NATURAL BORN KILLERS
(dt. Titel: NATURAL BORN KILLERS)
USA, 1994
Warner Bros. / Regency Enterprises / New Regency Pictures / Alcor Films / J.D. Productions / Ixtlan Corporation
Regie: Oliver Stone
Produktion: Don Murphy, Clayton Townsend, Jame Hamsher
Buch: David Veloz, Richard Rutowski, Oliver Stone
Kamera: Robert Richardson
Schnitt: Hank Corwin, Brian Berdan
Musik: Brent Lewis
Darsteller: Woody Harrelson, Juliette Lewis, Robert Downey Jr., Tom Sizemore, Tommy Lee Jones, Rodney Dangerfield, Jared Harris
Starttermin: 26. August 1994
Inhalt: Mickey (Woody Harrelson) und Mallory Knox (Juliette Lewis) ist ein degeneriertes Ehepaar, das mordend durch's Land zieht. 52 Tote in drei Wochen. Bald werden die beiden wie TV-Stars kultisch verehrt. Kein Wunder, dass der skrupellose Reporter Wayne Gale (Robert Downey Jr.), der für seine Karriere sprichwörtlich über Leichen geht, brennendes Interesse an einem Interview mit dem berühmten Killerpärchen hat. Doch auch der schmierige Bulle Jack Scagnetti (Tom Sizemore), der keinen Deut besser ist als Mickey und Mallory, ist hinter den beiden her. Und auch er verfolgt damit nur eigenen Interessen.
Oliver Stones Bilderrausch ist das ultimative Statement zu den Neunziger Jahren. Der emsige Aufarbeiter amerikanischer Makel Stone ist sich bewußt, in was für einer kranken Kultur er lebt. In einem Land, in dem man nur ins Eishockeystadion geht, um eine zünftige Schlägerei mitzuerleben. In einem Land, in dem nachmittags im TV ein Mensch ungehemmt zerstückelt werden darf, aber bei einem paar nackter Brüsten die Panik losgeht.
Die krankste Spezies, die über diesen Planeten flankiert, ist der Mensch. Und seine Waffe ist im seltensten Fall ein Revolver. Seine Waffe ist die allseits beliebte Fernbedienung. Der Mensch hat gelernt, bei Themen, die ihn zu sehr belasten weiterzuschalten. Nebenan wartet schon ein Comedykanal, der das verhungernde Kind von eben vergessen machen lässt. So eine Gesellschaft kann nicht gesund sein.
Und das ist sie nicht. Oliver Stone liefert die konsequenteste Kritik an den Medien und seinen Umgang mit ihnen, die man je gesehen hat. Er hält der MTV- und Reality-TV-Generation ungehemmt den Spiegel vor. In einer Zeit, in das Recht auf Schaulust ein höher geschätzter Wert ist als die Menschenwürde. Das Recht auf dosierte Schocks wird begründet mit dem Recht auf Information.
Und dabei bedient sich Stone allen Mitteln der Medienmanipulation. Er zieht alle Register von Technik und Stilmitteln. Die Welt der geborenen Killer ist eine Welt aus bunten Videoclipwelten, schwarzweiß, Rückprojektionen, Stakkatoschnitten, 16mm, 8mm, 35mm, zerkratztes Filmmaterial, digitaler Hochglanz, Viragierungen, Animationen, Einblendungen, Morphings und vielem mehr. Insgesamt kamen 18 verschiedene Filmformate zum Einsatz, das Werk enthält mehr als 3000 Schnitte. Die Vorgeschichte von Mickey und Mallory wird uns als Parodie auf eine derbe Comedy (eine divine comedy?) der Sorte SCHRECKLICH NETTE FAMILIE präsentiert. Fiktive Dokumentationen brechen die Realitäts- und Zeitebenen auf.
Noch nie zuvor schrien ausgerechnet die Medien (auch in Deutschland) so laut nach dem Verbot eines Films wie diesen. Noch nie hat es ein Film so gewagt, den herrschenden Medien so die Funktionsweisen entlarvend auf den Schlips zu treten und damit einen empfindlichen Nerv zu treffen. Das gegenseitige Abhänigigkeitsverhältnis von Medien und Publikum anzuprangern.
Das Originaldrehbuch stammt von niemand geringerem als Quentin Tarantino und war ursprünglich Teil von Tarantinos BADLANDS-Variante TRUE ROMANCE, bevor er die Scripts trennte und zwei separate Filme entstehen ließ. Während TRUE ROMANCE 1993 erfolgreich von Tony Scott verfilmt wurde, machte sich Oliver Stone an die zweite Hälfte. Er nahm dabei aber so viele gravierende Änderungen vor, dass außer ein paar wenigen (aber wichtigen) Fragmenten nichts vom Original mehr Einzug fand und Tarantino entsprechend keine Writercredits erhielt. Das Ergebnis ist bekannt, NATURAL BORN KILLERS ist eins der großen Meisterwerke der Neunziger geworden. Trotzdem wäre es mal interessant zu sehen, wenn Tarantino selbst seine ursprüngliche Vision des Stoffes auf die Leinwand bringt. Damit wäre ein Direktvergleich möglich, das wäre doch mal was.
Schön wär's. Aber an Stones Overkill NATURAL BORN KILLERS, besonders im weitaus derberen und schlüssgeren Unrated Director's Cut, haben wir ja schon genug zu knabbern. Ein unbequemes Werk, absolut kein Feel-Good-Movie, aber ein ungeheuer wichtiges. Leider werden wohl diejenigen, an die der Streifen gerichtet ist, die Message des Films kaum verstehen. Das soll aber keinesfalls die Brisanz des Werkes schmälern. Er ist auch nach mehr als einem Jahrzehnt unheimlich gut und hochaktuell.