The Diarrhoea Diary
#601
Geschrieben 17. November 2007, 17:02
Japan 1975 Regie: Masahiro Shinoda
Vor der Edo-Zeit war die Kirschblüte noch kein Grund zum Feiern, vielmehr hieß es, wenn man allein unter blühenden Kirschbäumen wandelt, würde man wahnsinnig. Davon ist auch der in einer Hütte in den Bergen wohnende Straßenräuber überzeugt, der sonst eigentlich nichts fürchtet und mordet, was das Zeug hält. So auch einen reichen Passanten nebst Diener – als er jedoch die Schönheit von dessen Frau erblickt, nimmt er sie mit in seine Hütte, um sein mittlerweile neuntes Eheweib zu werden. Die Dame weiß aber ihren Einfluß auszuspielen, und so zwingt sie den Naturburschen nicht nur, in die Stadt zu ziehen, sondern ihr auch täglich möglichst viele Köpfe zum Spielen zu bringen...
Diese Geschichte incl. einer unfassbaren erotischen Szene mit Leichenteilen konnte eigentlich nur aus Japan kommen. Abgesehen von der erstaunlichen Story gibt es hier aber noch eine prächtige Einstellung nach der anderen, sowie am Ende ein überraschendes Spiel mit der Erzählperspektive. Absolut fabelhaft.
#602
Geschrieben 18. November 2007, 17:35
GB 1957 Regie: Alfred Shaughnessy
Es ist ja kein großes Geheimnis, daß ich ein großer Freund britischen Horrors bin, gerade auch aus dieser Periode, aber es kann leider auch nicht alles Gold sein. Der Film imitiert Cat People teilweise sogar szenengenau, scheint sich aber nicht dessen bewußt sein, daß die Größe seines Vorbilds nicht allein in der Geschichte lag, sondern auch in der Subtilität und Ambivalenz der Herangehensweise. Diese findet sich hier fast gar nicht, vielmehr wird in die Klischeekiste der 30er Jahre zurückgegriffen, was an sich auch nicht schlimm ist, aber hier passt dann einfach nichts mehr zusammen, vor allem ist das alles furchtbar dialoglastig und entbehrt wirklich spannender Stellen. Barbara Shelley ist zwar durchaus nett anzusehen und sieht auch als Leiche noch beeindruckend aus, aber das wars dann auch schon.
#603
Geschrieben 21. November 2007, 01:07
USA 1971 Regie: Philip S. Gilbert
Nach dem Mord an ihrer Mutter wird die junge Ellie in das Waisenhaus der Mrs. Deere (Gloria Grahame) gebracht. Dort scheint aber auch nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen, liegen einige der Waisen doch schon recht grau im Kühlraum herum...
Dieser zu Unrecht in die Obskurität gerutschte Reißer hat's in sich: Recht blutige Morde, viele kleine und gemeine Details, sowie ein Hammermörder, der mit seiner versengten Fresse und dem schwarz-rot-karierten Hemd wie ein Bindeglied zwischen den entstellten Villains der alten Schule und Freddy Krueger daherkommt. Der Film scheint überhaupt ziemlich zwischen den Zeiten zu stehen: Einerseits lassen sich Einflüsse von William Castle über Giallo bis zu ein wenig Herschell Gordon Lewis ausmachen, andererseits werden schon typische Slasher-Elemente vorexerziert. Der Überhammer ist jedoch der doppelte Twist am Ende: Bei soviel erfrischend degenerierter Fantasie auf einem Haufen klappt einem heute noch die Kinnlade herunter. Handwerklich und darstellerisch auch äußerst solide, vermag allein der Score nicht sehr zu überzeugen: Entweder hat man sich da aus der Konserve bedient, oder niemand hat dem Komponisten gesagt, daß die 50er Jahre vorbei sind. Da der Herr auf der imdb keinen anderen Credit aufzuweisen hat, halte ich Ersteres für wahrscheinlicher – wobei die Musikstücke keineswegs schlecht sind, nur waren sie für diesen Film absolut unpassend und in ihrer ursprünglichen Umgebung wohl besser aufgehoben.
Bearbeitet von pasheko, 21. November 2007, 01:08.
#604
Geschrieben 22. November 2007, 01:50
Belgien / Frankreich 1968 Regie: André Delvaux
Obwohl er Linguistik-Professor ist, hat Matthias (Yves Montand) so seine Probleme mit der Kommunikation: Weder führt er seine Vorlesungen richtig zu Ende, noch Unterhaltungen mit seinen Studenten oder seiner Geliebten Anne (Anouk Aimée), die es als Französin im flämisch dominierten Leuven eh schon schwer genug hat. Als sie ihn auf der Reise zu einem Gastvortrag begleitet, verschwindet sie plötzlich aus dem Abteil, nachdem Matthias kurz eingenickt war. Anschließend hält der Zug aus unerfindlichen Gründen auf offener Strecke – zusammen mit einem anderen Professor und einem Studenten steigt Matthias aus, und sieht sich kurze Zeit später in einer trostlosen Sumpflandschaft ausgesetzt, da der Zug ohne sie weiterfährt. Immerhin gelangen sie während der Nacht noch in ein nahegelegenes Dorf, doch es ist ihnen unmöglich, sich den merkwürdig gebärenden Dorfbewohnern verständlich zu machen...
Ein Film über Liebe und Tod, voller Doppelungen, Rätseln und Verweisen auf die bildende Kunst. War ich in der ersten Hälfte noch etwas irritiert, wo das alles hinführen soll, konnte mich die stimmungsvolle zweite Hälfte jedoch sehr stark fesseln. Vor allem die Szenen im Dorf sind von einer irrealen Atmosphäre mit melancholischen Zügen geprägt, die mich an De Komst van Joachim Stiller erinnert hat, was insofern nicht verwunderlich ist, als daß beide Filme nach literarischen Vorlagen von Vertretern der belgischen Spielart des magischen Realismus entstanden sind. Ein rätselhafter, faszinierender Film, der bei wiederholter Sichtung bestimmt noch weitere Façetten offenbart. Zusätzlich erfreut war ich über Michael Gough, der in einer der vielen Rückblenden einen exzentrischen Londoner Fremdenführer spielt - mit dem hatte ich hier überhaupt nicht gerechnet.
#605
Geschrieben 23. November 2007, 23:04
Brasilien 1974 Regie: José Mojica Marins
"Help me, Mr. Mojica!" Meta-Dialogzeile
Ein Liebespaar wird im Schlafzimmer von einer Gruppe Ganoven überrascht. Diese staunen nicht schlecht, als die vermeintlichen Opfer sich plötzlich in Monstren verwandeln...CUT!
Wir befinden uns auf dem Set eines Films von José Mojica Marins. Die Dreharbeiten sind für heute beendet. Marins gibt noch ein paar Reportern ein Interview. Nein, Coffin Joe gibt es nicht tatsächlich, und er möchte in seinen Filmen jetzt neue Wege beschreiten. Zur Vorbereitung des Nächsten fährt er jetzt erst mal zwei Wochen in Weihnachts-Urlaub, zu Freunden aufs Land. Vorspann. Marins fährt zu Freunden aufs Land. Doch bereits in der ersten Nacht, als er aus Sachbüchern über das Okkulte Notizen zu seinem neuem Film abpinnen will, wird er durch merkwürdige Geräusche gestört. In den nächsten Tagen steigern sich die Vorkommnisse und einzelne Familienmitglieder seines Freundes werden besessen und möchten gerne töten. Grund dafür: Die Dame des Hauses hat ihre erste Tochter nicht selbst ausgetragen, sondern das von einer Nachbarin erledigen lassen und möchte sich jetzt nicht an die damals vereinbarten Bedingungen halten. Blöd nur, daß ebenjene Nachbarin auch die schwarze Magie beherrscht und auch einen Pakt geschlossen hat, mit keinem geringerem als...COFFIN JOE! Marins sieht sich gezwungen, gegen seine eigene Erfindung zu kämpfen! Das Finale findet während einer schwarzen Messe statt, voller Blut und Schmerzen!
Erstaunlich! Auch wenn der Film etwas straighter und weniger deliriös als seine früheren Werke daherkommt, ist er doch in jeder Faser ein echter Marins. Und ich wünschte, es gäbe noch wesentlich mehr davon.
#606
Geschrieben 03. Dezember 2007, 01:07
USA 1971 Regie: Bernard L. Kowalski
Auf dem Weg zu einer neuen Anstellung drohen ein Reverend und seine Frau in der Wüste zu verdursten. Gerettet werden sie von den guten Leuten von San Melas, die sie in ihre Gemeinde aufnehmen und einen Geistlichen gerade auch gut gebrauchen können. Doch irgendwas geht in dem kleinen Örtchen nicht mit rechten Dingen zu...
Der Horror-Western scheint filmgeschichtlich ein schweres Dasein zu führen, denn wie der großartige Eyes of Fire wird auch dieser Film hauptsächlich ignoriert. Nun gut, es handelt sich hier um eine Fernsehproduktion und die wirklich horriblen Momente sind eher rar gesät, aber dafür gibt es einen erlesenen Cast mit Leuten wie Ray Milland, Gloria Grahame, Yvette Mimieux und Henry Silva. Und dann ist da noch das wirklich beeindruckende Finale, das streckenweise den Wicker Man vorwegnimmt. Solide und originelle Unterhaltung das ist.
#607
Geschrieben 04. Dezember 2007, 00:10
Singapur 1958 Regie: B. Narayan Rao
Gimme gimme Pontianak! Nach einem stimmungsvollem Anfang nachts im Wald werden erstmal unverständliche Dialoge aneinandergereiht, nebst Einführung des ein oder anderen komischen Elements. Bei der ersten Gesangsnummer ist aber schon mal Mitwippen angesagt. In der Tat dauert es bis zur 56. Minute, bis der Pontianak zum ersten Mal auftaucht, aber dann geht es Schlag auf Schlag! Ein aufdringliches Vogelmonster mit Papageienschnabel bedroht die aufrichtigen Dorfbewohner, nebst anderen Mißgestalten, die Jungfrauen in ihre Höhle entführen, um Unzucht zu treiben. Der/Die Pontianak, hier wohl schon eindeutig Freund des Menschen, weiß dies zu verhindern und fliegt engelsgleich durch den Nachthimmel.
Trotz der ein oder anderen Länge und inszenatorischen Defiziten ein wundervoll exotisches Beispiel klassischen Horrors. Es bleibt zu hoffen, daß die beiden ersten Teile der Trilogie ebenfalls wieder auftauchen.
#608
Geschrieben 05. Dezember 2007, 01:10
GB 2006 Regie: Pier Wilkie
Zu Recherchezwecken landet der arrogante Professor Anderson in einer ländlichen Gemeinde und stellt fest, daß der Bischof, über den er Forschungen betreibt, nicht nur korrupt war, sondern auch den Geheimwissenschaften fröhnte. Zudem scheint eine Beziehung zu dem Hotel zu bestehen, in dem der Herr Professor momentan nächtigt...
Ich hatte ja letztens geschrieben, daß man bei M. R. James-Verfilmungen nicht viel falsch machen kann. Hier liegt dann aber doch ein Beispiel vor, in welchem dem benötigten subtilen Horror zu aufdringliche zeitgenössische Stilmittel im Weg stehen. Zwar sind auch hier Locations und Darsteller (die Geschichte sowieso) von hoher Qualität – Greg Wise erinnert stark an Christopher Lee, wenn er Snobs gegeben hat, wie z.B. in Dr. Terror's House of Horrors – aber die Klischees in der Inszenierung ärgerten mich doch ein wenig. Lange nicht so gut wie der Vorgänger A View from a Hill, aber trotzdem schade, daß die BBC die erst vor kurzem wiederbelebte Serie "Ghost Stories for Christmas" dieses Jahr scheinbar nicht fortführt.
#609
Geschrieben 08. Dezember 2007, 02:03
Indonesien 2007 Regie: Joko Anwar
Auf den Straßen Djakartas zündet ein hysterischer Mob fünf Menschen an, einige Zeit später wird eine schwangere Frau unter den gleichgültigen Blicken von Passanten mehrfach überfahren – die einzigen, die weder an der Aggression noch am Phlegma teilhaben, scheinen der aufrichtige Polizist Eros und der narkoleptische Journalist Janus zu sein. Letzterer macht gerade eine schwere Zeit durch, verliert sowohl seine Ehefrau als auch seinen Job und scheint, da er die letzten Worte der Schwangeren auf Kassette aufgenommen hat, in das Visier einer verschwörerischen Geheimgesellschaft zu geraten...
Hossa, hier haben wir mal wieder einen Genrebastard par excellence. Von einer vorbildlich ausgeführten Neo-Noir-Ästhetik geprägt, die allerdings häufig auch in Richtung europäischer Horrorfilm abdriftet (vor allem Suspiria drängt sich als Inspiration auf), wird die Geschichte in einer Art und Weise vorangetrieben, daß man sich bis zum Ende fragt, ob es sich denn jetzt in Richtung Verschwörungsthriller, Hardboiled-Krimi, politische Parabel oder Horrorfilm bewegt. Das Finale selbst zeigt einem jedoch die ganz lange Nase und führte zu einem der wohl extremsten "What the Fuck???"-Momenten, die ich in der letzten Zeit erleben durfte. Einfach unglaublich. Der extra für's CineSouthEastAsia in Köln eingeflogene Regisseur war dann auch ein sehr sympathischer und witziger Kerl: Daß seine Geldgeber, die einen gut vermarktbaren Horrorfilm erwartet hatten, von dem Endresultat ziemlich entsetzt waren, glaube ich ihm aufs Wort. Weniger glaube ich ihm allerdings, daß seine Hauptinspiration für diesen Film Kondom des Grauens gewesen ist, wie er mehrfach beteuerte. (Schlußendlich konnte er den deutschen Titel beim zehnten Versuch auch beinah richtig aussprechen.) Seinen Erstling, Joni's Promise, für den er die indonesische Legende Barry Prima zurück auf die Leinwand holte, muß ich jetzt auch unbedingt sehen. Und was er über sein neuestes Projekt erzählte, klang auch sehr vielversprechend. Den Mann sollte man im Auge behalten.
#610
Geschrieben 16. Dezember 2007, 00:48
Kolumbien 1982 Regie: Luis Ospina
Ein reicher Plantagenbesitzer leidet an einer schweren Krankheit und kann nur durch regelmäßige Blut-Transfusionen am Leben gehalten werden. Als sein skrupelloser Sohn entdeckt, daß drei seiner Angestellten in ihrer Freizeit Knaben und junge Männer ausrauben, vergewaltigen und ermorden, möchte er auch aus diesem Umstand Profit schlagen...
Hurra, mit Kolumbien ein weiteres Land abgehakt, aus dem ich noch nie einen Horrorfilm gesehen habe. Wobei diese Kategorisierung bei vorliegendem Werk nicht ganz unproblematisch ist: Zwar schleicht direkt zu Beginn die Kamera durch ein Haus voller blutigen Leichen, aber bereits an der nüchternen Ausleuchtung ist zu erkennen, daß hier ein dokumentarischer Stil vorherrscht, dem es eigentlich nicht darum geht, dem Zuschauer eine Gänsehaut zu verpassen. Vielmehr wird eine Gesellschaft gezeigt, die in den immer gleichen Mechanismen der Ausbeutung stagniert. Diesen Subtext gab es in "Dracula" freilich auch schon, aber hier wird insofern noch einer draufgesetzt, in dem deutlich gezeigt wird, daß die Armen sich nicht beschweren, von den Reichen "ausgesaugt" zu werden, solange man ihnen genügend Heiligenbildchen zum Anbeten gibt. Im Grunde genommen ist es schon ein ziemlicher Horror. Die zahlreichen Totalen von Cali, der zweitgrößten Stadt des Landes, unterlegt mit einem atonalen Synthesizer-Score, verfehlen zudem trotz allem Realismus ihre atmosphärische Wirkung nicht, und auch das bitterböse Ende kann enorm punkten. Besonders erstaunt war ich über den Kinderchor, der während einer Beerdigung und des Abspanns auf Deutsch Luthers "Mitten wir im Leben sind" singt.
#611
Geschrieben 26. Dezember 2007, 17:28
Spanien 1997 Regie: Agustí Villaronga
Lara, Moderatorin einer parapsychologischen Call-In-Sendung, begibt sich in das abgelegene Dorf Jimena, um dort mehr über den angeblichen Unfalltod ihres ehemaligen Liebhabers zu erfahren. Selbstverständlich schweigen sich die Bewohner des zur Hälfte schon zur Geisterstadt gewordenen Ortes kräftig aus - vor allem über die merkwürdigen "Gesichter", die sporadisch erscheinen - aber es gelingt ihr, ein Puzzlestück zu dem nächsten hinzuzufügen...
Noch vor der großen Geisterfilm-Welle entstanden, sucht man die dort verwendeten Konventionen glücklicherweise vergeblich. Der Spannungsaufbau ist mehr der eines Detektivfilms und dagegen habe ich nichts einzuwenden, auch das Ende schlägt eine durchaus ungewöhnliche Richtung ein und erinnert mit ein paar derben Details daran, daß der Regisseur zuvor für In a Glass Cage verantwortlich war. Wenn auch sparsam in Grusel- und Horror-Momenten, ist der Film durchgängig spannend und wartet mit wundervoll fotografierten Locations auf. Geht voll in Ordnung.
#612
Geschrieben 27. Dezember 2007, 01:19
USA 1948 Regie: Henry Koster
Stephen "Fitz" Fitzgerald ist freiberuflicher Journalist und sehnt sich danach, mal ein bißchen mehr Geld zu verdienen. Als ein Mogul aus New York ihn als Redenschreiber für einen Wahlkampf engagieren will, sieht Fitz seine Chance gekommen. Dummerweise steckt er aber gerade in einer ländlichen Gegend in Irland fest und verfährt sich auch noch ständig. Als er einen merkwürdigen alten Mann bei einem Wasserfall nach dem Weg fragen will, geben ihm dessen Antworten nur noch mehr Rätsel auf...
Herzallerliebste Fantasy-Komödie, die ihre größten Trümpfe aus dem Zusammenspiel des stoischen Tyrone Power mit dem Leprechaun Cecil Kellaway zieht, welcher sich nachher als sein Butler verdingt und in der Großstadt einen sympathischen Haufen Unfug anstellt. Natürlich kommen auch weitere irische Charakteristiken zum Tragen: Saufen, Musizieren, Tanzen, ein bißchen Prügeln und wieder saufen. Die Moral von der Geschicht – lieber arm und lustig als reich und frustriert – hat man zwar schon oft gehört, passt aber immer wieder nett in die Weihnachtszeit. Einziger Minuspunkt, daß ich keinen irischen Whisky im Haus hatte. Tee mit Rum tats aber auch.
Bearbeitet von pasheko, 27. Dezember 2007, 01:25.
#613
Geschrieben 07. Januar 2008, 19:12
USA 1985 Regie: Phil Smoot
Assimilierter Indianersohn erbt das Haus seines Vaters und gibt nicht viel auf dessen Geschichten einer dunklen Macht, die dieser ein Leben lang im Hügel unter der Hütte im Zaum gehalten hat. Am besten vermietet man so ein Objekt natürlich an vier Studentinnen! Die dunkle Macht stellt sich dann als vier albernst aufgemachte Tolteken-Zombies heraus, die mit Tomahawk und Flitzebogen mal blutig, mal unbeholfen Zwangsexmatrikulation betreiben. Unfassbar auch Lash LaRue als Sheriff mit einer Wunderpeitsche.
Würde das nicht über weite Strecken so straight heruntergespielt, man könnte kaum glauben, daß die das ernst gemeint haben. Zuerst wollte ich ja "This really sucks!" als Meta-Dialogzeile über den Eintrag geschrieben haben, aber auch wenn das Ding sowohl in den Bereichen Horror als auch Komödie (die untoten Rothäute verletzen sich auch schon mal gegenseitig und kucken dabei dumm) ziemlich versagt, langweilig war es keineswegs und irgendwie auch charmant. Halt eine typische Low Budget-Produktion, diesmal aus North Carolina, wo der Regisseur das meiste selbst gemacht und alle seine Kumpels mitgeholfen haben. Selbst die Musik bei einer Partyszene stammt von einer lokalen Punkband. Von "The Clodfelters" hat man allerdings nie wieder etwas gehört – genauso wenig von der Blaskapelle, die Lash LaRues einzigartiges Peitschen-Thema eingetrötet hat.
#614
Geschrieben 08. Januar 2008, 22:26
USA 1945 Regie: John Brahm
Der aufstrebende Komponist George Harvey Bone leidet unter temporären Blackouts. Er fürchtet, während dieser Momente schreckliche Taten zu begehen – der Zuschauer ist schon seit der ersten Szene im Bilde, daß dem wirklich so ist. Die Anfälle häufen sich, als er der Sängerin Netta verfällt, die ihn nur ausnutzt...
Auch wenn Patrick Hamiltons facettenreiche literarische Vorlage auf einen eher herkömmlichen Thriller-Plot heruntergebrochen wurde, um sich an den Erfolg der The Lodger-Version zu hängen, die Brahm ein Jahr zuvor mit dem selben Hauptdarsteller inszenierte, muß ich hier doch von einem nahezu perfekten Film sprechen. Hier ist so verdammt viel großartig: Die Kamera-Arbeit, die nicht nur bei Bones Anfällen ein ungemütliches Gefühl heraufbeschwört, die Sets, die dem bekanntem, nebligem Gaslaternen-London mit einer omipräsenten von Petroleumlampen beleuchteten Baugrube eine zusätzliche Brechung verleihen, die überzeugenden Haupt- und Nebendarsteller und natürlich Bernard Herrmanns fantastischer Score, dessen Höhepunkt das eindrucksvolle Klavierkonzert im Finale bildet. Nicht zu vergessen die gespenstische Leichenentsorgung am Guy Fawkes-Tag. Hauptdarsteller Laird Cregar verlor vor den Dreharbeiten knapp 50 KG Gewicht und starb noch vor der Premiere des Films an den Folgen dieser Diät – ein ziemlicher Verlust, wie seine eindringliche Performance hier unter Beweis stellt.
#615
Geschrieben 16. Januar 2008, 01:20
USA 1974 Regie: Larry Yust
Ein ganzer Straßenzug alter Mietshäuser soll abgerissen werden, um gewinnträchtigenden Hochhäusern Platz zu machen. Unter Murren räumen die meisten Anwohner das Feld, nur sechs schrullige Senioren sehen überhaupt nicht ein, auf ihre gewohnte Umgebung zu verzichten und greifen zu radikalen Mitteln...
Auch wenn der Film einige durchaus wirkungsvolle Spannungs- und Horror-Momente zu bieten hat, ist er in erster Linie eine Mischung aus schwarzer Komödie und Sozialdrama. Zum Gelingen trägt neben den skurrilen, aber doch liebenswerten Figuren auch die stimmungsvoll festgehaltene urbane Tristesse eines während der Dreharbeiten tatsächlich dem Erdboden gleichgemachten Viertels in Cincinatti bei. Daß der Film hier und dort als Horrorfilm angepriesen wurde, war dann wohl eher kontraproduktiv – aber mit abgeschalteter Erwartungshaltung bekommt man hier ein sehr originelles Werk geboten, in dem nicht nur der Vermieterarsch, sondern auch die ein oder andere Genre-Konvention auf den Kopf gestellt wird.
#616
Geschrieben 17. Januar 2008, 01:14
Thailand 2002 Regie: Bin Bunluerit
Da schau her, hatte ich bislang vermutet, die Mär vom "Penanggalan" wäre eine rein indonesische Geschichte, scheint es in Thailand eine ähnliche Legende zu geben, nur heißt das Ding da "Krasue". Nu ja, hauptsache fliegender Frauenkopf mit Gedärmen untendran. Im 18. Jahrhundert wird eine Prinzessin zum Tode verurteilt, weil sie statt mit dem öden Herrscher lieber mit einem schnieken jungen Mann herummacht. Glücklicherweise lernt sie im Gefängnis aber noch eine alte Frau mit übernatürlichen Fähigkeiten kennen, und so ist sie nach ihrer Hinrichtung mitnichten tot, sondern fliegt übers Land geradewegs in den toten Körper der durch schwarze Magie entleibten Daow hinein, die auch nicht mit dem ficken wollte, mit dem sie ficken sollte. Bald finden die Bauern ihre Viecher tot und kurze Zeit später weilt auch der ein oder andere Nachbar nicht mehr unter ihnen...
So ein mit CGI umgesetzter fliegender Frauenkopf mit Gedärmen untendran ist freilich nicht so charmant wie das handgemachte Pendant aus den indonesischen Filmen der 80er Jahre, aber nichtsdestotrotz hat der Film mir ziemlichen Spaß gemacht. Mit Schauwerten wird nicht gegeizt und so gibt es neben zünftigen Splatter-Einlagen für einen Thai-Film auch erstaunlich viele Nacktszenen. Die Darsteller sind ebenfalls gut genug, um die melodramatischen Anteile der Geschichte glaubwürdig rüberzubringen. Abgesehen davon finde ich Filme über fliegende Frauenköpfe mit Gedärmen untendran schon aus Prinzip gut.
#617
Geschrieben 27. Januar 2008, 17:09
Mexiko 1967 Regie: Carlos Velo
Auf dem Sterbebett wird der junge Juan von seiner Mutter aufgefordert, seinen Vater Pedro Páramo aufzusuchen und endlich einzufordern, was ihm zusteht. Schon bald wird ihm allerdings klar, daß die Personen, denen er im abgelegenen Heimatdorf begegnet, die Geister längst Verstorbener sind, die ihm erzählen, wie ihr eigenes Leben von Pedro Páramo beeinflußt wurde...
Die erste Verfilmung von Juan Rulfos populärem Roman (für 2009 ist bereits die vierte Adaption angekündigt) besticht durch eine angemessene traumähnliche Atmosphäre. Was bei all der Euphorie über die "Erfindung des magischen Realismus" und "Gabriel García Márquez sein Kultbuch" oft übersehen wird, ist, daß der Roman auch eine narrative Überhöhung der Gothic Novel darstellt und damit einer Tradition folgt, die von Jan Potocki mit der "Handschrift von Saragossa" begonnen wurde. Auch wenn Rulfos Roman nicht die vielfache Verschachtelung der Handlung betreibt, sondern – ständig die Perspektive wechselnd – ein paar Mosaiksteinchen einer "großen Geschichte" hinwirft, deren Details sich der Leser selbst ausmalen kann, sind vor allem in der Rahmenhandlung Parallelen auszumachen: So wie Alfonse Van Worden immer wieder unter dem Galgen aufwacht, bekommt der durstige Juan hier von den Toten immer nur Gefäße gereicht, die längst ausgetrocknet sind. Weitere Elemente der Gothic Novel sind mehrere Über-Villains, ein Rendezvous auf dem Friedhof und die (anfänglich) jungfräuliche Heldin, die so einiges einstecken muß. Freilich ist die Kritik an ausbeuterischen Landbesitzern hier ausgeprägter vorhanden, aber schon damals waren die Villains überwiegend reiche Säcke. Ohne Kenntnis der literarischen Vorlage mag Velos Film noch rätselhafter wirken, als er eh schon ist, dem Genuß dieser traurigen, originellen und stimmungsvollen Geschichte steht das aber meiner Meinung nach nicht im Weg.
#618
Geschrieben 28. Januar 2008, 22:14
GB 1979 Regie: Leslie Megahey
Leyden im 17. Jahrhundert: Der junge Maler Schalcken verliebt sich in die Nichte seines Lehrers und ist daher nicht begeistert, als dieser sie für einen Haufen Goldstücke an einen geheimnisvollen Fremden verschachert. Noch weniger begeistert ist die Nichte selbst, nachdem sie das leichenhafte, ausgezehrte Gesicht ihres zukünftigen Gemahls das erste Mal erblickt...
Auch außerhalb der "Ghost Stories for Christmas" adaptierte das englische Fernsehen klassische Geistergeschichten, diesmal keinen Stoff von M.R. James, sondern von dessen großen Vorbild Sheridan Le Fanu. Megahey, der davor und danach auch Filme über Maler drehte, ergreift die Gelegenheit beim Schopf und taucht den ganzen Film in ein Kerzenlicht-Halbdunkel, so daß der ein oder andere Frame auch an die Gemälde der flämischen Schule erinnert. Diese Vorgehensweise sorgt neben den hervorragenden Darstellern (u.a. Maurice Denham) dafür, daß trotz der sehr langsamen Erzählweise keine Langeweile aufkommt, da scheint ständig etwas zu lauern in diesen dunklen Flecken. Der Schock aller Schocks kommt freilich erst am Ende und man kann sich immer wieder wundern, wie weit der viktorianische Großvater der westlichen Geistergeschichte schon in die Abgründe der menschlichen Fantasie vorgestoßen ist.
#619
Geschrieben 29. Januar 2008, 17:51
Philippinen 1966 Regie: Gerardo de Leon
Als der Vater im Sterben liegt, trauen seine Erben ihren Ohren nicht: Das Herrenhaus soll abgefackelt werden und heiraten dürfen sie auch nicht. Der Grund dafür liegt hinter einer Geheimtür im Keller verborgen: Mutter ist nämlich mitnichten tot, sondern zum Vampir geworden und muß ständig angekettet und ausgepeitscht werden, damit sie keine Leute beißt. Man fragt sich freilich, warum die die nicht schon längst gepfählt haben, bald ist nämlich schon alles zu spät und der Sohn des Hauses infiziert. Der schreckt auch nicht davor zurück, seine eigene Schwester beißen zu wollen, aber diese wird zunächst noch vom Geist ihres Liebhabers Daniel beschützt. Am Ende taucht der lokale Pfarrer mit einem S.W.A.T.-Team von Ministranten, Nonnen und frommen Dorfbewohnern auf und fackelt nicht lange, sondern die Hütte der Vampirfamilie ab. Als sich anschließend die Silhouetten der Geister der Liebenden am Abendhimmel abzeichnen, mußte ich schon kurz seufzen.
Lieber Rotfilter als Totfilter! Wenn auch stilistisch nicht ganz so hübsch wie der Vorgänger The Vampire People immer noch schön anzusehen und aufgrund der Vermischung zahlreicher klassischer Themen auch sehr kurzweilig. Warum Daniel, der
#620
Geschrieben 04. Februar 2008, 19:05
Argentinien 1960 Regie: Enrique Carreras
Ein schnuckeliges Dienstmädchen muß während einer abscheulichen Gewitternacht alleine im riesigen Herrenhaus ihrer Arbeitgeber verweilen. Sie lässt sich davon aber wenig beeindrucken und wählt als Lektüre einen Band mit Erzählungen von Edgar Allan Poe...
"The Facts in the Case of M. Valdemar"
Eine meiner Lieblings-Erzählungen vom alten Eddie. Narciso Ibáñez Menta gibt einen wundervollen Mesmeristen ab, der hier seinem unglücklichen Patienten auch freundschaftlich verbunden ist. Venn Valdemar verfault, sieht es eher aus wie am Ende von Fishers Dracula, also leider nix mit amorpher brauner Masse, aber immer noch gut genug.
"The Cask of Amontillado"
Wohl die schwächste Episode, da sehr dialoglastig und konventionell. Aber keinesfalls übel. Die Geschichte wird ähnlich wie später in Cormans Tales of Terror erweitert, aber mit einem anderen dramaturgischen Aufbau. Hat mindestens einen großartigen Moment.
"The Tell-Tale Heart"
Stilistisch wohl die ausgereifteste Episode. Einfach toll, wie hier Schatten eingesetzt werden. Die Darstellung des geizigen alten Mannes kommt allerdings mit ein paar jüdischen Stereotypen daher, und könnte, wäre der Film bekannter, eine ähnliche Diskussion hervorrufen wie einst Alec Guinness als Fagin in David Leans Oliver Twist-Version. Bemerkenswert jedenfalls, wie das blinde Auge in die schattigen Bildkompositionen eingefügt wird.
Der Regisseur ist nicht mit dem Vater von Hammer Films-Mitgründer James Carreras zu verwechseln, heißt zwar genauso, ist aber ein anderer. A propos Väter: Der Hauptdarsteller Narciso Ibáñez Menta (wegen seiner auch hier zu beobachtenden Wandlungsfähigkeit und seinem Faible für Make-Up zuweilen auch "der spanische Lon Chaney" genannt) ist übrigens der Vater des späteren Regisseurs Chicho Ibáñez Serrador, der hier ebenfalls als Schauspieler auftritt und das Drehbuch verfasst hat. Der Film ist wesentlich straighter und daher nicht so unterhaltsam wie der zwei Jahre später entstandene Tales of Terror, Episode 1 und 3 können sich aber durchaus sehen lassen und E. A. P. wurde in der Filmgeschichte schon wesentlich schlimmer verwurstet.
#621
Geschrieben 06. Februar 2008, 01:54
GB 1967 Regie: Jim O’Connolly
Wie Bette Davis machte auch Joan Crawford nach dem Erfolg von Baby Jane zugunsten von Psychothrillern (und einem Troglodyten-Melodram) einen Abstecher nach England. Michael Gough ist leider schon nach 23 Minuten tot, hat aber einen spektakulären Abgang. Robert Hardy als geschniegelter Scotland Yard-Detective tritt bei seinem ersten Eintreffen im Zirkus erst einmal in Elefantenscheiße. Foreshadowing auf seine berühmteste Rolle? Es gibt auch vier Freaks (Zwerg, Vogelmensch, bärtige Frau und Muskelprotz), die auch eine gemeinsame Gesangsnummer haben. Wie in Zirkusfilmen üblich, wird das ganze mit ein paar Varieté-Nummern gestreckt. Die Pudel fand ich aber richtig lustig. Das Finale hingegen war eher enttäuschend. Auch nicht weiter tragisch: Tolles Ensemble (Diana Dors und Judy Geeson sind auch noch mit dabei), ein paar deftige Morde in der Horrors of the Black Museum-Tradition und hinter der Kamera ein mal wieder bestens aufgelegter Desmond Dickinson. Ein Klassiker ist das nicht, dafür ist der Plot dann doch zu unausgegoren, aber Spaß gemacht hat mir das Ganze schon.
#622
Geschrieben 15. Februar 2008, 23:33
USA 1969 Regie: David Lowell Rich
Kassia arbeitet in einem Schönheitssalon und bekommt mit, daß eine ihrer reichen Kundinnen wegen einer Lungenkrankheit schwer am Abnippeln ist und ständig von ihrem Neffen Wylie schwärmt, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Also macht Kassia den Hippie-Tunichtgut ausfindig, schneidet ihm die Haare, steckt ihn in einen Anzug und schickt ihn nach Tantchen, Erbschaft abstauben. Zu blöd allerdings, daß die Alte über die Jahre an die 50 Katzen gesammelt hat und Wylie eine panische Angst vor diesen Tieren hat...
Katzenhorror aus den späten Sixties, kann man da widerstehen? Also, ich nicht. Das fängt schon super an mit einer stylischen Pre-Title-Sequenz inkl. Split-Screens, Katzenbildern innerhalb von Katzenbildern und den Straßen von San Francisco. Der Plot ist keinesfalls platt, und auch die Figuren sind eine runde Angelegenheit. Es gibt mehrere tolle Sequenzen, z.B. wenn Wylie mit Stubentigern konfrontiert wird, die Tante im Rollstuhl einen Hügel herabsaust, oder ein Mordversuch am Sauerstoffzelt in blau-goldenes Licht getaucht wird. Lalo Schifrins beachtlicher Score enthält elektronische Experimente, und ich hatte den Eindruck, auch der ein oder andere Katzensound kam aus der Maschine. Persönlich hätte ich mir zwar mehr Horror- und weniger Thriller-Elemente gewünscht, aber geht auch so in Ordnung. Miau.
#623
Geschrieben 20. Februar 2008, 02:28
USA 1970 Regie: John G. Avildsen
Ein reicher Geschäftsmann ermordet im Affekt den drogendealenden Freund seiner Tochter. In einer Kneipe trifft er anschließend zufällig den hippiehassenden Bauarbeiter Joe, der seiner Tat schnell auf die Schliche kommt und ihn indirekt erpresst. Zusammen begeben sich die beiden Kriegsveteranen auf die Suche nach der verschwundenen Tochter und geraten dabei auch auf eine Party, auf der sie ordentlich mitkiffen...
Die Stärke des Films liegt wohl darin, daß er den enthaltenen Generationen-Konflikt ambivalent bebildert, und sich nicht demonstrativ auf eine der beiden Seiten stellt. Das dramatische Finale scheint sich für die Jüngeren auszusprechen, doch sind Licht und Schatten überall, und der Schatten scheint hüben wie drüben zu dominieren. Wie geschickt der Film einen Nerv der amerikanischen Gesellschaft trifft, zeigt sich auch in dem Umstand, das Teile des Publikums die aggressive, von Rassismus und Halbwissen durchtränkte Titelfigur (der allerdings auch ein paar liebenswerte Züge verpasst wurden) als Helden bejubelte, was Darsteller Peter Boyle stark verunsicherte. Er ist es aber auch ein wenig selber Schuld, denn so eine überzeugende, glaubwürdige Performance gibt es nur selten zu sehen. Ein fabelhafter, sehr durchdachter Film, der über ein zeitloses Thema und zeitlose Figuren verfügt – was ihn in seiner Düsternis umso beängstigender macht.
#624
Geschrieben 23. Februar 2008, 00:05
Frankreich / Italien 1970 Regie: Tonino Cervi
Der Hippie David fährt mit seinem Motorrad durch die Gegend, auf der Suche nach einer besseren Welt. Scheinbar zufällig übernachtet er in einer Scheune mitten im Wald und trifft am nächsten Morgen drei attraktive Schwestern, die auch noch gut kochen können. Da er sich zu den dreien hingezogen fühlt, geht seine zuvor idealisierte Unabhängigkeit ein wenig flöten, ebenso seine Selbstsicherheit, geschehen um ihn herum doch bald sehr merkwürdige Dinge...
Von der Atmosphäre her gibt es hier einige Parallelen zu Morgane et ses nymphes, denn ähnlich wie dieser ist das hier weniger Horror oder Thriller, sondern mehr ein Märchenfilm für Erwachsene mit spielerischer Gesellschaftskritik. Exemplarisch dafür steht etwa die Szene, in der eine der Schwestern dem Protagonisten einen Apfel pflückt. Aber obwohl der ganze Film schon in einer außerweltlichen Stimmung schwebt, wird sogar mit einer zusätzlichen Traumsequenz noch einer draufgesetzt: Da hat eine der Schwestern ein Auge als Nippel, und eine andere schießt mit einer Pistole zwischen ihren Beinen (ohne freilich ihre Hände zu benutzen) auf Ray Lovelock. Dieser hat auch den überraschend minimalistischen, aber sehr schönen Titelsong geschrieben und zur Akustikgitarre eingespielt. Die Message am Schluß ist dann vielleicht etwas naiv (
#625
Geschrieben 27. Februar 2008, 01:28
USA 1971/1978 Regie: Doris Wishman
"Employers will not hire Transsexuals."
Dieser Film ist ein Zwitter. Ich war ständig hin- und hergerissen zwischen den glaubwürdigen, mutigen dokumentarischen Einsprengseln und der hemmungslosen Exploitation. Über all dem liegt zumal noch die formale Handschrift von Doris Wishman, die man sowohl Underground-Auteur als auch Vielfilmerin mit bizarrer Hausfrauen-Ästhetik nennen kann. Schon vor dem Vorspann wird eine Person vor einer blauen Tapete abgefilmt und mit Einschüben ihrer Perserkatze auf einem knallroten Teppich kontrastiert. Der hölzerne Doktor scheint abzulesen. Er schielt auch interessant an der Kamera vorbei, als hätte der Kameramann eine Kasperlefigur in der anderen Hand. Wenn die Hauptfigur von ihrem Penis als eine Krankheit spricht, entfaltet der Film die nächste Dimension. Mann ist hin- und hergerissen von diesem Film. Die Tatsache, daß hier tatsächliche Transsexuelle ihre Lebensgeschichte erzählen und der hölzerne Doktor auch echt ist, läßt den dokumentarischen Inhalt nicht vergessen, aber Wishman filmt das ganze wie einen schludrigen und sensationalistischen Feature Film, incl. hochdramatischen geklauten Score der jedesmal, wenn ein hübsches Mädchen seinen Penis zeigt, so klingt, als hätte gerade Graf Dracula das Bild betreten. Der Gipfel ist freilich das authentische Footage von einer echten Geschlechtsumwandlung: In Großaufnahmen sehen wir eine Operation, bei der aus einem Penis eine Vagina gemacht wird. Aber hey, wir sind eine Dokumentation! Ich kann trotzdem noch nicht ganz glauben, was ich da gesehen hab. Die Detailaufnahmen der operierten Vagina könnte man schon pornographisch nennen. Onkel Doktor steckt sogar zu Demonstrationszwecken noch einen Finger hinein. Ich glaube immer weniger, daß ich das alles tatsächlich gesehen habe. Naja, aber war eine solche Mischung nicht typisch für Aufklärungsfilme? Schon, aber die waren nicht so abgehoben wie der hier. Einige der Transsexuellen hier scheinen alleine schon darüber froh zu sein, daß ihnen überhaupt mal jemand zuhört, egal, aus welchem Grund. Ah, eine psychedelische Traumsequenz kommt auch noch. Darauf ein harter Schnitt, wieder der Dokter und ein Selbstmord.
Anständig, die Produktionsfirma "Hygiene Films" zu nennen, das erinnert mich an die "Broschüren zur Ehehygiene", die noch in den siebziger Jahren kursierten, obwohl es da schon bessere Wörter gab. Als Wishman den Film drehte, war sie ihrer Zeit scheinbar zu weit voraus, erst sieben Jahre später traute sich ein Verleiher, dieses Werk in ausgewählte Lichtspielhäuser zu bringen. Möglicherweise ist für diesen Film die Zeit aber immer noch nicht reif.
#626
Geschrieben 28. Februar 2008, 01:50
Sowjetunion (Estland) 1979 Regie: Grigori Kromanov
Inspektor Glebsky wird in ein abgelegenes Hotel geschickt, weil dort ein Verbrechen stattgefunden haben soll. Dort angekommen, stellt er jedoch fest, daß überhaupt nichts passiert zu sein scheint. Ihm bleibt jedoch nichts anderes übrig, als dort zu übernachten, was ihm auch ganz gelegen kommt, da das Hotel für seinen erlesenen Weinkeller bekannt ist und die umgebenen Berge eine prächtige Naturkulisse abgeben. In der Nacht häufen sich jedoch merkwürdige Ereignisse und Glebsky stellt fest, daß er scheinbar von einer unbekannten Person gerufen wurde, um ein zukünftiges Verbrechen zu vereiteln...
Was wie ein Kriminalfilm beginnt, wechselt recht bald die Richtung: Wo die Reise hingeht, kann man in etwa erahnen, da die literarische Vorlage von den Strugazki-Brüdern stammt. Neben dieser interessanten Genre-Mischung und den recht exzentrisch wirkenden Hotelgästen punktet der Film aber hauptsächlich mit seiner enthobenen Stimmung: Die sagenhaft schöne Berglandschaft wird effektiv mit einem eindringlichen elektronischen Score kombiniert, so daß man sich kaum noch auf unserem Planeten wähnt und trotz der unheimlichen Ereignisse nebst Todesfällen große Lust bekommt, ebenfalls in diesem Hotel einzuchecken.
#627
Geschrieben 01. März 2008, 01:54
USA 1985 Regie: John Carr / Jay Schlossberg-Cohen / Philip Marshak / Tom McGowan / Gregg C. Tallas
"Wo zum Teufel bin ich hier eigentlich?" Meta-Dialogzeile
Begleitet von einer der unerträglichsten Pop-Rock-Bands der Dekade fahren Gott und Satan mit einem Zug und streiten sich um Seelen. Gott (Ferdy Mayne) findet Rockmusik jedoch lange nicht so schlimm wie ihren Ruf, und zum Erstaunen Satans möchte er auch einige zwielichtige Charaktere aus den hier versammelten Geschichten mit ins Himmelreich nehmen.
Ein auf herzallerliebste Weise ziemlich bescheuerter Film. Um ihn objektiv beurteilen zu können, muß wohl auf die Produktionsumstände eingegangen werden: Das Ganze ist eine Zweitverwertung mehrerer Langfilme, die auf Episodenlänge zurechtgeschnitten und teilweise um recht preisgünstige Stop Motion-Effekte bereichert wurden, namentlich Cataclysm (1980), Death Wish Club (1983) und – jetzt wird’s kompliziert – das Fragment Scream your Head off, welches allerdings 1992 unter dem Titel Marilyn live and behind bars doch noch vollendet wurde, obwohl man den neuen Szenen ansieht, daß Hauptdarsteller John Philip Law zwischendurch 10 Jahre älter geworden ist. Dieses Segment bildet die erste Episode: Frisch verheiratet, baut der Frauenheld JPL einen Auto-Unfall und landet in einem "seltsamen Sanatorium". Dort wird er hypnotisiert und gezwungen, Frauen mit blonden Perücken abzuschleppen, damit sie anschließend nackt zersägt werden können. Im seltsamen Sanatorium gehen aber auch interne Machtspielchen vor sich und so wird einer der Doktoren mal eben lobotimisiert, weil er "etwas zu viel Gehirnwasser" hat. Auch Gekröse gibt es nicht zu knapp. Zurück in der Rahmenhandlung folgt erst mal eine Breakdance-Einlage, in Zeitlupe. Die zweite Geschichte erzählt von einer Musikstudentin, die zunächst ihr Studium als Popcorn-Verkäuferin auf dem Jahrmarkt finanziert, später jedoch von einem satanischen Produzenten zum Pornostar gemacht wird. Der Student Glenn verliebt sich in sie, was dem Produzenten weniger gefällt, so daß er den Schönling auf mehrere Abendveranstaltungen einlädt, in deren ans russische Roulette angelehnten Verlauf eine "tansanische Mörderfliege" harmlose Passanten kaputtsticht, ein Jimi Hendrix-Lookalike via Stromschlag zu Tode geröstet wird, oder eine dekadente Comtessa von einer freischwebenden schweren Eisenkugel den Kopf zermatscht bekommt. Das Ende der Geschichte kriegen wir allerdings nur vom Schaffner in der Rahmenhandlung erzählt. Auf zur letzten Episode: Die Gattin eines Nobelpreisträgers hat schlimme Alpträume von Nazis, während der KZ-Überlebende Weiss meint, in einem Upper Class-Playboy den Mann wiederzuerkennen, der damals seine Familie ermordet hat. Zunächst glaubt ihm sein Nachbar, ein Polizist (Cameron Mitchell) nicht, aber als Weiss auf merkwürdige Art und Weise stirbt, kommen diesem Zweifel. Der Nobelpreisträger stellt derweil in einer Fernsehshow sein neues Buch vor, in dem er beweisen will, daß es Jesus nie gegeben hat und Gott tot ist. Bald bekommt er aber Besuch von dem Ex-Mönch Papini: "Sie brauchen Hilfe, Mister Nobelpreisträger".
Auch wenn z.B. die Hendrix-Witze übersetzt nicht so viel Sinn machen, potenziert die deutsche Synchro den Spaß an diesem Film ziemlich. Neben dem altbacken klingenden Erzähler, der den von 90 auf 20 Minuten heruntergeschnittenen Filmen nach Art des Groschenromans ein bißchen Handlung und Sinn zu verpassen versucht, bereitet auch Herbert Weicker als Stimme des Satans Freude. Das Script stammt von Philip Yordan, der in den 50ern für einige herausragende Drehbücher Credits und auch einen Oscar bekam, wobei umstritten ist, wie viele von diesen Büchern in Wirklichkeit eher von Autoren stammten, die auf McCarthys schwarzer Liste standen und Yordans Namen nur als Pseudonym nutzten. Der Sänger der Pop-Rock-Band und Breakdancer ist jedenfalls Yordans Sohn Byron. Eine gewisse Susan Maljan war laut Abspann "God and Satan Wardrobe Supervisor" – ein Job, den sicher jeder von uns gerne hätte.
#628
Geschrieben 08. März 2008, 01:09
Japan 1981 Regie: Tetsuji Takechi
Wenn man zum Zahnarzt geht, muß man auf alles gefaßt sein. Mir ist es zwar noch nicht passiert, daß ich zusammen mit einer schönen Frau im selben Behandlungszimmer war und unter dem Einfluß von Narkotika eine heftige Orgie mit S/M-Anleihen halluzinierte, aber, was nicht ist, kann ja noch werden. So jedenfalls grob zusammengefaßt die Handlung dieses Films. Ein Highlight sind auf jeden Fall die Sequenzen in einem Einkaufszentrum, in denen der zu Graf Dracula mutierte Zahnarzt die nackte Heldin verfolgt. Ebenso verblüffend sind die unzensierten Hardcore-Szenen, die man aus Japan eher selten zu sehen bekommt. Scheinbar wurde hier extra eine Export-Fassung gedreht, die dann glücklicherweise in Holland als VHS erschien. Diese Szenen ziehen sich allerdings etwas in die Länge – aber egal, folgt doch kurz darauf wieder eine bizarre Variation des Themas, die einen staunend mit offenem Mund hinterläßt...
Takechis Remake seines Skandalfilms von 1964 kann trotz der erwähnten Defizite enorm punkten, ist es doch extrem eigenwillig und einzigartig. Beim nächsten Zahnarztbesuch werde ich auf jeden Fall eine saubere Unterhose anziehen.
#629
Geschrieben 11. März 2008, 02:14
USA 1939 Regie: Nick Grinde
Dr. Savaard hat ein mechanisches Herz entwickelt, daß es ihm ermöglicht, Patienten aus einem Todeszustand zu erwecken, damit mehr Zeit für schwierige Operationen besteht. Als er die Apparatur mit einem freiwilligen Studenten testen will, funkt dessen Freundin und Krankenschwester dazwischen, ruft die Polizei auf den Plan und verhindert so die Wiederbelebung. Savaard wird zum Tode verurteilt, freilich nicht ohne auf das Unverständnis der Anwesenden zu schimpfen und bittere Rache anzukündigen – geschickterweise hat ein Kollege das mechanische Herz vorher in Sicherheit gebracht und es dauert nicht lange, bis der ein oder andere Geschworene das Zeitliche segnet...
Einer der weniger großartigen Karloff-Mad Scientist-Filme, der sich nicht recht entscheiden kann, ob er jetzt Horror, Gerichtsdrama, oder wie im letzten Drittel Kriminalfilm der alten Schule sein will. Nix gegen Genre-Hüpfen, aber es macht ein wenig den Eindruck, man hätte hier drei Drehbücher zusammengeschmissen, ohne einzelne Aspekte sinnvoll auszuarbeiten. Am Ende geht alles zu schnell. Langweilig wird es in der guten Stunde aber auch nicht, denn der alte Boris macht in solchen Rollen schon immer was her.
#630
Geschrieben 18. März 2008, 01:27
Mazedonien 1995 Regie: Mladen Krstevski
Ein abgelegenes Dorf ist in heller Aufregung: Soll doch eine Studentin aus der Großstadt kommen, um im nahegelegenen Kloster Forschungen zu betreiben. Das Kloster soll angeblich auf den Überresten eines älteren Klosters entstanden sein. Doch sie entdeckt ein ganz anderes Geheimnis...
Fängt diese Fernsehproduktion noch wie eine recht zotige Komödie an, incl. einem ständig furzendem Kind, einem Dorftrottel, der ohne Hosen einer Matrone nachsteigt, gesellt sich dazu dann doch noch eine Art Horror-Plot sowie zahlreiche Elemente der politischen Satire, wenn z.B. die Dorfbewohner nicht wissen, welches jetzt die angemessene Fahne für eine Beerdigung ist, oder auf den Satz "Even the sun isn't as red as it used to be" das Coca-Cola-Logo den Himmelskörper ziert. Das Ganze ist schon ein recht bizarrer, aber unterhaltsamer Mischmasch, da auch Locations und Beleuchtung ein ganz eigenes Flair haben, das ich so noch nicht zu sehen bekommen habe. Die Horrormomente sind dabei jedoch relativ straight gehandhabt, aber schlußendlich scheint es niemanden zu interessieren
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