Grindhouse: Death Proof
Quentin Tarantino, USA 2007
Hilfe, den Postfeministinnen wachsen Phalli! - In Tarantinos Death Proof kastrieren die Frauen das starke Geschlecht mit seinen eigenen Waffen: Autos, Fäusten und Exploitation
oder
Wie Tarantino sein Publikum nicht enttäuscht
Achtung: Der Text ist ein wenig verspoilert!
Die nackten Zahlen: 8 Frauen bekommt das männliche Publikum zur Schau gestellt. 8 erregende, gut gebaute Weiber. Sie sind omnipräsent, unserem voyeuristischen Blicken ausgesetzt und reichlich sexy in Szene gesetzt. Sie sind aber auch roughe, dem Manne Angst einflößende, durchaus gefährliche Gespielinnen des Regisseurs, deren "gender body language" man kaum verpassen kann, ist sie doch in Klarsichtfolie verpackt.
Aber zunächst ist da auch erst einmal ein Film, der sein Sujet ehrlich liebt. Also eben eine Hommage an Die Trash- und Grindhousefilme vorangegangener Dekaden. Tarantinos DEATH PROOF bietet da durchaus Einiges auf: Zunächst beginnt er als cooler Styler, noch ganz Tarantinos verlabertem Stil verschrieben, lange nicht mehr so erheiternd wie vor Jahren, immernoch okay, aber nach einer Weile doch etwas nervig. Später dann wird das nur noch als Erholungspausen vom feinen Gewimmel wahrgenommen und vom Zuschauer gerne akzeptiert werden.
Dann ist der erste Teil des GRINDHOUSE-Duos ein netter Slasher, Kurt Russell aka Stuntman Mike ist zwar eher belustigend als gruselig, eher misogyner Macho als schockendes Monster, aber naja... Nichtsdestotrotz nutzt Tarantino in der ersten Hälfte das Verlangen des genreaffinen Publikums nach dem altbekannten Muster. Schockierend wird das dann übrigens doch noch, wenn Tarantino aus heiterem Himmel einen monströsen Autounfall mit vielen Toten zeigt. Keine Gefangenen, logisch - die karthatische zweite Hälfte soll ja noch folgen - und trotzdem ist das Alles äußerst effektiv, wenn man sich keine Vorinformationen zum Film geholt hat.
Und aprospos Autounfall, DEATH PROOF ist vor allem auch ein Autofilm, mit Stunts und Crashs und viel rasantem Getöse. Das macht richtig Spass. Spätestens hier verliebte ich mich dann vollends. Und in diesen Gefilden erreicht der durch und durch gegenderte Text dann auch seinen Höhepunkt: Ja, DEATH PROOF ist die pure Hommage an Russ Meyer! Klar, diesmal nicht so sehr die Monstertitten, sondern eher die toughen Mannsweiber im besten Sinne. Vernarbt und gebeutelt wie das Filmmaterial auf dem sie sich bewegen. Mhhh, und überhaupt dieses Filmmaterial, gesprungen, gerissen, fast entstellt in einigen Szenen, macht Loopings, kommt vom Schleifstein und liebt die zarten Scratchings von DJ Tarantino... Aber doch wieder zurück zu den Frauen. Die auch eher der Struktur bedingte Doppelstrategie, die Frauenkörper (und -sprache) zu inszenieren und gleichzeitig offensiv zurückschlagen zu lassen spielt eben ihr böses Spiel mit dem männlichen Zuschauer. Rough cats do bite!
Nochwas zum Formalen: Die Liebe zum Detail und die Dynamik, die sich nach langem Vorspiel entspinnt machen den Film grundsätzlich natürlich zu der Sahnetorte, die er ist. In seiner Gradlinigkeit und dem zurückgelehnten Stil ist er geradezu betörend. DEATH PROOF ist Tarantinos zweitbester nach dem all time classic PULP FICTION, ich lege mich fest!
Und nochwas, das ich mal loswerden will: Ich versteh es nicht und habe dafür auch kein Verständnis, was sich manch besserwisserischer Fan und gar Feuilleton-Schreiber da erlaubt. "Tarantino enttäusche ja nur noch", ist da zu lesen. Das Regie-Wunderkind konnte nach PULP FICTION - 1994 - keine Akzente mehr setzen und - vor allem - hat bis heute - 2007 - keine großen Stoffe umgesetzt. Oh je, welch gekränkte Seelen. Aber wer sich von der eigenen Erwartungshaltung so foppen lässt sollte die Schuld eher bei sich selbst suchen. Tarantino hat mit RESERVOIR DOGS und PULP FICTION - sowie den darauffolgenden Projekten - hervorragende Liebeserklärungen, Genrehommagen und -variationen umgesetzt, die eigene hoffnungslos nerdige Affinität zu seinem persönlichen Kino zum Ausdruck gebracht. Nicht mehr und nicht weniger. Wer behauptet denn, dass Tarantino nach PULP FICTION sich nun doch bitte schön existenzialistischen Epen zuwenden hätte sollen, "wegen seinem Talent". Er sei "im Kleinkindalter stecken geblieben" oder inzwischen auf einer "regressiven Entwicklungsstufe". Tarantino ist kein Kubrick oder Bergman, das sollte eigentlich schon 94 klar gewesen sein. Er war stilbildend und hatte eine vielleicht zu starke Prägung auf die vielen schwachen Ableger, die noch heute versuchen, Kasse zu machen. PULP FICTION ist ein großartiger Film und ein wichtiger für die Geschichte eines postmodernen Hollywoodkinos. Darüber hinaus macht Tarantino Spass, und zwar auf intelligentere und ehrlichere Weise als die vielen ermüdenden Doppelgänger. Erwarten kann ich von einem Tarantino nichts Anderes - was nicht heißt, dass ich ihm einen Schützling aus einer höheren Gewichtsklasse nicht auch zutrauen würde. Kritiker, die Tarantino schassen und sich bei den allwöchentlichen Blockbustern königlich - und zynisch - amüsieren, sind in ihrer überheblichen Schizophrenie nicht ernstzunehmen und teilweise unerträglich...
Abaton / OmU --- Wertung: 9,5