich die Normalität per Rezept verordnen. Eine Frau hat er schon: Jessie (Tuesday Weld) ist bereit, ihr Leben mit ihm zu verbringen, obwohl sie weiß, was er getan hat. Nun soll damit aber endgültig Schluss sein. Ein letzter großer Coup noch im Auftrag der Mafia, der das ganz große Geld bringen und den endgültigen Ausstieg ermöglichen soll. Doch wie das so ist: There's no honour among thieves. Die Mafia will ihn nicht gehen lassen, er habe noch Schulden bei ihnen, man lasse Freunde nicht einfach zurück. Für Frank ist der Traum geplatzt und nach einer schicksalsträchtigen Nacht ist er wieder der Einzelgänger, für den jede Bindung eine Gefahr bedeutet.
Die Einsamkeit des Profis ist ein Thema, das Michael Mann in fast allen seinen Filmen beschäftigt. In THIEF vielleicht in konzentriertester Form. Der ganze Film atmet die Isolation, bringt Franks schwelende Gewissheit, dass ein normales Leben für ihn nicht möglich sein wird, so sehr er sich auch bemüht, in eiskalten Bildern zum Ausdruck. Frank ist ein wandelnder Toter, der den einst abgetöteten Gefühlen verzweifelt hinterherrennt. Sein Werben um Jessie – es ist tatsächlich ein Bewerbungsgespräch, das er mit ihr führt als er um ihre Hand anhält – ist ein Akt der Angst und Hilflosigkeit. Wir sehen: So ernst er es auch meint, so sehr er ein normales Leben führen will, da ist diese Kluft, die er nicht überwinden kann. Und diese Gewissheit nagt auch an ihm. Erfüllung findet er nur in seiner Arbeit, im Taktieren und Planen und im Verschwinden in der Aktion, wenn er das Handwerk ausübt, das er gelernt hat und für das er allein die Leidenschaft übrig hat, die er auch seinem restlichen Leben widmen möchte. Aber der Rausch der Tat ist auch Teil des Fluchs: Der Augenblick des Triumphes nachdem die Arbeit getan ist, der Safe seine Reichtümer preisgibt, ist auch der Moment, in dem die Magie bereits wieder verflogen ist, das Leben wieder von vorn anfängt. Dann raucht Frank auch eine Zigarette, was er sonst den ganzen Film über nicht tut. Vielleicht ein Ritual, das er sich von anderen abgeschaut hat, die Zigarette danach. Ein Versuch, das festzuhalten, was ihm schon durch die Finger geglitten ist. Und er weiß, dies ist das Drama seines Lebens: Die Taschen, die er in seinen nächtlichen Beutezügen versucht zu stopfen, sind löchrig, machen ihm seinen inneren Mangel immer dann bewusst, wenn er glaubt, endlich das Heilmittel gefunden zu haben. Das Ende ist so folgerichtig und konsequent wie erschütternd: Der Traum ist geplatzt, der Dieb wieder allein. Morgen geht es weiter. Einen Ausweg gibt es nicht.
#653
Geschrieben 23. Januar 2007, 18:30
Der reiche Meister Lung (Lau Wing), Zampano seiner Stadt, hat einen scharfen Konkurrenten in Meister Tan (Chen Kuan Tai). Zum Fest der Lampions treten die beiden in Wettstreit: Wer die schönste Lampe beisteuern kann, hat gewonnen, der andere verliert das Gesicht und muss es suchen gehen. Weil der eitle Lung den Thron keinesfalls räumen will, sucht er Chun Fang (Lo Lieh) auf, den berühmten Lampenmacher, den er einst im Zweikampf besiegte. Seitdem ist Chun Fang mit einer hässlichen Narbe gezeichnet und aufgrund der sozialen Ächtung dem Wahnsinn anheim gefallen. Den Auftrag Lungs, eine neue Lampezu fertigen, nutzt Chun Fang für seinen finsteren Racheplan und beginnt die beiden Streithähne gegeneinander aufzuhetzen. Und außerdem hat er da noch ein Geheimnis, was die Herstellung seiner Lampions angeht ...
Wenn sich die Chinesen ins Horrorgenre wagen, wird es meist problematisch: Der Hang zur Kasperei und zur Theatralik steht dem Schrecken meist im Weg, von sanften Grusel ganz zu schweigen. Auch HUMAN LANTERNS macht da keine Ausnahme, ist aber trotzdem überaus ansehnlich und kurzweilig geworden, zumal er sich als Crossover aus Horror und gängigem Kung-Fu präsentiert. Die Horrordramaturgie borgt sich der Film bei den kleinen schwarzhumorigen Moritaten, auf denen auch etwa die TALES FROM THE CRYPT-Reihe basiert: Die beiden Hauptfiguren des Films, die Streithähne Lung und Tan sind denkbar unsympathisch und verdienen kaum unsere Empathie. Vielmehr geht es darum, ihnen eine saftige Strafe für ihr Platzhirschgebaren aufzubrummen. So wird der schurkische Chun Fang mehr und mehr zur tragischen Identifikationsfigur, auch wenn seine Taten ebenfalls wenig Respekt verdienen. HUMAN LANTERNS bietet einige saftige Horrorszenen auf, die mit genug Verve für drei Filme inszeniert wurden. Subtilität sucht man vergebens, wenn der irrsinnig lachende Lampenmacher den zeternden Weibern die Haut vom Leib zieht und fröhlich durch seine dämmrig ausgeleuchtete Hütte hüpft. In diesen Szenen kommt dem Film die fulminante Optik und eine einfallsreiche Kameraarbeit zugute. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf dem zwar etwas gewöhnlicheren, aber mitnichten schlechten Kung-Fu-Anteil der Geschichte. Damit auch die Fights was hergeben, hat man den beiden Venoms Sun Chien und Lo Meng noch kleinere Rollen in den Film geschrieben. Umso ärgerlicher ist da die DVD, die MIB diesem schönen Film im Rahmen ihrer Shaw Brothers Collection haben zukommen lassen. Schon die originalen IVL-Shaws sind ja nicht makellos und der schwankenden Qualität sucht man offenkundig verzweifelt gerecht zu werden. So hat man sich für CHUN FANG: DAS BLUTIGE GEHEIMNIS (wie HUMAN LANTERNS hier heißt) einen besonders ärgerlichen Patzer erlaubt: Zwar findet sich der Film in seiner ungeschnittenen Fassung auf dem Silberling, allerdings hat man die englischen Untertitel offenkundig einer geschnittenen Version entnommen. Die Synchronizität geht schon nach etwa 20 Minuten flöten, die Untertitel laufen dem Geschehen etwa zwei Minuten voraus und machen die kantonesische Tonspur somit komplett unbrauchbar. Die deutsche Synchro darf zwar als gut angesehen werden, aber den typisch chinesischen Shaw-Score hat man durch nichtssagende Konservenmusik ersetzt. Schlicht zum Kotzen, dass eine solche Stümperei überhaupt verkauft wird.
#654
Geschrieben 23. Januar 2007, 22:44
Walter Hill wird bestimmt nicht als großer Innovator in die Filmgeschichte eingehen. Seine Filme zeichnen sich vor allem durch die Reduktion auf das Wesentliche aus, das geschickte Spiel mit den Elementen, die in Genres wie dem Western und dem Noir etabliert wurden und von Hill in einfache, griffige Plots überführt werden. Dass er einst als größter amerikanischer Actionregisseur gefeiert wurde, ist bei oberflächlicher Betrachtung kaum nachzuvollziehen: Vergleicht man ihn mit den Aushängeschildern des Genres, vielleicht John Woo, Sam Peckinpah, James Cameron oder auch ein Michael Bay und deren Zelebrierung von "Aktion", von Bewegung, dann muten Hills Filme beinahe statisch an. Das hat etwas mit der Zeit zu tun, in der er tätig war – wilde Schnittgewitter kamen erst später in Mode und die Kugelballette, die Peckinpah schon Ende der 60er auf die Leinwand bannte, erlebten auch erst in den frühen Neunzigern mit dem weltweiten Durchbruch des Hongkongkinos ihre Renaissance –, aber auch damit, dass Hill wenig an solchen Äußerlichkeiten interessiert ist. Ihm geht es um das Innenleben seiner Figuren und um den Prozess des In-Position-Bringens, den klassischen Spannnungsmoment des Westerns, der dem entscheidenden Duelle vorausgeht.
JOHNNY HANDSOME, ein späterer Film Hills, macht das ziemlich deutlich: Mit Ausnahme der damals attraktiven Prämisse, den "sexiest man alive" Mickey Rourke als entstelltes Monster einzuführen und ihm erst im Verlauf des Films durch eine Operation zu seinem damals gefragten Gesicht zu verhelfen, bietet JOHNNY HANDSOME wenig, was ihn von vergleichbaren Filmen abhebt. Mehr noch: Hills Film ist eine überdeutliche Huldigung an Bogarts DARK PASSAGE, der sich derselben Ausgangssituation bedient. Rourke ist der von Geburt an entstellte Johnny, ein Einbrecher mit gutem Herz, der von seinen Partnern, dem White-Trash-Pärchen Rafe (Lance Henriksen, wieder mal ganz groß) und Sunny (Ellen Barkin), bei einem Bruch betrogen wird: Sie töten seinen Freund, bringen ihn in den Knast und hetzen ihm dort auch noch einen Killer auf den Hals. Ein spezielles Rehabilitierungsprogramm nimmt sich des Häftlings an, verleiht ihm ein neues Gesicht und auch eine – anscheinend – neue Identität. Doch natürlich schwelt in ihm der Wunsch nach Rache, noch immer steckt der alte Johnny hinter dem neuen Gesicht. Es geht um Masken, um Rollen, um das falsche Gesicht und den wahren Kern, um die Haut, aus der man nicht rauskann, auch wenn man sie noch so oft abwirft. Das alles wird sehr unaufgeregt und aus heutiger Sicht extrem unspektakulär erzählt und dennoch weiß der Film ins Ziel zu treffen. Eben gerade deshalb, weil man weiß, worauf das alles hinausläuft und Hill dabei zusehen kann, wie er die Figuren in aller Seelenruhe in die richtige Ausgangspostion bringt. Unterstützt wird Hill neben der Kameraarbeit, die so präzise ist, dass man sie kaum wahrnimmt, vor allem von den ausgezeichnet aufgelegten Hauptdarstellern. Vor allem Mickey Rourke wünscht man ja fast ein Remake dieses Films, diesmal mit umgekehrten Vorzeichen: In seiner gegenwärtigen Verfassung könnte er das Monster ohne Make-Up geben und müsste dann auf schön geschminkt werden.
#655
Geschrieben 24. Januar 2007, 15:51
Nach der gestrigen Sichtung von JOHNNY HANDSOME und der folgenden anregenden Diskussion mit dem Außenseiter habe ich mir eine kleine (oder große, mal sehen) Walter-Hill-Werkschau vorgenommen. Hill ist ein Faszinosum für mich: Seine Filme sind kaum einzuordnen und kaum meint man, eine Schublade gefunden zu haben, ist sie schon wieder zu eng geworden. Ich versuche hier also quasi im Selbstversuch die Hill-Exegese und hoffe, danach selbst etwas schlauer zu sen.
Der zweite Titel meiner Werkschau ist Hills Abgesang auf einen amerikanischen Mythos, der "Brüderfilm" THE LONG RIDERS (die vier Brüderpaare/-trios werden von den realen Brüdern Carradine/Keach/Quaid und Guest gegeben), in dem Hill sich an die Fersen der James-Younger-Gang heftet. Beim Wort "Abgesang" wird schon klar, dass es sich bei THE LONG RIDERS um einen Spätwestern handelt, und zwar um den vielleicht konsequentesten Vertreter dieser Zunft überhaupt. Nicht nur, dass wir in den US-amerikanischen Süden entführt werden, der schon rein optisch denkbar wenig mit dem Weste®n klassischer Prägung zu tun hat, sondern auch weil athmosphärisch ein ganz anderer Wind durch Hills Film weht. Das Pathos, die Nostalgie und Melancholie anderer Spätwestern sind hier einer distanzierten und sachlich-nüchternen Betrachtung gewichen. Der Tod wird nicht mehr zelebriert, er ist nicht mehr der zwar logische aber dennoch tragische Endpunkt einer unaufhaltsamen Entwicklung, vielmehr beginnt THE LONG RIDERS schon mit dem Niedergang. Gleich in der ersten Szene geht der Riss durch die Gang, verlieren die Gangster um Jesse James (James Keach) und Cole Younger (David Carradine) ihre Unschuld und jagen eines ihrer Mitglieder zum Teufel. Von diesem Beginn an legt sich ein Schleier über THE LONG RIDERS, der sich nicht mehr lüftet und dem ganzen Film einen seltsam bleichen und entrückten Anstrich verleiht. Die Figuren sind kaum mehr als Schemen, deren Abgründe wir bestenfalls erahnen können: Sie bleiben uns alle seltsam fremd, werden erdrückt vom Gewicht der Legende. Das ist keinesfalls ein Mangel des Films, sondern pure Absicht: Jesse James und seine Partner sind keine mythisch überhöhten Helden, sondern absolute Durchschnittstypen. Während der Spätwestern sonst Figuren vorführt, die als Relikte einer anderen Epoche unter die Räder des Fortschritts geraten, nimmt sich Hill in THE LONG RIDERS Figuren vor, die Kinder ihrer Zeit sind. Das wird am Ende sehr deutlich, als Bob Younger (Robert Carradine) sagt, der Krieg habe ihn zu dem gemacht was er ist – und das, obwohl er an diesem gar nicht teilgenommen hat. Hill macht es dem Zuschauer nicht leicht, verbietet eigentlich jede emotionale Anteilnahme. Sein Film lässt einen absolut kalt. Doch siehe da, am Ende laufen die Fäden, die er spinnt zusammen und korrigieren diesen Eindruck nachträglich: Man versteht jedes einzelne Element nur im Gesamtkontext.
Meiner These von gestern (Hills ist nicht an der Zelebrierung von Aktion interessiert) ent- und widerspricht Hill gleichermaßen: Wieder findet sich das "In-Position-Bringen". Der ganze Film läuft konsequent auf sein Finale zu, gewinnt Spannung nicht aus seinen einzelnen Elementen, sondern erst durch deren Position im Ganzen, durch ihre Ausrichtung. Da gibt es wieder dieses ständige Belauern, immer wieder die Duellsituation, in der sich zwei scharf voneinander getrennte Seiten gegenüberstehen. Die räumliche Distanz bleibt bei Hill immer gewahrt: In einem Messerduell zwischen Cole Younger und einem Kontrahenten (James Remar) verbildlicht Hill diese Distanz, indem er die beiden Kämpfer durch ein Band, dessen Enden sie jeweils im Mund haben, gleichzeitig verbindet und trennt. Die beiden Kämpfer bewegen sich beständig auf einer Kreislinie um einen Mittelpunkt. Das Zusammentreffen an diesem Punkt bedeutet nicht weniger als den Tod (oder zumindest die Verwundung), also das Ende des Kampfes. In dieser Kreisbewegung spiegelt sich auch die Dramaturgie von Hills Film, der beständig um den Punkt schleicht, an dem alles zusammenbrechen muss, wenn die Fliehkraft aussetzt. Das passiert schließlich im Finale, in dem Hill dann auch dem Rausch der Bewegung erliegt. Hier entfacht er das Feuer, dass er 80 Minuten am Schwelen gehalten hat. Es ist aber bezeichnend für seinen Film, dass der Film in diesem fulminanten Shootout zwar seinen dramaturgischen Höhepunkt findet, dort aber noch nicht abbricht. Die Katharsis des großen Knalls vergönnt Hill weder den Protagonisten noch dem Zuschauer, es bleibt den mythischen Helden vorbehalten. Hills Arbeitertypen verschwinden einfach von der Bildfläche und machen Platz für die nächsten.
#656
Geschrieben 24. Januar 2007, 23:25
Mann, Mann, Mann, die Zeit rast. Es ist schon wieder ein halbes Jahr her, dass ich den Film zum Hype im Kino gesehen habe. An meiner Meinung von damals hat sich trotzdem nicht viel geändert: SNAKES ON A PLANE ist – von der wirklich extra-absurden Prämisse einmal abgesehen – ein ziemlich normaler Tierhorror-/Actionfilm geworden, dem es genau an dem gebricht, was er sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hatte. Für einen richtig beknackten Trashfilm, der seinem Titel gerecht wird, fehlt einfach der Mut zum Irrsinn. Klar, er blitzt hier und da mal auf, letzten Endes ist man aber fast überrascht, dass ein Film mit einem solchen Titel halbwegs glaubwürdig über die Rampe kommen kann. Die Geschmacklosigkeiten und One-Liner sind sekundengenau getimt, sodass man selten wirklich überrascht wird, wenn man mehr als eine Handvoll vergleichbarer Sachen gesehen hat. Und natürlich ist SNAKES ON A PLANE dann auch viel zu gut inszeniert und groß, um den Charme des Billigen auszustrahlen, den man ja eigentlich angepeilt hatte. Was sich jetzt aber nach einem erstklassigen Verriss anhört, ist mitnichten ein solcher. Ich kann dem Streifen einfach nicht böse sein, denn so richtig ärgerlich wird es nie. Für die intellektuelle Atempause zwischen zwei Hill-Streifen ist SNAKES ON A PLANE genau das Richtige: Ein Film der leicht reinläuft und nicht belastet. Zehn Minuten später hat man die Soße schon wieder vergessen und muss sich nicht rumärgern. Das ist ja auch schon was. Nett, mehr nicht. Für den angekündigten Trash-Overkill greift man dann wohl doch lieber zu Altbewährtem aus besseren Zeiten oder – so es denn was Neues sein soll – man geduldet sich noch bis zu GRIND HOUSE. Da sind dann auch Leute am Werk, für die Trash mehr ist als ein Label, dass man auf eine Promo-Mappe kleben kann.
#657
Geschrieben 25. Januar 2007, 20:29
"There's a funny thing: No matter how low you sink, there's still a right and a wrong and you always end up choosing. You go one way so you can try to live with yourself. You can go the other and still be walking around but you're dead and you don't know it."
Hills Adaption von Akira Kurosawas YOJIMBO ist so in Symbolen und Metaphern eingefroren, dass einen der Film trotz der flirrenden Hitze, die über ihm liegt, frösteln lässt: Willis ist ein wandelnder Toter, die Wüstenstadt Jericho ein Abbild der Hölle, ganz buchstäblich dem Untergang geweiht, ihre Einwohner Verdammte und Gestrandete, die entweder auf ihre Erlösung oder den Tod warten. Der Tag des jüngsten Gerichts nähert sich, als „John Smith“ (Bruce Willis) in die Stadt kommt und beginnt, die sich bekriegenden Banden des Iren Doyle (David Patrick Kelly) und des Italieners Strozzi (Ned Eisenberg) gegeneinander auszuspielen.
Hills Film ist ruhig bis zur Unerträglichkeit: Alle Charaktere flüstern als hätten sie Angst, eine Bestie aufzuwecken, Staub legt einen beständigen Filter über das Bild und darunter britzelt der Score von Hills Stammkomponist Ry Cooder. In diese Lethargie, die drückende Ruhe vor dem Sturm, platzen immer wieder brutale Gewaltausbrüche wie das reinigende Gewitter: kurz und heftig. Allein, sie bringen nicht die erhoffte Reinigung. Erst eine große Feuersbrunst kann die Stadt schließlich erlösen. Und John Smith wird durch eine Frau auf den Pfad der Tugend gebracht. Sherriff Galt (Bruce Dern) hatte also Recht als er prognostizierte, Smith werde wegen einer Frau sterben: Der Mann, der Jericho verlässt, ist nicht mehr derselbe.
Während Eastwood in Leones Version des Kurosawa-Stoffes noch eine schelmische Spitzbübigkeit an den Tag legt und nicht wenig Spaß daran hat, die Ganoven hereinzulegen, ist John Smith zu keiner emotionalen Regung mehr fähig. Er ist der idealtypische Drifter: Die Entscheidungen, von denen er in dem obigen Zitat spricht, fällt er schon lange nicht mehr. Er lässt sich treiben, wartet ab, was passiert und versucht dann, aus jeder Situation das bestmögliche für sich herauszuholen. So schlägt er sich zwar einigermaßen durchs Leben, hat aber dabei seine Seele verloren. „I was born without a conscience“, sagt er einmal im verzweifelten Versuch, sich zu rechtfertigen. Dass er sein Gegenüber dabei nicht ansieht, mag als Beleg dafür gelten, dass er selbst nicht daran glaubt. Auch John Smith ist jemand, der der Erlösung bedarf. Und so gelangt er nach Jericho: Das Schicksal – eine leere Schnapsflasche (Smith ist Alkoholiker), die er an einer Kreuzung kreisen lässt – führt ihn in die Stadt. So wie Jericho den Racheengel in Gestalt des Einzelgängers braucht, braucht Willis die Stadt, die ihn wieder auf den rechten Weg bringt. Willis ist unübersehbar in Hinblick auf seine Rolle des Polizisten John McClane besetzt, des Cops, der in McTiernans DIE HARD zwar zur falschen Zeit am falschen Ort, aber dennoch genau der richtige Mann war.
Wieder ist auffällig wie Hill seinen Figuren das Tableau gestaltet, auf dem sie sich dann beobachtend umkreisen können. Jericho ist unübersehbar ein Konstrukt, in dem sich Westernstadt und Gangstermetropole treffen. In dieser Stadt werden innere Zustände abgebildet, die verkarsteten Seelen ihrer Einwohner nach außen gekehrt. Hills Western streift mehr als einmal den Horrorfilm mit seiner Atmosphäre von Hoffnungslosigkeit und Tod. Wie wenig LAST MAN STANDING der große Action-Blockbuster ist, wird ja schon an seinem Titel deutlich, der ihm jegliche Suspense raubt. Hill präsentiert sich einmal mehr als cleverer Schachspieler, der seine Figuren mit eiskalter Berechnung über das Brett zieht.
#658
Geschrieben 26. Januar 2007, 00:48
Walter Paisley (Dick Miller) ist Kellner in einer hippen Beatnik-Kneipe, in der derselbst ernannte Dichterfüst Maxwell H. Brock (Julian Burton) Hof hält und mit seinen bizarren Gedichten – Where are John, Joe, Jake, Jim, jerk? Dead, dead, dead! They were not born, before they were born, they were not born. Where are Leonardo, Rembrandt, Ludwig? Alive! Alive! Alive! They were born! – im Drogenrausch delirierenden oder einfach normal entrückten Künstlerseelen einen ästhetischen Orgasmus nach dem nächsten beschert. Walter wäre gern Teil dieser hippen Community, ist aber nur ein kleiner vertrottelter Taugenichts, dem niemand etwas zutraut. Seine künstlerischen Versuche scheitern schon im Ansatz, bis ihm der Zufall zu Hilfe kommt: Eine tote Katze in etwas Mörtel gehüllt, lässt die begeisterungsgeilen Beatniks gleich vom immensen "realism" schwafeln und ratzfatz ist Walter dat nächste große Dingen, von dem alle etwas wollen. Und weil das, was einmal funktioniert hat, auch beim zweiten Mal klappt, sofern man noch eine Schaufel drauflegt, versucht Walter sich bald schon an größeren Objekten ...
Das alte Lebensjahr mit Roger Cormans famosem A BUCKET OF BLOOD zu beschließen, kann nicht verkehrt sein. Tatsächlich dürfte dieser für einen Appel und ein Ei gedrehte Streifen eine der witzigsten, cleversten und besten Künstlerkomödien sein, die je das Licht der Welt erblickten. Die Betanik-Baggage wird als wirklich selten dämlicher, eitler und bigotter Haufen enttarnt, der sich in hohlen Phrasen ergeht ("Repetition is death!") und alles grundlos abfeiert, was auch nur annähernd nach Kreativität riecht, letztlich aber auch nur nach genau dem Ruhm lechzt, den es auf der anderen Seite verdammt. Das Schöne dabei ist, dass Cormans Film von 1959 nach wie vor aktuell erscheint, sich seine beißende, aber niemals böse Kritik jederzeit auf heutige Verhältnisse übertragen lässt. Seine preiswerte Optik wird durch die wirklich famose Performance von Dick Miller abgefangen, der ja leider nie wirklich als Hauptdarsteller in Erscheinung getreten ist, hier aber unersetzlich ist: Als Walter Paisley kann man sich kaum einen anderen Schauspieler vorstellen. Neben Miller kann vor allem das Drebuch punkten, dass mit zitierwürdigen Dialogen en masse gespickt ist, die die Absurdität des Kunstbetriebes erst so richtig auf die Spitze treiben. I saw a statue once. It was called, "The third time Phyllis saw me, she exploded". mag nur als ein Beispiel von vielen herhalten. A BUCKET OF BLOOD hat zudem den Vorteil, dass er mit seiner Laufzeit von kanpp 65 Minuten eine zielgenaue Punktlandung hinlegt, ohne sich in unnötigen Nebenhandlungen zu verrennen. Ja, A BUCKET OF BLOOD ist ein Film, der einem wahrlich aus dem Herzen spricht, wenn man diese wichtigtuerisch-blasierte Künstlermischpoke so richtig satt hat. Nie wurde sie schöner enttarnt als hier.
#659
Geschrieben 27. Januar 2007, 12:03
Die beiden Stallone-Vehikel COBRA und eben dieses Armdrücker-/Truckfahrer-/Vater-Sohn-Melodram waren maßgeblich am Niedergang der Cannon Group beteiligt. Die rekordverdächtigen 12 Millionen Dollar Gage, die Stallone für OVER THE TOP einstrich, entsprachen ungefähr dem Betrag, den der Film weltweit erwirtschaftete (es waren knapp 17 Millionen) – um Gewinn zu machen, hätte OVER THE TOP aber ganze 175 Millionen Dollar bringen müssen. Eine klassische Fehlkalkulation und ein Schlag, von dem sich die Cannon nie mehr ganz erholen sollte. Auch die Kritik ging und geht mit diesem Film nicht gerade zimperlich um. Sucht man im Internet nach Kritiken, so findet man neben den üblichen Vorwürfen gegen Stallones Schauspiel – die m . E. auf reinem Neid und Missgunst beruhen –, eine herbe Kritik an der Philosophie des Films: Er propagiere die Werte der Leistungsgesellschaft, zelebriere die "Dummheit" als überlegen gegenüber einem Zuviel an Intelligenz. Das kann man alles so sehen und es mutet wirklich etwas befremdlich an, wie Lincoln Hawk seinen 12-jährigen Sohn zum Leistungs- und Erfolgsbolzen erziehen will, der nur an sich glauben muss, um alles zu erreichen. Mal davon abgesehen, dass mir das bei diesem Film scheißegal ist, erscheint es mir aber fast schon als eine aus Übermotivation resultierende Erbsenzählerei, diesen nun wirklich herzlich tumben Film auf ideologischer Basis zu zerpflücken. Stallones Rocky-Philosophie mag nicht gerade komplex sein: Ich habe sie aber immer als ehrlich empfunden. Und, ja, wir leben nun einmal in einer Leistungsgesellschaft, die zu verdammen sicherlich einfacher ist, wenn man ein regelmäßiges Einkommen hat. Davon abgesehen ist es ja fast schon eine Vergeudung von Kraft, ausgerechnet auf diesem Film herumzuprügeln. Das Böse sieht anders aus und ist wahrschenlich nicht mal so eben mit großer Geste und im Vorbeigehen abzuwatschen. Natürlich ist OVER THE TOP ein echter Schmachtfetzen und Sohnemann David Mendenhall goldig bis zum Zuckerschock mit seinen großen Kulleraugen und den rotglühenden Wangen – ekelhaft. Für mich funktioniert der Film vor allem deshalb, weil ich ihn in meiner Jugend rauf und runter geguckt habe, und davon geträumt habe, wie es wohl wäre, der Sohn meines Helden Stallone zu sein und mit ihm im Truck durch die Prärie zu brausen. Wer eine nicht immer unproblematische Beziehung zu seinem Vater hat, der wird das vielleicht nachempfinden können. So hat mir der in allen Belangen harmlose Streifen gestern einen sentimentalen Ausklang meines Geburtstags beschert, wozu in nicht unerheblichem Maße auch der tolle Eighties-Score beigetragen hat. Ja, ich mag diesen Film. Und einen wütenden Verriss hebe ich mir lieber für den verlogenen Scheißdreck auf, der von der gutmenschelnden Fraktion als wichtig bezeichnet wird, nur weil er Überlänge hat.
#660
Geschrieben 29. Januar 2007, 11:36
Dawn Wiener (Heather Matarazzo) gehört zu den Kindern, für die die Zeit auf der Junior High einfach ein einziger Albtraum ist: "Wienerdog" ist der bevorzugte Rufname, an den sich meist weitere grobe Demütigungen für das nicht gerade mit Schönheit gesegnete Mädchen anschließen. Auch zu Hause findet sie keine Ruhe: Ihre Eltern haben nur Augen für die stets im Ballettkleidchen herumtanzende jüngere Schwester Missy und für den älteren Bruder Mark dreht sich alles um die Frage, wie auf ein gutes College kommt. Als der langmähnige Brandon in der Band ihres Bruders einsteigt – jemand der es schon sehr oft "getan" hat – gerät Dawn in hormonelle Verwirrung, die auch dann nicht nachlässt als die kleine Missy plötzlich verschwindet ...
Todd Solondz kommt mit den beiden hintereinander entstandenen Filmen WELCOME TO THE DOLLHOUSE und HAPPINESS bestimmt nicht in den Genuss des Rufs, im Besitz eines besonders guten Menschenbilds zu sein. WELCOME erinnert in vielerlei Hinsicht an Jared Hess' NAPOLEON DYNAMITE gibt dem Zuschauer aber nichtdie Möglichkeit, über das Gezeigte zu lachen. Vor allem, weil klar ist, dass sich die geschilderten Zustände eben nicht nur auf die Schule beschränken: Für Solondz ist die Schule repräsentativ für die gesamte Gesellschaft, sie vereint deren Eigenschaften sozusagen auf engstem Raum – eben so, wie das Puppenhaus die Welt im Kleinen darstelt. Die Kämpfe um Beliebtheit und Ansehen setzen sich in der Welt der Erwachsenen fort und auch die Methoden sind dieseben: Mobbing, Demütigung, Ausgrenzung. Ein Ausbruch aus dieser Welt scheint nicht möglich: Am Ende sitzt Dawn zwar mit den anderen Mädchen im Bus nach Disneyland und singt die Schulhymne mit, aber eigentlich singt sie ganz allein, nur für sich, und diese Isolation scheint unüberwindlich. Solondz Film scheint manchmal etwas zu sehr auf den größtmöglichen Effekt hin inszeniert zu sein, die permanente Hoffnungslosigkeit läuft dann manchmal Gefahr, zur Masche zu werden. Am beeindruckendsten und nachdrücklichsten ist sein Film immer dann, wenn er etwas nicht zeigt. Etwa wenn die furchtbaren Hintergründe von Missys Entführung, die eigentlich dazu geeignet sind, die schöne Welt des bürgerlichen Scheins zu enttarnen, kaum eines Blickes gewürdigt werden. Da wird dann auch dem letzten klar, was man alles verdrängen kann, wenn man sich nur genug Mühe gibt.
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