The New World
Terrence Malick, USA, 2005
Abenteuer-Drama
(DVD)
Diesen Film habe ich schon vor einiger Zeit im Kino erleben dürfen und gleich nach der Kauf-DVD-Erscheinung hier in Deutschland letzte Woche, musste ich ihn mir einfach zulegen. "The New World" ist ein Film, der damals zu einem tief persönlichen Event wurde. Auf der einen Seite steht die große Ehrfurcht vor Terrence Malick als Schöpfer, den ich als einen der goßartigsten noch arbeitenden Filmemacher betrachte. Auf der anderen Seite ist die wundersam fruchtbare Thematik, die des geschichtlichen 'Americanas', für das der Regisseur zu porträtieren geboren zu sein scheint.
Konsequenterweise ging ich somit im März mit großen Erwartungen ins Kino. Ich wusste, er war "nur" 135 Minuten lang, und somit noch verdaulicher als Malick's letzter Film, ebenfalls ein Meisterwerk aus dem Jahre 1998, "Der schmale Grat", dessen Kinoversion fast drei Stunden dauerte. Zum Anfang des Films, als sich die erste symphonische Klangwelt des Film-Scores bedrohlich über den Zuschauerraum erhob, überwältigten mich körperlich tiefe Reaktionen zu dem Leinwandspektakel. Ein schwaches Zittern in meinen Emotionen klang bis zum Ende hin nach. Ich war nicht besorgt oder ängstlich oder fühlte mich sonstwie negativ beeinflusst, denn es gab keinen Grund, keine Gefahr die vor meinen Augen ablief. Anstelle dessen erreichte mich nur reine, unverblümte Schönheit, eingefangen in unglaublich klangvollen Bildern.
Jene Bilder-Poesie wird natürlich geschaffen durch die Arbeit an der Kamera, speziell in Malick's Filmen. Bemerkenswert zu erwähnen ist dabei, dass der Regisseur bei jedem seiner wenigen Filme (im Durchschnitt ca. einer pro Dekade) immer mit einem anderen Kameramann arbeitete. In "The New World" schaffte es Emmanuel Lubezki, jede Einstellung als ein vollendetes Gemälde der höchsten Ordnung zu präsentieren und sich somit, gerechterweise, eine Oscar-Nominierung zu reservieren. Doch die wirkliche Note der Kunstfertigkeit in einem Malick Film ist der Schnitt und der allumfassende Moment den Malick als Maestro kontrolliert, mit all den Bildern, dem Dialog, der Musik und den Nebenklängen, die er zur Verfügung stellt. Szenen werden weniger bestimmend, es gibt eine Vermischung zwischen Vordergrund-Aktivitäten mit der Hintergrund-Umgebung, zwischen Dialog und Monolog. "The New World" beginnt und endet mit dem Motiv des fließenden Wassers und der strömenden Luft - die Bewegung der Elemente, die der filmische Stil sucht nachzuahmen. Die Verwendung des entkörperlichten, unterbrochenen Voice-overs, der Stimme aus dem Off, gibt die inneren Gedanken der Protagonisten wieder, Gedanken im spirituellen Äther der großartigen Bilder.
Ich weiß relativ wenig über die romantische Erzählung, auf die der Film basiert, und kann daher nicht sagen, in wie weit Malick sich ihr annähert. Doch für mich ist es eine wunderschön beschriebene Liebesgeschichte, hervorragend gespielt von Colin Farrell als Kapitän John Smith, den ich hier zum ersten Mal als wirklich ernst zu nehmenden Darsteller sehe. Noch viel mehr beeindruckt hat mich allerdings die zu den Dreharbeiten erst 14 Jahre junge Q'Orianka Kilcher, in der Rolle der Pocahontas, die in den Straßen von San Diego entdeckt worden ist. Sie hätte eine Nominierung für den Golden Globe und den Oscar mehr als verdient. Ihre Leistung ist absolut und unheimlich glaubhaft. Christian Bale, in der Nebenrolle des John Rolfe, liefert ebenfalls eine eindringlich gute Vorstellung ab - sehr sanft, sehr subtil.
Malick beschreibt die neue Welt und wie die Menschheit sie erlebt als augenblickliche Erinnerung und nicht als tatsächlichen Kontakt. Dieser schneidende Anti-Höhepunkt in "The New World" ist ein seltener Moment in einem Kinofilm und fängt die Kraft der Bildgewalt in diesem Film gekonnt ein, ohne Effekthascherei. Und das war offensichtlich beabsichtigt.
Sechs Jahre auf einen neuen Malick Film zu warten, hat sich mehr als gelohnt und ich kann nur noch hoffen, dass das Ausharren bis zum nächsten dann doch nicht so lange dauern wird.
Empfehlung: JA JA JA (10/10)
Nr. 1 auf der 2005-Liste, vor "Caché"