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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern - Filmforen.de - Seite 21

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24 Frames/Sec - Spektralanalyse & Halogenflackern


818 Antworten in diesem Thema

#601 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 19. November 2007, 15:01

Miami Vice #1.12 - #1.22



Michael Mann, Anthony Yerkovich und John Nicolella kreierten 1984 eine Krimiserie, die neben dem Einfluss auf das Genre (und speziell Manns spätere Arbeiten) vor allem Eines auszeichnete: MIAMI VICE verschluckte den Zeitgeist der 80er und ließ ihn pulsierend aus dem Artefakt ausströmen. Das Oberflächenkino treibt den Bildern zumeist den düsteren Charakter aus, die Storys jedoch sprechen eine andere Sprache. Sonny Crockett und Ricardo Tubbs, der fesche Beachboy im pink-weißen Schulterpolstersakko, und der jamaikanische New York-Cop, der irgendwie immer verschwitzt ist, aber auf eine coole Art und Weise - sie repräsentieren einen Lifestyle zwischen den Figurationen Sex & Crime, populären Mainstreammythen und einer neuartigen, rasanten - auch zynisch pessimistischen - Weltsicht des Yuppitums, die nur mit homosexuellen Modefrakturen und mild-bunten Pastelltönen zu bestreiten war. Unsere beiden Protagonisten bewegen sich eigentlich sehr nah an der Grenze zwischen ihrer "Berufung" und den Handlungen der Männern, die sie verfolgen. Gerade in der letzten Episode "Lombard" (#1.22) wird dies überdeutlich, wenn sie einen Kronzeugen - selbst Mafiaboss - bewachen müssen, und dieser die letzten Trennlinien durch die sympatische Annäherung an die Figur zwischen Bösewicht und moralischer Instanz langsam auflöst. Nicht umsonst wurde diese Folge als Cliffhanger ausgewählt.

Crockett und Tubbs müssen in einer desillusionierten Welt zurechtkommen. In dem hell-pastellenen Schein der Dekade, zwischen brusttoupierten Yuppies und sonnenbebrillten Mafiosos begeben sie sich regelmäßig in selbstmörderische Aktionen - lassen sich einschleusen, undercover, geraten pünktlich einmal pro Episode in selbstmörderische Schusswechsel und müssen auch ihr Privatleben eliminieren. Überhaupt - Jeder Detective bekommt seine Liebesgeschichte an den gebraunten Körper gemeißelt. Aber nicht länger als eine, maximal zwei Episoden. Besonders spannend wird dies bei Lt. Martin Castillo, dem Chef unserer beiden Detectives: In der Doppelfolge "Golden Traingle" (#1.13-14) wird nach ein paar falschen Fährten deutlich, dass Castillo eine alte Liebe aus Südostasien hat. Auf den Punkt bringt es dann wohl der irgendwann spontan getätigte Ausspruch: "Are they nuts?" - "No, they are southeastasian." Die leisen Bezüge zum Vietnamkrieg werden hier kurz deutlich. Und in der Tat: Castillo sieht mit seinem vernarbten Gesicht und dem in die Leere (bzw. meist nach unten) schweifenden Blick weniger schauspielerisch limitiert, als viel mehr vor allem depressiv und desillusioniert aus.

Auch Crockett ("Nobody Lives Forever" #1.20 - eine unattraktive, leicht männliche Kurzhaarblondine) und Tubbs ("Rites of Passage" #1.16 - Pam Grier) müssen ihre Mädels schon nach einer Folge liegen lassen. Da gibt es Wichtigeres. Zum Beispiel Südamerikaner. Genauer gesagt: Eigentlich fast ausschließlich Südamerikaner. Wenn der Boss in einer Folge mal kein Latino ist, dann ist es zumindest einer seiner Angestellten. Meistens sind sie rabiat, ungehobelt, schrecken vor nichts zurück. Einmal müssen Crockett und Tubbs sogar rüber nach Kolumbien ("Smuggler's Blues" #1.15), hinein in das undurchschaubare, dreckige Dickicht. Schon deswegen, aber auch aufgrund der schwachen Dramaturgie der Folge die schlechteste Episode der zweiten Hälfte der ersten Staffel. Ein anderes Mal ("The Maze" #1.17) verschanzen sich einige Jugendliche in einem undurchsichtigen Trakt in besetzten Häusern, gerade einmal einer von ihnen kommt am Ende zur Raison, notgedrungen, da er umzingelt ist. Die anderen sind nachdem sie Gaststar Ving Rhames erschossen und seine Schwester fast vergewaltigt haben nicht so leicht davon gekommen. Solche Bastarde stoppen nur Kugeln - und Latinos sind der Fluch, der auf Miami lastet, so lernt es der Zuschauer. Gerade diese durchgehend verabreichte reaktionär rassitische Message gibt MIAMI VICE immer einen bitteren Mitgeschmack - auch wenn sich immer wieder der Eindruck aufdrängt, das bei der steten Beschäftigung auch eine Menge Faszinosum gegenüber diesem exotischen Unbekannten mitschwingt.

Grundsätzlich kann man MIAMI VICE unterstellen, den Oberflächchic, die Videoclipästhetik des aufkommenden MTV-Booms - auch die bloße Musik von Phil Collins und anderen Ikonen der 80er, auszustellen und für eine rasante Inszenierung zu missbrauchen. Zwischen Kritik und Affirmation ist nur eine dünne Grenzlinie gezogen und so ist MIAMI VICE sowohl für die Upper-class als auch für Cineasten oder Subkulturen goutierbar. Die Serienkonzeption hatte anscheinend immer den Anspruch zwischen vielen Stühlen zu changieren. Nur so ist es zu erklären, dass der tone der Serie in nur einer Folge von witzelnder Verarsche ("Made for each other" #1.18) zu ultradüsterem Ambiente ("The Home Invaders" #1.19) wechselt. Diese Folge wurde übrigens von Abel Ferrara als Gastregisseur verwirklicht und ist überhaupt die einzige der ersten Staffel, die sich jeglicher Ironie verschließt.

Ein Punkt muss bei einer Reflexion über MIAMI VICE natürlich noch angesprochen werden: Crockett und Tubbs - die frauenlosen Herzensbrecher - sind natürlich auch Ikonen in der Schwulenkultur. In der Folge "Evan" (#1.21) lernen wir dann, dass Crockett einst einen Partner hatte, der von ihm und eben jenem "Evan" nach seinem Outing gemobbt wurde. Der schwule Kollege beging Selbstmord, "Evan" ist seitdem auf selbstmörderischer Mission, da er mit seinem schlechten Gewissen nicht zurecht kommt, Crockett schweigt sich aus und offenbart sich auch Tubbs erst nach einem fast zickigen Hin und Her zwischen den Beiden. Spannend, dass die Serie schon zu so einem frühen Zeitpunkt ihre Wirkungskreise reflektiert. Crockett und Tubbs werden in jedem Fall auch immer zurückhaltend genug inszeniert (keine prolligen Ausfälle, keine Frauen länger als eine Episode, stattdessen immer wieder neue, schicke Fummel), damit sich diese Zielgruppe offengehalten wird.

MIAMI VICE ist und bleibt ein popkulturelles Universum der 80er Jahre und lohnt der steten Erkundung.

#602 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 21. November 2007, 14:53

Grindhouse: Planet Terror
Robert Rodriguez, USA 2007

Robert Rodriguez hat dieses Jahr etwas geschafft, das ich schon lange nicht mehr erlebt habe: Er hat mit PLANET TERROR - dem zweiten Segment aus dem GRINDHOUSE-double-feature Projekt von Tarantino und Rodriguez - einen Film inszeniert, der mir von vorne bis hinten ohne einen Moment der Reue oder des Stutzens, gefällt und mehr als das. Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so köstlich amüsiert habe, wie man so schön sagt.

Wenn Tarantinos DEATH PROOF - neben vielen anderen Huldigungen - vor allem eine Hommage an Russ Meyer war, dann ist PLANET TERROR das verzauberte Pendant zu Ehren des großen John Carpenter. Die Musik, die ursprünglich von Carpenter selbst beigesteuert werden sollte, sorgt für die richtige mood - Rodriguez sei dank, der hier hervorragende Arbeit geleistet hat. Die pulsierenden Synthiesounds für die Carpenters Filme berüchtigt und beliebt waren - auch in eine Zeitepoche des Electros einführten - bestimmen die filmische landscape.

Wunderschön, grandios und überme(än)nschlich sind - wie auch in DEATH PROOF - die Frauen, zwar nicht allein sie dieses Mal, aber durchaus wegweisend - und der Inbegriff von sexy. Schweißtreibend, für Akteure und Zuschauer. Rasende Rampensäue mit Raketenwerfern im Anschlag.

Ansonsten - nach wie vor, ganz in der Linie des todsicheren Zwillingsbruders - liebt PLANET TERROR seine umgarnten Vorgänger längst vergangener Dekaden. Schleimig, blutrünstig, schwarzhumorig - Ritualhaft zelebriert der Film jede seiner Szenen zu verliebten Momenten, die den Fan ein Wohlgefühl verabreichen wie in Muttis Schoß.

Nuff said - get your piece of love in the cinema! 10

#603 moodswing

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Geschrieben 23. November 2007, 11:34

Gone Baby Gone
Ben Affleck, USA 2007

So etwas lieben die Amerikaner: Ehrhaft, aufrecht, moralisch, organisiert - Als Privatdetektiv Patrick Kenzie gerät Casey Affleck zunächst einmal - nochmals sehr amerikanisch - in eine dramaturgische Mühle mit viel Pathos über die Findungsgeschichte eines aufgedeckten Skandals. Ein Copthriller also zunächst, solch solide Genrekost, wie sie eben goutierbar sein mag, aber nicht in Überschwenglichkeiten schwelgen lässt. Doch GONE BABY GONE hat einen Plan, ein Ziel, auf das er hinsteuert. Denn dieser ehrhafte und aufrechte Charakter, der den amerikanischen Film gerne mal unreflektiert bestimmt, er wird in den Mittelpunkt gerückt und muss sich einer moralischen Entscheidung stellen, die auch den Zuschauer in eine unmögliche Position rückt. Wo verläuft die glatte Linie der Gesetzestreue noch, wo sind Werte und Tugenden eventuell überdenkenswert? Patrick Kenzie handelt richtig und falsch zugleich, und die richtige Entscheidung scheint nicht getroffen, sondern eher ein auswegsloses Dilemma zu sein. Kenzie zerstört durch seine normative Entscheidung nicht nur sein Leben, sondern eventuell auch das eines unschuldigen Subjekts - Gerade das, was es doch zu schützen gilt mit dem standhaft ehrlichen Gebären. Und damit vermag der Film am Ende etwas werten und genau die unbeirrbaren Maßstäbe des aufrechten Verantwortungsträgers - wie wir ihn aus Film und Realität kennen, auch wünschen, auch in dessen Position gedrängt werden - in Frage stellen, was an sich schon mutig ist. So lässt GONE BABY GONE den Zuschauer mit dem flauen Gefühl im Magen zurück, was man hätte tun können, einer Entscheidungsfindung die im Dilemma endet und eine ziemliche Erschütterung darstellt, eine Ambivalenz und ein Zwiespalt, welche so schnell nicht zu überwinden sind... 8,5

#604 moodswing

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Geschrieben 25. November 2007, 16:01

Into the Wild
Sean Penn, USA 2007

Ein wenig klischeebeladen hört sich eine Story ja an, die vom "Manne" erzählt, "der auszog in die einfache Natur, weil ihn die diesseitige, technisierte, kapitalistische, zivilisierte Menschenwelt anekelt". Sean Penns INTO THE WILD aber ist mehr als jene halb-subversive Erzählung. Der Film ist amerikanisches Mythen-Road-Movie, Naturepos und vor allem Freiheitskämpfer an vorderster Front. Penn gelingen - und für einen Schauspieler, der ins Regiefach wechselt ist das mehr als ungewöhnlich - atemberaubende Sequenzen, die nicht nur Oden an die Natur in der wir leben, die wir aber allzu häufig vergessen und an die Freiheit des Individuums sind - sondern auch filmische Sonnenstrahlen, die zeigen, dass dort jemand etwas vom Medium versteht.

Penn lässt seinen Protagonisten Familienbruchstücke fragmentieren. Mehrmals und immer wieder. Erst die eigene Familie, die gewissermaßen reagonomisiert (eher bushisiert) den Dreck unter den Teppich kehrt, Liebe ankettet und Kälte ausstrahlt - Der Goldjunge soll es machen. Er wird es nicht tun, ihr den Rücken kehren und wer jetzt denkt, dass hier irgendetetwas geradegerückt werden soll im späteren Verlauf, der wird sich täuschen. Denn die eigene Familie ist nur ein erster Teil des Abnabelungsprozesses vom Menschentum für Christopher McCandless (Emile Hirsch). Sie ist nur ein Teil der Erzählung, kein unwichtiger, aber auch nicht der zentrale. Weiter geht es durch das Land, das stets mythisch und geschichtlich angehaucht bleibt - Penn ist ein stolzer Amerikaner, das lassen einen trotz aller Kritik die Kamera nicht vergessen, wenn sie ganz verliebt mit dem Blick in das weite Land streift. Christopher trifft Farmer, Hippies und einen alten Mann kurz vor seinem Ziel - Alaska. Der Goldjunge, ein Erlöser, Erretter, ein amerikanischer Jesus - er verbessert ihre Leben und bereichert sie um Augenblicke und unvergessliche Momente. Er vereint families, lässt sie aber auch wieder - im Guten selbstredend - auseinandergehen. INTO THE WILD ist auch ein Film voller Melancholie, voller Sehnsüchte und Erkenntnisse, dass uns die glücklichen Tage auch nur in abgemessenen Zeiteinheiten beschieden sind.

Christopher sucht die Freiheit, er sucht die Einsamkeit, den alleinigen Kampf, die Nähe zur Natur und dem damit verbundenen Leben. Er will seine Knochen spüren und tut dies am Ende auch. Er ist eben kein "survivor", kein Standhaltender, sondern ein sich Irrender, wenn er zuletzt in sein Tagebuch schreibt: "lonely, scared" Im Moment des Todes erkennt er wie sehr er trotz aller Liebe zur Freiheit des Einzelnen doch Gemeinschaft, "Family", seine Familien vermisst. Penn geizt nicht mit emotionalen Lawinen und bringt unseren Jesus auch mit der Weißblende in den Himmel (mit einem Lächeln im Gesicht). Fragen nach Kitsch kommen hier aber nicht mehr auf, INTO THE WILD ist einfach zu gewaltig, zu aufgeladen, zu niederschmetternd... 9,0

#605 moodswing

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Geschrieben 28. November 2007, 02:15

3x Einkaufen bei Blockbusters

American Gangster
Ridley Scott, USA 2007
|
Pures, elendes, ermüdendes Star- und Oscarvehikel. Wenn Denzel Washington noch keinen Oscar für TRAINING DAY eingesteckt hätte, so würde er ihn mit Sicherheit jetzt bekommen. Und wieder hat man das Gefühl, das ihm da eine Rolle direkt und punktgenau an den Leib gemeisselt wurde. Washington - der gestandene, prinzipientreue, maßvoll regelnde, gläubige Despot - egal, ob Arschloch und Bösewicht, eigentlich ist es immer die gleiche Geschichte, die sich in die Figur des übermächtigen Mannes einschreibt. Und auch Ridley Scott würde gerne nochmal Geschichte schreiben. Nachdem er Meilensteine im Science-Fiction und Horrorgenre geschaffen hat, sollte es nun der Gangsterfilm sein. Statt aber einen neuen BLADE RUNNER oder ALIEN aus dem Hut zu zaubern ist AMERICAN GANGSTER nicht viel mehr als eine lahme Kombination eines Gangster- und Biopics, dem seine Kulissen und Hauptdarsteller zu jeder Zeit wichtiger sind als mögliche revolutionäre Spuren in den Genrepfaden zu hinterlassen. AMERICAN GANGSTER ist ansehnliches, anschmiegendes, erwartbares Kino für den Freund des Oscars, und damit eben auch ermüdendes Altpapier, an dem schon der Gilb ansetzt...

Lions for Lambs
Robert Redford, USA 2007
|
Als entdramatisiertes Kriegs- und zugleich dramatisiertes Dialogdrama lässt sich Robert Redfords Apell an den modernen, jungen, aufgeklärten Menschen lesen. Viele Nicht-Amerikaner werden LIONS FOR LAMBS wohl als liberales Pamphlet gegen politische Apathie, für Demokratie, auch für Patriotismus sehen. Der wortgewaltige, emotionalisierende Mobilmacher ist aber in der Tat nicht unklug konstruiert. Alle Positionen werden hinreichend beleuchtet, Wertungen werden nur subtil eingestreut (etwa wenn Meryl Streep bissige Zwischenfragen an Senator Tom Cruise stellt). Zwischen drei Szenarien wechselnd bleibt LIONS FOR LAMBS kurzweilig genug, um auch einmal längere Plädoyers einzubauen, trotzdem ist die Dramaturgie häufig ziemlich wackelig. Über all die Aktivismus-Euphorie vergessen werden die ökonomischen Bestrebungen der USA, auch die tieferen Einblicke in die Kriegsherde und die betroffenen Völker selbst. Ein rein amerikanischer Blick eben, Redford hat sein zentrales Anliegen, für das er keine Zeit verliert.

Beowulf
Robert Zemeckis, USA 2007
|
Wenn jemand über 300 meckert, so sollte er auch über BEOWULF zätern können. Robert Zemeckis neue, bunte Digitalwelt verdingt sich diesmal als mittelalterliches Muskelmärchen, in dem viel zünftiges Ariergeschrei und unsubtile Wikingerattitüde einhergeht mit Dämonisierungen des weibischen Geschlechts und ähnlichem Gesocks. Warum man sich zwei Stunden lang nun ausgerechnet behäbig animierte CGI-Plastiken mit perfekt modellierten CGI-Charakterdarstellergesichtern anschauen muss, hat sich mir nicht erschlossen. Statt dessen aber ziemlich viel Inkohärenz (man achte auf die ständig wechselnden Körpergrössen des Monsters) und Lachsalven, die BEOWULF letztlich zu einem Unterhaltungsfilm machen, wie ich ihn mir anschauen mag. Das soll aber nichts heißen - denn ich mochte ja schon den doofen 300 ganz gerne leiden.

#606 moodswing

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Geschrieben 29. November 2007, 20:14

The Kingdom
Peter Berg, USA 2007

Zwischen Heldenverehrung, kritischen Untertönen und Actionspektakel erklärt sich OPERATION: KINGDOM zu einer brandaktuellen Auseinandersetzung mit kriegspolitischen Themen, dessen Ausgangsposition aber schon Zweifel an der reinen Weste aufkommen lässt. 100 Amerikaner sterben bei einem Attentat von Islamisten in Saudi-Arabien. Es kann nicht aufgeklärt werden, warum es nun ausgerechnet Amerikaner im fremden Land sein müssen - auch noch dem zur Zeit eher weniger als Krisenherd bezeichneten Saudi-Arabien. Ein Blick durch die eigene Brille in fremdes Terrain. We are the victims, the location seems extraterrestrial.

In Zeiten von täglichen Anschlägen im Irak und Afghanistan wirkt solch ein gefaketes Szenario unnötig und fast ein bisschen dreist. Wer will in Amerika schon sehen, wie sich eine Sondereinheit Special Agents für 100 tote Araber den Arsch aufreißt, wenn's auch Amis sein können. Im Kino ist das einfach umzukonstruieren. Also machen wir es.

Jamie Foxx und seine Bande sind vor der Heroisierung des Films nicht geschützt, bringen hier und da mal einen lockeren Spruch und stehen ganz in der naiv-guten Mission, den garbage mal aufzuräumen um für Recht und Ordnung zu sorgen. Ausgeblendet werden dabei jegliche politische Intrigenklüngeleien, ganz so als habe Michael Bay seine Hände mit im Spiel.

Die Gewaltexzesse, die OPERATION: KINGDOM dann im letzten Drittel ausübt und thematisiert zugleich - diese können von diplomatischen Biedermännern nicht aufgehalten werden (Die Politik als Bremser der good military force, hüstl). Ungeniert mag der Film dort seine Grabenkämpfe, Explosionen, Katz-und-Maus-Spiele und Technologiefetischisierungen. In der letzten Sequenz wird das dann ins rechte kritische Bild gerückt - Gewalt entwickelt sich spiralenförmig und reproduziert sich selbst - gut nur, das der Film hier schon vorbei ist und wir auch unseren guilty Spass am Feuerwerk hatten, welches nun im Nachhinein als zu wild lodernd hingestellt wird.

OPERATION: KINGDOM bemüht sich in seiner political correctness um den "objektiven" Blick. Ja, da gibt es auch die guten Araber, aha. Vordergründig ist das Werk aber wohl eher ein revisionistisch-reaktionäres Pro-Kriegs-Filmchen, wenn auch nicht das Platteste und Ungeschickteste. Sehen wir eine gute Seite wie beim Irak-Krieg: Sie haben es doch gut gemeint. Bringt den Leuten den Frieden, die Freiheit, die Demokratie - mit einem Feuerwerk, das unsere Augen entzückt.

#607 moodswing

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Geschrieben 01. Dezember 2007, 14:45

The Proposition vs The Assassination of Jesse James...
John Hillcoat, Australien/UK 2005 --- Andrew Dominik, USA 2007

In gewisser Weise ist THE PROPOSITION ein Vorgänger des kürzlich entstandenen THE ASSASSINATION OF JESSIE JAMES BY THE COWARD ROBERT FORD. Genauer beobachtet, dürfte der raue Australier sogar ziemlich einflussreich - spürbar ein Vorbild gewesen sein, das vielleicht maßgeblich zur Entstehung des Brad Pitt-Vehikels geführt hat. Neben der Zusteuerung der Musik von Nick Cave haben die beiden Filme, außer ihrem Dasein als Spätwestern, allerdings wenig gemein. THE PROPOSITION ist ein archaisches Urstück - stilisiert, dreckig, unfein, pessimistisch. Den Pessimismus, den hat er mit seinem desillusionierten Nachfolger sicherlich gemein, darüber hinaus aber zeigt sich THE ASSASSINATION nicht in dieser groben Art, sondern übt sich weit mehr in Elegie (die man wiederum als ein Element auch im Hillcoat finden kann). THE PROPOSITION ist ein wahres Raubein, die Hauptrollen spielen der Staub, der Schmutz, das Blut und Fliegen, viele Fliegen, an die wir auch auf Tonebene immer wieder erinnert werden, als schwebten sie schon vor ihrem Tod über den noch Lebenden.

In THE PROPOSITION findet sich das Urbild des schmutzigen Italowestern wieder - niemand ist ohne Schuld, allesamt haben sie Dreck am stecken, dem Bösewicht werden gute Charaktereigenschaften zugeschrieben, unserem Gesetzeshüter auch schlechte (eher beklagenswerte), nur der Landlord bekommt sein fieses Gesicht nicht mehr geradegerückt. Zwischen den Personen, die das Stück auffährt schweben immer wieder die Grundkonstellationen des Dramas - Schuld/Sühne, Loyalität, Gewissen, Gerechtigkeit, Rache etc. Daneben erzählt der Film aber eben auch die Geschichte einer "Zivilisierung", die eindeutig schief läuft. Er erzählt von den Gewalttaten gegenüber den Aboriginies, von den Bestrebungen ein unmenschliches Land zu "erziehen zum Guten", dabei aber die menschliche Natur zu verkennen: In einer fast abstrakten, sich vom Rest absondernden Szene trifft Protagonist Guy Pearce auf John Hurt, der einen abgefuckten Kopfgeldjäger spielt. Hurt erzählt in seinen psychotischen Wahnvisionen von Charles Darwin und dem "Biest im Manne". Hier schließt sich der thematische Kreis, denn THE PROPOSITION berichtet eindrucksvoll über die Bestreben des Menschen in eine selbst geschaffene, brutale und pervertierte Welt "Ordnung" zu bringen, dabei "zu erziehen", aber eben die "Anderen", die "Wilden", die "Untermenschen" und vollkommen zu verkennen, in welcher "unzivilisierten" Lage sich der westliche Mensch selbst befindet. Besonders an der Figur des Sheriffs (Hervorragend: Ray Winestone) wird dies tragisch verdeutlicht: Er will nur das Beste, will vor allem seine Familie, seine Frau schützen. Während der Rest der Umgebung im tiefsten Morast steckt und untergeht, leben sie in einem in weiß getauchten Haus, hygienisch, mit englischem Gärtchen, beschützt, wie in einer anderen Welt. Am Ende wird sein Plan, der auch von Ehrgeiz durchsetzt war, nicht aufegehen - er weiß, dass ihn die Rache ereilen wird, zieht sich in sein Haus zurück und feiert Weihnachten, als der Einbruch der Realität kommt. Seine Frau und er beten gerade, als die Bande in das Haus eindringt und das unwirkliche, brutale Treiben beginnt.

Während THE PROPOSITION eine universelle Geschichte mit vielen Fangarmen erzählt, arbeitet THE ASSASSINATION sein eines, eng gefasstes Thema aus, bis zum Ende, bleibt dabei aber merkwürdig wenig umsichtig, wenig interessiert an seiner Umgebung, und eben auch ziellos für alle, die mit dem Thema nichts anfangen können oder aber denen das Thema nicht genügt, um einen ganzen 2 1/2 Stünder zu rechtfertigen.

Letztlich bekommt mich THE PROPOSITION vor allem deshalb, weil er für die geniale Musik und die großartigen Bilderpassagen die passende, melancholische, aber auch mit Stilisierungen aufgeladene Erzählung findet. Bei THE ASSASSINATION hatte ich immer das Gefühl den Film doch mögen zu müssen, es passte doch alles, wäre ich nicht so schläfrig... wäre der Film nicht so schläfrig... Nach der Sichtung von THE PROPOSITION nun ist klar, wo der Fehler lag. Das macht THE PROPOSITION zum großartigsten Spätwestern der letzten Jahre und degradiert THE ASSASSIONATION zum bloßen Zuschauer und Rückblicker... 10/4,5

#608 moodswing

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Geschrieben 03. Dezember 2007, 17:55

Halloween
Rob Zombie, USA 2007

Ich bin ja doch ein wenig enttäuscht: Rob Zombies Neuauflage von John Carpenters Slasherklassiker HALLOWEEN ist keine Redneck-Hillbilly-Karl Moik Clownery geworden. Im Gegenteil - Zombies dritter Film ist durchaus ernst gemeint, diszipliniert inszeniert und kein Dilettantismus-Gebange.

Doch Zombie nimmt man das nicht übel, dafür hat er seinen gammligen Quark dieses Mal nur anders verpackt. Zombies HALLOWEEN hat ein markantes, strukturelles Problem, das den kompletten Film in ein ambivalentes Licht rückt. Sein Sequel/Prequel/Remake ist ein Zweiteiler: Zunächst verfolgen wir den jungen Michael Myers bei seinen Taten. Die geniale Anfangssequenz des Orginals wird dabei weit ausgedehnt, hier erlaubt sich Zombie die meisten Änderungen. Ganz schwierig dabei ist die Tatsache, das diese ganze Vorgeschichte erklärend ausschmückt wird. Ich war eigentlich ganz zufrieden mit dem subjektiven Maskenblick, da benötige ich nicht noch die halbe Lebens- und Leidensgeschichte des Jünglings Mike Myers. Sein Handeln bekommt eine Grundlage, eine Erklärung, einen Auslöser. Zombie - da dann eine Parallele zu seinem Erstling (und eventuell auch Zweitling, was zu überprüfen wäre) gesehen werden - mag das Böse stilisiert, gewalttätig, und "verstanden". There are reasons, man. Ein lauter, betrunkener Stiefvater, Schlampen als Mutter und Schwester, Mitschüler, die ihn ärgern - fast die klischeehafte Abhandlung eines Teenagerdramas. Die darauf folgenden Gewaltexzesse - die auch hier böse, brutal und keinesfalls zur bloßen Zuschauerbelustigung geschehen - bekommen also einen Sinnzusammenhang mit der dysfunktionalen Familie. Quark von gestern, der schon müffelig riecht.

Interessant wäre HALLOWEEN - gelungen hin oder her - zu diesem Zeitpunkt vor allem deshalb noch, weil Zombie immerhin ein "Gegenüber" zum Original schafft. Er dreht - so sieht es zunächst aus - alles um. Keine suspensehaften Schockmomente, schaurige-immerwährend im Hintergrund surrende Atmosphäre, kein düsterer Scaryman ohne erkennbare Antriebsfeder - dagegen Dr. Loomis und seine Therapie, haufenweise dreckig-morastige Morde und ein Kind mit Clownsmaske. Vom Konzept her soweit noch interessant, wenn auch nicht überzeugend.

Dann jedoch kippt HALLOWEEN um. Und zwar in genau jenen Slasherfilm, wie er im vorderen Absatz beschrieben ist - Zuschauerschock, Suspense, Jagdgelüste, ja selbst der altbekannte slow moving maskman bestimmen das Szenario. Zombie hält sich nun an Carpenters Drehbuch. So gut es noch geht, denn logischerweise sind nun schon knapp 60 Minuten verstrichen und die Zeit rennt. Also rennt auch die Kamera um Michael Myers. Springt von einem zum Anderen Schauplatz, von diesem zum nächsten Mord. Zombies nun reichlich ideenlose und es an Orginalität vermissen lassende HALLOWEEN-Hommage wird zum bloßen Abziehbild des wichtigen Genremeilensteins. Hysterie und Kreischerei, Terroranleihen und Wackelkamera überdecken die strukturellen und dramaturgischen Probleme. Und vor allem dieses: Die zweite Hälfte kann nach der ersten doch überhaupt nicht mehr funktionieren.

In diesem Sinne stellt Rob Zombie sich selbst ein Bein, indem er aus dem Maskenmann ein Gesicht macht, eine Geschichte erzählt um letzten Endes alles in die altbekannten Muster zurückzuführen. Ein neues Konzept mit Psychologisierung des Slasher-Killers im Mittelpunkt hätte das werden können. Oder eben eine Hommage im klassischen Sinn, inklusive exakt nachgedrehter Szenen. Es ist beides nicht, sondern eine Art fauler Kompromiss zwischen vermeintlicher Handschrift und den Vorteilen, die man vom Original heute noch mitnehmen kann. Das ist nicht mehr Michael Myers, das ist lediglich ein billiger Abklatsch. Und es stinkt verdächtig nach einem der zahlreichen cash making Sequels, wie sie ja nun mehr in traditioneller, unreflektierter Einfältigkeit auf den Markt geschmissen werden. 2,5

#609 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 05. Dezember 2007, 02:21

Amerikanische Wegbarrieren, Tonlagenwechsel & brave Superhelden

The Assassination of Richard Nixon
Niels Mueller, USA/Mexiko 2004
|
Wie dieser Film so dermaßen untergehen konnte ist mir schleierhaft. Dabei finden sich beste Voraussetzungen vor, um erhöhte Aufmerksamkeit zumindest in den USA zu erlangen: Sean Penn spielt vielleicht die Rolle seines Lebens, in den Nebenrollen spielen Stars wie Naomi Watts und Don Cheadle, produziert haben Leonardo DiCaprio, Alexander Payne und Alfonso Cuarón und am Wichtigsten: Es geht um US-Geschichte. Im Kleinen zumindest, denn um Nixon geht es weniger, eigentlich auch nicht richtig um die Zeitepoche. Vielmehr ist der Film ein Schlag gegen den auch in Hollywood gerne verkündeten American Way of Life, in dem einer alles schaffen kann, was er will und niemand zurück gelassen wird. Penn nun ist eben doch so ein auf der Strecke Gebliebener, jemand der seine Familie schleichend verliert, eine angenervte wenig mitfühlende Ehefrau ebenso. Jemand der von seinem energischen, von Selbstliebe vereinnahmten Chef immer im Wechsel mal offen, mal subtil unterjocht wird. Jemand, der nicht mehr klar kommt und nicht genug Kraft besitzt um dieses Lebensloch zu überspringen. Nixon steht dabei nur symbolisch für diese bessere Welt, die gepredigt wird, und so unendlich unehrlich ist. Der letzte, scheiternde Ausweg also: The Assassination. Bezeichnend, dass dieser Film trotz bester Voraussetzungen in der Filmlandschaft in gleichem Maße untergegangen ist, wie Penns Charakter in der Welt...

Everything Is Illuminated
Liev Schreiber, USA 2005
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Schreibers Erstling macht einmal mehr anschaulich, das man sich gut überlegen sollte, ob man einen Film über so etwas - auch filmisch - Unfassbares wie den Holocaust drehen will. Denn ich musste mich doch sehr wundern, wie hier in den ersten 30 Minuten so ziemlich alle Klischees über Osteuropa abgearbeitet werden, ganz so als seie man der übel-riechend, abgeschmackte Vorgänger von BORAT. Irgendwann wird der Film zu einem melancholischen Rührstück, was in seiner dann leiseren, zurückhaltenderen Art auch okay wäre, gäbe es da nicht die erste Hälfte. Bleibt mir nur, nochmals Werbung zu machen für Matthew Libatique, der dem Film zumindest optisch eine ansprechende Note gibt, was der Atmosphäre am Schluss zugute kommt, obwohl der Film das Thema von Beginn an falsch angeht...

Superman Returns
Bryan Singer, USA 2006
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Der große Sommerblockbuster 2006 stellt sich als erstaunlich klassisch, risikofrei und "nett" heraus. Die alte Saga vom amerikanischen Mythos des perfekten, moralisch korrekten Superhelden in Blau-Rot, vom weiblichen Mythos des starken Beschützers und vom männlichen Mythos des "Mannes, der tun muss, was er zu tun hat" und damit - paradoxer Weise - gefangen ist zwischen Pflichterfüllung und Privat- sprich Familienleben, kann mit seiner nostalgischen Inszenierungsstrategie nicht viel falsch machen, hat einige wirklich schöne atmosphärische Momente, wirkt aber insgesamt zu sehr verhaftet in einer braven Blässe, welche die Umsetzungsidee mit sich bringt.

#610 moodswing

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Geschrieben 06. Dezember 2007, 01:40

Gegen die Wand
Fatih Akin, Deutschland/Türkei 2004

Meine Erinnerungen an GEGEN DIE WAND - Fatih Akins Berlinale-Abräumer und BILD-Schlagzeilenmacher 2004 - waren spärlich. So ziemlich das Einzige, was mir im Kopf geblieben ist, war das Gefühl gehabt zu haben einen deutschen Film zu sehen, der komplett nachsyncronisiert wurde. Und zwar so mies, dass diese Nachlässigkeit den ganzen Film ad absurdum geführt hatte.

Nun, exakt 3 Jahre später sieht die Sachlage nach der zweiten Sichtung schon etwas anders aus, wenn sich auch der Eindruck nicht komplett geändert hat. GEGEN DIE WAND ist ein rauer Provokateur, ein jugendlicher Aufbegehrer, der genau die Fehler macht, die solch Einem in seiner Überschwenglichkeit immer widerfahren müssen. Der dramatische Balanceakt, den der Film hinaufbeschwört, manifestiert sich zwischen einem düsteren Realismus und einer überhöhten Darstellung. Dabei ersäuft dieser "Hyperrealismus", den das Werk einzufangen versucht, nur allzu häufig in billigen Klischees und einem plakativen Anstrich, was zum Einem dem streckenweise äußerst erzwungen wirkenden Drehbuch, aber auch dem nervigen Overacting Birol Ünels und Sibel Kekillis zu schulden ist.

Das ist es wohl, was mich an GEGEN DIE WAND eigentlich schon bei der Erstsichtung störte. Hinzuzufügen bleibt: Das muss nun aber auch nicht immer schlecht sein. Mit dieser wild gewordenen Strategie punktet der Film nun zwar nicht mehr in Sachen Subtilität oder intellektuellem Ambiente, dafür aber schafft er ein Klima hochaufgehitzter Emotionalität. Manchmal fühlt sich das Szenario an, als wären wir im Traum eines Manisch-Depressiven gefangen, häufig konfrontiert uns der Film mit einer expressiv-berauschenden Situation von Selbstdestruktion, in welche sich andere Filme nie trauen würden vorzustoßen.

Zugeben sollte jeder Begeisterte aber auch, das der Film in weiten Teilen von seiner Musik lebt - und die ist wild zusammengeklaut. Das ist schlimmer als in jedem Hollywood-Melodram, wie Fatih Akin hier mit dem Audioinput spielt. Ein weiteres Manko ist und bleibt die Inkohärenz, durch welche der Film in zwei Teile zerfällt und gegen Ende zu ermüden droht. Die protzende Braut, das laute Gebrüll, mit welchem die meiste Laufzeit bestritten wurde, verstummt, zurück bleibt doch ein fades Gefühl, was sich während der 115 Minuten zwischen den guten Momenten immer wieder mal eingestellt hat. GEGEN DIE WAND hat soviel Aufmerksamkeit und Auszeichnungen nicht verdient, so schlecht wie ich hin in Erinnerung hatte, ist er allerdings auch nicht... 5,0

#611 moodswing

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Geschrieben 07. Dezember 2007, 02:37

Weiße Tauben mit gebrochenen Flügeln, kecke Verschiebungen & zersplitterter Christenkitsch

The Garden of the Finzi-Continis
Vittorio De Sica, Italien/Deutschland 1970
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De Sica verlässt in seinem Spätwerk IM GARTEN DER FINZI-CONTINI die neorealistischen, sozial konnotierten Anliegen seiner frühen Klassiker und tauscht diese gegen eine Bebilderung der Ausgrenzung der Juden im faschistischen Italien der Kriegsjahre. Sonnendurchflutete Szenarien, in weiß gehüllte jüdische Protagonisten, die nach dem Arier-Klischee gezeichnet werden und ein titelgebendes, vermeintlich sicheres Terrain - Europa - beschreiben das Trauma der Geschichte. Symbolische Zutatenmelange für den Gewinner der Berlinale und des Auslandsoscars Anfang der 70er. Die unfokussierte Figurengestaltung schlaucht schon ein wenig, und auch wenn die Finzi Continis sicherlich auch ihre Wirkung besitzen, ein wenig vermisst man doch De Sicas emotionale Herzenswärmer.

Flirt + Surviving Desire
Hal Hartley, USA/Deutschland/Japan 1995 /// USA 1991
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Das Stilprinzip ist kurzerhand titelgebend in Hal Hartleys lakonisch-verspieltem FLIRT. 3x die gleiche Geschichte mit den exakt wiederkehrenden Dialogen in 3 unterschiedlichen Milieus (New York, Berlin, Tokio). Doch nicht nur Umgebung und Nationalität ändern sich, sondern auch die Situationen, Gestiken, Figurationen, Rollen und sogar Genderkonstellationen. Das Filmexperiment an sich wird dabei in seiner kecken Nonchalance und dem bewussten Klischeespiel fast ad absurdum geführt - schönste Szene: 3 deutsche Bauarbeiter unterhalten sich auf Daily Soap Niveau mit den ihnen vom Regisseur in den Mund gelegten Plattitüden über Liebe... Einer von Hartleys Frühchen SURVIVING DESIRE ist dagegen noch ein wenig zu verlabert geraten. Der Independent-Regisseur begibt sich auf für ihn eher ungewöhnliches Gebiet ins intellektuell gefärbte, universitäre Klima, die 60 Minuten werden dementsprechend auch vom Rede- und Gedankenschwall erdrückt.

Mary
Abel Ferrara, Italien/Frankreich/USA 2005
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Ferraras MARY ist eine sehr unschöne Collage an wirrem Evangelien-Clash, Whitaker-Overacting, einer fast schwebenden Binoche als Maria Figur, an vollkommen ins Bild getuschtem Nahost-Terror und einer Satire (?) auf die Christenfilm-Diskussion von Mel Gibsons PASSION. Sowas von unfilmish, mit kaputtem Handwerkskoffer unästhetisch zusammengebasteltes Form-Wirrwarr, bei dem (man) gebetet(/n) wird aus dem Film auszusteigen.

Bearbeitet von moodswing, 07. Dezember 2007, 02:37.


#612 moodswing

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Geschrieben 07. Dezember 2007, 19:45

Birth
Jonathan Glazer, USA 2004

Ganz langsam anschwellend und pulsierend kommt es auf den Zuschauer zu. Sofern man schon die ersten Szenen dieses Bildersturms liebt, lässt einen der Film nicht mehr los - nein, er wird von hieran nur mehr berühren, und watet mit einigen unglaublich starken Sequenzen auf. Jonathan Glazers BIRTH besitzt eine strenge Macht über den Zuschauer, hypnotisch und selbstsicher. BIRTH begreift sein Medium nur allzu gut - Glazer hat ja auch einige hochklassige Videoclips gedreht - und verbreitet über es Atmosphäre, Gesichter, Farben, Schattierungen und vor allem - Affekte. BIRTH ist ein Film über emotionale Erdbeben. Über labile Gefühlskonstrukte. Über nicht überwindbaren Verlust und die nicht erfolgreichen Verdrängungsstrategien. Über Gewissensbisse, die aufkommen wie Fliegen und auch nicht von New Yorker Upper Class Fliegenklatschen verjagd werden können. Über unehrliches Verleugnen. Über den Zustand des "nicht über Dinge sprechen" - ob man nun nicht darf oder nicht kann. Über ein Leben, dass mit einem kurzen Knick vollkommen aus den Fugen gerät. Über Hoffnung, Schönreden, Geister herbeirufen, Unmöglichkeiten und nochmal Hoffnung. Und natürlich über den Mythos der ewigen Liebe, den der Film in seiner Depressivität zwangsläufig dekonstruieren muss, ebenso wie jedwede mögliche irrationale Erklärung, die man erwarten könnte.

Dass BIRTH dabei im Gewand eines Mystery-Dramas daherkommt verwundert in diesem Sinne vielleicht all jene, die einen Genrefilm erwarten, ist aber tatsächlich nur Staffage (oder gar Stilprinzip) für das was wahrlich unter der Oberfläche pulsiert. Und das ist nicht simpel, ist nicht einfach auszuhalten und ist nicht schnell und eindeutig erklärbar. BIRTH bemüht sich um emotionale Momentaufnahmen und macht das so intensiv, dass für die auf der Strecke Gebliebenen das Ganze irgendwann wohl nur noch aufgedunsen wirken muss. Aber denen sei gesagt: Es passt schon so. Wenn alles in diesem Zwischenreich aus kühlem Agieren (und Kidman tut das mehr als einmal mit Tränen in den Augen), Phantasma, angsteinflößenden Blicken und einem seltsam unerwarteten Reagieren kadriert wird - und der Zuschauer auch noch glaubt, was der Film ihm vorgibt zu sehen - hat BIRTH die überlegene Position inne, die viele Betrachter vielleicht nicht mehr ertragen. Das Ende am Meer tut nochmal so weh, dass der Text hier enden muss...

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Geschrieben 09. Dezember 2007, 20:02

Reizlose Sinnesreizungen, anspruchsvolle Asiaten & die Fortsetzung des Studentengenres

2046
Wong Kar Wai, China/Frankreich/Hong Kong 2004
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Schwelgend, elegisch, stilsicher und eloquent umgarnt die Kamera den Zuschauer in 2046, Wong Kar Wais vorläufigem Höhepunkt in seinem persönlichen Hongkong-Kino. Die Bilder sind so perfekt, die Geschichte so fragmentiert, die Musik so zwangsverehelicht - 2046 ist ein kühles, prätentiöses Stück Film, dass all die genialen Momente seiner früheren Filme - der dezenten Schönheit von In the Mood for Love, dazu im Gegensatz auch der wild-spontanen, jazzig-offenen Überschwenglichkeit von Chungking Express - übergeht und "erwachsen" geworden ist. Große Enttäuschung.

M. Butterfly
David Cronenberg, USA 1993
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In M. Butterfly skizziert David Cronenberg einen durchaus subtilen gender turn, der schon beeindruckt und in keinem populären Theorienseminar des patriarchialheteromännermordenden Chic fehlen sollte. Der entschuldigt zwar nicht die recht lahme - nennen wir es elegische - Vorgeschichte, die sich anspruchsvoll in den ersten 80 Minuten entspinnt, aber doch rettet die konsequente Endsequenz den Film: Wenn Jeremy Irons sich seiner von ihm nicht akzeptiert werden könnenden Perversion und Passion - auch der eigenen Verfehlung - per Verdrängung entledigt und lieber gleich einen schizophrenen - im Handlungsverlauf zweiten - gender turn absolviert, der in vollkommener Selbstdestruktion endet. Ein durchaus schönes Bild und das erste Mal, das der Film die Erhabenheit erlangt, die er die ganze Zeit vorgegeben hat zu besitzen.

Before Sunset
Richard Linklater, USA 2004
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Ein wenig gediegener, fast erwachsener als der jugendliche Vorgänger ist Before Sunset, das 9 Jahre später entstandene Pendant von Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke. Wo in Before Sunrise schon ein wenig existenziellere Töne angeschlagen wurden, wo dieser auch ein eher melancholischer Studentenfilm war, ist Sunset durchaus zurückgelehnter, weiß er um sein Erbe und hat natürlich, genau wie seine Akteure, mehr Erfahrung im Gepäck...

#614 moodswing

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Geschrieben 11. Dezember 2007, 00:38

The Beach
Danny Boyle, USA/Großbritannien 2000

Lückentext und unvollendete Symphonie - Danny Boyles The Beach kränkelt unter den Schauwerten

Als Anfang 2000 pünktlich zur Jahrhundertwende THE BEACH in die Kinos kam, war das Echo ätzend und schienen sich Zuschauer und Kritik einig - Er ist missraten. Der stark gepushte Blockbuster wurde als hoffnungsvolles Studioprojekt vom Briten Danny Boyle realisiert, doch erfüllte keinerlei Erwartungen, weder die des einfacheren, noch die des distinguierten oder anspruchsvollen Publikums.

Dabei ist THE BEACH eigentlich zunächst einmal ein sehr ansehnlicher Film. Die Clipästhetik, das Setting und natürlich die Anreize schaffende Erzählung an sich sind Augenschmaus und Erfrischung. Jugendfantasien, Aussteigerträume, Fluchtgedanken - The Beach hätte so ein Film für eine ganze Generation werden können. Boyle bedient sich in seiner nicht ganz ausbuchstabierte Parabel wieder der Codierung von Affirmation und Heroisierung der gleichzeitig kritisierten Zustände. THE BEACH ist Jugendwahn und Subversion zugleich, ein nebeneinander herlaufen ohne ironische Brechung, wie selbstverständlich.

Traurigerweise merkt man dem Film leider an, das aus einem Materialberg von über 3 Stunden der Fundus auf 114 Minuten heruntergekürzt wurde. Die Darstellung der Gemeinschaft bleibt vage, die Geschichte muss sich notgedrungen für die Verfolgung einer Figur entscheiden. Wenn diese dann abdreht und dem Wahnsinn verfällt - eine der schlimmsten Entscheidungen des Films ist die mehrfach eingebrachte, gezwungene Bezugnahme auf APOCALYPSE NOW - wirkt das so schrecklich unmotiviert, das er an dieser Stelle zu zerfallen droht.

Besonders schade ist es um die Grundmotive, die zu häufig verloren gehen. Die Unmöglichkeit des reibungslosen Zusammenlebens, das Paradies als Fantasiekonstrukt, die Mechanismen einer hierarchisierten, leicht faschistoiden (dabei spannenderweise matriarchialen - Tilda Swinton sagt einmal: "Schlaf jetzt! Ich will vielleicht morgen früh nochmal Sex haben.") Gesellschaft, Die Wertungskategorien des menschlichen Miteinanders in Funktionieren - Nicht-Funktionieren, die Verdrängung von Krankheit und Tod. All das wird häufig nur angeschnitten, wenig ausformuliert, erscheint und verschwindet auch gleich wieder.

Damit ist THE BEACH also weder ein gelungenes Generationsportrait, noch eine dezidiert vorgebrachte Zivilisationskritik. Die Idee des äußerst unvollkommenen Menschen formuliert der Film allerdings zu jeder Zeit aus - DiCaprio ist ein ambivalenter, lügender Feigling, Swinton als gottähnliche Herrscherin ebenfalls kreuzunsympathisch. Dank des gelungenen Showdowns reduziert der Film am Ende seine Geschichte glücklicherweise nochmal auf einen weiteren, bis dahin nicht ausgeführten Aspekt: Die selbst in die Zwickmühle geratenen Haschischbauern stehen dem Partyvolk gegenüber. Niemand ist zu diesem Zeitpunkt noch in irgendeiner Form moralisch sauber. Die Welt ist im Eimer. Gewisse unlogische Konstruiertheiten und dämliche Momente übersehen wir hierbei einmal.

Und dank Musik und Bilder bleibt da noch etwas zurück, eine gewisse Melancholie, ganz so, wie nach einem traumhaften Urlaub, einer Fantasie, aus der man nun zurück in die Realität kehren muss. THE BEACH liebt dieses Motiv und nicht zuletzt damit spürt er im Betrachter bestimmte Gefühle auf, die sich erst über das audivisuelle Meer vage bestimmen lassen... 6,0

#615 moodswing

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Geschrieben 12. Dezember 2007, 17:07

Der Weihnachtsmann mag keine Bullen; ein Klassiker & sein halber Abklatsch

To Live and Die in L.A.
William Friedkin, USA 1985
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Trotz dem Yuppie-Flair und dem oberflächigen Chic der 80er bröckelt es gewaltig in William Friedkins Cop-Thriller To Live and Die in L.A. Der 24. Dezember ist kein Tag des familiären Zusammenkommens, sondern Todestag des Partners und damit Ausgangspunkt für eine Geschichte, in der letztlich alle Figuren moralisch korrumpiert sind. Auch wenn es zunächst den Schein erweckt, entpuppt sich die touchy surface mit dem pulsierenden, dynamisierenden Score von Wang Chung (kurioserweise ein Pseudonym für drei Amis) als Trugschluss, denn nichts ist in diesem Laden mehr in Ordnung. Das wird spätestens per Schuss ins Gesicht des Zuschauers verdeutlicht. Grenzüberschreitend vermöbelt Friedkins Banger den Betrachter mit ordentlich bitterböser Action und einer homosexuellen Konnotation (William Dafoe als leise hauchender Weißwurstpopo). To Live and Die in L.A. ist eine pumpende, angerissene Halsschlagader, ein herrlich misanthroper Arsch, der auf alle und alles scheißt...

The Conversation
Francis Ford Coppola, USA 1974
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Roh und ungeschliffen erscheint Coppolas The Conversation zunächst. Ein wenig verworren vielleicht, sogar ein bisschen avantgardistisch (genauer hingesehen auch kein Wunder beim Vorbild Blow Up). Der Film liebt seine Tonebene, die dauerhaft im Hintergrund flackert. Ein Thriller ist Der Dialog weniger als ein Psychogramm eines Paranoikers, und ausgerechnet Gene Hackman mag mich da auf emotionaler Ebene nicht abholen. Trotzdem im inszeniatorischen Gespräch, mit all den Verweisen, die sein Thema aufbieten kann - vom Priester, der verhört bis zum zuhörenden Pantomimen - dort punktet das Werk enorm. Im Übrigen auch fein anzuschauen als Fan von Pi, auf den The Conversation sicherlich großen Einfluss hatte. Letzten Endes macht der Film glücklicherweise nicht den Fehler mit einem Knalleffekt abzuschließen, denn der plot turn ist nicht das entscheidende, einprägsame Bild - Hackmans selbstdestruktiver Endakt, den er melancholisch, chaotisch und heruntergebrochen mit dem Saxophon umrahmt, dies ist der meisterliche Abschluss, der mich dann auch endlich hatte...

The Salton Sea
D.J. Caruso, USA 2002
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Und wo The Conversation aufhört, da fängt The Salton Sea an. Den Eindruck bekommt man zumindest, wenn das Anfangsbild mit der legendären Endsequenz des Klassikers übereinstimmt. Umso verwunderlicher, dass Regisseur D.J. Caruso eher einen Film zwischen Hitchcock und Cassavetes drehen wollte, wie er selbst sagt. Sein Schmunzeln dabei verrät eventuell aber doch schon, dass er das wohl kaum selbst glauben mag. The Salton Sea sieht in weiten Teilen wie ein überstylter Versuch aus, rasantes Drogenkino und Charakterdrama unter einen Hut zu bringen. Wieder so eine ambivalente Erzählhaltung, wieder eine Inszenierungsstrategie, die von vorne herein nicht aufgehen kann. Dass der Film bei 18 Mill $ Kosten nicht mal eine Million an der Kasse wieder einspielte zeigt vielleicht auch, das der Trend langsam ein Ende finden darf...

#616 moodswing

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Geschrieben 13. Dezember 2007, 23:50

Alexander
Oliver Stone, USA/Niederlande/Frankreich/Deutschland 2004

Das desaströses Frauenbild ist der Ausgangspunkt für eine Kritik an Oliver Stones Epos über den Feldherren - Weibsstücke als mystifizierte, intrigante, betörende, hinterhältige Schlangen gezeichnet, ob nun die hassbeseelte, klammernde Mutter (Angelina Jolie) oder die wilde Geliebte, auf die sich dann auch gleich wieder Rückschlüsse zur Mutter ziehen lassen, und das ganz banal überdeutlich ins Bild gesetzt - die 3 großen Schwachpunkte des Films werden an dieser Konstellation mit der geliebten Wilden deutlich: das penetrant unsubtile Spiel mit gewollten psychoanalytischen Konstellationen, die eben nur angedeutete und doch nicht vollzogene Homosexualität, die hier der heterosexuellen Begierde weichen muss, und - der vorwerfungswürdigste Punkt - die postkolonialistischen Klischeedarstellungen der eroberten Gebiete und Völker. Alexander ist zwar ein guter Mensch mit Visionen, ein Globalisierer, an dem der - nochmals forcierte - politische Wille des Werkes auf fast hanebüchene Art etabliert wird, Persien und Indien jedoch sind lediglich auf Schauwerte reduzierte, farbprächtige Orte voller orientalischer Kitschorgien. ALEXANDER ist eine Art Reisefilm, eine Odyssee, die narrativ zerhackt wurde.

Ein Film, der soviel will, verliert sich logischerweise. ALEXANDER ist oberflächlich betrachtet ein inkohärentes Flickwerk, das nur allzuhäufig auseinanderzubrechen droht und strukturlos wirkt. Es ist anzunehmen, dass dort viel herumgeschnibbelt wurde am Schnitttisch. Die einzelnen Merkmale, die dann übrig bleiben und dem Film das Gesicht geben, sind leider zu oft beanstandungswürdig. So verlor der Film bei Kritik und Publikum, das Stonesche Allerlei ist zwar nicht so dämlich wie noch Petersens erbärmlicher Historien-Geschmacksausfall TROJA, trotzdem leider auch nur ein seltsamer, gescheiterter Versuch einer sagenhaften, bildgewaltigen Reise in einen Mythos...

#617 moodswing

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Geschrieben 15. Dezember 2007, 19:49

Deutschland, deine Helden

Die bitteren Tränen der Petra von Kant
Rainer Werner Fassbinder, Deutschland 1972
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Stumme Plastikpuppen - boom - Renaissance-Malerei-Fototapete - bam - "Margit geh doch bitte mal dort links zwischen die chinesische Vase und das Holzgebälk, so als Rahmung, Enge, jaha, Enge ist's..." - Irm bitte auf A2, Hanna positionier dich auf D4, Läufer, Turm, Schachmatt. Alle halbe Jahr versuch ichs ja wieder mit dem Fassbinder - Was? Sind schon wieder 6 Monate um? Der Schwerenöter, um den es hier geht heißt Die bitteren Tränen der Petra Kant und wirft die Frage auf, wie das funktionieren soll einen Film zu drehen, in dem die Figuren ebenso tot sind wie die drumherum stolz positionierten Mannequins aus Plastik?! Bedeutungsschwerer Wahnsinn im bürgerlichen Raum - grässlich, weiterhin auch im Jahr 2007...

Auch Zwerge haben klein angefangen
Werner Herzog, Deutschland 1970
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Werner Herzog schrumpft in seinem erschöpfenden Bizarruniversum Auch Zwerge haben klein angefangen den Menschen auf eine Zwergenherde, die infantil durch die Welt irrt und ein filmisches Chaos nur allzu einfach werden lässt. Die sprühend-hysterische Gesellschaftkritik ist dabei plakativ und zugleich parabelhaft verdeckt, der mutwillige Provokateur verbreitet psychotische Kratzbürstigkeit und verfällt nach und nach einem wahnhaften Anarchoradikalismus. Erinnert alles etwas an Schlingensief, wobei mir dessen Überhöhungen doch vielfältiger und ideenreicher vorkommen als Herzogs Grundkonstrukt, das er loslässt und 90 Minuten ohne Entwicklung durchspielen lässt...

Nichts bereuen
Benjamin Quabeck, Deutschland 2001
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Bemerksenswert wie ansehnlich und gleichzeitig völlig daneben Benjamin Quabeck eine prätentiöse Bildersprache für einen harmlosen Jugendstreich entwickelt. Nichts bereuen hat dem deutschen Film nichts hinzuzufügen, tut aber so, als ob. Manche Szenen und Dialogzeilen sind geradezu sensationell naiv zusammengeschnitten, obwohl nie unprofessionell abgefilmt. Erinnert vom wilden Lob und den Potentialzuschreibungen von außen her ungemütlich verkatert an Fatih Akins unbeholfenen Drehbuchumsetzungen...

#618 moodswing

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Geschrieben 16. Dezember 2007, 22:35

Sicko
Michael Moore, USA 2007

Oh, du seliges Europa - Michael Moore übertreibt es in Sicko mal wieder mit der gespielten Naivität

Nun wird es ja langsam en Vogue, Michael Moore zu bashen. Demnächst gibt es wohl auch hierzulande die Anti-Moore-Doku MANUFACTURING DISSENT zu sehen, in welcher der Mythos Michael Moore dekonstruiert werden soll. Der Mann verschweigt Sachen, der Mann argumentiert einseitig, der Mann lügt sogar gelegentlich. Ach was, welch eine Überraschung.

Anstatt diesen offenkundigen Tatsachen mit herunterhängender Kinnlade zu begegnen gibt es durchaus andere Gründe, warum Moore sehr angreifbar ist. Das beweist auch sein neuer Film SICKO einmal mehr. Dieser ist zwar weit weniger "weltpolitisch" angelegt als seine beiden hochgradig erfolgreichen Vorgänger BOWLING FOR COLUMBINE und FAHRENHEIT 9/11, sondern behandelt das innerpolitische Problem des labilen und unsozialen Gesundheitssystems in den USA - trotzdem kann es sich Moore nicht verkneifen, wieder über die Grenze zu schauen und wackelige Vergleiche anzustellen. Doch zunächst einmal ist SICKO ein löbliches Unterfangen, ein ehrenwerteres und sinnvolleres (es gibt Handlungsanweisungen und Vorschläge zur Selbsthilfe) gar als die beiden Government-Basher aus den Vorjahren. Moore erzählt von Einzelschicksalen, macht Auflistungen und ist dabei diesmal weitaus sarkastischer als noch zuvor. Der Mann kommt wohl ins Alter.

Schwierig wird es, wenn Moore die engelsgleichen Vergleiche zu anderen Gesundheitssystemen in Kanada, England und Frankreich anstellt, die trotz der etwas sozialeren Strukturen weitab von einem perfekten Funktionieren sind. Und Moore wäre nicht Moore, wenn er da nicht weitersticheln müsste, und das Thema des Films sowieso nur der Eintritt für politische Betrachtungen sein sollte. Und so läuft sein eigentliches Anliegen eine ganze Zeit lang unbeachtet Gassi nebenher, dann nämlich wenn es sich ziemlich billiger, politischer Polemik beugen muss. Der Höhepunkt ist ein Besuch Moores in einem angeblich "typischen französischen Familienhaushalt", besser gesagt bei Pariser Besserverdienern. Hätte der Mann sich doch einmal 3 Arrondissements weiter vom Stadtkern umgeschaut, mal einen Blick in die kleinen, rattenverseuchten Sozialwohnungen geworfen, in denen ganze afrikanische Familien ohne Bett und Heizung überleben müssen. Ein ziemliches Ärgernis, denn Moore wagt in der Tat eine fast schon satirisch anmutende Überhöhung der politischen Kultur Europas, als ob hier alles eitel Sonnenschein wäre und der fiese Kapitalismus nur die USA überrumpelt hätte.

Um diesen müsste es im Kern ja gehen, das wird leider nie wirklich ausformuliert, stattdessen benutzt Moore die Antipole - antisozialistische Drohreden von Nixon und Reagan und die letztendliche Hilfeleistung ausgerechnet vom kommunistischen Nachbarn, aus Kuba. Fidel lacht sich da sicher ins Fäustchen, und wenn der oder ein anderer Ranghoher da nicht etwas ausgeklügelt haben mit Moore, mich sollte ein Iltis beißen.

Hätte sich Moore rein auf sein Thema besonnen, es wäre dem Film besser bekommen.

#619 moodswing

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Geschrieben 18. Dezember 2007, 00:31

Der Künstler von heute - Ein Proll im Schafspelz - rasend, rabiat, rücksichtslos, rüpelig

A Hole in My Heart
Lukas Moodysson, Schweden/Dänemark 2004
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So richtig anfangen kann wohl niemand etwas mit Lukas Moodyssons hässlichem Sozialrülpser A Hole in My Heart. Soviel verstörende Provokationslust in Amateurgeschnippel - Porno, Pisse, Pizzareste erbrochen. Dazwischen Noisey Sounds mit Wackelkamera und siehe da, so etwas wie poetische Szenen, Kindergekrakel in den Credits und alle halten ihre Kinderfotos hoch, Unschuldsvermutungen, Klischees. Selbst die "Schweine" sind brutalst bösartig und innerlich verletzt zugleich, ganz fies und banal auf den Punkt gebracht. Moodyssons Chaostheorie - "Ein verfluchtes Meer". Ganz unangenehm - nett gesagt - vielleicht darf man auch ein, zwei Szenen mögen, der Intensität halber. Des Weiteren eher etwas aus der Reihe: Wenn das Making-Of interessanter ist als der Film.

Benny's Video
Michael Haneke, Österreich/Schweiz 1992
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Elegant und klug zeigt Benny's Video nicht, was es sagt, sondern lässt es uns nur hören. Der Deckmantel, den sich die strenge Bürgerlichkeit über ihre Untriebe legt wird bebildert, nicht das darunter, das bekommen wir nur zu hören, was eigentlich umso schlimmer ist. An der Oberfläche geht es um eine verkorkste Erziehung, um die Tatsache, dass den gutbürgerlichen Verhältnisse in ihrer Kälte - wie sie Michael Haneke ja nur allzugern schildert - die Moral abhanden gekommen ist. Benny ist nur ein Produkt seiner Umstände und dann das Symptom der Perversion, die in der rationalen Diskussion um die Leichenfortbeschaffung der Eltern (hervorragend: Ulrich Mühe) ihren Höhepunkt findet. Ein wenig nervig hingegen ist der Versuch Hanekes auch hier seine beliebte Medienkritik miteinzuflechten. Warum der Junge nun ausgerechnet den Toxic Avenger schaut, muss mir mal einer erklären bzw. sieht ein wenig kleinkariert aus. Mit den Videostellagen, die sein Leben bestimmen wiegt Haneke die missratene Erziehung gegen den Medieneinfluss auf, und mindestens das ist äußerst fragwürdig. Auch die Lust beliebige Nachrichtenfragmente über eine "dunkle Welt", in der wir uns befinden als Hintergrundrauschen zu positionieren ohne wirklich spezifischer darauf einzugehen, wirkt zumeist Oberlehrer- und attitüdenhaft. Glücklicherweise aber legt Haneke trotz seiner wieder schwer erträglichen, langen und unterkühlten Einstellungen den Eltern ein Profil an, das anspricht - zwischen Rationalismus und Gewissennöten sehen wir am Ende, dass Benny seine vorhergehend im Kirchenchor gesuchte (? - oder auch für den Arthouse-Genießer eingebaute)Erlösung findet, mit dem er die gesamte Familie nun in den Abgrund stürzt. Ein wenig verschmitzt grinst der Film damit zurück - und hat gewonnen.

Flandres
Bruno Dumont, Frankreich 2006
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Bruno Dumont finde ich schon deshalb interessant, weil er mich zu Reaktionen bewegt. L'Humanité war letztes Jahr das Schlimmste, was mir an grässlichem Kunstkino unter die Fittiche kam. Flandres nun - Gewinner des großen Preises der Jury in Cannes 2006 - ist lange nicht mehr so ein dezidiert zuschauerfeindliches Arschloch wie der Vorgänger, sondern ein formal strenges Abbild über dummes, grausames Menschentum in einer kalten Welt. Das bedeutet wieder die nordfranzösische Einöde, wieder Sex ohne Leidenschaft, wieder die pure Stagnation in den Gesichtern der Protagonisten. Diesmal dazu der Aspekt des gewalttätigen Mannes im Krieg, die Rache im Film folgt prompt, die vergewaltigte Kindersoldatin lässt ihrem vermeintlichen Peiniger den Schwanz abschneiden. Katharsis. Unser Protagonist sucht die Erlösung seiner Sünden zuhause, in der von ihm schwer formulierbaren Liebe. Schluss. Aufs Maul. Ziemlich banal. Irgendwie dumm. Alles sowieso Bresson und nichts Neues. Splitteriges Holz im toten Winkel...ein leerer Blick...grimmige, nordfranzösische Tristesse...

#620 moodswing

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Geschrieben 18. Dezember 2007, 23:25

La Stanza del figlio
Nanni Moretti, Italien/Frankreich 2001

Augenringe und innere Unruhe - Das Ungeheure im Moment der plötzlichen Tragödie

Das Perfide an Nanni Morettis Familientragödie DAS ZIMMER MEINES SOHNES ist der unaufhaltbare Einbruch in die Realität. Die perfekte Familie, die in Alltagsausschnitten durchgespielt wird könnte auch aufgesetzt wirken. Tut sie aber nicht, zum Glück für den Film. So erhascht sich der Zuschauer bei dem ersehnten Zusammenbruch, ab dem der Magen flau bleibt und es einem mulmig zumute wird. Und trotzdem ist der Film so wunderbar taktvoll. Keine billigen Mitleidsnummern, kein Betroffenheitskino, sondern ernthafte Fragen. Was macht der Psychoanalytiker eigentlich, wenn er eine Lebenskrise von außen erfahren muss?

Ein großes Glück auch, dass THE SON'S ROOM einen würdigen Schluss findet. Wie kann der Schmerz und die Ohnmacht besser umschrieben werden als in einem 10-Minütigen "Road Movie". Eine durchwachte Nacht, schlaftrunken der Sonne am Strand entgegenblickend, der erneuerten Erinnerung an den Sohn durch die dahergelaufene Sommerliebe eine Heimat geben, eine Geste der Zuwendung zeigen, nur eine kleine liebevolle Geste, und doch so ein bewegender, wichtiger Moment in dem der Film die Familie verlässt. Ein typischer Vertreter der Gattung Wächst-nach-der-Sichtung, denn wenn ich's mir so recht überlege: Absolut großartig!

#621 moodswing

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Geschrieben 19. Dezember 2007, 23:48

Unvollendete Seebären und 2 Persönlichkeitsstörungen

The Deep
Orson Welles, USA 1970
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Welles hat bekanntermaßen 1970 sein als großen Kassenerfolg angestrebtes See-Kammerspiel The Deep nicht vollenden können. Nun wurde der Film restauriert und soweit zusammengeschnippelt, wie es den Verantwortlichen vom Filmmuseum München möglich war und tourt hier und da mal durch die Republik. Mitten im sommerlichen Juli erreichte die Arbeitskopie auch das Metropolis Hamburg und hinterließ einen fragwürdigen Eindruck. The Deep hat die Wirkung einer Parodie auf den Altmeister. Da kommt er als Seebär aus der Kajüte und alles lacht, da setzt unvermittelt eine bassbetonte Jazzmusik (mit herausgeschnittenen Applaussequenzen!) ein und alles juchzt, und da kommen manchmal so obskure Grunz- oder Stöhngeräusche aus den Boxen, die ansonsten zumeist der Stille lauschen (viele Tonspuren, und -bänder sind verschwunden oder zerstört) und alles kichert. Dazu die entfleuchte Wirkung der Imagination, Fiktion, Narration, der diegetischen Welt und ein furchbares Spiel von Welles Liebesgespielin Oja Kodar. The Deep ist wohl weniger ein Tribut an die Regielegende als vielmehr ein unfreiwillig komischer Versuch, auch die letzten Schnipsel und Fetzen eines "Bildermagiers" zu präsentieren. Eine wahnwitzige Idee und ein totes Stück Filmrolle.

Cobra Verde
Werner Herzog, Ghana/Deutschland 1987
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Der Ego-Punk und Schizophren-Narzist Klaus Kinski kommt nicht mehr vollständig zum Zuge und überhaupt wirkt das Konzept in Cobra Verde vollkommen abgelutscht. Aguirre und Fitzcarraldo waren längst und haben Geschichte geschrieben, COBRA VERDE nun wirkt wie ein müder Aufguss, unkonzentriert, ohne Elan, welche Geschichte der Film eigentlich erzählen will ist mir ein Rätsel. Geradezu überflüssig so etwas noch hinterherschieben zu müssen, auch wenn die Kamera manchmal dankenswerter Weise ihr eigenes Ding macht und die Musik schön ist (was durch ihren mageren Einsatz allerdings keine Rolle spielt). Alles in allem ziemlich egal...

Heart of America
Uwe Boll, Kanada/Deutschland 2003
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Sein bester Film, das wird wohl Heart of America sein, so traurig sollte es Uwe Boll vergreist mit 80 über die Lippen kommen, wenn er verzweifelt eingesteht, dass er die Filmlandschaft nur mit güllegleichen Exkrementsekreten bespaßt hat. Allein die narzisstische Persönlichkeitsstörung wird es wohl zu verhindern wissen. Heart of America ist ein Amoklaufdrama und so eine Art Gegenstück zu Gus Van Sants Elephant. War der noch gesprägt von trostloser Erklärungsarmut, aber Zeichenschmeißerei, ein kopflastiges Kunstwerk im besten Sinne, hat Bolls Gegenentwurf nun einen Grund aufbereitet, warum die Schreckenstaten passieren. Es sind nicht die Computerspiele, nicht jugendliche Subkulturen, keine bösen Spiele und Filme und auch keine faschistoiden Tendenzen und Hitlerverehrungen. Es sind vor allem auch keine Waffen, an die man leicht herankommen könnte (die liegen bei Boll nämlich im Schulkeller herum, so als ob das alles ganz normal wäre). Es ist die Gewalt, die an Schulen herrscht. Gewalt, die von Mitschülern, also Kindern ausgeht. Böse Kinder also! Böse, die! Okay, gerechterweise sagen wir noch elterliches Haus und Erziehung können auch zu unangenehmen Kurzschlüssen führen. Ansonsten aber bitte: Gewalt an der Schule. Boll reißt im Stil einer Daily Soap einige Teenage-Character ab - ganz als habe er gleich mehrere Wälzer über Filmklischees wissbegierig studiert - um dann bei einer stilechten, ästhetisierten Schießerei zu enden. Gut gemacht Uwe, echt dein bester Film!

#622 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 21. Dezember 2007, 01:55

Jeepers Creepers
Victor Salva, USA 2001

Das Erheiternde an Jeepers Creepers - neben dem offensichtlich vorhandenen Humor - ist sein Bestreben so herrlich unkonventionell sein zu wollen. Dem Zuschauer werden immer wieder die Füße weggezogen - Mal denkt man, der Creeper müsste doch um die Ecke luschern, aber nix is; dann wieder vermeindliche Sicherheit in den Händen der Polizei, doch oh weh, die Herren Beschützer sind doch eher Hampelmännchen und hurtig stehen fiese Enthauptungen an. Von Duel gehen die Anspielungen weiter über die Creature from the Black Lagoon und The Hitcher bis zu Carpenters Assault on Precinct 13. Zunächst bleibt der Creeper inszenatorisch verborgen, nur um dann umso aufrechter ins Licht gesetzt zu werden. Sicher, hin und wieder sieht das alles nicht sehr überzeugend aus, wirkt böse konstruiert, suboptimal geschnitten, notbehelfsmäßig zusammenmodelliert. Der Film ist sich seiner Ambivalenzen und Sprünge jedoch bewusst und wird auch gerne einmal selbstreflexiv, bleibt im Herzen aber doch sehr der alten Schule verschrieben - Latexanzüge und wild hupende Schrottmaschinen inbegriffen. Keine langweilige Teenie-Abmurcks-Orgie steht am Ende des Abenteuers, sondern - mit Blick auf Salvas Biografie ebenso spannend wie fragwürdig - eine Geschichte mit subtil homosexueller Einwebung, auf die hingedeutet wird (Zungenkuss mit totem Cop, Das Wörtchen "gay" taucht mehrmals im Film auf) und die letztlich ausformuliert wird, wenn der Creeper das Mädchen trotz ausgedehntem Anbieten verweigert und lieber den Jungen nimmt. Genrekonventionen adé und Subtexte ahoi!

#623 moodswing

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Geschrieben 22. Dezember 2007, 23:49

Man mag es wild, man mag's gediegen, nur bitte nicht die Filmrolle zerpflügen

Army of Darkness - Evil Dead 3
Sam Raimi, USA 1992
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Samuel Reingewertz aka Sam Raimi - der Spider-Macher - legte 1992 mit Army of Darkness den dritten Teil der Evil Dead Trilogie vor. Der Film ist ein Comic, ein grobschlächtiger und mehr als ansehnlicher. Der Mix aus Slapstick, Gotik-Horror, Mttelalter-Mystik, alles in allem aber offensivem Trash hebt sich mit wilden, kinetischen Kamerafahrten und liebevollen Special Effects, mit den Anspielungen von Gullivers Reisen über den Planet der Affen bis zum Terminator auf bestem Kultkurs. Ein wenig verschmitzte Waffenromantik und die nötige Befreiung des Weibes vom Bösen gibt es gratis obendrauf. Ein feiner Spass.

Cronos & The Devil's Backbone
Guillermo del Toro, Mexiko 1993
& Guillermo del Toro, Mexiko/Spanien 2001
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Nach den Sichtungen zweier älterer Werke aus Guillermo des Toros Autorenschaft wird mir langsam klar, dass der Mann doch nur allzu ideal in ein Hollywoodkino passt, dem er einen sympathischen Charme verleihen könnte. The Devil's Backbone bietet in etwa das, was Pan's Labyrinth 5 Jahre später noch etwas fantasievoller, noch etwas ausgebesserter, ausgefeilter nacherzählt. Dementsprechend fällt der kleine Bruder dann auch etwas ab. Cronos ereilt beim Aufrollen von hinten dann doch schnell das Unglück des Frühgeborenen. Der Gothikhorror wurde mir schnell langweilig, da das Altbekannte zu offensichtlich präsent ist. Del Toro erzählt - um nochmal die Vorwärtsrolle zu machen - wirklich hübsch, mit viel Liebe zu Bildern, Montagen und Musikuntermalung seine meist leider zu simplen, zu konventionellen Märchengeschichten. Ideal eigentlich für ein Blockbusterkino, dem zu häufig der Reiz, der Anmut und die Pracht abhanden kommt. In diesem Sinne hätte ich mir einen del Toro auch als den besseren Realisateur der Herr der Ringe-Trilogie vorstellen können. Ich bin aber sicher, dass der gute Mann weiterhin seinen (noch erfolgreicheren) Weg machen wird, denn del Toro - das ist bereits ein Markenname.

Creep
Christopher Smith, Großbritannien/Deutschland 2004
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Die kreischende, hysterische und hochgradig nervige Franka Potente ist nicht das einzige, aber doch das penetranteste Problem von Christopher Smiths Erstling Creep, einer deutsch-englischen Co-Produktion. Damit begeht er schon zu Beginn den unklugen Fehler, eine Unsympathin in den Mittelpunkt zu stellen, die zum Ende noch nicht einmal unangenehm angegangen wird vom "Creep". Abgesehen davon hat das Werk nichts Neues zu bieten, wirkt manchmal etwas fahrig in seiner Inszenierung und hat auch nicht so besonders Lust seine Geschichte zu erklären - am Geld hat es letztlich wohl gelegen, denn die Storyboards für Vorgeschichte und rundem Abschluss waren vorhanden. Andeutungen müssen also reichen - und auch diese sind nicht gerade orginell. Am Lustigsten an Creep ist aber, dass hier angeblich "Ken Loach und Mike Leigh Charaktere ganz in englischer Tradition" gezeigt werden sollen. Ein Witz, wenn man bedenkt wie wenig Tiefe in die Figuren gelegt wird. Sieht letztlich alles nach einem deutsch-englischen Produktionsdesaster aus.

#624 moodswing

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Geschrieben 23. Dezember 2007, 22:12

Repulsion
Roman Polanski, Großbritannien 1965

"Girls just wanna have Wahn"


REPULSION ist wahrhaftig ekelig und kaum zu ertragen. Roman Polanski verarbeitet vielleicht die schlechten Erfahrungen mit seiner Stiefmutter, sagt der Küchenpsychologe. Doch so vulgärpsychologisch wie sich der Film in der Ausführung seiner Thematik gibt sei dies erlaubt. Dabei ist EKEL eigentlich eine ziemlich listige Bebilderung des unheimlichen Weibe, der Unberührbaren, der Süßen, hinter der doch soviel mehr steckt als das biegsame Püppchen, welches wir vermuten. REPULSION ist gleichzeitig auch ein Film, der Kamera und Geräusche ganz effektiv in den Dienst seiner Sache stellt. Eine 1 gibt's für die formale Umsetzung, zumindest was die Stilmittel angeht.

Denn EKEL hat leider auch Schwächen. Er erzählt eine zu kurze Geschichte zu ausgedehnt. Und die Deneuve mochte mich mit ihrem stoischen Blick nicht wirklich ängstigen. Und dann die erwähnte strittige Psychologisierung. Die Charakterisierung bleibt für mich nicht ganz schlüssig, liegt vielleicht aber tatsächlich an der schlichtweg nicht nachvollziehbaren Protagonistin (Dem mordenden Monster im Slashergenre nicht unähnlich) - Ja, ich fühle die Angst, aber nein ich fühle nicht die Einsamkeit. Was haben Frauenrechtlerinen damals zu dem Film eigentlich gesagt? Ganz großes Lob dann aber nochmal für die Schlusssequenz, die mit dem Zoom auf das Familienfoto endet und uns dezent darauf hinweist, dass die Tücke manchmal im Detail liegen mag...

Kleiner Nachklapp: Ich gebe gerne zu, dass ich vielleicht nicht die richtige Konzentration aufgebracht habe. Auch den Aspekt der frühen Entstehungszeit habe ich nicht ganz Ernst genommen. Und ja, REPULSION ist in erster Linie ein formidabler Film über eine Psychose, und kann darauf heruntergebrochen werden.

#625 moodswing

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Geschrieben 25. Dezember 2007, 16:38

Unerzogene Rotzlöffel

Action Jackson
Craig R. Baxley, USA 1988
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Alles in allem ein äußerst solider Actioner, könnte sich aber für meinen Geschmack seiner Sache durchaus etwas bewusster sein. Da wünscht man sich, der gutste Carl Weathers hätte mal auf den Tisch gehauen und gesagt "My black ass should rock this movie, yeah". Stattdessen recht viel 08/15 Sprüche und keine allzu spektakulären Ereignisse. Schön, aber leider nur ein RTL2 All-Time-Classic.

The Hills Have Eyes Part II
Wes Craven, Großbritannien/USA 1985
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Eine ziemliche Frechheit stellt der Nachfolger von Wes Cravens Kulthorror dar. Der 1985 kurioserweise unter der Regie vom Meister selbst entstandene The Hills have Eyes Part II beginnt als lose Fetzensammlung des ersten Teils - es sieht wirklich danach aus, als ob man sich sparen wollte mehr als 65 Minuten neu drehen zu müssen - und wird dann zu richtig miesen Slasherkino, das sichtlich lieblos arrangiert ist und richtiggehend langweilt. Damit verhalten sich die Filme äquivalent zu den Remakes. Die ersten Teile Hui, die zweiten Pfui!

The Way of the Gun
Christopher McQuarrie, USA 2000
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hat eine starke Anfangsviertelstunde und verliert sich dann in einem harmlosen Katz-und-Maus-Spiel, dessen Clou es sein soll, dass sowohl die Jäger als auch die Gejagden moralisch im Arsch sind. Das Western-Shootout am Ende ist okay, aber an das vollkommene Blankziehen des Anfangs reicht auch dieses nicht mehr heran.

#626 moodswing

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Geschrieben 26. Dezember 2007, 14:57

The Squid and the Whale
Noah Baumbach, USA 2005

Unschematisches Pulsieren - Warum Noah Baumbachs The Squid and the Whale aus den aktuellen Tendenzen amerikanischer Tragikomödien heraussticht

Hektisch, Dynamisierend, wie auf Fast Forward wirkt diese Trennungsgeschichte erst einmal. Statt geschlossener Dramaturgie besticht der Film durch ausschnitthafte Beobachtungen. Das wirkt formal häufig sehr unstrukturiert und ohne richtigen Aufbau, doch gerade dadurch kommt das Werk einer Wahrhaftigkeit sehr nah. Dabei hilft auch die Taktik, die Erzählhaltung sehr distanziert anzulegen.

THE SQUID AND THE WHALE ist dadurch kein leicht konsumierbares Geflecht aus Tragik und Komödie, und trotzdem kurzweilig und pointiert ironisch. Gerade in Abgrenzung zu den anderen Werken der New Whimpsey-Welle - im Speziellen auch die des Mitproduzenten Wes Anderson - mag THE SQUID AND THE WHALE begeistern, weil er etwas Anderes probiert und erschafft, etwas das weit Ernshafter angelegt ist als die bunten Welten der Kollegen. Als wabernde Anti-Klischees bewegen sich die Figuren manchmal durch den Film, und trotzdem realitätsnah und umschreibbar: der narzisstische, intellektuelle Vater gegen die hysterische, einfühlsame Mutter. Alle beladen, niemand rein, alle menschlich. Am Ende verliert sich THE SQUID AND THE WHALE ein wenig im Nirgendwo - aber das ist vielleicht auch gut so und ganz passend als überraschendes Moment in einem 82-Minüter, der wunderbar Wunderlich ist. 7,5

#627 moodswing

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Geschrieben 27. Dezember 2007, 17:14

Life as a Shorty shouldn't be so ruff... I
10x Filmfragmente

Brothers Grimm (Terry Gilliam, Großbritannien/Tschechien/USA 2005)
stinklangweilige Wachsfigurenkabinett-Jahrmarkts-Showze, staubig, fantasielos, wackelig, behäbig, hysterisch, unkomisch, blass, unsympathisch

Millenium Mambo (Hsiao-hsien Hou, Taiwan/Frankreich 2001)
Schwammig-schwebendes Soziogramm im Wongschen urban-fließenden Stil. Wortkarg aber ohne Sinn für's Bilderpuzzle, reich an Entfremdungswillen aber intensitätsfrei.

Nachtblende (Andrzej Zulawski, Frankreich/Italien/Deutschland 1975)
Exaltierte Manierismen schablonenhaft auf Turbo-Melodramatik gelegt. Noch so ein Film und ich verweigere mich bald vollends dem europäischen Arthouse der 70er.

Die Bettwurst (Rosa von Praunheim, Deutschland 1971)
Gerade noch über Exaltierungen und Totalverweigerungen geredet, dann sowas. Hat Fassbinder in WARUM LÄUFT HERR K. AMOK? besser gemacht. Oder eben Schlingensief dann Jahre später. Also gut: ein Vorreiter. Trotzdem: ein plärrender Bengel.

Der Reigen (Otto Schenk, Deutschland 1973)
Arthur Schnitzler zwischen Verschulmädchenreportisierung und österreichischem Arthouse. Um Himmels Willen.

The Intruder (Frank van Mechelen, Belgien 2005)
Blasser TV-Krimi, der vom belgischen Dutroux Traumata zerren will.

Beauty and the Bastard (Dome Karukoski, Finnland 2005)
Klischeebelastetes, aber im Groben doch nicht unehrliches Jugenddrama. Gut gemeint, Musik sogar gemocht.

Red Road (Andrea Arnold, Großbritannien/Dänemark 2006)
Schuld und Sühne Geschichte im Glasgower Sozialabsteiger-Milieu. Mit dem Buzz einer undogmatisch gewordenen Dogmabewegung im Hintergrund zu Aufmerksamkeit gelangt, enttäuschte er mich leider ein wenig.

Hitch (Andy Tennant, USA 2005)
Interessante Ausgangslage, die das Genre hätte dekonstruieren können. Stattdessen erliegt der Film in kitschigster Weise seinen Regeln und bastelt die hässlichste und aufgedunsenste Romanze seit langer Zeit.

Stuck on You (Bobby & Peter Farrelly, USA 2003)
harmlos.

#628 moodswing

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Geschrieben 28. Dezember 2007, 16:42

Die Bourne Trilogie
Identity vs. Supremacy vs. Ultimatum

2002/2004/2007

Das eigentlich Spannende ist die Grundidee: Einen ambivalenten, negativen, zweifelnden, unschicken, blutenden James Bond zu kreieren. Je nachdem, wie man es sieht einen Anti-007 oder eben jener Bond auf die Grundessenz konzentriert. Pure Hetzorgien, rein egoistisch, Bourne kennt weder Freund noch Feind. Paul Greengrass perfektioniert das Konzept schrittweise. War Doug Limans BOURNE IDENTITY doch noch arg konventionell geraten, "wackelt" der Zuschauer gemeinsam mit der Kamera in THE BOURNE SUPREMACY doch ein wenig holpriger und verlorener durch die Welt. Den (bis hierhin zumindest) finalen Schritt macht Greengrass und sein Team dann aber mit dem BOURNE ULTIMATUM - So dreckig, so temporeich, so humorlos und so fiebrig wurde ein Actionfilm lange nicht mehr zelebriert. Mit dem dritten Teil der Bourne-Trilogie, die doch ach so mager anfing, katapultiert sich diese Kinoserie doch noch zu einem achtbaren Erfolg.

Dabei ist das Konzept recht einfach: Greengrass zieht die Spannungsschraube einfach so fest an, dass der Zuschauer zwischen den rasanten Kamerafahrten und dem über sich ergießenden Schnittschauer kaum eine andere Wahl hat, als mitzurennen. Kein Schnickschnack, keine billigen Oneliner, kein schlüssiges Storykonzept, keine Rücksicht auf Zartbesaitete - THE BOURNE ULTIMATUM ist pures Actionkino, James Bond auf seine harte Seite reduziert, ins Nihilistische driftende Gewaltfantasien und die perfekte Wiederbelebung eines Genres.

Von der Art des ruppigen Zupackens her erinnerte mich der Film an WAR OF THE WORLDS, vielleicht auch noch ein wenig an MISSION IMPOSSIBLE 3 aus dem Vorjahr. Sie alle drei sind Filme, die für die Leinwand geschaffen sind, die den Kinosaal als Stilmittel mitbegreifen. Alles in allem eine Tendenz, die äußerst begrüßenswert ist...

#629 moodswing

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Geschrieben 29. Dezember 2007, 14:48

Life as a Shorty shouldn't be so ruff... II
22x Filmfragmente


Kino:
Mr. Brooks (Bruce A. Evans, USA 2007)
Durchkonstruiertes, seltsam zynisches, auf Costner zugeschnittenes Thriller-Drama, getarnt als Serienmörderfilmchen, das nicht ins Kino, sondern auf den DVD-Ramschtisch gehört.

Hitman (Xavier Gens, Frankreich/USA 2007)
Sieht aus, als hätte jemand wahllos aus dem Schnittmülleimer gegriffen und Filmstreifen zusammengeklebt. Großartige Anschlussfehler und eine Erzählebene, bei der sich die Vorspultaste eingeklemmt hat.

DVD:
Killing Words (Laura Mañá, Spanien 2003)
Stark gespieltes Kammerspiel, in dem mit zahlreichen Plotturns garniert Ehemann und Ehefrau aufeinander hetzen. Bleibt in seinen Möglichkeiten ein Low-Budget Psychospiel zu installieren. Ansehnlich.

Das wilde Leben (Achim Bornhak, Deutschland 2007)
68er-Abziehbildchen ohne Seele, Motivation oder auch nur einer Begründung fürs Dasein. Pure Reduktion auf Schauwerte ("Uschi, komm mach dich nochmal nackich und tanz zum 60er Hit"), dramaturgische Wüste und voller offener Fragen. Erstes Merkmal des Zuschauers: Vergesslichkeit.

The Frighteners (Peter Jackson, Neuseeland/USA 1996)
Furchtbar glibschiger Kiddie-Grusel, Zemeckis bastelt an einem dämlichen Ghostbusters-Return und Jackson kreiert einmal mehr einen filmischen Taugenichts.

Das blaue Licht (Leni Riefenstahl/Béla Balázs, Deutschland 1932)
Als die Nazis noch blaue, statt braune "Bergfilme" drehten. Mir wurde von der Musik kotzübel, die Leni macht da mit ihrer Männerstirn nichts mehr wett. Ästhetizismus galore, wenn der Peter sei Lederhoasn ausziehan tut.

The Funeral (Abel Ferrara, USA 1996)
Spröde, langsam, Genreliebhaber und gleichzeitig Genreentsager. Hadernd und katholisch, tief pessimistisch im auswegslosen Ende.

Rabbit-Proof Fence (Phillip Noyce, Australien 2002)
Behutsame Geschichtsaufarbeitung, ein starker Score von Peter Gabriel, eine tolle Kamera von Christopher Doyle und am Ende doch zu konventionell und zu weit weg von den Figuren, um wirklich mitreißen zu können.

TV:
Jan Svankmajer findet durchaus passende und beißende Bildmetaphern in vielen seiner kürzlich auf 3sat gezeigten Kurzfilme. Food war mir daraus der Liebste, in dem er gekonnt 3 Situationen kreiert, die in ihrer Verquickung von Technik und Organismus eine feine Subversivität auslösen, die in ihrer Keckheit verblüfft.

Ein Virus kennt keine Moral (Rosa von Praunheim, Deutschland, 1986)
Schlingensief trifft Mario Barth. Ein kleiner wütender Junge, der sich mit Amateurkamera und heimischem Avidfake auf macht, deutsche Satire zu unterbieten.

Mortuary (Tobe Hooper, USA 2005)
Unterirdisch

Rote Sonne (Rudolf Thome, Deutschland 1970)
Stoischer Dilettantismus

Venus im Pelz (Victor Nieuwenhuijs/Maartje Seyferth, Niederlande 1995)
Roch verdächtig nach erbärmlichen Kunsthäkeleien.

Außerdem noch gesehen:
Uwe Bolls Action-Grützwurst Alone in the Dark
Kebab Connection - Fatih Akins Drehbuch sei Dank, biederste multiethnische Comedy
Bend it like Beckham - ein etwas weniger aufgesetzter Girliecatcher (hab aber nach trotz Paminda Nagra nicht durchhalten können)
Der Tramp und der Diktator ... schön.

Ohne Kommentar:
Raoul Walshs The Thief of Bagdad (USA 1924)
Werner Herzogs Die fliegenden Ärzte von Ostafrika (D 1969)
Lutz Hachmeisters Das Goebbels-Experiment (D 2005)
Charles Shyers Alfie (UK/USA 2004)
Jez Butterworths Birthday Girl (USA 2001)

#630 moodswing

    Albert Emanuel Voglers Adjutant

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Geschrieben 30. Dezember 2007, 21:17

The Invasion vs. Body Snatchers vs. Invasion of the Body Snatchers
2007/1994/1978
Oliver Hirschbiegel/James McTeigue vs. Abel Ferrara vs. Philip Kaufman

Ich möchte nicht in die allgemeine Verdammnis einstimmen, die schnell über THE INVASION einbrach. Gerade im Vergleich zu Abel Ferraras 1993 Vorgänger BODY SNATCHERS und Kaufmans Zweitverwertung des Stoffes von 1978 fällt Oliver Hirschbiegels Version gar nicht einmal ab. Wo Ferraras Film doch auf sehr beschränktem Terrain agiert - auf einer Militärbasis nämlich, und damit auch thematischen Beschränkungen ausgesetzt ist - wird es bei THE INVASION schon ein ganzes Stück weltumfassender und weitreichender, dem 78er sehr ähnlich. Apokalyptisch sind alle Drei auf ihre Weise. Das Thema der die Massen einnehmenden Ideologien wird beim 2007er vernüftig eingearbeitet, wenn auch das Gesamtmotiv nicht ausreichend ausgeschöpft wird - Ferrara, so hat man das Gefühl, interessiert vor allem die Ideologie des Militärapparats, dem blind gefolgt wird. Damit ist BODY SNATCHERS aber nicht der politischere Film, im Gegenteil - Militär hin oder her, die Gedanken um die derzeitige Weltpolitik verbunden mit dem Stand des Menschen in seiner Evolution werden eher in THE INVASION zum Ausdruck gebracht, wenn auch verhalten und etwas offensichtlich gewollt eingewoben, ähnlich den antikommunistischen Deutungshoheiten in INVASION OF THE BODY SNATCHERS. Ich hatte mir ein wenig mehr erwartet, wenn die Kidman starr durch die Welt läuft und erkennen muss, wie unzureichend die menschlichen Bindungen für ein funktionierendes Sozialgefüge sind. Entindividualisierungsparanoia gibt es in allen Filmen, allen voran natürlich dem Kaufman, der die politische Lage immer mitdenken lässt. Solch schöne Ansätze bietet wiederum BODY SNATCHERS gar nicht, dafür aber eine kleine Abhandlung über Gleichschaltung und Rassenwahn, was in der Geschichte um Forest Whitaker seinen Ausdruck findet. Ferrara pendelt häufig ein wenig ziellos umher, das hat er dann wieder mit Hirschbiegel gemein. Wo der Alt-New-Yorker aber eher gesetzt bleibt, regiert in THE INVASION ein hektischer Schnitt, einige 08/15 Dialoge und ein viel zu schnell ins Bild gesetztes und unfertiges Ende. Der Film ist ein Post-Produktionsopfer, keine Frage, und doch finde ich es erstaunlich, dass er immerhin keine Grobaussetzer vorzuweisen hat. Wenn THE INVASION ein schlechter Film sein sollte, so ist er doch immerhin eine Weiterentwicklung um Lichtjahre im Oevre eines Oliver Hirschbiegel, der mit seinem UNTERGANG einen der grässlichsten Filme der näheren Geschichte abgeliefert hatte. Und so kann man das dann auch wieder nicht sagen, denn die Wachowski-Brüder und ihr Protegé McTeigue sollen ja eine nicht unerhebliche Anzahl an Szenen nachgefilmt haben. Auch bei BODY SNATCHERS waren viele Finger im Spiel, und damit dann schließt sich der Kreis, denn auch auf ökonomischer Ebene ähneln sich die beiden jüngeren Körperfresser-Filme einander...





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