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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern - Filmforen.de - Seite 19

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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern


818 Antworten in diesem Thema

#541 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 21. Juli 2007, 20:48

Grindhouse: Death Proof
Quentin Tarantino, USA 2007


Hilfe, den Postfeministinnen wachsen Phalli! - In Tarantinos Death Proof kastrieren die Frauen das starke Geschlecht mit seinen eigenen Waffen: Autos, Fäusten und Exploitation
oder
Wie Tarantino sein Publikum nicht enttäuscht


Achtung: Der Text ist ein wenig verspoilert!

Die nackten Zahlen: 8 Frauen bekommt das männliche Publikum zur Schau gestellt. 8 erregende, gut gebaute Weiber. Sie sind omnipräsent, unserem voyeuristischen Blicken ausgesetzt und reichlich sexy in Szene gesetzt. Sie sind aber auch roughe, dem Manne Angst einflößende, durchaus gefährliche Gespielinnen des Regisseurs, deren "gender body language" man kaum verpassen kann, ist sie doch in Klarsichtfolie verpackt.

Aber zunächst ist da auch erst einmal ein Film, der sein Sujet ehrlich liebt. Also eben eine Hommage an Die Trash- und Grindhousefilme vorangegangener Dekaden. Tarantinos DEATH PROOF bietet da durchaus Einiges auf: Zunächst beginnt er als cooler Styler, noch ganz Tarantinos verlabertem Stil verschrieben, lange nicht mehr so erheiternd wie vor Jahren, immernoch okay, aber nach einer Weile doch etwas nervig. Später dann wird das nur noch als Erholungspausen vom feinen Gewimmel wahrgenommen und vom Zuschauer gerne akzeptiert werden.

Dann ist der erste Teil des GRINDHOUSE-Duos ein netter Slasher, Kurt Russell aka Stuntman Mike ist zwar eher belustigend als gruselig, eher misogyner Macho als schockendes Monster, aber naja... Nichtsdestotrotz nutzt Tarantino in der ersten Hälfte das Verlangen des genreaffinen Publikums nach dem altbekannten Muster. Schockierend wird das dann übrigens doch noch, wenn Tarantino aus heiterem Himmel einen monströsen Autounfall mit vielen Toten zeigt. Keine Gefangenen, logisch - die karthatische zweite Hälfte soll ja noch folgen - und trotzdem ist das Alles äußerst effektiv, wenn man sich keine Vorinformationen zum Film geholt hat.

Und aprospos Autounfall, DEATH PROOF ist vor allem auch ein Autofilm, mit Stunts und Crashs und viel rasantem Getöse. Das macht richtig Spass. Spätestens hier verliebte ich mich dann vollends. Und in diesen Gefilden erreicht der durch und durch gegenderte Text dann auch seinen Höhepunkt: Ja, DEATH PROOF ist die pure Hommage an Russ Meyer! Klar, diesmal nicht so sehr die Monstertitten, sondern eher die toughen Mannsweiber im besten Sinne. Vernarbt und gebeutelt wie das Filmmaterial auf dem sie sich bewegen. Mhhh, und überhaupt dieses Filmmaterial, gesprungen, gerissen, fast entstellt in einigen Szenen, macht Loopings, kommt vom Schleifstein und liebt die zarten Scratchings von DJ Tarantino... Aber doch wieder zurück zu den Frauen. Die auch eher der Struktur bedingte Doppelstrategie, die Frauenkörper (und -sprache) zu inszenieren und gleichzeitig offensiv zurückschlagen zu lassen spielt eben ihr böses Spiel mit dem männlichen Zuschauer. Rough cats do bite!

Nochwas zum Formalen: Die Liebe zum Detail und die Dynamik, die sich nach langem Vorspiel entspinnt machen den Film grundsätzlich natürlich zu der Sahnetorte, die er ist. In seiner Gradlinigkeit und dem zurückgelehnten Stil ist er geradezu betörend. DEATH PROOF ist Tarantinos zweitbester nach dem all time classic PULP FICTION, ich lege mich fest!

Und nochwas, das ich mal loswerden will: Ich versteh es nicht und habe dafür auch kein Verständnis, was sich manch besserwisserischer Fan und gar Feuilleton-Schreiber da erlaubt. "Tarantino enttäusche ja nur noch", ist da zu lesen. Das Regie-Wunderkind konnte nach PULP FICTION - 1994 - keine Akzente mehr setzen und - vor allem - hat bis heute - 2007 - keine großen Stoffe umgesetzt. Oh je, welch gekränkte Seelen. Aber wer sich von der eigenen Erwartungshaltung so foppen lässt sollte die Schuld eher bei sich selbst suchen. Tarantino hat mit RESERVOIR DOGS und PULP FICTION - sowie den darauffolgenden Projekten - hervorragende Liebeserklärungen, Genrehommagen und -variationen umgesetzt, die eigene hoffnungslos nerdige Affinität zu seinem persönlichen Kino zum Ausdruck gebracht. Nicht mehr und nicht weniger. Wer behauptet denn, dass Tarantino nach PULP FICTION sich nun doch bitte schön existenzialistischen Epen zuwenden hätte sollen, "wegen seinem Talent". Er sei "im Kleinkindalter stecken geblieben" oder inzwischen auf einer "regressiven Entwicklungsstufe". Tarantino ist kein Kubrick oder Bergman, das sollte eigentlich schon 94 klar gewesen sein. Er war stilbildend und hatte eine vielleicht zu starke Prägung auf die vielen schwachen Ableger, die noch heute versuchen, Kasse zu machen. PULP FICTION ist ein großartiger Film und ein wichtiger für die Geschichte eines postmodernen Hollywoodkinos. Darüber hinaus macht Tarantino Spass, und zwar auf intelligentere und ehrlichere Weise als die vielen ermüdenden Doppelgänger. Erwarten kann ich von einem Tarantino nichts Anderes - was nicht heißt, dass ich ihm einen Schützling aus einer höheren Gewichtsklasse nicht auch zutrauen würde. Kritiker, die Tarantino schassen und sich bei den allwöchentlichen Blockbustern königlich - und zynisch - amüsieren, sind in ihrer überheblichen Schizophrenie nicht ernstzunehmen und teilweise unerträglich...

Abaton / OmU --- Wertung: 9,5



#542 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 25. Juli 2007, 09:18

The Exorcist
William Friedkin, USA 1973


Nicht mehr Herr im eigenen Haus - The Exorcist schürt die Ängste auf ideologisch ambivalente Art

Die alleinerziehende Mutter - der Verzweiflung nahe, die süße Tochter ("Mami, bekomme ich ein Pony?") - zum obszön-vulgären Monster verkommen, der Polizist - allem rat- und hilflos gegenüberstehend, die Wissenschaft - kühl und distanziert der Verblendung anheim fallend. In William Friedkins THE EXORCIST ist die Welt aus den Fugen geraten, und das auf so leiser Sohle, so schleichender Art, dass einem Gruseln kaum auszuweichen ist.

Der Teufel ist da, das unsagbar Böse, scheinbar unsichtbar und nicht bebildert, aber eben doch ikonografisiert in Gestalt des kotzenden, stinkenden, gräßlich entstellten Kindes, das uns die Worte um die Ohren wirft, die längst verdrängt, vergraben im Kopf sind und im Popular-Kino nichts verloren haben, schon gar nicht 1973. Eine kleine, gemeine subversive Taktik des Films. Genau wie der vierfache Einsatz des minimal sublim eingefügten Teufelsgesichts. War das jetzt echt? Wir gucken uns an, wie das Kind die Mutter nach dem in die Kinderspielfilmrolle eingeklebten Penis in Fight Club. Mehr vertragen wir nicht. Das ist doch verrückt?!

Und in der Tat. Der Film stellt mit seiner nüchternen Erzählweise in den Nachwehen des New Hollywood die Form dem Inhalt gegenüber. Dort geht es um einen personifizierten Generationenkonflikt ("Diese verlausten Hippies, so jung und schon verdorben!"), um das Scheitern der Fortschritts- und Technikutopie und natürlich das Eingeständnis der Existenz des Irrealen, der Notwendigkeit eines metaphysischen Diskurses. Plump gesagt: THE EXORCIST ist - gerade in der neu zusammengeschnittenen Fassung - reaktionärer Konservatismus im Gewand eines fortschrittlichen, neuen Kinos.

Gleichzeitig erzählt THE EXORCIST aber vielmehr im persönlichen Rahmen eine Geschichte über verdrängte Ängste und Lüste, die in uns schlummern. Der Film endet auch für die Glaubensmänner schlecht. Die Kirche konnte nur mit der kompletten Opferung das Böse besiegen (zunächst!). Der Film antwortet auf jegliche Fragestellung nach Präsenz und Schutz vor dem Bösen auf seine eigene, glasklar verständliche Art: Die Angst ergreift den Zuschauer und wird auch über das Filmende hinaus nicht mehr gehen...

DVD / OmU / 15.07.07 --- Wertung: 8,0



#543 moodswing

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Geschrieben 27. Juli 2007, 17:42

Tetsuo
Shinya Tsukamoto, Japan 1989

Stahlgewitter und Bodywars - Tetsuo erhebt sich in der zweiten Hälfte zum apokalyptischen Nervenzusammenbruch

Der Film ruiniert sich fast selbst. TETSUO lässt sich so ziemlich genau in zwei Teile einteilen, die unterschiedlicher in ihrer Wirkung nicht sein könnten. Die ersten 35 Minuten - zugegebenermaßen auch Eingewöhnungszeit - scheinen auch in der Nachbetrachtung als ideenverbratende Amateurcollage, als langweilender Aufbau, zu dem man keinen Zugang gewinnt. Die Konzentration schwankt.

Was Shinya Tsukamoto in der zweiten Hälfte loslässt erscheint dagegen von brachialer Durchschlagskraft. Ein Bildhammer, surrealer Alptraumdonner, dem "Image" gerecht werdend (kaum ein Film, der so von den verbreiteten Bildern zerrt, Images als kursierende Gerüchte). Organisch-Anorganisch, Mensch-Maschine, Körper-Technik, Mann-Frau. Der Penisbohrer als Verbindungspunkt jeglicher dialektischer Gegenüberstellungen. Der Film macht seine Begriffspaare nicht gerade subtil auf, aber was sollte das auch in einem mit allen Sinnen präsenten Bulldozer zu suchen haben. TETSUO ist in vorderster Front ein Monsterfilm, ein Kriegsfilm, ein Maschinenporno, der alles zunächst erzittern lässt. Cronenberg, Lynch, PI, Chris Cunningham - ja gut, aber verschachtelte Wege geht - oder gar narratives Konstrukt - sucht der THE IRON MAN nicht. Eisig und monochrom penetriert der Industrialproll seine Zuschauerschaft. Ein radikales Kamerakind mit gewalttätigem Hang zum Schneiden mit der Schere. Rostige Drumpatterns und flirrende Synthiesounds. Gegen Ende wird TETSUO das wirklich bedrohliche Destruktionskino, von dem man geträumt hat. Ein Drogentrip, der seltsam spät einsetzt.

DVD / OmU / 16.07.07 --- Wertung: 7,0


Electric Dragon 80.000 V
Sogo Ishii, Japan 2001

Wesentlich geschniegelter kommt dagegen der Cyperpunk-Tagteam-Partner ELECTRIC DRAGON 80000 V daher. Zuweilen mag das schon wie ein gleißender Videoclip anmuten, der Film wird auch nicht müde per Zwischentitel darauf aufmerksam zu machen, dass hier auch eine Videogame-Western-Variante denkbar ist. Fernab davon verstehe ich erst jetzt so richtig, inwieweit PI sich der Optik und Ästhetik des Genres annimmt und sie für sein Anliegen assimiliert.

#544 moodswing

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Geschrieben 31. Juli 2007, 16:17

Scanners
David Cronenberg, Kanada 1981

"My Art keeps me sane" - Cronenbergs Meisterwerk katapultiert ihn in die Riege der wenigen, wichtigen Horrorauteurs

Wieder mal so ein Moment in dem es Klick macht. Über Cronenbergs Filme reden heißt, hellhörig und aufmerksam zu werden, was kommt da Neues vom Meister? Cronenberg besitzt eine eigene Sprache, die sicherlich unique und hochinteressant ist, aber dennoch - ich muss gestehen, ich hatte bis zum jetztigen Zeitpunkt keinen wirklich überzeugenden Cronenberg gesehen.

Das hat sich mit SCANNERS schlagartig geändert. Das Werk ist für mich ein Meisterwerk, welches mich Bild für Bild in seinen Bann zog ohne in der Ideenvielfalt zu enttäuschen. Außerordentlich pointiert fasst er seine Geschichte über übermenschliche Telepathiefähigkeiten, über ein simples Good Twin, Bad Twin Konstrukt zusammen und erzählt nebenher etwas über Cronenbergs beliebten Körper- und Deformationshorror, über quasi-religiöse Strukturen (mit dem beängstigend starken Patrick McGoohan als Priester), und über die latente Angst des Zeitgeistes (der Contergan-Skandal lag nicht lange zurück). Spätestens wenn der Künstler und seine bizarren Skulpturen das Szenario entern, wird dem Zuschauer so abartig anmutend mulmig und schnell wird klar, dass Scanners einer der effektivsten Horrorfilme aller Zeiten sein dürfte. Der Künstler, der seine Fähigkeit die Welt (die Köpfe) zu durchblicken nur über Verdrängung und Sublimierung ertragen kann wird für den gesamten Film von außerordentlicher Wichtigkeit. Er ist das stärkste Exempel, das uns der Film an die Hand gibt, denn häufig transportiert SCANNERS nur ein vages Gefühl, und eben eine einzigartige Atmosphäre.

Nur Kleinigkeiten, aber da tut es weh doch auch eingestehen zu müssen, dass dieses meisterhafte Drehbuch an vielen Stellen schlampig, amateurhaft umgesetzt wurde. An der Inszenierung hapert es gewaltig. Cronenberg merkt man es bei seinen frühen Filmen schlicht an, dass er keine richtige Filmschule besucht hat. Schlimmstenfalls wirken manche Szenen lächerlich, was bei einem so herrausragenden Film wie SCANNERS jedoch nicht vielmehr als schmerzende Schönheitsfehler sind. Dem gegenüber sind allerdings die Special Effects - das ist hinlänglich bekannt - bemerkenswert klasse geraten.

Interessant im Übrigen noch die Tatsache, dass den zwei ziemlich gesichtslosen Hauptdarstellern Jennifer O'Neill und Stephen Lack drei hervorragende, hochgradig intensiv spielende Profis mit Patrick McGoohan, Michael Ironside und Robert A. Silverman gegenüberstehen. Nur eine kleine Auffälligkeit am Rande, aber doch ein wenig stellvertretend für diesen bisher besten Cronenberg, der mir zu Gesicht kam...

DVD / OmU / 14. + 15.07.07 --- Wertung: 9,5



#545 moodswing

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Geschrieben 02. August 2007, 19:40

Anschauungsunterricht Kinoleinwand
Mai/Juni 2007

Endlich mal wieder ein hervorhebenswerter Skandinavier schleicht sich derzeit durch diverse Festivals und nun auch durchs deutsche Kino. Der Norweger Reprise von Joachim Trier lässt sich erstmal mit Skepsis betrachten. Tape vor, Tape zurück, etliche Eindrücke in wenigen Minuten en passant mitgenommen, ein blond-blauäugiger Tarantino scheint durch. Das bessert sich zum Glück. Der Film wird ruhiger, besinnt sich auf seine Figuren und Momentaufnahmen, gibt Einblicke, und dies auf eine sehr ehrliche Art. REPRISE knüpft an die großen Momente der Dogmafilme an, wenn auch mit einer gänzlich anderen, fast entgegen laufenden Strategie. Dem Film gelingt es trotz seiner Verspieltheit Berührungspunkte zu schaffen und ein wenig auch ein Generationsportrait abzuliefern. Ganz nebenbei, denn viel eher ist er eine Bebilderung einer Krankheitsgeschichte. Er hält die Balance zwischen all seinen Themen und Figuren, das macht ihn so stark, damit sticht er heraus. Meine Empfehlung.
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In Clerks II kommt es nochmals zum unstopbaren Vormarsch des Kevin Smith-Nerdtum, so dass es schon zu schmutzigen Kolleteralschäden in den ersten Sitzreihen kommen kann. Political Incorrectness hier, hihi, Fäkalhumor da, haha, und dann ein unausweichliches Battle zwischen den bestimmenden Geeks um die Vorherrschaft vom Herr der Ringe gegen Star Wars, hoho. Klitschnass zugefügt noch eine hollywoodharmonische Love Story und eine Musicaleinlage - fertig ist der Feel Good Movie mit übel riechender Unterhose...
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Marion Hänsels belgisch-französische Co-Produktion Sounds of Sand ergeht sich in einer knallhart durchgezogenen Leidensgeschichte, die mitleidlos genau nach diesem, einem europäischen Mitleid hascht. Eine Geschichte - eine Familie beim Exodus, niedergemetzelt, stoisch sich dem Schicksal ergebend, nicht schlüssig psychologisiert - als Stellvertreter für den Niedergang eines vergessenen und verlorenen Kontinents. Der europäische Blick, ein unumstößliches Grundhindernis, aber vielleicht vielmehr noch als das der Versuch, mit einer Erzählung das ganze Elend zu bebildern, das eigentliche Wagnis?! Zwischen stilisierter Überhöhung und Ultrarealismus pendelt die ästhetisierte Erzählung hin un her, um seine depressiv-pessimistische Geschichte zu verbreiten. Sicherlich besser dieses Begehen, als der Rest an Filmen, die sich Afrika als Schaukulisse aussuchen und für ihre zynischen Hollywood-Metamorphosen ausbeuten - und doch ist dies in gewisser Weise eine Art Diskreditierung des Dokumentarfilms, der für solch ein Anliegen die schlüssigere Gattung wäre...
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Beschwingt und ganz "französisch" mag es in Hunting and Gathering zugehen, inszeniert vom alten Haudegen Claude Berri. 1x skurriler Sympath, 1x Lebenszyniker und eine Audrey Toutou, der man die sozial schwache Putze wohl kaum abnehmen mag. Bärenfalle des eigentlich hübsch anzusehenden Unterhaltungsfilms: Das schrecklich aufgesetzte Happy End - unglaublich bieder und konservativ...
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In welche Richtung eigentlich der hysterische Italiener Il Caimano will, blieb mir bis zum Ende (bzw. gerade an diesem) unklar. Nanni Morettis Politsatire oder Einzelschicksal, Huldigung ans Trashkino, an den kleinen Mann oder Film im Film, was will er eigentlich genau? Wie wild wirbelt der Film umher, verursacht eher Chaos im Kopf als Reflexion. Die verschiedenen Erzählstränge weiß er schwer zu verbinden, statt dessen gibt es eher illustren Schluckauf ohne Effee. Andersartig ja, aber wenn man den Gesetzen des Filmes ein wenig Frechheit entgegensetzen will, dann doch mit mehr Kohärenz.
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Weitaus finsterer und ernster betreibt Srdan Golubovics serbischer Klopka - The Trap sein Spiel. Der Film endet so tief depressiv, dass es mich doch sehr beeindruckte. Die elegant gefilmte Geschichte verbindet Charakterdrama und politische Historie eben so gekonnt, wie es der Kaiman nicht schafft - moralische Korrumpiertheiten sind im Serbien heute natürlich auch offener zu illustrieren, als es wohl die Subtilität erfordere einen politischen Film über Italiens vergangene Periode zu drehen...
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Eine interessante Grundprämisse bietet Fata Morgana von Simon Groß. Leider führt der Film diese kaum gewinnbringend aus, die Ideenlosigkeit ist frappierend, offenbart sich allerdings erst, wenn die Credits laufen. Gemein.

#546 moodswing

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Geschrieben 04. August 2007, 05:01

Transformers
Michael Bay, USA 2007

Blechverschrottung galore? - Michael Bays Transformers verformen sich im narrativen Einerlei

Zugegebenermaßen: Michael Bays Filmen kann ich mich in der Tat kaum ohne eine ironische Attitüde nähern. Dem "Oberflächenglanz" über den da einige, auch filmerfahrene Recken staunen, kann ich nicht viel abgewinnen. Das liegt kaum daran, dass mir hirnlose Actionfilme nicht schmecken mögen, sondern vielmehr mit welch dreister, marketingorientierter Dummheit Bay seine Filme inszeniert - und natürlich dem damit verbundenen, hohlen Patriotismus, dem er nur allzu gerne fröhnt.

Bei TRANSFORMERS erobern wir in dieser Hinsicht ebenfalls nur allzu bekanntes Terrain. Eine massive Verwurstung an CGI, die immer ziemlich glattgerubbelt ausschaut (Ich will Verschrottung sehen!) wird in ein peinlich infantiles narratives Gerüst gesteckt. Statt lustigen, "robothrophen" Massenprügeleien, die das Budget sicher auch erlaubt hätte, gibt es eine handvoll gute und eine handvoll böse Transformers, deren Funktion wie in einer Kindergeschichte vorgestellt und sofort wieder vergessen werden, solch Blankostereotype verwendet der Film hierbei. Die Konfektionsgröße heißt Außenseiter-boy - beautiful girl - guter Anführerbot - guter Beschützerbot - böser Bot mit Reißzähnen und schwarzem Lack...etc pp. Das das ist zu einfach gestrickt und ziemlich leidenschaftslos aufs Blatt gebracht. Einzig die häufig erfolgreich erzwungenen emotionalen Einbindungen sind bei einem derart simpel geschustertem Drehbuch recht einfach zu bewerkstelligen gewesen.

Besonders übel stößt auch Bays typischer Militärfetischismus auf, altbekannt, die SlowMo Sequenzen der aufbrechenden Soldaten unter der Sonne mit heroischer Musik versetzt. Grässlich. Wie im kolportierten Kindergarten kommt man sich auch vor, wenn Bay mal wieder die Minderheiten aufs Beschämende einsetzt (Der dicke Hacker sei genannt, der auch stellvertretend für den infantilen Humor des Werkes steht) - Bay rechnet da genau mit seinen schwarzen und hispanischen Kunden, denen er irgendetwas zwischen Identifikationsangebot und einem heimischen Gefühl unterbreiten will...

TRANSFORMERS = Kindergarten für Spätpupertierende

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Geschrieben 06. August 2007, 10:11

Live Free or Die Hard
Len Wiseman, USA/Großbritannien 2007

Analoger Angepisster gegen digitale Schweinebacken - Stirb langsam 4.0 mutiert dank überhöhter Action und Zeitgeistspielereien zum starken Sommerblockbuster

Fakt ist: Wer mit John McClane nichts anzufangen weiß, wird von diesem zurück in den Kindergarten geschickt. DIE HARD OR LIVE FREE macht sofort Tempo und setzt darauf, dass seine Zuschauer Bescheid wissen, wie der Hase läuft. Der Film erinnert sich mit Inbrunst an seine Vorgänger. Terroristenpack, das von McClane fragmentarisch zerlegt wird. Keine Mätzchen, volle Fokussierung auf "The Man". Macho Man genauer gesagt, denn dabei ist dieser zunächst einmal auffällig chauvinistisch: "Ich habe ja schon mit vielen Schlampen zu kämpfen gehabt, aber du bist ja die Höhe." McClane ist der simpel strukturierte Mann, einfach im Denken und Handeln, family first, der Prototyp der unsensibelen, grobmotorischen Beschützers. Ein echter Oldschooler, der mal laid back, mal zornig, immer grummelig und mäkelnd durch die Welt rennt. "Alright, that’s enough of this Kung-Fu shit." - STIRB LANGSAM 4.0 ist eine Rückkehr to the good old days as the people were fresh.

Spannend ist die politische Konnotation des vierten McClane-Abenteurs. Denn der Streifen verfällt eben nicht in eine Huldigungspose für das Land der Freiheit, sondern geht sogar ein Stück weit kritisch ins Gericht. New Orleans und der Katastrophenschutz werden angerissen, mehrfach. 9/11 blitzt durch, vor allem als es droht, das weiße Haus könnte zerstört sein. Panik und Angst werden zu gegenständlichen Begriffen - Der Film fängt auf angenehme, nicht unemotionale, aber doch genügend distanzierte Weise den Zeitgeist Amerikas in dieser Dekade ein.

Fernab davon lebt DIE HARD OR LIVE FREE von seiner Action, die diesmal fuchsteufelswild und vielfach überhöht inszeniert wird. Was Mister CGI kann, kann ich schon lange - auch wenn sich das dann doch etwas widersprechen mag. STIRB LANGSAM 4.0 entwickelt sich zunehmend zum ironischen Muskelprotz, der die Grenzen der Reihe auslotet. Aber eben: John McClane darf das. Er bleibt auch im Angesicht eines Militärjets noch mit beiden Beinen auf dem Boden und erledigt den dreckigen Job. Wir lachen, aber bitte mit Respekt. Denn John McClane - der Authentizitätsamboss - er bleibt Held und Ikone. In sein Blut-Dreck-Schweiß-Gesicht schauen wir jederzeit wieder gerne...

Kino Cmxx / DF --- Wertung: 7,5



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Geschrieben 08. August 2007, 04:15

Rote Sessel - Trinkbecherhalter
Kino im Juni 2007

Himmelherrgott - Uwe Bolls Postal zieht mit dem Grinsen eines kleinen Klugscheißers, mit seinen postpupertären Geschmacklosigkeiten und mit der sich verzweifelnd in den Vordergrund drängenden Provokation einen Feldzug gegen das Kino. Das sieht dann manchmal so aus, als feiere Boll bei KIKA Geburtstag und schmeißt Torten mit kleinen Gummimessern drin. Der, der dann lacht ist Boll alleine, wie wahrscheinlich auch als ein Einziger bei der Szene, in der sogar seine Selbstgeilheit im Klamauk versinkt, als sich der echte Boll vom Gameentwickler prügeln und letztlich die Eier abschießen lässt - beim bayrischen Schützenfest in Little Germany. Gerade im Zusammenspiel mit dem für die Boll KG sprechenden Hampelmann, der auf der Bühne vorher den Film anpreisen wollte, wirkt die Showze wie mit Fremdscham beseeltes Kasperletheater im Filmzirkus. Irgendwie auch gruselig. Der PR-Heinzelmann vom Bolleruwe "freue sich darauf, nach dem Film angeregt mit den Journalisten zu diskutieren" und stand letzten Endes sich stetig räuspernd an der Theke - allein, denn die peinlich berührten Zuschauer machten einen großen Bogen um ihn oder traten gleich die Flucht an... Aber solange der Film in Cannes gut gelaufern ist - so der Sprecher - ist ja alles okay... Welchen Preis bekam er doch gleich? Dümmster Film 2007, keine Frage, denn er ist der Einzige, der sich um diesen Titel reißt...
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The Secret Life of Happy People ist ein kleiner Kanadier mit einer arg selbstverliebten Kamera. Schwerer ins Gewicht fällt jedoch die Tatsache, dass die Tragikomödie von Stéphane Lapointe Schwierigkeiten bekommt den richtigen Ton zu treffen. Erst Voice-Over im Stil der amerikanischen Vorbilder, dann heiteres, belustigendes Treiben und letzten Endes der tragische Zusammenbruch der Familie - fühlt sich an wie eine unausgeglichene Talfahrt. Die Destruktion der Familie wird angetrieben durch eine Protagonistin, die sich als reinste femme fatale entpuppt - absolut durchtrieben, unberechenbar, ohne psychologisierte Motivation oder Empathie. Die Hure zerstört die heilige Familie, die zugegebenermaßen auch nicht besonders tiefgehender analysiert wird. Mindestens die Frauenfigur ist dabei allerdings mehr als beanstandenswert...
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Next von Lee Tamahori besitzt außer einiger unterhaltsamer Anspielungen (ten tries to get a woman) keinerlei Mut mit der Idee etwas anderes anzufangen als eine harmlose Action-Love-Story im altbekannten Muster durchzuspielen. Der Beschützer mit dem Jammerblick Nicolas Cage, diffuse Terrorismusangst und seltsam schlecht wirkendes CGI ist das Einzige, was zurück bleibt...
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Bei Billy Kays Breach wundert man sich zunächst darüber, dass solch ein scheinbar altbackenes Sujet wie das des FBI-Dramathrillers basierend auf authentischen Ereignissen noch ernsthaft groß ins Kino platziert wird. Nach viel US-amerikanischer Bewusstwerdung, Geschichtsbewältigung, nach einer Art Authentizierungsverlangen sieht der Film über weite Strecken aus. Als Schwachpunkt würde ich dem Film ankreiden, dass er es nicht schafft, das Charisma seines Protagonisten richtig mit seinen Taten zu koppeln. Dies vermeidet er geradezu, das wirkt dann irgendwann doch etwas zu ungenau beobachtet. Trotzdem involviert BREACH den Zuschauer stark genug, dass man den Film als gut funktionierendes Hollywoodkino bezeichnen mag...
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Der Festivalgewinner in Venedig 2006, der chinesische Still Life von Zhang Ke Jia beginnt als Studie eines maroden Landes - gesprengte Häuserreihen, Korruption, Missgunst, Verachtung, Dreck und ein naiver, mittelloser Mann auf der Suche inmitten des Chaos. Polyphone Handyklingeltöne statt vollem Magen - beleuchtete Diskrepanzen. Bis zur Mitte fasziniert der Film, dann aber macht er einen radikalen, unverständlichen Einschnitt. Er wechselt unvermittelt zur Illustration der Suche einer anderen Protagonistin, die nun ins Spiel kommt. Etwas unmotiviert schlingert STILL LIFE dann durch seine Erzählung und bietet dabei zuviel Gelegenheit auf die hölzernen Laiendarsteller und den üblen Tonschnitt aufmerksam zu werden. Irgendwann war ich raus und die Bilder gingen nur noch an mir vorüber...
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Frank Oz neuen Film habe ich mir aufgrund seiner Vergangenheit als Muppet angeschaut. Ein grober Fehler, Oz und seine Komödien können mir ab jetzt gestohlen bleiben, denn Death at a Funeral ist ein "British Pie" für Erwachsene und der Beweis dafür, dass sich auch gebildete Menschen jenseits der 40 im Kino pupertär verhalten können...

#549 moodswing

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Geschrieben 13. August 2007, 03:07

Hostel: Part II
Eli Roth, USA 2007

Hitzige Diskussionen um heiße Luft - Hostel 2 ist nur in den Paratexten das versprochene Randalekino

Erinnere ich mich an HOSTEL, so erinnere ich mich an einen wirklich miesen Genrevertreter, über den heftig diskutiert wurde. Zuviel um so ein läppisches Filmchen. Nun gingen die Diskussionen also wieder los, auch angestachelt durch die dämlichen Kürzungen der FSK. Wieder Zensur, wieder PR, in der BILD kann man einen Kurztrip nach Zingst gewinnen, wenn man beim Gewinnspiel zum Film mitmacht.
Aprospos BILD: Hier sagt Regisseur Eli Roth, dass es im Film "um die kranke Seite des Menschen" geht. Aha. Na sowas.

Roth ist ein Dummbrot und ein recht minderbemittelter Filmemacher, wie seine ersten beiden Langweiler CABIN FEVER und HOSTEL gezeigt haben. Der Mann hat von Filmkonstruktionen wenig Ahnung, und das zeigt sich auch in HOSTEL: PART II - Ähnlich wie im ersten Teil gibt es eine Zweiteilung, die eine möglichst radikale Fallhöhe schaffen soll. Und ähnlich wie in Part 1 kommt dabei ziemlich dramaturgischer Käse heraus. Vor allem im zweiten Teil geht es mit Figurencharaktersierung, Konstruiertheiten und Tempowechseln so hoch her, dass man zeitweilig wirklich das Gefühl bekommt hier hat sich ein Dilettant mit der Zeit und dem Geld verrechnet und muss seinen Mist egal wie irgendwie zu einem Ende bringen.

Aprospos Fallhöhe - genug der Meckerei. Denn HOSTEL 2 hat mir zu meiner eigenen Überraschung sehr viel Spass bereitet. Diesmal macht er doch vieles richtig, was er im ersten Teil gegen die Wand gefahren hat. Zunächst sind es diesmal drei Mädchen, die in den Kampf gehen. Nichtsdestotrotz (und das kam in einigen Reviews ganz anders rüber) bedient sich der Film der Schaulust eigentlich nur in einer Szene ganz explizit - und dort hängt dann ausgerechnet das hässliche Entlein von der Decke herab um von einer "Vampirista" in ein sprichwörtliches Blutbad verwandelt zu werden. Das ist dann auch das Brutalste und Unangenehmste, was der Film in Sachen Gewalt zu bieten hat. Die FSK hat soweit ist den Überblick habe alles, was auch nur den Anschein nach Blut machte geschnitten - und das waren gerade einmal circa 5 Minuten. Spricht auch eher für die Harmlosigkeit des vermeintlichen Brutalos.

Ansonsten ist Roths Werk - ob gewollt oder auch teilweise ungewollt - ziemlich krude, naiv und überladen. Diesmal gibt es herrlich plakative Systemkritik, wenn ein Familienpapi im weißen Hemd gegen einen Golfer im rosa Pullunder und einen Geschäftsmann auf seiner Yacht (im - sagen wir mal - babyblauen Rollkragenpulli) um die Todeskandidatinnen per Handyauktion buhlen. Dann gibt es auch noch einen Blick hinter die Kulissen, in denen (natürlich) moralfrei-überharte Russen (mit langbeinigen Modelfreundinnen) das Sagen haben. Okay die Sache mit dem Voyeurismus, zugegeben, die Modelschönheit lesbelt ein bisschen mit unserem tough girl herum.
Ziemlich rüde? Damit noch nicht mal genug: die zwei Folterer bekommen Gesichter und Namen, dann gehen sie vollgekokst in den Kerker, der Bösewicht wird geläutert, der eigentlich mit Skrupeln versehene gute Bub wird vollkommen unmotiviert zum Schlächter. Zum Ende entwickelt sich unsere Protagonistin zum final girl, das ebenfalls moralfrei-überhart kastriert sich im bösen System eingegliedert hat und gleich auch das Lesbenluder richtet.
Eindeutiger geht's für mich nicht. Wer den Film zu dumm findet, verstehe ich - für mich war es heiterer Trash...

Streits / OF --- Wertung: 7,0



#550 moodswing

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Geschrieben 15. August 2007, 01:37

28 Weeks Later
Juan Carlos Fresnadillo, Großbritannien/Spanien 2007

Unabwendbar - 28 Weeks Later treibt die apokalyptische Version des Vorgängers konsequent weiter

Danny Boyles und Alex Garlands 28 DAYS LATER faszinierte 2002 vor allem deshalb, weil ein Mainstreamfilm endlich einmal eine wirkliche Apokalypse ins Kinobild setzte. Kompromisslos und streng fokussiert auf den Survivalkampf reizte der Film viele Bilder aus, wechselte mittendrin das Szenario und wusste dabei zu überzeugen.

Juan Carlos Fresnadillos Nachfolger 28 WEELS LATER setzt da an, und treibt das Spiel im Geiste des nihilistischen Genrevorlegers weiter. Unmittelbarkeit, Gehetztheit, Direktheit, Permanenz, aber vor allem die Negierung der Möglichkeit zu einer positiven Wendung sind die Parameter, die das Werk zum Druckkochtopf machen, der stetig zu Explodieren imstande ist.

Das zentrale narrative Konstrukt, welches zunächst recht konventionell eine Familie in den Mittelpunkt zu rücken scheint, geht letztlich vor allem deshalb auf, weil es ebendiese in der filmischen Welt vollkommen selbstverständliche, ja natürlichste Sozialordnung nach und nach destruiert, zugunsten eines Exempels am Individuum. Der Vater (und zunächst eigentliche Protagonist) ist und bleibt Egotier und letztlich brutaler Zerstörer der Familieneintracht im Angesicht des eigenen Überlebensinstinkts. So wir dann mitfiebern, können wir auch in jeder anderen Hinsicht am Ende nur leiden, ertappt am Mitfühlen mit dem eh aussichtlosen Individuum, das seinerseits nur das Böse in sicht trägt - selbstverständlich nur tragen kann, das muss uns eigentlich in jeder Hinsicht bewusst sein - die bösen Rezeptionskonventionen katapultieren uns automatisch in die Irre.

28 WEEKS LATER funktioniert in vielerlei Hinsicht wunderbar und bietet tatsächlich einige der kraftvollsten, erschütternsten Bilder dieses Filmjahres. Darüber hinaus lässt sich das Werk natürlich auch gut und gerne ein Stück weit politisch lesen. America, oh America - das Infiltrieren und die Invasion im Geiste der guten Sache, der Hilfeleistung - dann das Scheitern und das blindwütige Um-sich-Schießen, der Kontrollverlust, das Umschlagen in hierarchisierte Unmenschlichkeiten aus sicherer Distanz. Das lässt aktuelle Rückschlüsse ebenso zu, wie auch die prinzipielle Angewiedertheit vorm militaristischen Apparat, die auch schon bei Boyles 28 DAYS LATER durchschien.

Einzig und allein als schade ist es zu bezeichnen, dass 28 WEEKS LATER es nicht schafft ohne Konstruiertheiten und unnötig eingesetzte, simplifizierende Momente typischen Genreproblematiken aus dem Weg zu gehen. Zu häufig rauben die gestellzten Posen dem Zelluloid den Impakt und die Intensität. Ohne diese Spiränzchen wäre 28 WEELS LATER der Horrorfilm des Jahres geworden...

Abaton / OF --- Wertung: 8,5



#551 moodswing

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Geschrieben 16. August 2007, 18:01

Fantasy Film Fest 2007 - Pre-Taste
Im Vorfeld Gesehenes

Der norwegisch-isländische The Bothersome Man von Jens Lien, der dieses Jahr auch als einer der Topfilme das FantasyFilmFest schmücken wird, pflegt zunächst einmal skandinavische Tugenden. Trocken, lakonisch, langsam, fast steril aber doch die Melancholie in sich tragend erzählt er von einem Mann, der fast taub und mit verlorenem Geschmackssinn durch sein Leben stolpert. Zunächst sieht alles nach einer typischen Loserstory aus, doch falsch gewickelt: der Mann hat einen guten Job, nette Kollegen (in allerdings anonymisierender Arbeitsatmosphäre), eine Frau (mit Haus), eine Geliebte und diese sind ihm noch nicht einmal böse ob seines Doppelspiels im Liebesleben. Der Mann ist trotzdem betäubt und will sich vor den Zug schmeißen, doch makaberer Weise wollen ihn noch nicht einmal mehrfache Zugüberrollungen des Lebens berauben. Also macht er sich auf die Suche nach dem Geschmack und ab hier wird THE BOTHERSOME MAN dann langatmig, unkonzentriert und kann erst an seinem (notwendigerweise) pessimistischen Ende wieder Punkten. Als ungewöhnliche, monoton pumpende Alltagsgroteske funktioniert der Film allerdings in jedem Fall ausgezeichnet.

Die schönste Sequenz im Neuseeländischen Eröffnungsfilm des diesjährigen FantasyFilmFests Black Sheep von Jonathan King ist das Loslassen einer Horde wildgewordener, genetisch veränderter Zombieschaafe auf eine Horde gieriggewordener, fiskalisch veränderter Großkapitalisten aus aller Welt (Deutschland ist natürlich auch vertreten). Neben dem hübschen Gore amüsiert man sich hier eben auch über die Opfer und ihre tierischen Auswüchse, die zum ersten Mal nun auch physisch sichtbar werden. Am Ende stehen sie dann - wieder erlöst in Menschengestalt - zusammen kauernd und wimmernd in einer Ecke einer Schaafsumzäunung. Zusammen mit einem radikalen Ökofighter. Ein schönes Bild. Ansonsten bietet BLACK SHEEP ein relativ erwartbares Szenario: teils schwarzer, teils zu klamaukiger Humor, ein bisschen Gore, die einen oder anderen Fluchtszenen, gute Menschen, böse Menschen und lustig deformierte Schaafe. Nichts Besonderes, nett anzusehen und sicherlich die richtige Wahl für den Festivalauftakt.

Und FantasyFilmFest die Dritte: Eric Barbiers Le Serpent, zu englisch THE SNAKE ist ein französischer Thriller aus dem Genre des wir-wissen-unser-Held-wird-in-ein-mörderisches-Intrige-vertrickt-und-benötigt-nun-120-Min-um-dort-herauszukommen-Movies. Wir leiden also mit. Zum Glück ist der Film rasant genug inszeniert, dass uns nicht langweilig wird. Ein Film für Dauerkarteninhaber. Übrigens: Wussten sie, dass Pierre Richard (ja, der Große Blonde mit dem blauen Auge aka Alfred, die Knallerbse aka der Sanfte mit den schnellen Beinen) heute aussieht wie der französische Heiner Geissler? In der Schlange kann man sich davon überzeugen...

Nach Sichtung des Standard-Gruselers The Messengers verwundert es mich sehr, dass zum Einen der Film in den USA so einigermaßen erfolgreich gelaufen ist und zweitens den Pang Brüdern, Oxide und Danny viel Talent bescheinigt wird. 08/15 Geisterspuk, vorhersehbar und weit über dem Verfallsdatum. Dazu dann noch die die beliebten family values als Dessert serviert. Braucht die Welt nun wirklich nicht mehr.

Ab morgen dann die aktuellen Sichtungen auf dem Fantasy Film Fest.

#552 moodswing

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Geschrieben 19. August 2007, 13:51

Out Of The Blue
Robert Sarkies, Neuseeland 2006
|
Die unaufgeregte, authentische Amoklauf-Nacherzählung ist in ihren stillen Momenten am wirkungsvollsten. Wenn die Kamera beispielsweise immer wieder auf das lodernde Feuer eines abbrennenden Hauses hält versucht sie Eindrücke festzuhalten, das Hier und Jetzt und damit auch das Unfassbare zu bebildern. Das geschieht leider zu selten. Die meiste Strecke seiner Laufzeit ist OUT OF THE BLUE leider "nur" eine bloße, sich keine Fehler erlaubende Nacherzählung einer wahren Geschichte. Gerade im Vergleich mit ELEPHANT von Gus Van Sant fällt jedoch auf, das der Film in seiner unmanirierten Art eben auch viel weniger provokativ ist und sich weniger traut. Auch bei einem anderen Vergleich, der mir in den Kopf kam, fällt eine Schwäche des Werkes auf - wenn bei Nanni Morettis DAS ZIMMER MEINES SOHNES die Tragödie und das Böse über die Familie einbricht, ist dies deshalb so wirkungsvoll, weil wir übersichtlich psychologisierte Figuren im Mittelpunkt haben und immer mit ihnen sind. Bei OUT OF THE BLUE wird jeder beteiligte in wenigen Minuten abgerissen, was man dem Film natürlich nicht zum Vorwurf machen kann, da er eben die Geschichte authentisch erzählen will. Trotz bester Bemühungen um Emotionen am Ende, der Film berührte mich nur in wenigen Momenten...

Fantasy Film Fest 2007 / OF --- Wertung: 5,0



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Geschrieben 20. August 2007, 14:25

Stuck
Stuart Gordon, Kanada/USA/Großbritannien 2007
|
Stuart Gordons jüngstes Werk bietet etwas Bemerkenswertes: Gordon versteht es die soziale Kälte in Close-Ups zu fokussieren, und das dann im Gewand eines Genrebeitrags zynisch ausformulieren zu lassen. Die Story um eine Krankenschwester, die einen gerade obdachlos gewordenen Arbeitslosen anfährt und ihm keine Hilfe gewährt, sondern die dunkle Tatsache lieber verdrängt/ersäuft/wegvögelt könnte kein passenderes Bild sein für die Schuld-und-Sühne-Geschichte um das dreckige Gewissen, welches unsere Gesellschaft plagen müsste. Wunderbar dabei, dass Gordon es auch nicht vergisst sämtliche bürokratische Institutionen mitverantwortlich zu machen: Die Polizei hat außer Vorurteilen und einem blinden Rücken nicht viel zu bieten, den Beamten auf dem Arbeitsamt interessiert nur das exakt ausgefüllte Formular und seine Uhr, die anzeigt, dass er wohl schon ein paar Minuten zuviel arbeitet. Selbst im Krankenhaus, in der unsere Antagonistin (Mena Suvari) arbeitet, bekommt diese die inhumanen Zustände (sie darf einem alten Patienten nicht helfen, der nach ihr verlangt) und die Ellbogenmentalität (it's all about the advancement baby) zu spüren. Die Hispanics, die gegenüber der Garage leben, in der unser Protagonist (Stephen Rea) gefangen ist können ebenfalls nichts tun - sie fürchten um ihre Abschiebung. STUCK - das sollte damit eindeutig klar sein - ist ein Film, in dem es also darum geht die unsozialen Egoismen und Ungerechtigkeiten in narrativ unterhaltsamer, aber niemals leichtfüßiger Art zu thematisieren. Dabei geht Gordon sogar noch ein bisschen weiter und macht uns zum Komplizen einer Antagonistin, die wir - oh Schreck - auch ein wenig verstehen können und die nie plump, immer schlüssig psychologisiert wird. Ihre Verdrängungsstrategien sind bekannt: Ein paar Schluck Whiskey münden in härtere Drogen. Über den Schock wird erstmal gefickt - der schnelle Spaß überdeckt die Gewissenbisse, in der Garage tropft das Blut und hier das Sperma - und am nächsten Morgen ist der Spuk hoffentlich vorbei. Ein blinder Fleck tief in der Seele, der sich nach und nach aufdeckt, das ist die Garage, die sich einfach nicht selbst reinigen will. Am Ende liefert uns der Film dann doch noch die reinigende Karthasis. Der muntere Zynismus tut der eigentlichen Tragödie dabei keinen Abbruch - Gordons Film ist ernster gemeint, als ihn das Nerdpublikum gerne gehabt hätte...

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 16.08.07 --- Wertung: 9,5



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Geschrieben 22. August 2007, 03:47

Live!
Bill Guttentag, USA 2007

Die Mockumentary um die Entwicklung einer Spielshow, bei der Russisches Roulette letzten Endes zum Tod eines Teilnehmers führen wird versteht sich durch und durch als Medienkritik, hat einige gute Ansätze und Ideen und macht dabei leider vieles falsch. Schön fand ich das Aufgreifen einiger harter Fakten der zynischen Berechnungen im Medienbusiness, beispielsweise die Kalkulation mit Minderheiten oder die Strategie der schnell erzeugten Fast-Food-Emotionalisierung um die Zuschauer zu catchen. Die Schauspieler, allen voran Eva Mendes als kaltschnäuzige Powerfrau liefern ebenfalls das nötige Potenzial, um etwas aus der interessanten Grundprämisse zu machen. Da hört es dann aber leider schon auf. LIVE! macht einige entscheidende Fehler: Als größten Faux-Pas empfand ich die Tatsache, dass die Medienmacher kaum psychologisiert werden. Mendes als einzige bekommt einen Charakter zugeschrieben, um dann auf unehrlichste, unaufrichtigste und konstruierteste Weise am Ende einen durch plötzlich eintretende Gewissenbisse und humane Regungen verursachten Nervenzusammenbruch zu bekommen. Ganz falscher Weg. So deckt man nicht die Verlogenheit des Medienbusiness auf - dieses wird immer noch von Menschen gemacht und diese gilt es zu beobachten. Statt dessen setzt der Film auf eine rasante Erzählung, die am Ende darin mündet, dass er affirmativ die Grundstruktur des Sendekonzepts aufnimmt und dem Zuschauer die Show ohne reflektierte Zwischenebene - mit der gleichen Taktik des eigentlich Kritisierten - auf billige Spannungserzeugung kalkuliert präsentiert. Als Abrundung steht dann ein ganz simpel hingeklatschter, zynischer und unreflektierter Abschluss. Doch nicht nur hier verschenkt LIVE! wertvolle Ideen, auch der Anfang ist mir nicht plausibel - Dass solch ein Medienkonzern sich ungeniert von einem unabhängigen Filmteam ohne Manipulation beobachten lässt ist schlichtweg Humbug und genauso wenig glaubhaft, wie die Tatsache, dass eine Show, in der wohlweißlich ein Mensch sterben wird, von einer einzelnen, erfolgsgeilen Person in einem Medienkonzern irgendwie so durchgeschlängelt werden kann. Sicherlich ist Überhöhung als Stilmittel okay, doch in diesem Versuch, einen hyperrealistischen tone zu erzeugen, scheitert so etwas kläglich.

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 17.08.07 --- Wertung: 4,0



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Geschrieben 22. August 2007, 23:30

Black Water
David Nerlich/Andrew Traucki, Australien 2007
|
Der gradlinige Tierhorrorfilm um 4 Menschen, die in den Sümpfen Nordaustraliens beim Angeln von einem blutlüsternen Krokodil angefallen werden macht soweit alles richtig: Gute Darsteller, solide Effekte, schöne Kamerarbeit und ein starker Score lassen den Film die nötige Atmosphäre kreieren, hier und da mal unterbrochen durch geschickt gesetzte Schockmomente. Leider sind 90 Minuten zu lang für die Grundidee, die eben auch nicht mehr zu bieten hat. An mehreren Stellen zieht sich BLACK WATER unangenehm auffällig und schafft es damit nicht, seinen Spannungsbogen konstant aufrecht zu halten. Nur das Abschlussbild mit der kämpfenden kleinen Schwester im Fressnest des Ungeheuers weiß nochmal zu überzeugen. Ansonsten ist BLACK WATER leider "nur" ein gut inszenierter Genrebeitrag...

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 17.08.07 --- Wertung: 6,0



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Geschrieben 23. August 2007, 17:18

The Living and the Dead
Simon Rumley, Großbritannien 2006
|
Da läuft ein Meisterwerk auf dem FFF und keiner bekommt's mit. Wo die Berlinale Belanglosigkeiten und Prominenz am laufenden Band produziert und vorführt, da sieht man jährlich beim Fantasy Film Fest so zwei bis drei kleine unbekannte Filme, die in ihrer Genauigkeit, Substanz und Ideenvielfalt - auch Ernsthaftigkeit und dem dramatischen Potenzial - mit dem Rest der Genreware des FFF, aber vor allem auch der elitären und selbstverliebten Eitelkeit eines Arthousefestivals wie der Berlinale wenig zu tun haben. THE LIVING AND THE DEAD von Simon Rumley ist solch ein Film in diesem Jahr. Er erzählt die Geschichte einer altreichen Familie auf ihrem heruntergekommenen, ländliche Schlosssitz in England. Der Vater muss für einige Tage verreisen und der geistig behinderte Sohn beteuert, sich um seine bettlägerige Mutter kümmern zu können. Als der Vater trotzdem eine Krankenschwester engagiert wird dieser vom Sohnemann heimlich kein Einlass gewährt. Damit beginnt ein Horrorszenario für alle Beteiligten, das sich bald auf mehrere Ebenen erstrecken wird, und Vergangenheit und Gegenwart, Einbildungen und Alpträume in einem psychotischen Hochdruckkochtopf zum Explodieren bringen wird... THE LIVING AND THE DEAD traut sich immens viel, ist sehr persönlich und schämt sich seiner hässlichen Fratze zu keinem Zeitpunkt. Es ist ein Film über das Brüchige im engsten Sozialverband, der Familie - über die Trennung, den Riss und die Entzweiung, die sich spätestens mit dem Tod einstellen. THE LIVING AND THE DEAD ist zunächst nur auf angedeuteter Ebene, dann auch ausgesprochen und ausformuliert, ein Film über Tod, Krankheit, Verlust und vor allem den persönlichen Umgang mit dem Ableben eines nahestehenden Menschen und die eigene Verarbeitung dieser Katastrophe. Irgendwann mittendrin dachte ich auch kurzzeitig daran, dass hier eine Ödipusgeschichte im Miserystil interpretierbar wäre, doch das würde zu kurz greifen - Hier wird nicht Freud geplündert, sondern hier wird eine hochpersönliche Geschichte erzählt. Wenn der Sohn die Mutter alleine pflegen und damit die alleinige Verantwortung zu ihrer Errettung vor dem Tod auf sich nehmen will, obwohl er sie sichtlich nicht haben kann, dann verdrängt er die Tatsache, dass er gegen ihr Ableben nichts machen kann. Wenn die Krankheit ihre Symptome zeigt - wenn die Mutter pissen muss und einscheißt - dann wendet er sich angewidert ab. Er erträgt den Anblick des Todes nicht, verneint ihn und will ihn doch besiegen. Die hochemotionalen Momente des Films stecken inmitten dieser rauen, eindringlichen und weh tuenden Bilder. Über die persönliche Geschichte schreibt sich damit aber auch ein generalisiertes Gefühl ein - ein Gefühl um einen strampelnden, egozentrierten, todesverneinenden Menschen, der sich verzweifelt zu wehren versucht gegen das Unabwendbare und von der Kamera und dem äußeren Blick ja doch nur als Unfähiger, ja Kranker entlarvt wird. Aber Simon Rumleys Film wäre nicht so gut, nicht so intensiv und nicht so wertvoll, wenn er nicht auch auf filmisch-formaler Ebene ein Meisterwerk wäre. Ähnlich wie in PI stellt er die Kamera, die Settings und den Ton in den Dienst eines subjektiven Blicks, der in diesem so persönlichen Film notwendigerweise zum Stilmittel werden muss. Rumley hat das Script direkt nach dem Tod seiner Mutter geschrieben, und wenn er dies direkt nach der Sichtung erzählt, dann fügt sich das Eine in das Andere und diese persönliche Sache, die er in sein Kunstwerk einschreibt, wird noch spürbarer. Der ebenfalls etwas verwirrt wirkende und grundsympathische Regisseur erzählte noch ein wenig über die Finanzierung (Ablehnung von allen Seiten, bis zwei Inder - das Script ungelesen mit einem konventionellen Horrorfilm rechnend - Geld gaben um dann direkt nach der Premiere verschämt zu flüchten) und die nächsten Projekte (einen Serienmörderfilm über zwei schwule Serienkiller, die sich in ein und dasselbe Opfer verlieben und einen Hollywood-Horrorfilm, der - O-Ton - bevor er im letzten Dritten zum konventionellen Slasher wird, vorher doch noch so einige, sehr ansehnliche Ideen verarbeiten wird) und ich habe seit langer Zeit mal wieder einen Namen entdeckt, den es sich zu merken gilt...

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 18.08.07 --- Wertung: 10



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Geschrieben 25. August 2007, 16:51

La antenA
Esteban Sapir, Argentinien 2007
|
Einen anstrengenderen Film als diesen, das Centerpiece ("bei uns ja immer ein Arthousemovie" wie der Redner des FFF ankündigte) gab es wohl auf dem ganzen Festival nicht. LA ANTENA - die Stummfilm-Dystopie, das theatralische Gedächtnis, der Ideenwirbel, das Bildersammelsurium, der kindliche Naivling. LA ANTENA erzählt eine Geschichte um Sehen, Hören und Fühlen, die am Ende in einer fast beliebigen 08/15 Variation einer längst bekannten, ausgelutschten bad future world kulminiert. Der Film kann in jeder Sekunde mit seinen grauen Zeichnungen und niedlichen Ideen punkten (wir sind fasziniert wie vom Trailer) und verliert zeitgleich in jeder Minute an Intensität, denn um Nichts scheren wir uns hier, nicht um die schrecklich banal erzählte Geschichte und leider auch nicht um die Figuren (die verlorene Narrativik obsiegt hier). Ganz emotional und gleichzeitig unheimlich selbstoffenbarend wird der Film dann am Ende: Mit plattester Symbolik verengt LA ANTENA das Thema des Totalitarismus auf den Holocaust, was zwar irgendwie nobel ist, aber doch die Naivität der Filmemacher offenlegt. Film ist irgendwie schon in Teilen das, was sie tun und doch so gar nicht. Anders gesagt: LA ANTENA steckt noch in den Kinderschuhen. Wäre er ein entwicklungsfähiges, organisches Etwas, ich wäre mir sicher, wir hätten noch etwas zu erwarten. So muss es erst einmal bei diesem Versuch bleiben. Oder noch anders gesagt: LA ANTENA ist ein Kinderfilm, jedoch ein missglückter, weil viel zu anspruchsvoll. Ein Film, den man mögen möchte, der es einem aber in seiner treuherzig ahnungslosen Art wirklich schwer macht.

Fantasy Film Fest 2007 / OmdU / 19.08.07 --- Wertung: 5,5



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Geschrieben 26. August 2007, 18:00

WAZ
Tom Shankland, Großbritannien/USA 2007
|
Als konsequenter Bastard und gewollt grimmiger Zyniker geht der auf dem Festival vollkommen zu Unrecht untergegangene WAZ ins Rennen. Er lebt und atmet in einem düsteren Großstadtmoloch, lässt seine Stimmen nicht reden, sondern mürrisch raunen und kennt bis kurz vor das Ende wenig Liebe. Als eben dieser Miesepeter lässt er seine griesgrämigen Figuren blutige Mordfälle aufklären, die sich am Ende in das Privatleben des männlichen Protagonisten (Stellan Skarsgard) einfädeln und Verdrängtes hochkommen lassen. Das erinnert alles ein wenig an SE7EN und tatsächlich ist WAZ seinem großen Bruder nicht unähnlich, dürfte auch stark von diesem inspiriert sein. Interessant dabei gerade im Abgleich, wie konsequent WAZ allerdings ist - denn er dekonstruiert seinen männlichen Hauptdarsteller am Ende gleich mehrfach. Der grummlige Bär, der mit dem Leben zynisch abgeschlossen zu haben schien, hat auf einmal eine unmoralische Vergangenheit. Mehr noch, er ist alles Andere als das Bild des starken Cops, das wir bisher von ihm hatten - er ist schwul und besitzt tiefe Liebe für einen anderen Menschen in sich. In der finalen Szene wird im wahrsten Sinne des Wortes "entmännlicht", eine kaum denkbare Alternative in einem konventionellen Copthriller. Wenn er dann im Sozialexperiment die für die moralisch strafende Antagonistin unerwartete, nämlich die altruistische Entscheidung und damit den Freitod trifft, ist eigentlich alles dekonstruiert, was überhaupt möglich war auseinanderzunehmen. Knallhart und konsequent führt WAZ dort aus, was er die 90 Minuten zuvor vorbereitet hat: Das Tröpfchen Humanismus inmitten einer längst kaputten Welt zu streuen. Bei einer ihm angemessenen PR wäre WAZ der Psychothriller des Jahres.

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 20.08.07 --- Wertung: 8,5



#559 moodswing

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Geschrieben 27. August 2007, 13:40

Bug
William Friedkin, USA 2006
|
Es passiert mir vielleicht zwei bis drei Mal pro Jahr, dass ich nicht weiß, was ich von einem Film zu halten habe. Der umstrittene Festivalbeitrag BUG ist wieder eine solche Begegnung. William Friedkins Werk bleibt vom Anfang bis zum Ende merkwürdig. Zunächst beginnt er als reiner Schauspielerfilm (Hervorstechend: Ashley Judd, wobei jeder Darsteller brilliert) auf engstem Terrain, bildet Figuren aus und konstituiert gleich eine seltsame Anspannung, die er nicht mehr verlieren wird. In amerikanischer Provinzialität, schwitzig und dirty wird viel geredet und früh fragt man sich, wo das denn noch hinführen soll. Die Antwort darauf, gibt der Film in der zweiten Hälfte. Dann wird BUG zu einer reinen Abfilmung zweier Psychosen, die aufeinander treffen und damit zur Destruktion führen. Dieser Übergang passiert so nahtlos, das auch hier Verwunderung aufkommt. BUG wirft viele Angeln aus ohne sie wieder einzuholen, lässt viele Fragen aufkommen, um so die psychische Konstitution der Protagonisten zu unterstreichen und für den Zuschauer fühlbar zu machen. Das fast grotesk-abstruse Ende zerrt dann sehr an den Nerven und auch dem guten Willen, welchen man dem Anliegen des Filmes gerne entgegen bringen will, insofern ist BUG wirklich etwas heikel. Am Ende bleibt die entscheidende Frage: Wozu das Ganze? Eine Bebilderung einer Psychose ist schön und gut, hat hier aber wenig Hintersinn wie mir scheint. Keine Moralkeulen oder Ähnliches - gut so - aber auch kein Mitleiden wird evoziert (vermutlich wegen der abstrakt-strangen Grundatmosphäre) oder eine Erweiterung des Blickes ermöglicht - also wohin geht's? Andererseits kann von BUG auch nicht behauptet werden, er benutze das Thema kannibalistisch aus um einen Nervenschocker zu inszenieren. Also bleibt er folgerichtig in einem Wirrwarr stecken, dass sich schwer deuten lässt. Fakt ist jedoch, dass neben der Tatsache, den überlaufenen Film wegen der schwachen Vorverkaufszahlen plötzlich im kleinen Kino laufen zu lassen, es vor allem eine eklatante Fehlentscheidung war BUG überhaupt im Programm des Fantasy Film Fest zu zeigen - Die Zuschauer kamen mit dem Film zusehends nicht zurecht, lachten laut ihre Anspannung (oder Ablehnung) weg oder verließen kopfschüttelnd frühzeitig das Kino. Es kann zumindest festgestellt werden, dass dieser Rahmen in keinster Weise dem Film würdig war und gerecht wurde.

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 20.08.07 --- Wertung: ?



#560 moodswing

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Geschrieben 28. August 2007, 20:01

La Hora fría
Elio Quiroga, Spanien 2006
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Als pessimistische Dystopie und durchpsychologisiertes Kammerspiel funktioniert das Low-Budget-SciFi-Drama LA HORA FRÍA in seiner Begrenztheit und dem nötigen Minimalismus hervorragend. Den Trick die Erzählperspektive durch Kinderaugen zu inszenieren führt gar dazu, eine optimistische, hoffnungsvolle Weltsicht zu positionieren. Damit ist der Zuschauer weniger vorbereitet auf die verstörende Verzweiflung, mit der die Protagonisten am Ende in die nun episch erscheinenden letzten Minuten gehen. Die Apokalypse steht vor der Tür und wird sogar nochmal angemessen bebildert. Zwischen Zombie-Kontamination und Kälteschocks endet der Film als Sicht auf das unabwendbar Böse des Menschen, dass sich inzwischen sogar auf das ganze Universum ausbreitet...

Fantasy Film Fest 2007 / OmU --- Wertung: 7,0



#561 moodswing

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Geschrieben 29. August 2007, 18:03

Storm Warning
Jamie Blanks, Australien 2007
|
Der Backwoodslasher inszeniert zunächst ein Pärchen nach den Genderklischees - tatkräftiger Mann, selbstunsichere naive Frau - um sie beim Aufeinandertreffen mit den Dorfdeppen zu dekonstruieren und umzudrehen. Die Frau muss jetzt Initiative zeigen (der Mann kann allerdings auch nicht mehr, da sein Bein gebrochen wurde) und macht dies ganz gut. STORM WARNING ist trotz dieses interessanten Twists kein überschwenglich begeisternder Genrebeitrag, da er häufig zu kalkuliert in den Klischeeeintopf greift: Die Hinterwäldler sind Messis, Canabis-Anbauer, haben einen gewalttätigen Vater und stehen auf Tierpornos. Das schmälert ein wenig die Floghiebe und Kastrationen, mit denen die kleine Französin dann auf die Burschen einwirkt. In einem besseren Zustand des Materials - auf dem FFF lief eine schlechte DV-Variante vor der fertigen Postproduction mit Tonsprüngen und einem unkonzentrierten Schnitt, außerdem eine gefühlt zu lange Fassung - lässt sich STORM WARNING als Genrevertreter genießen, besitzt aber nicht genügend Vorzüge um ihn eine längere Zeit im Kopf zu behalten...

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 21.08.07 --- Wertung: 5,0



#562 moodswing

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Geschrieben 30. August 2007, 10:47

End of the Line
Maurice Devereaux, Kanada 2007
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Der von Beginn an in pasteurisiertem Milchglas weichgezeichnete und nachträglich anscheinend aufgehellte END OF THE LINE ist Midnight Madness Trash für die Spätschiene. Nicht nur am Material lässt sich der Film anmerken, dass er kaum ernstzunehmend ist, die Agierenden bewegen sich theatralisch und überkandidelt in der grotesken Geschichte um eine christlich fundamentalistische Sekte, die das Weltende durchführt. Wir folgen einer Gruppe von Menschen in einer plötzlich zum Stehen kommenden U-Bahn, deren Geschichten gelungen ineinander montiert werden, um mit ihnen dann vor den Horden von Kreuzmessern zu flüchten. Handwerklich bestreitet der Film solide sein Dasein. Allein es bleibt natürlich der schale Nachgeschmack, dass die Thematik des religiösen Fundamentalismus vielleicht nicht unbedingt für solch eine Splatter-Satire herhalten sollte, sondern eine ernstere Behandlung erfordert...

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 21.08.07 --- Wertung: 5,0



#563 moodswing

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Geschrieben 31. August 2007, 21:10

The Signal
David Bruckner/Dan Bush/Jacob Gentry, USA 2007
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Der Low-Budget-Zombiehorror, der sich in 3 Episoden aufbröselt, erntet durch die narrative Extravaganz nach dem Auftakt damit leider auch den dramaturgischen Abfall. Als kurzzeitige Auffrischung mag der zweite Teil in seiner Minimalismus-Satire noch dienen, danach aber ist man herausgerissen aus dem Horror, der im übrigen alle 3 Teile bestimmt (Wir haben es also mitnichten wie manchmal der Einfachheit halber behauptet mit einer klaren Einteilung Terror-Satire-Liebesdrama zu tun). Trotz Wohlgefallens verfolgte ich gegen Ende die Figuren nur sehr beiläufig, was sich wohl auf den Trick, mit dem der Film zur Festivalbesonderheit wurde zurückführen lässt. Trotzdem ganz nett.

Fantasy Film Fest 2007 / OF / 21.08.07 --- Wertung: 6,0



#564 moodswing

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Geschrieben 01. September 2007, 11:02

Stresenale 2007


dpa/spe --- Es ist soweit! Die Stresenale 2007 steht vor der Tür und es handelt sich nur noch um Stunden bis zur Eröffnung des neusten A-Festivals in Europa. Festivalleiter F zeigt sich hoch erfreut über die zügig und tüchtig voranschreitenden Vorbereitungen: "Der Saal ist bereit, die Leinwand geputzt, die Sessel bereit gestellt, die ersten Filme in den Startlöchern." Heute Nacht 0 Uhr wird das Festival eröffnet, mit welchem Film, das ist zur Zeit noch geheim - wie auch das restliche Programm. Bekannt ist bis jetzt nur, dass es auch einen internationalen Wettbewerb geben soll.

Die Stresenale wurde ins Leben gerufen, um den Filmfreunden eine würdige Alternative gegenüber den A-Festivals zu bieten. "Speziell die Berlinale ist zu solch einer elitären Arthouseveranstaltung verkommen, in welcher die Qualität der Präsentationen stetig sinkt, ich hatte das Gefühl hier reagieren zu müssen." sagt ein sichtlich aufgebrachter F. "Unser Programm speist sich aus allem, was die Filmwelt zu bieten hat. Klassiker treffen auf demnächst erst ins Kino kommende Produktionen, blutiger Gore trifft auf hochsensibles Drama, Hardcoreporno auf französisches Arthousekino, Andrej Tarkowskij auf Uwe Boll, Michael Haneke auf Michael Bay. Bei uns erfolgt die kritische Betrachtung erst nach den Sichtungen, davor sind alle Filme gleich in den Augen unseres großen Filmgottes."

Besonders mit den Gästen hätte die Stresenale begeistern können. Hätte, ja hätte da nicht Gevatter Tod dazwischen gefunkt. "Ingmar Bergman und Michelangelo Antonioni hatten für das Festival bereits zugesagt. Sie waren ganz begeistert von der Idee eines nichtkommerziellen Konkurrenzfestivals und haben mir auf ihrem Totenbett noch die Erlaubnis gegeben alle Filme aus ihrem Gesamtwerk screenen zu dürfen. Leider schaffen wir das zeitlich gar nicht. Nun, so wurde aus diesem Leckerbissen leider nur ein bitter-süßes Dessert: Wir haben die Reihe Antonioni-Bergman-Retro damit ins Programm genommen." Nichtsdestotrotz sollen auf dem Festival Sondergäste auflaufen. "Prof. Husada Siswanto übernachtet bereits seit 3 Tagen bei mir persönlich. Er wird heute den Eröffnungsfilm moderieren, wenn alles nach Plan läuft." Aber was läuft schon nach Plan, in einer Welt wie dieser? "Desweiteren erwarten wir Superstar Adrien Brody, auch Gäste aus Wien, Moskau, Leipzig, Amsterdam, Südamerika, Burkina Faso und natürlich Berlin sind geladen. Wer davon kommt, das allein liegt in der Hand des Filmgott."

Zwischen 4 Uhr morgens und 12 Uhr mittags sind die Pforten der Stresenale allerdings geschlossen. Die Leinwand und Prof. Husada Siswanto brauchen schließlich auch einmal ihre Ruhe...

#565 moodswing

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Geschrieben 03. September 2007, 00:53

Stresenale - Tag 1

Die Stresenale läuft etwas schleppend an. Hauptgrund dafür: Prof. Husada Siswanto. Der Ehrengast nimmt viel Zeit des Festivalleiters in Anspruch, einzelne Screenings mussten abgesagt werden, Fussball, unerwartete Gäste und Ähnliches trugen ihr Selbiges dazu bei. Nichtsdestotrotz: "The Strese must go on" Die ersten Filme liefen bereits über die Leinwand.

Der von Prof. Siswanto persönlich ausgewählte Opening-Film Reform School Girl (USA 1957) aus dem Hause Samuel Z. Arkoff überraschte. Ist der Produzent eher für trashigen Genrestoff bekannt, überzeugt REFORM SCHOOL GIRL in weiten Teilen als Drama um ein zu Unrecht ins Zuchthaus gestecktes Mädchen, das sich - langsam desillusioniert - durchschlagen muss, immer wieder hinfällt und aufsteht. Sicherlich ziemlich naiv das Ganze, aber doch geistesgegenwärtig genug, um es nicht zu verdammen. (Eröffnungsfilm)

Damit ins Wettbewerbsprogramm, das dieses Jahr mit einem Doppelschlag von Paul Schrader anläuft: Leider lässt sein Auto Focus (USA 2002) beständig die Frage aufkommen, wozu dieser Film gut sein soll. Als Bio-Pic hat er so seine typischen Schwächen, oder auch einfach nur Merkmale - z.B. die den Protagonisten einholende Entwicklung und das Voranschreiten von Zeit, gerade der eigenen Ablaufenden. Viele Details - Produktionsdesigner James Chinlund leistet wieder ganze Arbeit - der technische Videoaspekt dabei im Vordergrund, eine stetige Bezugnahme aufs Medium. Hollywood mag sowas, Bio-Pics. Denn neben alten Tagen können hier auch neue Stars auftrumpfen. Und so ist AUTO FOCUS auch ein Schauspielerfilm, Greg Kinnear überzeugt wie William Dafoe. Und trotzdem, und weiterhin, wozu das Ganze? Nicht schlüssig wird der übernommene 60ies und 70ies Chic, die ästhetischen Spielereien, die manchmal eingebaut werden und vor allem - und das ist dann vielleicht das Hauptproblem, dass den Film eben nicht zum Drama werden lässt - die fehlende Psychologisierung der Figuren, die der Film immer nur vorführt ohne ihnen einen wirklich eigenen Anstrich zu geben... (Wettbewerb)

In weitaus niveauloseren Untiefen fischt Schraders zweiter Wettbewerbsbeitrag Dominion - Prequel to the Exorcist (USA 2005), ein Missverständnis? Ein Witz? Der nahe am Trash stehende, aber komplett humorfreie Versuch dem psychologischen Horrors des Orginals nachzueifern endet in einer gähnend langweiligen Inszenierung, in einer bizarren Schuld-Sühne-Nazigeschichte um Okkultismus und einem CGI-Geflattere, das sich punktgenau alle 15 Minuten etwas Neues einfallen lässt: grunzende Hyänen, Eingeweide fressende Kühe, glitschende Schlangen, rote Augen und grün-bläuliche Himmelsstrahlen. Das alles sieht so dermaßen nach direct-to-video Ware aus und hört sich auf der schnarchigen Audiocommentaryspur von olle Schrader selbst nach Altenheimkino an, das der Tiefpunkt in dessen Karriere damit erreicht sein dürfte... (Wettbewerb)

Im Sinne des stadtinternen Konkurrenzfestivals - dem Filmfest Hamburg - ist auch eine Sektion für TV-Produktionen ins Programm genommen worden. Bella Block: Die Frau des Teppichlegers (D 2005) besitzt die typischen kleinen und großen Mankos eines Samstagabend-Fernsehfilms: einige üble Darsteller, viele klatschende Klischeesätze im Drehbuch, Hannelore Hoger und ihr einer, beständig nicht transformierbarer Gesichtsausdruck. Thematisch aber ist der Mehrteiler gar nicht uninteressant. Zum Einen, weil das Problem des Wegschauens in Verbindung mit latentem Rassismus und Sexismus, der gar bei Frauen vorherrscht in den Fokus gerückt wird. Zum Anderen, weil "medial" ermittelt wird, also per individuellem Zoom auf die Dinge. Die Episode schafft damit fast ein wenig zufällig und beiläufig eine Verknüpfung von Voyeurismus (dem bewussten Hinsehen) und dem abruptem Wegsehen bei eigener Betroffenheit. Ganz böse verpasst der Film dafür einen Diskurs zu installieren über seine Protagonistin, die Mitschuld trägt an der Vergewaltigung, indem auch sie nicht "richtig" hingeschaut hat. Eine kurze Entschuldigung lässt sie als Paradebeispiel dastehen, wie man richtig Reue zeigt, anstatt einen moralischen Disput auszuformulieren und damit auch eine ambivalente Zeichnung der Hauptfigur zu ermöglichen. Insgesamt also ambitioniert und annehmbar, wenngleich sehr fehlerhaft und natürlich in harmloser Fernsehoptik gehalten. (TV-Madness)

Als Rebel Without a Cause Verschnitt changiert Die Halbstarken (D 1956) von Georg Tressler zwischen romantischer Teenauflehnung und moralischem Konservatismus. Der Film "zeigt nur Ausschnitte von skandalösen Zuständen, die längst nicht die komplette Jugend betreffen" und gibt sich doch ganz dem narrativen Muster hin, der einen Kriminalschwank aus dem jugendlichen Geist bastelt. Am Ende knallt das Mädchen die Männer ab und der erzkonservative Vater muss mit ansehen, wie seine Söhne abgeführt werden. Die Republik ist gefallen, Entsetzen ist in die Gesichter geschrieben, die Motorradfahrer brausen am Tatort vorbei, 68 kann kommen... (Retro)

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich Michael Manns Miami Vice im Kino gesehen. Die Stresenale bietete mir nun die Möglichkeit seit den Kindertagen mal wieder in die Augen von Don Johnson und Philip Michael Thomas zu blicken. Der Pilot zur Serie von Anthony Yerkovich und Michael Mann Miami Vice: Brother's Keeper (USA 1984) überzeugt mich auch nach Jahren noch bis ins Detail. Die zwei Cops als harte desillusionierte Schrittmacher - Crockett mit verlorenem Partner, kaputter Ehe, Vietnam-Erfahrungen und missglückter Footballkarriere - die stets präsente das Jahrzehnt prägende Musik, die flirrende Hitzigkeit, auch der durchaus gelungene Humor im chilligen Nebenbei. Der Pilot ist ein ausgeklügelter Copthriller ohne Mätzchen und wäre auch als Einzelwerk der Rede wert gewesen. Mit verschmitztem Grinsen aber fahren Crockett und Tubbs dem Sonnenaufgang entgegen und der white boy fragt seinen Partner, "You ever consider a career in southern law enforcement?" Tubbs antwortet mit leisem Lächeln: "Maybe I have..." (TV-Madness)

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Geschrieben 05. September 2007, 03:45

Stresenale - Tag 2

Mit glasklarem Minimalismus, mit Reduktionen - gerade auch der Charaktere, mit einer theaterhaft aufgespielten und inszenierten existenzialistischen Grübelei brachte Ingmar Bergman 1969 Riten in gefühlter enger Räumlichkeit auf die große Leinwand. Das panisch Ängstliche, das seltsam ruhig Resignative, das verzweifelt Cholerische - Bergman fängt eher Empfindungsfetzen ein. Der Richter, der alles zuvor hermetisch abgeriegelt hat, bürokratisch geordnet und übermächtig verurteilt, lässt die Künstler am Ende doch nah an sich heran, holt sich die Kunst direkt in sein Arbeitszimmer. Wir wissen aus einer vorangegangenen Szene, dass er es erahnen hätte können, denn die Angst, die war schon vorher da - Die Kunst, die kitzelt sie aber erst heraus. Bis zur letzten definitiven Erkenntnis, den Tod. DER RITUS - Ein Film, der eine Zweitsichtung dringend benötigt, weil er 5 Uhr morgens mit notdürftig offengehaltenen Augen, die einem auch mal Sinnestäuschungen auf den Schirm zaubern können, absorbiert wurde. (Bergman-Antonioni-Retro)

Mein Geh-Heim-Tipp, deutsches Arthousekino auf dem Siedepunkt, der germanisch-feministische Gegenentwurf zu DEATH PROOF, das künstlerische Gespräch auf cinematisch-enigmatischer Pulsion, grrr, es klopft am Kopf, im Kopf mit diesem aalglatten, eisgekühlten Einwegglas. Nicolette Krebitz hat einen Film gemacht, der heißt Das Herz ist ein dunkler Wald und der ist ja sowas von voll mit eigener Bildsprache wie Produzent Tom Tykwer meint, so mit eigener Handschrift und so erkennbar, puh-paff. Männer spritzen gerne Frauen das Gesicht mit Sperma voll und wischen das dann mit einer Socke ab. Frauen sind gefangen im Familienverbund "Ehe" und tun und machen und haben dann eben auch schlechte Laune, was Männer nicht verstehen. und sie kümmern sich und müssen leiden wie Medea (Marie schreit's - die Protagonistin - Marie Magdalena) und sind ja sowas von Unfrei. Scheiß Kapitalismus! (will heißen eigentlich: Scheiß Männer!) Da steigt selbst Jonathan Meese vom Kreuz und haut ab. Nina Hoss und Devid Striesow - normalerwiese eher BE- und nicht VERachtenswert - rennen auf der Bühne vor und krakelen laut ihren Ehefrust heraus. "Wir sind so Kunst, wir dürfen jetzt weiter gehen." Erstmal gar nicht viel schlechter als YELLA, und dann doch - man befürchtete es - den Teufel ins Boot geholt: In Liebe mit EYES WIDE SHUT, ein surreales Ambiente und das abstrus Abstrakte, abgehackt abgehangen, das Blut wechselt die Farbe von rot zu blau. Was tun mit einem schlimmen Finger als Mann und 2 Kindern am Hals? Sehen sie selbst. Weihnachten auch in ihrem Kino. (Wettbewerb)

Ja, nett ist ja der nächste Oscarkandidat - Michael Douglas und ein Golden Globe für Best Comedian? Alles möglich dank King of California, einem New Whimpsey Hot Spot der Saison von Mike Cahill. Die für die moderne amerikanische Tragikomödie relativ ruhig erzählte Vater-Tochter-Geschichte ist zwischen Beziehungsdrama und Skurrilitätswitzeleien auch eine Abenteurerstory, ein Road Movie und ein Märchen. In diesem Sinne versucht KING OF AMERICA gezielt die richtige Gewichtung zwischen modernem Tragikomödie-Chic und alter Erzählschule zu finden und bleibt damit bei aller Gutmütigkeit, die der Film ausstrahlt eben auch harmlos und behäbig... (Wettbewerb)

Clint Eastwood war einst ein Loverboy, der in seinem Regiedebut Play Misty for me (USA 1971) mit dem deutschen Titel Sadistico eine über 10 minütige Liebessequenz einbaut, inklusive Wasserfallknutschen und romantischem tête-à-tête. Das ein Schauspieler seinen ersten Film über eine ihn stalkende Frau dreht passt da auch ein wenig ins Bild. Keine vorschnellen Verurteilungen hier, aber soviel Beobachtungssinn sollte erlaubt sein. Eastwood macht seine Sache schon ganz ordentlich, wenn auch merkbar naiv in mancherlei filmischen Dingen. Intensiv und beängstigend ist Sadistico nicht, eher freimütig und jazzy, was ihn in gewisser Weise besonders macht. Wenn Eastwood einen Psychothriller dreht, ist das ein bisschen so als würde ein alternder Rapper einen Crossoverrocksong machen, oder besser noch ein lebensfroher Altregisseur ein tiefdeprimierndes Drama drehen. Und so spielt in der letzten Szene, wenn die schreiende Uschi die Messer zückt, leise eine heitere Jazzmusi im Hintergrund. Dem Kerl kann man es einfach nicht austreiben, am Ende boxt er die Hexe durchs Fenster und sorgt für Ruhe. down a good job, man...

Wie das Blut aus der Fontäne unaufhörlich und unweigerlich spritzt, so unverhofft unerwartet erinnert mich Takeshi Miikes Full Metal Yakuza (Japan 1997) an Meatball Machine, dem japanischen Trash-Körper-Deformations-Roboter-Klops auf dem FFF 2006. Unerhört!

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Geschrieben 08. September 2007, 17:24

Stresenale - Tag 3


Wenn ein "Gangstermovie" - so nennen laut Detlev Buck die Russen seinen Film Knallhart (D 2006) - auf ein Sozialdrama treffen, das sich als Milieustudie versteht - und das mit nordischer Ruhe abgedreht wird, dann, ja dann entsteht so ein Rotzlöffel von einem Film, bei welchem man glücklich ist ihm doch mit der FastForward Taste begegnen zu können. Kaum auszudenken, hätte man diesen hysterischen Kindergeburstag im Kino ertragen müssen! Bucks inhaltliche Klischeesoße, nun gut, die ist man aus deutschen Landen nicht anders gewöhnt. Der latente Rassismus, dem in keiner Szene entgegen gewirkt werden möchte, den kennt man schon aus JUD SÜSS bzw. CAN SÜSS aka WUT, dessen Hauptdarsteller auch hier den blutrünstigen Türkenjungen ohne Gewissen spielt. Was einem aber wirklich die Laune vermiesen kann, das ist die penetranteste Musikuntermalung, die ich bis dato je in einem Film gehört habe. Ganze Dialoge werden von einem Rock-Electro-Geschwurbel übertönt und verschluckt (Ich musste die Untertitel aktivieren), dass dem aktuellen Viva-Mtv-Design alle Ehre macht. Man könnte meinen, der Film traut seinen Bildern nicht und muss deshalb zu diesem drastischen Audiooutput greifen. Aber das ist es noch nicht einmal, es ist gar viel läppischer. KNALLHART will einfach nur cool sein, einen Ghettokitsch ausstellen, der letztlich die Dummheit des Films und seiner Macher - hier sei nochmals auf den Audiokommentar verwiesen - offenbart und ins rechte Bild rückt... (Wettbewerb)

Bei Michael Hanekes guten Konzeptfilmen muss man immer etwas genauer hinschauen. Zwischen dem distanzierten Bilderreigen stecken zum Einen Details, die es sich lohnt wahrzunehmen. Zum Anderen gibt es aber auch immer den Moment des Schocks - ein Bild das heraussticht, das einschlägt, das zum zentralen Akt wird. Die kürzlich von mir gesichteten CÂCHÉ und BENNYS VIDEO besitzen solch ein Bild, das in beiden Fällen unvermittelt, in einem Moment mitten im Film kommt. Die Zelluloid gewordene Schrecksekunde. Bei 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls (Ö/D 1994) kennt man das Bild schon vorher. Man ist vorbereitet. Und es kommt - ganz chronologisch - am Ende. Anhand dieses Details lässt sich vielleicht auch die noch einfache Kalkulation des frühen Hanekes beobachten. Fernsehbilder laufen gegen kleine abgefilmte Geschichten. Die Zusammenfassungen der Nachrichten sind narrativiertes Nicht-Narrativierbares, das im Übrigen erst seine Aufladung durch den Kontext erhält - denn Schreckensmeldungen von RTL kann man auch täglich live sehen. Eigentlich nicht erst im "Auftauchen im Kunstwerk" offenbart sich der Zynismus, scheinbar ist er im hochgezüchteten Kunst-Kontext aber erst wirklich der Rede wert. Jetzt erkennen wir es, da ist es vorgeführt! Die Geschichten kontrastieren alltägliche Kommunikationslosigkeit, private Verbitterung gegen die immer gesprächigen, immer kühlen, nie um ein Wort verlegenen Fernsehbilder, die das Leid zeigen, angesichts dessen einem die Sprache eigentlich vergehen müsste. Am Ende wird auch unsere zentrale Geschichte, der Amoklauf, integriert und narrativiert in die Fernsehsendung. Die Bilder stoppen nicht, kein Ende in Sicht... (Wiener Schmäh)

Aktionismus nach Arnold: Er muss sich "auseinandersetzen". Mit südamerikanischen Paramilitärs, einem herrischen Diktator des erfundenen Fantasie-Landes Vila Verde, das ja doch geografisch eindeutig verortet wird (Brasilien oder Portugal). Mit einem ehemaligen Mitstreiter, US-Army, Land - enttäusche deine Helden nicht, sonst werden sie zum gefährlichsten Feind. Der liebt es sich an sein schepperndes Kettenhemd zu fassen, YMCA baby. Und natürlich mit einer Frau, hysterisch, wortreich, emanzipiert (?), aber jederzeit angewiesen auf die starken Arme Arnies, ohne die sie lediglich einen Raketenwerfer per Glücksmoment bedienen kann. "I don't believe this macho bullshit! These guys eat too much red meat." Mark L. Lesters und Joel Silvers Phantom Commando (USA 1985) ist ein großartiges Starvehikel, ein Onelinerfest, ein Trash-Presshammer. Nach 45 belustigenden Minuten nimmt leidet die Kurzweiligkeit ein wenig unter der Kaugummiartigen Dramaturgie der Problem-Waffenorganisation-Körperentblößung-Waffenanlegen-Problemlösung Melange. Die schönsten Momente des Krachers liegen aber in den ersten Minuten, wenn Papi Arnold mit dem Töchterchen Eis schleckert oder wenn er befindet, dass "die Kommunisten wahrscheinlich Recht hatten, als sie damals in Ostdeutschland (Arnolds Kindheit?) sagten, Rockmusik sei subversiv." Wer ist potenter als ein Bär? Arnold Schwarzenegger! (Arnie is Back-Retro)

Vom Liebesdrama zum Politthriller wandelt sich der hoffnungslos uneindringliche, das politische Thema unterentwickelnde, der TV-Optik verschriebene und naiv inszenierte Sé quién eres (Sp/Arg 2000, Patricia Ferreira). Der zwanghaft durchgedrehte L'amour, l'argent, l'amour (D/CH/F 2000, Philip Gröning) hingegen sieht aus wie eine emotionale Intensivstation, jedes Bild der 140 Minuten mit Geschrei aufgeladen. Da hätte der Eine dem Anderen ruhig etwas abgeben können...

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Geschrieben 12. September 2007, 00:48

Stresenale - Tag 4

Vielmehr ein philosophisches Essay als ein Horrorfilm ist Kiyoschi Kurosawas Kairo/Pulse (J 2001). Oder anders ausgedrückt: Der Film gibt dem Genre des Asienhorrors endlich den Sinn, den es seit Jahren vergeblicher Suche nun damit findet. Eine Art Genreendpunkt also. Oder noch anders gesagt: KAIRO treibt dem Genre sein Unvermögen aus über plumpe Affektreizung nicht hinausgehen zu können. Der originale PULSE ist eine Geistergeschichte par excellence. Menschen sind nicht länger die Sterbeware, die nach und nach über die Klippe springt. Der Übergang von Lebewesen zu Gespenst ist nun fließender: "Wo sind die Menschen alle geblieben? Warum verschwinden alle Menschen?" Nicht selten werden die Fragen klar gestellt. Fragen, die erst entstehen durch Medialisierung und Technisierung, in denen ein Protagonist nicht mehr den Ausgang aus der Bibliothek findet. Zuviel Datenstrom oder die Abwendung vom tradierten Schriftbild, wie man will. "Was ist, wenn man auch nach dem Tod allein ist?" Der Film ist weniger zimperlich mit seinem Anliegen, als ich es mir vorgestellt habe. Er bringt eigentlich in jeder zweiten Szene auf den Punkt, worum es ihm geht. Das ist dabei so sympathisch naiv inszeniert, dass es wiederum - eingangs bereits erwähnt - wirklich immer eher um ein Essay mit statisch positionierten Dialogstrukturen geht. Auch wenn Kurosawa mit der schweren, existenzialistischen Musikuntermalung vielleicht dagegen angehen mag - ein Melodram ist KAIRO nicht. Zumindest nicht im traditionellen Sinn. Denn eine Tragödie lässt sich schon erkennen: Die Todessuche/-sehnsucht der Protagonistin und das Strampeln gegen die Erkenntnis des Protagonisten müssen zwangsläufig ins Verderben führen. Kurosawas Schattenwelt (der Horror entfaltet sich aus der Kombination "Schatten und Cutten") ist eine Reflexion über Tod und Afterlife. Ein nur allzu schönes Bild dann der Abgesang, mit dem KAIRO endet - das letzte treibende Schiff nach der Apokalypse, ihr nicht entkommend... (Wettbewerb)

Beeindruckend, wieviel Feingefühl Joel und Ethan Coen bei ihrem Debutfilm Blood Simple (USA 1984) bewiesen haben. Eine Bildsprache, die sich über perfekt komponierte Cadrage, eine stilvolle und selbstständig denkende Kamera und einen düsteren, fast melancholischen Score als Begleitung auszeichnet. Dass ein Film ab einem bestimmten Zeitpunkt ohne Sprache auskommt und nur noch auf seine Bilder vertraut, ist selten genug. Die lakonische Art und Weise, wie BLOOD SIMPLE ruhig und besonnen "Geschehen lässt" ist inzwischen Markenzeichen der Coens. Und gerade doch bei ihrem Erstling sieht man auch die Nachteile dieses Stils: die Langatmigkeit, kombiniert mit der Einfachheit ihrer Geschichten - in diesem Fall ein Krimi um Betrug und Verwirrspiel der Handlung mit seinen Figuren - erschweren den Genuss des formalen Empowerments... (Dan Hedaya Retro)

Ein wenig enttäuscht war ich schon: Ghost World (USA 2001) von Terry Zwigoff ist und will nichts anderes sein als ein Coming-of-Age Film. Ein Gegenentwurf zwar zu herkömmlichen Vertretern, vor allem aus der Teenage-Comedy Ecke, aber doch ein wesentlich lascherer als erwartet. Kennt man Zwigoffs 7 Jahre früher entstandenen CRUMB überrascht es, wie er hier viele Motive aufgreifen mag, aber doch niemals den intensiven Mix aus Sarkasmus und Lebensschmerz des Vorgängers erreicht. Das ist natürlich aber auch der Verdienst zum Einen des damals Portraitierten und zum Anderen der Vorlage, die maßgeblich für den Film war. GHOST WORLD ist eine Generation Außenseiter Perspektive, eine der sich gut und gerne viele Zuschauer anschließen können. Damit erfindet man kaum das Rad neu und als Fixierung eines Gefühlszustands einer ganzen Generation möchte ich es nicht so recht durchgehen lassen. GHOST WORLD hat sein Publikum, das ist okay, und eben doch: Ich werde den Film schon bald wieder vergessen haben. Scarlett Johansson im Übrigen sollte hier ganz schnell verboten werden: 15, Stimmbruch und du weißt genau, dass MATCH POINT nicht weit weg ist... (Wettbewerb)

Ein alle Gemüter erhitzender Film wäre David Mamets Oleanna (UK/USA 1994) gewesen, wäre, ja wäre er nicht irgendwie untergegangen und so nichtssagend inszeniert. Mamets einziges von ihm selbst adaptiertes Stück ist nämlich nichts anderes als ein wütendes Pamphlet gegen den Feminismus. Ein Lehrer (William H. Macy) wird von einer nervenden, selbstunsicheren Schülerin aufgehalten. Er möchte dem Mädchen helfen und gibt ein paar Ratschläge. Kurze Zeit später steht das Mädchen vor seiner Tür und erhebt Anklage: wegen sexueller Belästigung. Der Zuschauer weiß um die Unschuld des Lehrers, der bis dahin sogar sehr offen um sein Wissen über den Verrat seiner Ideale geredet hat. Die Schülerin ist Mitglied der örtlichen Feministinnengruppe und langsam lüftet sich die Showze. Sie argumentiert und versucht ein idealistisches Exempel zu statuieren. Auf Kosten des Berufslebens des Lehrers. Am Ende hat Mamet zumindest den männlichen Zuschauer soweit, dass er sich die finale Züchtigung der krakelenden Emanze wünscht. So ein Spiel mit den Affekten muss dem Film positiv zugerechnet werden, auch wenn das Motiv sicherlich beanstandenswert ist. Dabei kann man OLEANNA in der Tat nur auf emotionaler Rezeptionsebene nachweisen, dass er eindeutig Stellung bezieht. Inhaltlich kann er auch anders interpretiert werden. Das macht ihn bei allem inszenatorischen Mangel an Ideen am Ende doch so spannend wie ein Rededuell zwischen Alice Schwartzer und Matthias Matussek. Wäre ich eine Feminitin, ich würde dem Mamet seine Bühne unterm Hintern abfackeln... (Wettbewerb)

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Geschrieben 16. September 2007, 04:00

Stresenale - Tag 5


Valeska Grisebachs Sehnsucht (D 2006) ist Gestenkino. Bis auf die Knochen heruntergemagertes Minimalismusgrau. An der Schnittlinie zwischen Authentizität und Gesichtsverlust, wandeln die Laiendarsteller einer Kamera immer bewusst an ihren Grenzen. Was als naiv-gutgemeinte Liebesgeschichte ohne Firlefanz, aber mit tragisch-offenem Ausgang zu poetisieren, mindestens aber bewegen versucht, muss aber auch als plumpe Klischeevermeidung eingestehen: die Realität sieht auf dem brandenburgischen Dorf nur allzu häufig in jeder Hinsicht anders aus. SEHNSUCHT ist Gutmenschenkino einmal anders - nicht verseucht, noch sehr rein; glanzlos, zurückhaltend, lieb gemeint, fast etwas bieder,; hässlich und ansehnlich zugleich...

Was das deutsche Kino mag:
1.) Das Thema Nationalsozialismus. (wahlweise auch andere historische Stoffe; Hauptsache deutsch)
2.) Eine pathetische Inszenierung, geht es ans Eingemachte beim Thema Nationalsozialismus.
3.) Gute Menschen mit Moral und schlechtem Gewissen im Nationalsozialismus.
4.) Stakkato-redende Bösewichter im Nationalsozialismus.
5.) "Ambivalente" Figuren im Nationalsozialismus (also in gewisser Weise eine Mischung aus 3. und 4.)
6.) Keine Experimente, keinen Mut zu neuer Ästhetik oder anderen Wegen, wenn das Thema Nationalsozialismus auf den Tisch kommt.
7.) Starke, anbetungswürdige, tolle Schauspieler. Die stellen dann jemanden dar in einem Film über den Nationalsozialismus.
Meine Damen und Herren, wir sprachen über den Film Sophie Scholl - Die letzten Tage (Marc Rothemund, D 2005). Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Lars Kraumes Mockumentary Keine Lieder über Liebe (D 2005) war bei mir schon nach 3 Minuten unten durch. Die Bebilderung der deutschen urbanen "Indy"-Generation mit ihrer jugendlich-abgeklärten Selbstgefälligkeit, mit soviel Banalitäten, mit Overacting und natürlich massenhaft selbstzweckhaftem Musikeinsatz ist durchschaubar lächerliches Kalkülkino für die Achse Berlin-Hamburg und seine Seitenscheitelcaballeros...

Der aus dem Duel Project (Ryuhei Kitamura, J 2003) entsprungene 2DLK hetzt 2 Zicken aufeinander, die schnell zum Catfight ansetzen. Erfüllt die Erwartungen der männlichen Kundschaft. Ein alter 80ies-Klassiker ist ja inzwischen der Re-Animator (Stuart Gordon, USA 1985). Bis er allerdings die wirklich ungebremste Fahrt aufnimmt, die ihn auszeichnet vergeht doch ein ganze Weile. Führungsqualität: Flatliners Deluxe mit Käse. McDonalds schwadroniert schon, daher der Michael Moore Apologeten-Hit Super Size Me (Morgan Spurlock, USA 2004). Soweit, so gut und nett und trotzdem: so richtig gelungen kann das nicht genannt werden, wenn der Protagonist die Kamera 24h auf seinen Schädel richtet. Ingesamt ein Ja, en detail aber schon nervig...

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Geschrieben 20. September 2007, 00:57

Stresenale - Tag 6

Der Fluch des Biopics bleibt seine Unvollständigkeit, Inkohärenz, der Zwang zu Abkürzungen und Herunterbrechungen. Das führt immer wieder zu Beschneidungen in Dramaturgie und Figurenschärfe. Auch bei Kinsey (USA 2004) ist das nicht anders. Nichtsdestotrotz wirkt Bill Condons Film ungleich runder, unterhaltsamer und kurzweiliger als viele seiner Kollegen. Liegt wohl aber mehr am Thema und dem Score, der auch den seinigen Anteil am Interesse beiträgt. Trotzdem: KINSEY ist viel A BEAUTIFUL MIND, wenig Mut und wiederum viel amerikanischer Optimismus, auch wenn das Thema ein ironisches Augenzwinkern auf die puritanischen Wurzeln zurückwirft.

Mit bitterem Sarkasmus einer Jugend in einer Diktatur und einer naiv-kindlichen Adoleszenzgeschichte fasziniert der im simplen Schwarz-weiß gehaltene Persepolis (Iran/F 2007) von Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud. Ein Biopic der anderen Art - ziemlich lebensfroh, häufig ein Film über Heimweh, nie ängstlich und in höchstem Maße persönlich, die Geschichte wie auch der Stil.

Mehr als enttäuschend ist die harmlose Hide and Seek Geschichte hinter den schicken kratzig kontrastierten Schwarz-Weiß-Malereien in der Motion Capturing Optik der Neuzeit, in der Renaissance (Christian Volckman, F/Lux/UK) nichts weiter als eine ultrakonventionelle Noir-Detektiv-Science-Fiction-Story mit praktisch unentifizierbaren Figuren aufwärmt, die niemand mehr sehen will. Dementsprechend wird der Film trotz seiner visuellen Raffinesse zurecht schnell in Vergessenheit geraten.

Zwischen hölzernem, behäbigem Drama und altbackenem Asia-Grusel gähnt Ji-woon Kims A Tale of Two Sisters (SK 2003) dem Zuschauer frech ins Gesicht. Pseudomysteriöses Allerlei aus dem Asienhorrorimbiss...

Stanislaw Muchas Hope (Pol/D 2007) ist ein mit religiöser Symbolik vollgestopfter Kieslowski-Nacheiferer, der neben einem rotschöpfigen Jesus und einem aufgedeckten Dieb, der aussieht wie Erich Honecker und Benedikt (!?) heißt wenig zu bieten hat. Polnisches Kirchenkino - trocken, konstruiert - Ein kreuzlahmer Uhu.





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