Apocalypse Now Redux (Francis Ford Coppola, USA 1979)
DVD
Handlung (Wkipedia.de)
Warten in Saigon
Geheimagent Willards Wartezeit in Saigon, geprägt von Alkohol, Langeweile und einem übergroßen Verlangen nach Rückkehr in den Dschungel, stehen am Anfang des Films. „Jede Minute, die ich in diesem Raum verbringe, macht mich kraftloser. Jede Minute, die Charlie im Busch kauert, macht ihn stärker“. („Every minute I stay in this room, I get weaker. And every minute Charlie squatts in the bush, he gets stronger.“) Im Making-of ist zu sehen, dass Film und Realität verschmelzen: Der herz- und alkoholkranke Hauptdarsteller Sheen entblößt sich vor der Kamera so weit, dass reale Verletzungen (Spiegelszene) in den Film übernommen werden. Der Realismus dieser Szenen ist so „erschreckend gut“, dass Martin Sheen trotz langen Krankenhausaufenthaltes wegen Herzproblemen „den Zuschlag“ für die Hauptrolle erhält. Zwei GIs holen Willard zu seinen Auftraggebern, beim Essen werden ihm erste Informationen über sein Ziel in Form von abgefangenen Funksprüchen präsentiert.
Das Dossier
Nur in Teilen und immer wieder bruchstückhaft erfährt der Zuschauer aus dem Dossier: Kurtz, ein militärischer Musterschüler mit Aspirationen auf die höchsten Posten, bat urplötzlich um einen Wechsel zu den Green Berets und wich schon bald von den Richtlinien der Streitkräfte ab. Dass er unautorisiert vier Doppelagenten erschoss, war für die Armeeführung Gelegenheit genug, seine Eliminierung zu befehlen und einen Attentäter auszusenden. Der erste Agent kehrte nicht zurück, also wird Willard ausgeschickt, der sich freiwillig für Geheimaufträge gemeldet hatte.
Bezeichnend für den gesamten Auftrag mag folgendes Zitat sein: „Charging a man with murder in this place is like handing out speeding-tickets at the Indy 500“. In der deutschen Synchronisation: „Einen Mann an so einem Ort wegen Mordes zu belangen, ist wie eine Verwarnung wegen überhöhter Geschwindigkeit beim Autorennen.“
An Bord
Das Patrouillenboot der US-Marine, auf dem Willard flussaufwärts Richtung Kambodscha gebracht wird, fungiert als Spiegelbild der US-Armee. An Bord befinden sich:
* Kapitän Philipps, genannt Chief, absoluter Befehlshaber auf dem Schiff
* Chef, ein Saucier aus New Orleans, der mit dem Krieg eigentlich gar nichts am Hut hat
* Lance, ein Greenhorn, das sich lieber bräunt, Drogen konsumiert und surft, als zu kämpfen.
* Mr. Clean, ein Siebzehnjähriger aus der Bronx, der im Drogenrausch die Routinekontrolle eines Sampans zum Massaker werden lässt.
Willard soll von der Crew Richtung Kambodscha geschifft werden, er bleibt somit ein Außenseiter im Mikrokosmos dieses Bootes, dessen Flussfahrt den roten Faden des Filmes ausmacht. Während die Crew ihrem 'Alltag' an Bord nachgeht (Drogenkonsum, Langeweile, Wache schieben), werden dem Zuschauer die Gedankengänge Willards mitgeteilt. Sehr einprägsam nach dem „Beachboys“-Abschnitt (siehe unten) ist Willards Resümee: „Wenn Kilgore den Krieg auf seine Weise führen durfte, begann ich mich zu fragen was sie überhaupt gegen Kurtz einzuwenden hatten. Es war nicht nur Wahnsinn und Mord ... davon gab es hier genug, dass für uns alle was abfiel.“
Beachboys
Die Luftkavallerie (Hubschraubergeschwader), die Willards Boot den Fluss aufwärts eskortieren sollte, nähert sich mit einem Mal viel zu nahe der Position des Bootes. Die Hubschrauber landen unter leichter Gegenwehr in einem kleinen Dorf auf dem Weg des Bootes, hier steigt Willard aus, um sich mit dem Bataillons-Kommandeur der Luftunterstützung zu beraten. Coppola selbst spielt hier einen Anweiser für ein Team Kriegsberichterstatter, die Filmmaterial drehen. Schließlich stellt sich heraus, dass der Kommandeur gar nichts von dem Eskortbefehl weiß. Wenige Minuten vorher verteilte der Befehlshaber des Bataillons, Kilgore, noch gut gelaunt Spielkarten auf gefallene Vietcong. „Deathcards, lets Charlie know who did this“ (dt. "Totenkarten, damit Charlie weiß, wer das getan hat.")
Der Einzige, der den surfbegeisterten Kilgore zum Abbruch seiner Selbstinszenierung bringt, ist Lance B. Johnson, Vietnam-Neuling und junge Surfhoffnung Amerikas in Personalunion, der zufällig Teil von Willards Begleitcrew ist. Am Abend gibt es Lagerfeuer mit eingeflogenem Bier und Steaks. Kilgore klimpert auf einer Gitarre, doch glaubt der Agent: „The more they tried to make it just like home, the more they made everybody miss it.“ (dt. Je mehr sie versuchten, es genauso wie in der Heimat zu machen, desto mehr wurde die Heimat von jedem vermisst.)
Für den nächsten Tag befiehlt Kilgore den Angriff auf ein kleines von den Nordvietnamesen besetztes Dorf, weil es vor dessen Küste sechs Fuß (ca. 2 Meter) hohe Wellen gibt. Hier soll Lance surfen und damit nicht nur ein Schauspiel bieten, sondern auch den Unterschied zwischen Vietkong und den US-Streitkräften herauskehren: „Charlie surft nicht!“ („Charlie don’t surf!“) Als Kilgore dann aber Napalm anfordert, um ein gut verteidigtes Waldstück zu verbrennen, bringt das den Wind durcheinander und zerstört den Wellengang. Zuvor sagte Kilgore: „Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen. [...] Es riecht... wie nach Sieg.“
Dieser Filmabschnitt ist eine der ersten Begegnungen mit dem Irrealismus und dem Wahnsinn der Beteiligten des Krieges, der Surrealismus der Szenen ist unübersehbar, so befiehlt Kilgore zwei Soldaten das Surfen, um den Wellengang zu nutzen, während am Strand noch immer Einschläge zu sehen sind und Kilgore mehrfach beinahe getroffen wird. Auch im Wasser kann man Einschläge erkennen, die die Surfer nur knapp verfehlen. Willard und seine Begleiter fliehen schließlich unter den Bitten Kilgores um eine kleine Surfeinlage von Lance („Lance, das war der Scheiß-Napalm! Warte doch ... nur 20 Minuten!“)
Perfektioniert wird die Niederlage („Charlie surft nicht, Lance ebenso wenig“) durch den Diebstahl von Kilgores Lieblingssurfboard durch Capt. Willard, woraufhin Kilgore die ganze Einheit den Fluss absuchen lässt.
Playboybunnys
An der Station zu Hau Phat trifft die Crew am richtigen Tag ein: Eine frisch eingeflogene USO-Show steht auf dem Veranstaltungskalender. Miss August, Miss May und das Playmate of the Year geben sich die Ehre und erscheinen in Cowboy- und Indianer-Kostümen auf der Bühne. Nachdem die Mädchen mit ihren Spielzeugrevolvern in die Zuschauermenge schießen, beginnt ein Tumult und die Frauen werden überstürzt ausgeflogen.
Dies bringt sie in jene aussichtslose Lage, noch weiter flussaufwärts ohne Treibstoff in einem desolaten Lager notzulanden – und später bei Willard Treibstoff gegen Sex mit den deutlich verstörten Mädchen tauschen zu müssen.
Do-Lung-Brücke
Trotz aller Erwartungen, die der Zuschauer an eine amerikanische Frontlinie stellt, die Do-Lung-Brücke wird sie nicht erfüllen. Der letzte Stopp vor dem Gebiet, in dem es keine US-Armee mehr, sondern nur noch Kurtz gibt, ist ein Halt im totalen Chaos, wo Verzweiflung und Grabenkampf das Bild beherrschen. Kaum kommt das Boot in die Nähe der Brücke, um die von fern Explosionen lodern, während eine Lichterkette die Brücke selbst deutlich hervorhebt und Leuchtkugeln die Szene surreal beleuchten, versuchen Deserteure ihren Rückweg zu erschwimmen. Interessant an diesem Abschnitt ist, dass man nicht einen einzigen Vietkong zu sehen bekommt und sich bald das Bild aufdrängt, dass die Soldaten gegen Phantome kämpfen oder schon alle um den Verstand gekommen sind. Im Hintergrund hört man über Lautsprecher Schreie, psychedelische Geräusche und undefinierbare Klänge. Drogen, Desorganisation, Angst, Panik, Tod, Leiden und kopflose Militäraktionen bestimmen den Ort. Auf die Frage Willards, wer denn hier der kommandierende Offizier sei, antwortet ein hysterischer Soldat symptomatisch: „Nicht Sie?“ („Ain’t you?“). Ein anderer feuert wild mit einem stationären MG immer wieder auf offenbar bereits tote Vietkong aus einer Sandsackstellung heraus. Wieder sieht man jedoch nichts von den angeblichen Zielen. Willard trifft trotz des Chaos einen Kontaktmann, Lieutenant Carlson, der ihm aktuelle Instruktionen zu seinem Auftrag überreicht und sich mit den Worten „Sie glauben gar nicht wie glücklich ich jetzt bin, Sir“, daran macht zu verschwinden. Als Willard nachfragt, spricht Carlson aus, was man sich beim Anblick schon ohnehin dachte: „Jetzt kann ich hier raus, wenn ich eine Möglichkeit finde!“ und „Hier sind Sie am beschissenen Arsch der Welt, Captain!“ Krönender Abschluss dieser Szene ist das Einstürzen der beschossenen Brücke hinter dem abfahrenden Boot.
Auf französischem Boden
Aus dem Nebel tauchen Ruinen auf und schon steht die Besatzung vor französischer Übermacht. Mr. Clean, der bei einem Angriff auf die Nellie (das Patroullienboot) sein Leben ließ, wird hier bestattet. Beim gemeinsamen Abendessen mit den französischen Plantagenbesitzern kommt es zu heftigen Diskussionen unter den Gastgebern. Willard wird angefleht, aus den Fehlern der Franzosen zu lernen und diesen sinnlosen Krieg zu beenden. Bei Tisch mit dem amerikanischen Offizier geraten die anwesenden Franzosen in eine hitzige Diskussion über die verlorene Schlacht von Điện Biên Phủ. Einer nach dem Anderen verlässt wütend den Raum. Beim Zuschauer entsteht der Eindruck einer Parodie auf die französischen Gesellschaftsfilme, wo sich Franzosen in fröhlicher Runde am Wochenende in der Provinz treffen.
Kurtz oder: The Horror
Aufgespießt von einem Speer bei einem abschreckenden Überfall mit ansonsten ungefährlichen Holzpfeilen versucht der Chief, zum Schutz seiner noch lebenden Kameraden Willard mit in den Tod zu reißen. Es misslingt. Wie aus dem Nichts tauchen plötzlich Kanus mit weißbemalten Kriegern auf. Sie beschützen eine Anlegestelle, die zu einer breiten Treppe mit Steinfiguren (den Gesichtertürmen historischer kambodschanischer Tempel nachempfunden, siehe auch Bayon) führt. Ein Fotojournalist, der einzige ausgesprochene Fan Kurtz’ – „He’s a poetwarrior in a classic sense“ („Er ist ein Poet und Krieger im klassischen Sinne“) – lotst die Crew zwischen Minen zum Ufer.
Zwischen bewaffneten Einheimischen − Leichen und Lebende halten sich hier die Waage – steigen Willard und Chef die Treppen hoch und treffen den zuerst ausgesandten Spion mit einigen Kameraden, umringt von Frauen und einer Schar Kindern. Willard wird allerdings schnell durch die abgehackten Schädel im Hintergrund abgelenkt. Also Rückzug zum Boot. Chef bleibt an Bord, um notfalls mittels „Code Almighty“ die gesamte Siedlung auszulöschen und Willard unternimmt mit Lance eine zweite Exkursion.
Der Agent wird gefangengenommen und zu Kurtz gebracht. Zwischen den beiden entwickelt sich ein langes Gespräch, in dem der Agent vom Oberst als ein „Laufbursche, von Kolonialwarenhändlern geschickt, (um) die Rechnung vorzulegen“ („You’re an errand boy, sent by grocery clerks, to collect a bill“) entlarvt wird. In einer sehr unbequemen Position sitzend gefesselt erhält Willard dann ein grauenerregendes Präsent von Kurtz in seinen Schoß: Chefs abgehacktes Haupt. Der Zuschauer erfährt die simple Dialektik des Colonel Walter E. Kurtz: „Horror and moral terror are your friends, if they are not, then they are enemies to be feared.“ (dt. „Das Grauen und der moralische Terror sind deine Freunde. Falls es nicht so ist, sind sie deine gefürchteten Feinde. Sie sind deine wirklichen Feinde.“)
Während der folgenden Zeit kommt auch Willard der Wildnis näher, um dann auf Befehl des Dschungels Kurtz mit einer Machete zu töten. Nachdem Willard die wichtigsten Papiere und Aufzeichnungen Kurtz’ unter den Arm gepackt hat, erscheint er vor dem Tempel; als er am Ausgang steht, sieht man wie sich alle Eingeborenen vor ihm auf den Boden werfen. Die Kamera fixiert seinen Kopf, der sich zur einen Hälfte im Licht und zur anderen Hälfte im Schatten befindet. Hier soll er sich entscheiden: für das Licht – er beendet seinen Auftrag – oder für den Schatten – er übernimmt Kurtz Platz. Er entscheidet sich für das Licht, um dann symbolisch die Machete hinzuwerfen, das Funkgerät auszuschalten und mit Lance auf der Nellie flussabwärts zu fahren.
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Meinung
Apocalypse Now gehört zusammen mit Der Soldat James Ryan und Platoon sicherlich zu den besten Kriegsfilmen überhaupt, wobei mir sicherlich noch eine vielzahl von Genrevertretern fehlen. Er hat den Wahnsinn des Krieges an sich und zum Thema und er stellt bildlich dar, dass der Wahnsinn größer wird, je mehr man Bestandteil des Krieges wird und wie sich mit zunehmender Kriegsdauer der Wahnsinn immer weiter vergrößert und schließlich sogar ins Surreale, kaum noch wahrnehmbare abgleitet. Dies wird im Film sinnbildlich durch die Bootsfahrt gezeigt, die sich wie ein roter Faden durch den Film zieht.
Schon die anfänglichen Szenen wirken zwar real aber doch sehr bizzar.
Es sind die klassichen Szenen, die man mit Apocalypse Now verbindet, der Hubschrauberangriff auf ein von Nordvietnamesen besetztes Dorf unterlegt mit Wagnermusik um den Gegner zu ängstigen der nur aus dem Grund überhaupt geschieht weil der General die zwei Meter hohen Wellen am Strand des Dorfes zum Surfen nutzen will. Das ganze gipfelt in der realitätsfremden Begegnung mit Cln Kurtz in einer fast schon mystischen Umgebung wo der Film in tranceartigen Szenen schließlich sein Ende findet.
Das permanente Voiceover erlaubt einen Einblick in die Gedanken Willards und schafft eine unglaubliche Nähe, die trotz der Taten Willards die man eigentlich verurteilen würde bestehen bleibt.
Der Film ist einfach ein Klassiker. Schon der Anfang des Dorfes im Bombenhagel unterlegt mit dem Song The Ende von The Doors gibt eindeutig die Richtung des Films vor. Er bietet Action und atemberaubende Bilder in einer beklemmender werdenden Atmosphöre gepaart mit einem unglaublichen Tiefgang, angereichert mit Metaphern und Symbolen und einer beindruckenden Soundkulisse und man ist unglaublich dankbar dass die 45 Minuten längere Reduxversion komplett neu synchronisiert wurde. Leider hat mir eine ziemlich zerkratze DVD den Filmgenuß durch zahlreiche Ruckler etwas zerstört und mir die letzten Minuten vorenthalten nachdem Willard Kurtz getötet hat.
9 / 10