"Tötungstrainingssoftware"
Ich muss mich wieder auskotzen, auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen. KILLERSPIELE! Also ich versuche wirklich dieses Thema zu meiden wie der Amok-Azubi das Plüschtier. Immer wenn auch nur ein halber Satz dazu aus dem Televisor tropft, zum Beispiel eine Sendung zum Thema „Killerspiele“ angekündigt oder ein Ausschnitt gezeigt wird, zappe ich weg wie von der Tarantel gestochen. Und dennoch wirkt es jedes mal nach. Man entkommt dem Thema nicht. Ich ziehe es dann allerdings vor, mir das „Was“ und „Wie“ quasi indirekt in Foren erzählen zu lassen, die Neugierde besiegt den Fluchtimpuls. Aber auch das reicht schon völlig aus mich zur Weißglut zu treiben, genauer wenn ich sozusagen aus zweiter Hand erfahre, wie sich alle Medien- und Politikschaffenden anhand dieses lächerlichen Themas mal wieder zu profilieren suchen. Damit meine ich das, was diese Menschen daraus machen, nicht die Taten als solche. Die sind natürlich schlimm und nicht lächerlich. Umso unwürdiger dann aber erst recht der seichte Medienzirkus darum. Das zeigt einmal mehr, wie zäh das mit der gesellschaftlichen Weiterentwicklung wohl ist, wenn in jeder Generation quasi wieder und immer wieder der gleiche Affentanz aufgeführt wird, die gleichen stereotypen Mechanismen in Kraft treten, die von Zeit zu Zeit mit aller Macht das unverstandene Neue als unvereinbar mit dem lieb gewonnenen Alten verschreien und, wenn verdientermaßen verständnisloses Kopfschütteln geerntet wird, schnell darin sind, den Untergang des Abendlandes hervorzukramen. Alle paar Dekaden der gleiche Unfug. Im Gegensatz dazu ist rückblickend für die meisten Menschen jedoch immer alles glasklar. Das ist schon komisch. Glasklar und saukomisch. Nicht eine Nanosekunde glaubt man heute in der Rückschau, dass der „Rock 'n' Roll“ der 50er die Jugend verdorben hat oder diverse Betroffenheits-Talkrunden zum Thema „Ballerspiele“ heute noch so ernst zu nehmen sind, wie sie damals taten. „Ballerspiele“, so hießen die “Killerspiele“ nämlich in den 80ern einmal, als sie noch ganz klein, aber mindestens schon genauso “gefährlich“ und “menschenverachtend“ waren. Da verteidigten Oldschool-Zocker ihr heiß geliebtes „Space Invaders“ oder „Galaxian“ gegen den selben Experten-Sondermüll, als wenn die Zeit stehengeblieben wäre. Und ich wette, wenn dann in 20 Jahren wieder ein armer Tropf armen Tropfen einen Scheitel brennt, dann wird man auf die Cyber-Helm-“Killerspieler“ zeigen, während beide Seiten problemlos über Zeiten lachen werden, in denen man noch allen Ernstes ein „Counter-Strike“ für eine „Tötungstrainingssoftware“ hielt. Wollen wir wetten? „Was, das war ja lächerlich damals, HEUTE haben wir ein Problem!“. Ein ewiger Kreislauf. Wie sehr dieses Gehabe der Verbots-Kasper ein scheinheiliges Unterfangen ist zeigt für mich schon der Umstand, dass die kaum auf den Plan treten, zumindest nicht mit dieser Vehemenz wie zur Zeit, wenn in einem anderen Land sog. Amokläufe geschehen. Da interessiert sich scheinbar keiner von denen sonderlich dafür, obgleich die dortigen angeblichen Ursachen auch bei uns vorhanden sind. Man stelle sich vor Teenagern in England explodierten beim Verzehr eines neuen Milchmüsli-Riegels die Hoden, wie schnell würde das auch bei uns Konsequenzen nach sich ziehen und der Milchmüsli-Riegel vom Markt verschwinden. Hier wäre die Reaktion ehrlich motiviert. Aber Amokläufe sind ja nur rentabel, das heißt gewinnbringend für die Medien- und Politik-Karriere zu verwursten, wenn durch Betroffenheit und Ratlosigkeit der Schoß der hiesigen Menschen gerade besonders empfänglich ist. Etwas zu verhindern, darum geht es in der Hauptsache doch gar nicht, wenn auch ein durchgeboxtes Verbot als Auszeichnung zur Selbstbeweihräucherung manchen Schreihälsen sicher genehm wäre, so als Bestätigung. Es geht darum, im Gespräch zu sein und es möglichst lange zu bleiben. Und dieser egoistische Amoklauf der Möchtegern-Gutmenschen ist besonders deswegen so ekelig, weil er, wahrscheinlich ohne dass es sie oftmals scherte, auch noch an Pfeilern elementarer Freiheiten sägt. Ich möchte mir als Erwachsener NICHT direkt oder indirekt vorschreiben lassen, welche Spiele (!) ich spielen darf. Außerdem, wo sind denn diese eingebildeten Schutzengel, wenn es darum geht, noch viel schlimmere “Killer“ aus dem Verkehr zu ziehen? Wo ist ein bayerischer Innenminister oder eine Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und potentielle Mörder, die zum Beispiel für ein absolutes Alkoholverbot eintreten? Ich liebe ja diesen Vergleich, es tut mir Leid, weil mit Alkohol nicht nur ein besonders wirkungsvoller und erfolgreicher Sensenmann in unserer Gesellschaft wütet, er steht auch unbestreitbar in Verbindung mit aggressivem Verhalten und ist sicherlich sehr häufig Hauptursache für verletzte oder getötete Menschen, sei es aufgrund von Fahrlässigkeit oder daraus resultierender voller Absicht. Wer schon einmal auf einem Horrorfilm-Festival, auf einer LAN-Party und in einem Bierzelt war, der weiß recht gut, wo sein Unbehagen öfter mal rein gar nichts mehr mit einem angenehmen Nervenkitzel zu tun hatte. Kleiner Tipp: es hat etwas mit Blasmusik zu tun.... Beim Alkohol fällt den Politikern wohl auf einmal wieder ihre Vernunft ein und all die Argumente, die man ihnen ob eines Verbots von „Killerspielen“ um die Ohren haut und die von ihnen mit blinder Empörung gestraft werden, sind der gleichen fragwürdigen Spezies bei diesem “berauschenden“ Thema natürlich voll schlüssig und werden mit Sicherheit sogar von ihnen selbst so vertreten. Da weiß man plötzlich wieder, dass hier absolute Verbote nichts bringen, dass Erziehung und Aufklärung sinnvoller sind und dass es auch einen zivilisierten Umgang mit dem Allohohl gibt. Gegen Missbrauch kämpfen und Kompetenz im Gebrauch fördern, was sonst? Und das bei einer Sache, die ein “Killerspiel“ geradezu vernichtend darin schlägt, Menschen Schaden zuzufügen, wenn denn “Killerspiele“ tatsächlich eine Hauptursache für aggressives Verhalten wären. Aber sie sind ja noch nicht einmal das behaupte ich, wie so viele, viel kompetentere Leute bestätigen. Davon kann sich der Alk nun wirklich nicht freisprechen. Na zum Glück leben wenigstens Gourmets und Trinker in einer vernünftigen Gesellschaft! Und dass die Amokläufer mittlerweile nicht mehr Spiele als Hauptinspiration für ihre Schandtaten haben dürften, wenn dieser Sachverhalt denn jemals nennenswertes Gewicht besaß, sondern Amokläufer schlicht längst Amokläufe imitieren, auf die Idee ist noch keiner ihrer PR-Abteilung, sprich „Frontal-21“ & Co. ernsthaft gekommen. Aber wer stuhlt sich schon gerne ins eigene Nest.
Bearbeitet von FakeShemp, 25. April 2009, 19:35.