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Neuschnees Filmtagebuch - Filmforen.de

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Neuschnees Filmtagebuch


81 Antworten in diesem Thema

#1 Neuschnee

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Geschrieben 10. August 2008, 21:38

Terrence Malick – The thin red line USA 1998
Sehr schwieriger Film, der vom Zuschauer verlangt, alle Anti-Kriegsfilme zu vergessen und von einer Tabula Rasa der kulturellen Kriegsaufarbeitung auszugehen – anders funktioniert das Konzept einer subjektiven, (notwendig?) pathetischen Perspektive nicht, die den Zuschauer an den Gedanken der Soldaten teilhaben lässt.
Folgt man nicht dieser Forderung des Films, funktioniert auch die einfachgestrickte Gegenüberstellung von friedvollen Naturmenschen und kriegsführenden Zivilisierten nicht - so lässt der Film eine rousseausche Idylle entstehen, die ein Deserteur subjektiv vielleicht so empfindet, aber dem distanzierten Zuschauer eher naiv anmutet.
Ein schmaler Grat also auf dem sich Malick bewegt, der Film droht mehr als andere Filme je nach Rezipienten-Haltung zu kippen.
Filmtechnisch ist der Film natürlich auf hohem Niveau, besonders die Kamera bei der Erstürmung des „Hills" überzeugt, bleibt sie doch beständig bei den Soldaten und erlaubt keine Totale oder Aufsicht, die dem Zuschauer Überblick und Distanz erlauben würde – aber auch diese sehr konsequent gedrehte Sequenz wird leider aufgebrochen durch einen Wechsel der Kameraperspektive auf Feindesseite, um das Leid des Gegners auch zu seinem Recht kommen zu lassen – hier wird (durch ein filmisches Mittel) die subjektive Perspektive gesprengt und man merkt, dass Malick nicht vermeintlich parteiisch wirken will. Soundtechnisch sei ebenfalls die Erstürmungssequenz herausgehoben: das Rauschen und Rascheln des hohen Grases bildet einen Soundteppich, der höchst beunruhigend und viel effizienter als jede Musik wirkt (im Übrigen wird das Geräusch mit dem plötzlichen Auftauchen einer zischelnden Schlange kurzgeschlossen, so dass die Bedrohung noch einmal gesteigert wird).
Ein weiteres Problem ist die Herauskristallisierung eines Helden – der Zuschauer folgt den Gedanken des jungen, unangepassten Soldaten und Deserteuren (gespielt von Adrien Brody) zwar ohnehin von Anfang an als rotem Faden, aber die Identifizierung mit ihm wird durch die Teilhabe an den Gedanken der anderen Soldaten aufgebrochen – gemäß dem mutigen und bewundernswerten Konzept Malicks einer personellen Dezentralisierung des Erlebens, einer kollektiven Subjektivität – doch im letzten Drittel entwickelt sich Brodys Figur immer mehr zur Hauptfigur, in der die ethischen und pantheistisch-theologischen Gedanken sich zu verwirklichen scheinen, und entwickelt sich so zu einer Heldenfigur, der der Rezipient aufatmend folgt und sich so aus der bedrückenden Stimmung einer Ausweglosigkeit zumindest zeitweilig lösen kann. Diese Wendung schadet dem Film und rückt ihn wieder in die Nähe von konventionelleren Genre-Filmen.
Als Fazit bleibt: Ein fordernder Film, der mutig ein interessantes und außergewöhnliches Konzept zu verwirklichen sucht, aber nicht konsequent genug dieses durchsetzt. Ein Film aber auch, den man sich nochmals anschauen muss, jetzt wo man vorbereitet ist, auf das was einen erwartet.

#2 Neuschnee

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Geschrieben 10. August 2008, 21:43

Claude Sautet – Max et les ferrailleurs / Das Mädchen und der Kommissar F 1971 (Piccoli, Romy Schneider) [/color]

Es ist immer wieder erschütternd/beeindruckend: Romys Spiel überlagert das der anderen Schauspieler dermaßen, dass diese nahezu verschwinden (hier Piccoli in einer guten Darstellung, die trotz seiner Künstlichkeit funktioniert; am deutlichsten aber in der Nachtblende, wo Kinski reichlich blass bleibt): Ihre Darstellungsweise ist so berückend authentisch, dass man sich immer wieder verführt sieht zu glauben, sie spiele nur sich selbst mit all der ihr eigenen Lebenslust und dem unglaublichen Schmerz, der in ihr nah unter Oberfläche zu liegen scheint.

Das Kleingangstermilieu ist gut geschildert, Piccoli besticht durch hervorragend gespielte Undurchsichtigkeit, Schneider ist ihre Rolle wieder einmal auf den Leib geschneidert und begeistert.

Natürlich fehlt der obligatorisch tragische Schluss nicht und das macht den Film mit seinen anderen Schwächen (v.a. Drehbuch und filmisches) - von der Schauspielerleistung abgesehen - doch zu ziemlich durchschnittlichem französischem Kino, so wie wir es kennen.

Clive Donner – What's new, pussycat? USA 1965 (O'Toole, Romy, Sellers, Woody)

Völlig überdrehte Komödie, die zu Unrecht in den meisten Kritiken schlecht davonkommt. Trotz Klischee en masse (Geschlechterrollen, Sexualität etc.- wie aber auch sonst in dieser Art von Komödie), manchmal doch sehr grober Albernheit ist der Film ein großartiger Spass – viel besser zum Beispiel als der Partyschreck oder dergleichen.

Sellers macht ausnahmsweise fast durchgängig alles richtig (besonders dann wenn er aufgebracht mit wehender Frisur herumhüpft), Woody Allen wirkt so wunderbar unverbraucht komisch, dass man ihn wieder ganz in sein Herz schließen will, Romy spielt irgendwo zwischen Sissi-Putzigkeit und der zerbrochenen Intensität ihrer späteren Rollen und Peter O'Toole ist so gehetzt ambivalent charmy und unsympathisch wie zuletzt in Lawrence, dass man ihm zu dieser Darstellung gratulieren muss.

Das typisch spätsechziger Filmdesign (Psychedelic-Scherenschnitt-Überblendschnitte und besonders die „Authors message"-Einblendung) im Stile Richard Lester's Beatles-Filme gefällt. In der deutschen Synchro ist Peter Sellers übrigens ein russischer (Nikita Popovich), im Original aber ein deutscher Psychoanalytiker (Fritz Fassbender; so erklärt sich auch Sellers Frau, die eine rasende Brunhilde gibt).

Francis Girod – Trio Infernale F/BRD/I 1974 (Romy, Piccoli)

Schwieriger Film, die Protagonisten sind unsympathisch gezeichnet, besonders natürlich Piccoli, der einen absolut skrupellosen, schwulisch-narzistischen Typen mit unsäglicher Künstlichkeit spielt. Immer noch verstörend und damals sicher ein Skandal ist dieser Film aber doch ziemlich verunglückt. Die Schauspielerin, die die dritte im infernalischen Bunde spielt, wirkt neben dem exzentrischen Piccoli und der wieder mal höchst ambivalenten Romy völlig fehlbesetzt, die upgedatete 20er Jahre-Musik nervt ungemein und die Inszenierung schleppt sich nur so dahin. Der Versuch das immerwährende Duo Piccoli/Schneider skandal- und damit publikumsträchtig in Szene zu setzen, muss wohl Hauptmotiv bei dieser wenig oder über- ambitionierten Filmproduktion gewesen sein.

#3 Neuschnee

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Geschrieben 13. August 2008, 15:19

Pedro Almodóvar – Pepi, Luci, Bom y otras chicas del monton ESP 1980 (Carmen Maura)

Der erste Spielfilm Almodóvars ist eine Low-Budget-Independent-Produktion mit allem (Themen, Tabubrechen, Ästhetik) was ihn später bekannt gemacht hat: Lesbische, sadistische und masochistische Frauen inkl. Szene, in der Punkerin Bom der Hausfrau Luci ins Gesicht pinkelt, faschistischen Machogestalten, die vergewaltigen und verprügeln, Schwulen und Transsexuellen, die Postboten verführen und in hippen Künstler-WGs wohnen, sprunghafte Handlungen etc. Die bemerkenswerteste Szene, in der Pepis Freunde in 20er Jahre-Anzügen den vermeintlichen Vergewaltiger zusammenschlagen, erinnert stark an die Schlägereien mit Beethoven-Untermalung in Clockwork Orange: bei A. singen die Rächer dazu eine spanische Oper. Roher und (noch) anarchistischer als die späteren ist Pepi, Luci, Bom ein gutes Debut, schon ein echter Almodóvar.

#4 Neuschnee

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Geschrieben 13. August 2008, 15:22

Kimberly Pierce – Boys don't cry USA 1999 (Hilary Swank, Chloe Sevigny)

Sehr aufwühlender Film nach einer wahren Begebenheit, in dem Hilary Swank eine junge Frau spielt, deren sexuelle Identität aber eine männliche ist. Mit dem klinisch anmutenden Begriff der „sexual identity crisis" lässt sich dieser menschlichen Problematik nur sehr schlecht nähern.

Swank spielt Teena Brandon, die ca. 1992 endgültig entschließt, sich auch als Mann auszugeben und als solcher nach Außen zu treten. Sie schneidet sich die Haare kurz, bindet sich die Brüste weg und nennt sich von nun an Brandon Teena. In einem kleinen Kaff (Falls City, Nebraska) lernt sie die heruntergekommene Clique um den etwas älteren Joe kennen und freundet sich mit ihnen an. Brandon verliebt sich in die Freundin des Cliquenchefs und die in den charismatischen Brandon. Nachdem im Laufe der zweiten Hälfte des Films Brandons biologisches Geschlecht entdeckt wird, nimmt eine wirklich schockierende Katastrophe ihren Lauf.

Nüchtern gefilmt mit metaphysischen Zwischensequenzen (z.B. blauleuchtender Nachthimmel im Zeitraffer) zieht der Film den Zuschauer immer tiefer in diese Tragödie. Obwohl der Zuschauer von Beginn an um das biologische weibliche Geschlecht Brandons weiß, empfindet er diesen zu fast jedem Zeitpunkt als jungen Mann, bis das Geschlecht innerhalb der Beziehung immer weiter in den Hintergrund rückt. Der Film zeigt auf in welchem Geschlechtsidentitäts-Dilemma der Mensch gefangen sein kann /bzw. immer gefangen ist und sich dennoch vielleicht (Utopie) davon befreien kann.

Filmisch nicht überragend gut, aber die true story fordert hier vielleicht Zurückhaltung; die Aufarbeitung des schwierigen Themas ist sehr gut gelungen und die Schauspielleistung besonders von Hilary Swank ist hervorragend (auch Chloe Sevigny ist gut). Ein sehr unangenehmer und wichtiger Film.

#5 Neuschnee

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Geschrieben 13. August 2008, 15:26

Don Siegel – Invasion of the body snatchers USA 1956 (prod.v. Walter Wanger; Dana Winter, Kevin McCarthy)

Guter Film und sehr wirkungsvoller Psycho-Horror, der auch heute noch funktioniert. Bis auf die für 50er Jahre B-Horror-Movie typischen Szenen mit den schlüpfenden Doppelgängern und den eher lustig aussehenden Hülsen (und der Rahmenerzählung – die wurde auf Drängen des Studios eingefügt) sehr nüchtern und reduziert gefilmt, dadurch entsteht ein realistischer und irgendwie bedrohlicher Effekt. Die für die 50er Jahre doch recht aufgeklärte, fortschrittliche Meinung des Psychiaters und das dahinter stehende Menschenbild überrascht. Im Grunde Vorläufer zu den Zombie-Filmen à la Corman. Subtext scheint die Kommunistenparanoia der McCarthy-Ära zu sein und vor diesem Hintergrund fühlt sich der Film wie ein politisches Statement an (wenn auch die Aussage nicht eindeutig ist). Einer der besten Filme von Siegel.

#6 Neuschnee

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Geschrieben 13. August 2008, 15:30

Carol Reed – The third man GB 1949 (Joseph Cotton, Welles, Alida Valli, Trevor Howard)

Großartiger Film, der sich nach und nach in seiner fotographischen und inszenatorischen Brillanz steigert. Unvergesslich das nächtliche Wien in Trümmern, die Verfolgungsszenen durch die Stadt mit den langen Schatten an den Wänden und natürlich in der grandiosen Kanalisation, das Entdecken von Harry Lime im Hauseingang, das Treffen auf dem Riesenrad im Prater. Ist in den Einstellungen mit Welles` Touch of evil und The Trial vergleichbar (wenn auch nicht ganz so genial), aber dynamischer und rauer. Bemerkenswert auch die kleine Kamerafahrt durch die Pflanzen auf dem Balkon runter auf die Strasse, die für einen Thriller untypische Zither-Musik (die sehr gut funktioniert) und die kurze, für die Zeit aber recht freizügige Szene im Nachtclub mit Oben-Ohne-Tänzerin.
Gute Schauspieler, Welles natürlich großartig in seinem Spiel zwischen undurchsichtigem und zwielichtig-skrupellosem Verbrecher und einnehmenden und sympathischen Freund, Cotton und besonders Howard (oder Bernard Lee? der Kommissar mit der tollen Jacke) auch sehr gut. `Unheimlich` realistisch auch die Darstellung der Mentalität der Wiener unmittelbar nach dem Krieg und die angedeuteten russisch-amerikanischen Spannungen in der internationalen Polizei. Irgendwo zwischen expressionistisch, Film noir, Hollywood und doch ganz anders. Ein Film, dessen Bilder haften bleiben.

#7 Neuschnee

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Geschrieben 13. August 2008, 15:32

Edward O. Bland – The cry of Jazz USA 1959 (George Walker, Dorthea Horton, Linda Dillon, Andrew Dunean, James Miller, Laroy Inman, Musik: Sun Ra & His Arkestra)

Sehr interessanter Kurzfilm (35min) des Filmemachers, Komponisten und Arrangeurs Edward O. Bland, der kontrovers die Frage nach Herkunft, Bedeutung und Zukunft des Jazz behandelt.

Sieben junge Männer und Frauen diskutieren nachts nach einer (ausklingenden) Party und einem Jazzkonzert (am Vorabend) über Jazz. Die Meinung, Jazz sei genuin schwarze Musik und auch nur von Schwarzen mit der kollektiven Erfahrung des Schmerzes und der Unterdrückung zu spielen, steht der Meinung gegenüber, dass Jazz amerikanisch und nicht an Rassenspezifika gebunden sei. Die Diskussion spitzt sich in der Behauptung zu, dass Schwarze durch ihre geschichtliche Erfahrung menschlich geworden seien und die Weißen dies (wahrhaft menschlich zu werden) erst durch die Schwarzen lernen müssten. So erklärt der Hauptprotagonist, ein schwarzer Jazzmusiker (George Walker?), den von ihm (Bland) konstatierten „death of jazz" (body) nicht zuletzt durch die weiße Adaptation und Kommerzialisierung („Cool Jazz") und verkündet, dass der „spirit of jazz" eine neue Form (body) suchen wird, um die schwarze Herrschaft zu implementieren.

Diese Ideologie der zukünftigen schwarzen Vorherrschaft, die Bland mit Sun Ra (und dem aufkeimenden Free Jazz eines Albert Ayler) verbindet und später via dem „Mothership"-Mythos George Clintons, der „Black Power"-Bewegung, der „Nation of Islam" in die neue musikalische Form (body) `Rap` mündet (Public Enemy), wird hier unversöhnlich gegenüber einem vermeintlich aufgeklärten und humanistischen Liberalismus der Weißen gestellt.

Neben der unglaublich vorrausschauenden Vorwegnahme der Überführung des politisch verstandenen Spirits des Jazz in Hip Hop, ist in dem Film besonders die Offenheit der Diskussion bemerkenswert. Die Radikalität der `schwarzen` Position führt die Notwendigkeit der Abgrenzung für die (nicht nur afro-amerikanische) Identitätsbildung im Kampf gegen die weisse Definitionsmacht vor Augen und regt zum Nachdenken über die eigene womöglich naive Position an, die wahrscheinlich beim Mitteleuropäer gut in den weißen Protagonisten gespiegelt wird.

In die Spielfilmhandlung werden Dokumentationssequenzen eingeflochten, die die Erzählung des Hauptprotagonisten über die Anfänge bis hin zur Okkupation des Jazz durch die Weißen illustrieren (die Stimme des Erzählers aus dem Off kommentiert so z.B. frühe und rare Konzertszenen Sun Ra's).

Ästhetisch – abgesehen von seiner Thematik – ähnelt der Film stark Cassavetes´ Shadows: Kameraführung und das Schauspielerensemble wirken sehr authentisch und lebendig. Ein Film, der – 1959! gedreht – durch Thematik und Radikalität beeindruckt (und Fragen aus einer „anderen" Perspektive stellt) und damit zu den wichtigen Werken nicht nur des schwarzen Kinos gehört.

#8 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 13:45

Leon Gast – When we were kings USA 1996

Insgesamt gelungener Dokumentarfilm, der Muhammad Ali`s Charisma und genialischen Selbstinszenierungen eindrucksvoll einfängt.
In diesem Vermittlungsprozess nimmt der Film aber oftmals allzu sehr die Fanperspektive ein und so werden die Egomanie und Zwiespältigkeit Alis (mit seiner fragwürdigen „buma ye/kill him"-Stimmungsmache und der psychologischen Kriegsführung im Ring) nicht kritisch, sondern verherrlichend dargestellt.
Kein Wunder, denn man verfällt schnell der Ausstrahlung und dem Charme Alis und ist begeistert von der Energie und den Wort- bzw. Reim-Künsten, die er allerorten spontan und improvisiert zum Besten gibt. Insofern eine begeisternde aber diskutierenswerte Hommage an einen Ausnahmemenschen, der durch diesen Doku-Film wieder zu einer positiven Identifikationsfigur erweckt werden soll.

#9 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 13:46

Federico Fellini – Roma USA 1972

Assoziative Aneinandereihung von suggestiven Bildern, die relativ lose das Rom in Fellinis Jugend dem gegenwärtigen (Anfang 70er) gegenüberstellt. Die Drastik und barock-surrealistische Überzogenheit der Bilder und Inszenierung wird mit einer mal sentimentalen, mal ironischen Kommentierung kontrastiert. Funktioniert so nicht als Film, sondern als überbordender Bilderreigen und macht Spass.

#10 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 13:52

Jean Renoir – Dejeuner sur l'herbe F 1959

Ein seltsamer Film Renoirs, der irgendwie unentschieden zwischen Qualtitätskino und französischen Slapstick á la Tati (o.ä.) die Ende der 50er aufkeimende Jugendrevolution (Vespafahrende Jugendliche, die am See Party machen) und libertine Sexualität mit der aristokratisch-konservativen Oberschicht versöhnen will. Überzeugt weder filmisch noch thematisch.

#11 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 13:54

Martin Sastre – Bolivia 3 Uruguay/E 200? 15´

Netter Kunstfilm als Genremelange und Stilmix (Zeichentrick-, Computeranimation-, Echtfilm-Sequenzen etc.), in dem „Superheld“ Sastre durch ein zukünftiges Bolivia streift und unter anderem Superstar Matthew Barney besiegt und diesen (verwandelt in ein putzig-blödes, quadratköpfiges Wesen) väterlich mit auf seine weitere Reise nimmt. Am Ende reißt Sastre Barney dessen „Zungentuch“ mit den Worten „But, Barney, please get rid of that shit!“ aus dem Mund.
Humorvoller „Angriff“ auf den Superstar-Status Barneys und den Kunstbetrieb im Allgemeinen, der aber ohne den Barney-Bezug doch recht belanglos wäre. (Kunstfilmbiennale Köln 2005, Exotica)

#12 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 13:55

Julian Rosefeldt – Asylum D 2002 14´

Ästhetisch ambitionierter Film, der partiell an Barney, Viola und Lynch erinnert. Rosefeldt stellt Asylsuchende in sehr ausgesuchten und ungewöhnlichen Settings (Gewächshaus, Windkanal, Badehaus, Skulpturenfundus etc.) als Arbeitende (Putzfrauen, Zeitungsausträger, Rosenverkäufer etc.) dar.
Durch die Langsamkeit der Bewegungen und Aktionen, die Settings und die bedrohlichen Soundscapes wird eine unwirkliche und absurde Atmosphäre geschaffen, die durch ein plötzlich einsetzendes kanonisches Chorsingen der Protagonisten gegen Ende nochmals gesteigert wird.
Insgesamt wirkt der Film trotz oder gerade wegen seiner Ambitioniertheit und seinem Stilisierungswillen etwas zu gewollt. Nichtsdestotrotz eindrückliche Bilder und gute Ideen. (Kunstfilmbiennale Köln 2005, Exotica)

#13 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 13:58

Matthew Barney – De Lama Lamina USA/BRA 2005 50´

Tja, ein neuer Barney zwischen Cremaster und Drawing Restraint No.9, der – salopp gesagt - ganz schön bescheuert ist. Es wird leider nicht an die überwältigende Bildästhetik des Zyklus´ angeschlossen und die Metaphorik ist gelinde gesagt daneben. Nicht dass es darum ginge, einen Barney einfach oder stimmig entschlüsseln zu können, aber die Verweise mit denen hier recht offensichtlich gespielt wird, ergeben wirklich nicht ein überzeugendes Bild.
Gedreht auf einem Carnevals-Umzug in Salvador de Bahia, fällt zunächst einmal positiv die Farbgebung und Kontrastreiche der Bilder auf: Dreckige, überzeichnete und kalte Farben bestimmen das heisse Treiben in einer brasilianischen Nacht. Barney lässt einen gigantischen Rodungsbagger als Umzugswagen zu einer Symbolschleuder ohne gleichen auffahren. Wo wir bei der Metaphorik wären: Rodungsbagger mitsamt seltsamem Baumstumpf, Brasilien und besinnungsloser Carnevalstanz gehen hier ein seltsam dumpfes (umweltpolitisches) Zusammenspiel ein. Dazu spielt Arto Lindsay seine wild schreiende Imrov-E-Gitarre und singt slackermäßig portugiesische Lieder. Die Brasilianer tanzen zwar dazu, aber das ganze wirkt doch schon etwas irritiert.
Was Wunder! Wüssten sie nämlich was sich im Innern des Baggers abspielt, würden sie schreiend den Umzug verlassen und ihre Favelas aufsuchen. Unter der Kardanwelle liegt nämlich ein schwarzer Mann mit Vogelschnauze (welch eine postmoderne Fusion! Mensch-Tier-Maschine), gänzlich unbekleidet (bis auf Vogeldreck, Federn und Schorf o.ä.) und streichelt erst ein Orang-Utan-Baby und dann seinen großen Penis. Dieser Vogelmann mit Verschmelzungswillen (Kardanwelle – Maschine) tritt in eine Verbindung mit der sich auf dem Baumstumpf befindlichen „Free-Climberin“ (eine mir unbekannte Künstlerin), die unentwegt aus ihrem Ärmel Watte-ähnliches zupft. Diese Watte gelangt irgendwie zum Vogelmann, der sie um die sich drehende Kardanwelle legt. Das ganze wirkt wie eine horizontale Töpfermaschine und aus der Watte entsteht langsam eine Vaselin-ähnliche Ummantelung (Barneys Lieblingswerkstoff). An diese Ummantelung der sich ständig drehenden Welle presst der Vogelmann seinen eregierten Penis, zerdrückt zwischenzeitlich das Orang-Utan-Baby (aus dem Scheisse quillt, mit der er sich auch prompt einschmiert) und ejakuliert schlussendlich. Nicht aber in Form eines Cum-Shots oder dergleichen, sondern natürlich rein metaphorisch als weißer Schlabber, der aus der Erdunterdecke tropft und das Werkzeug gebiert, das Barneys Helfer zuvor an die riesigen Reifen des Baggers gebunden haben.
Einzig die Bildästhetik der Totalen des Umzugs und der eregierte Penis (als möglicher Tabubruch) sind bemerkenswert, ansonsten langweiliges Rätselraten a la Barney. Schade, aber man kann ja nicht unentwegt Großtaten vollbringen. (Kunstfilmbiennale Köln 2005, Exotica)

#14 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 13:59

Timur Bekmambetow – Nochnoi Dozor (Wächter der Nacht) RUS 2004

Der erste russische Blockbuster überhaupt (?!) ist ein Fantasy-Action-Film, der eine Menge Schwächen hat – das total auf Sequel ausgerichtete Drehbuch irgendwo zwischen Herr der Ringe, Vampir-Zombie und Computerspiel, die Montage mit teilweise viel zu hoher Schnittfrequenz, viel zu viel SFX, einiges wirkt ungewollt billig.
Er überrascht aber auch mit einer schönen Bildästhetik (grobkörnig und besondere Farbigkeit), einer Ideenfülle und einem (selbstironischen) Charme, der den Genre-Film manchmal aus der Masse heraushebt (so erinnert mich der Film sogar in einigen überdrehten Momenten an von Triers The kingdom).
Bemerkenswert ist auch die Dramaturgie: die Spannung wird nach und nach gesteigert, die Handlung steuert auf eine Katastrophe zu und dann mündet die Entwicklung unversehen in eine Lösung und alles ist gut. Am Ende siegt dann nach einer Star Wars-Persiflage doch noch das Böse – Fortsetzung folgt. Bekmambetow hat schon die Sequel-Rechte an Hollywood verkauft.

#15 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:00

Joseph L. Mankiewicz – Suddenly, last summer USA 1959 (Katharine Hepburn, Elizabeth Taylor, Montgomery Clift)

Hepburn und auch die junge Taylor spielen gut, die Ausstattung/ das Production Design (v.a. der tolle Dschungelgarten, leider mit peinlich-übertriebenen Skelettskulpturen) und die Tatsache, dass der Film hauptsächlich aus Innenaufnahmen besteht, lassen eine klaustrophobische Atmosphäre entstehen, die das Spiel von Hepburn und Taylor wunderbar ergänzt. Auch wenn der Film eigentlich in Allem übertreibt und die Story nach Tennessee Williams Stück m.E. zumindest heute nicht nur einigermaßen absurd sondern auch nicht wirklich überzeugend ist, gefällt der Film. Besonders die Rückblende mit den mediterran-mystischen Bildern mit morbid-sexueller Aufladung ist gut.

#16 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:02

Elia Kazan – A streetcar named desire USA 1951

Guter Film, Vivien Leigh ist großartig, Brando unglaublich sexy (obwohl er ja ein ganz schön dünnes Stimmchen hat). Das Setting, die Wohnung von Brando und Kim Hunter in New Orleans, ist gelungen: Die Hitze und die bedrohliche Urbanität New Orleans` dominieren die Atmosphäre und zwischen dem hysterischen Spiel Leighs und der primitiven Laszivität Brandos knistert es unentwegt. Ähnlich gut wie Nichols Who's afraid of Virginia Wolf?.

#17 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:03

Peter Fischli / David Weiss – Der rechte Weg CH 1983

Ein wunderbarer Film, der auch beim zweiten Male noch vollkommen überzeugt. Die philosophische Reise einer Ratte und einem Bären in den Schweizer Alpen ist schier genial, so viel Charme und Tiefsinn ist selten (vielleicht noch bei Achternbusch oder Praunheim): „Die Steine lasse ich hier, aber den Traum nehm ich mit!“

#18 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:05

David Cronenberg – A history of violence CND 2005 (Viggo Mortensen, Ed Harris, William Hurt)

Im großen und ganzen enttäuschender Cronenberg. Handwerklich solide gemacht, aber gänzlich ohne Cronenbergs visionäre Bildgewalt, setzt der Film auf einen Realismus (bemerkenswert hier aber die starke Farbigkeit der Bilder) und eine einfache Geschichte.
Tom lebt den amerikanischen Traum bis ihn seine kriminelle Vergangenheit einholt. Durch eine Heldentat werden Mafia-Häscher auf den lange untergetauchten Ex-Killer aufmerksam und terrorisieren seine Familie.
Abgesehen von dieser leidlich abgenutzten Story sind die Hauptdarsteller einigermaßen überzeugend, Mortensen spielt seine Figur mit einer Undurchsichtigkeit, die gleichzeitig Sympathie und Abgestoßen-Sein beim Zuschauer wecken kann, William Hurt spielt mit gehöriger Gesichtsmaske und Unterkinnbart den bösen Bruder zwar mit der Hurt'schen Weinerlichkeit, ist aber dennoch fähig, gegen seinen Typ besetzt zu überzeugen. Die Gewaltszenen mit Mortensen sind gut und schlicht choreographiert, z.T. natürlich eklig (abgeschossene Nase etc.) und illustrieren in ihrer Natürlichkeit (die ihr durch Mortensen und die Inszenierung gegeben wird) und Selbstverständlichkeit/Abgeklärtheit die „Geschichte der Gewalt“ überzeugend.

#19 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:06

William Wyler – Wuthering Heights USA 1939 (Laurence Olivier, Merle Oberon, David Niven)

Schöner Film, ein märchenhaftes Melodram mitsamt Rachefeldzug. Besonders bleiben neben der Geschichte in der toll photographierten Landschaft Details haften wie die Bildsprache der vom Wind ausgeblasenen Kerzen, die anzeigen, dass Heathcliff von der Hochzeit erfahren und nun wirklich aus seiner Schmach geflohen ist (klassische Bildersprache des Stummfilms) und die Atmosphäre bei dem Ball während dem großartigen Cembalo-Haus-Konzert (so nur im Tonfilm möglich). Oberon und besonders natürlich der rätselhafte Olivier spielen sehr gut, der junge David Niven überzeugt ebenfalls. Unheimlich voller und bezaubernder Film.

#20 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:07

John Schlesinger – Billy Liar GB 1962

Tom Courtenay ist großartig, er hätte ein (Comedy-)Star werden können (und erinnert im Übrigen manchmal an Alex in Clockwork). Etwas verstörend sind freilich die pseudofaschistischen Fantasien und traurig und frustrierend ist das Ende. Guter Film des Free Cinema, der sich durch seinen anarchistischen Humor von den anderen unterscheidet, aber dafür nicht deren Tiefe hat.

#21 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:10

Steven Soderbergh – Solaris USA 2002

Entwickelt eigentlich genau die Sequenz von Tarkowskijs Original weiter, die ich dort am eindrucksvollsten, rätselhaftesten und interessantesten empfunden habe – die Episode im Raumschiff.
Trotz gutem Geräusch- und Musik-Score, interessanter Schnittnarratologie (Handlungs-Sprünge) und Farbigkeit (Unterschied zwischen Gegenwart und Vergangenheit), interessanter Konzeption der „Replikanten“ als bewusst-nicht-identische, eigentlich menschliche, weil verzweifelnde und liebende Wesen und der sich aus dem ganzen Szenario ergebenden Frage nach Menschsein, Erinnerung, Liebe etc.pp. überzeugt der Film nicht. Er wirkt zu bemüht, versucht Tarkovskijs Solaris mit einer subtilen Alien-Atmosphäre und dem letzten Viertel von Kubricks 2001 zu vereinen... für einen ohnehin überschätzten Regisseur wie Soderbergh war das zum Scheitern verurteilt.

#22 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:11

William Friedkin – The birthday party GB 1968 (Robert Shaw, Patrick Magee)

Seltsamer Film nach dem Stück von Harold Pinter, der eher nach F.s Abschlussfilm mitsamt ungelenker Kameraarbeit aussieht. Die Anfangssequenz am Frühstückstisch und die Partysequenz, die Schauspielerleistungen von Shaw und besonders Magee überzeugen hingegen – alles ziemlich absurd und insofern gut umgesetzt, fast nur Innenraumaufnahmen, von daher schon beklemmend, treffend als comedy of menace bezeichnet. Ansonsten aber eher schwach.

#23 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:13

Vilgot Sjöman – Dag är nyfiken – gul (I am curious – Yellow) S 1967 (Lona Nyman, Börje Ahlstedt, Sjöman) s/w

Die erste Hälfte des Films besteht hauptsächlich aus dokumentarischen Interviewszenen, in denen die Protagonistin – ein Mädchen Anfang zwanzig – im Auftrag ihres um einiges älteren Freund, dem Regisseur Sjöman, auf der Strasse schwedische Passanten (und deutsche Touristen) befragt: Ob es in Schweden ein “Klassensystem” gäbe, ob es gerecht sei, dass ein Arzt 10 bis 15 mal so viel verdient wie ein Restaurant-Angestellter usw.. Alles also studentisch-sozialistisch, inklusive Auftritt eines sowjetischen Dichters vor versammelter sozialistisch-revolutionärer Studentenschaft.
Die zweite Hälfte begleitet das Mädchen auf ihrer privaten Sinnsuche nach einem alternativen Lebensentwurf. Sexuelle Befreiung als Politikum etc.pp. Damals skandalträchtig wegen der vielen Nackt- und Kopulationsszenen, ist der Film heute vor allem charmant durch die Hauptdarstellerin, die in den ganzen Umbruch die menschliche Dimension hereinträgt. Was wiederum auch die Kritik an dem Film ist – als Motivation für ihren Ausbruchsversuch wird ihr Ungenügen an sich selbst herausgestellt.

#24 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:14

Woody Allen – Annie Hall (Der Stadtneurotiker) USA 1977

Immer noch einer seiner besten, so unglaublich hart an der Realität, so ehrlich, dass einem ganz komisch wird und mit soviel Charme und wunderbaren Gags, die einem mittlerweile so vertraut sind, weil man sie schon aufgenommen hat in seinen eigenen Sprachgebrauch, von denen man aber zwischenzeitlich vergessen hatte, dass sie Zitate sind.

Woody Allen – Match Point GB/USA 2005

Ich bin völlig überrascht von dieser formalen und dramaturgischen Dichte mit der hier Allen eine Geschichte entfaltet, die einen am Ende immer tiefer in den Kinosessel drückt. Hab sogar ein wenig geklatscht.
Grob und zugleich subtil wird der Zuschauer, der genötigt ist, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren, in eine Geschichte hineingezogen, die als Upper-class-Komödie beginnt, dann in ein Drama abgleitet und am Schluss in einen Thriller mündet. Und trotz allem freut man sich am Ende über das Glück, das dem „Helden“ widerfährt und ist ein wenig von sich selbst angewidert.
Scarlett Johansson spielt die Rolle der zunächst verwöhnten, vulgärerotischen Neureichen und der später ganz normalen amerikanischen Göre aus Alkoholiker-Haushalt hervorragend, Jonathan Rhys-Meyers ist sehr gut, sein Spiel weckt zugleich Sympathie als auch Abgestoßen-Sein.
Allen hat mit diesem Film bewiesen, dass er es ebenfalls beherrscht, eine ganz andere Art Film zu machen. Wenn er diesen Weg weiter verfolgt, möchte man fast von einer zweiten Karriere sprechen, zumindest von einer neuen Schaffensperiode. So viel Zurückhaltung und brutale Subtilität hätte ich ihm nicht zugetraut (auch wenn er natürlich vorher großartige – aber eben ganz andersartige – Filme gemacht hat). Ach, wie schön schrecklich amoralisch und rein zufällig ist doch die Welt!

#25 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:16

Charlie Chaplin – A king in New York USA 1957

Großartiger Film, mit einem unwiderstehlichen Chaplin, der aber auch höchst ambivalent mit schlüpfrigen Sprüchen und betont unpolitisch-politischen Gestus seinen König spielt. Fantastisch ist auch (s.a. The kid) der Junge, der mit marxistischen Wortkaskaden und viel altklugem Charme neben Chaplin brilliert. Toll sind auch die Pantomime-Einlagen im Restaurant, in denen Chaplin Kaviar und Turtlesoup mit Gesten darstellt / bestellt. Heftige Abrechnung mit USA und McCarthyismus auf höchstem komödiantischen Niveau.

#26 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:19

Andreas Dresen – Sommer vorm Balkon D 2005 (Nadja Uhl, Inka Friedrich)

Guter Film, der gekonnt Sozial-Realismus und Komödie vereint.
Am bemerkenswertesten sind die in die (Tragi-)Komödie eingebundenen Alten-Pflege-Szenen – selten wurde die Intimität pflegebedürftiger Menschen so unverkrampft ausgestellt - damit stellt sich aber auch so was wie eine voyeuristische Situation ein. Dies funktioniert aber durch den durchaus liebevollen Blick auf die Nöte alter Menschen gut; nur manchmal bekommt das Ganze einen schalen Geschmack, wenn z.B. eine vollgepisste Hose anscheinend nur zur Belustigung dient; ein schwieriges Sujet und die Aufarbeitung ist diskutierenswert. Es ist aber auf jeden Fall zu begrüßen, dass ein solches Thema auf diese leichte Weise überhaupt Eingang in einen Film findet.
Die Befindlichkeit von Menschen Ende Dreißig ist nun kein Sujet, das unterbelichtet wäre, aber Dresen schafft es auch hier Alltäglichkeit und existentielle Probleme auf leichtfüßige Weise zu inszenieren. Die beiden Hauptprotagonistinnen spielen gut, der Charakter des LKW-Fahrers ist indes ein wenig zu komödientypisch und deswegen zu flach gezeichnet (auch wenn es dort so etwas wie eine Entwicklung gibt). Warum Dresen allerdings einer der beiden Schauspielerinnen ständig ins Dekolletée filmen muss, ist nicht ganz nachzuvollziehen.
Insgesamt eine gute (Tragi-)Komödie, die manchmal zu sehr ins flache Genre abrutscht (s.a. die betont sommerliche und ziemlich schale Buena-Vista-Musik), aber auf jeden Fall Spaß macht – an Halbe Treppe kommt er aber nicht heran.

#27 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:21

Guiseppe Tornatore – Malèna I 2000 (Bellucci)

Auch wenn der Film nur realistische Verhältnisse abbilden wollte, ist es fast unerträglich der machistisch-chauvinistisch-sexistischen Gesellschaft einer kleinen italienischen Stadt über eine ganze Filmlänge beizuwohnen.
Die Geschichte der durch die Gesellschaft gesteuerten Entwicklung einer Frau vom Objekt der Begierde einer ganzen Stadt zur geprügelten und gehassten Prostituierten mag erschütternd sein. Was aber problematisch ist, dass die Protagonistin immer nur Objekt bleibt und dadurch verrät, dass Tornatore eigentlich selbst von diesem chauvinistischen Weltbild geprägt ist. Er erzählt die (autobiographisch inspirierte?) Geschichte aus der Perspektive eines Jungen, der nur Mitleid für die Frau hat, weil er sie begehrt - man beachte im übrigen, dass die ausgestoßene Malèna erst als geläuterte und ordentliche Ehefrau wieder in die Gemeinschaft integriert wird – nur Abbildung italienischer Realität oder Ausdruck Tornatores Weltbild!?

#28 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:22

Charlie Chaplin – The great dictator USA 1940 (Paulette Goddard, Jack Oakie)

Absolut großartiger, völlig einzigartiger Film, der einen Zweikampf der realen Personen Charlie Chaplin und Adolf Hitler inszeniert und gleichzeitig von der individuellen Ebene abstrahiert und das humanistische dem menschenverachtenden Weltbild gegenüberstellt.
Durch die wunderbar groteske Darstellung Chaplins als Hinkel wird Hitler zur lächerlichen Figur (die er ja eigentlich war) runtergestutzt, hierdurch aber auch verharmlost (zu dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Films – 1939 – war das Ausmaß der Gräueltaten noch nicht abzusehen und Chaplin sagte später, dass er in Kenntnis dieser Taten den Film nicht gemacht hätte).
Was der Film aber den Nachgeborenen unbestreitbar vor Augen führt, ist die völlige Normalität einer liberalen und zutiefst humanistischen Einstellung zu der Zeit, als die Generation unserer Großeltern ein Regime zuließen und unterstützten, das menschenverachtender nicht sein kann. Der Versuch heute unmöglich verstandene Gesinnung irgendwie zu verstehen oder nach zu vollziehen, um auch den Menschen und ihrer Zeit gerecht zu werden und nicht ohne ein gewisses Maß an Empathie den Großeltern entgegen zu treten, wird durch diesen Film erschüttert. Sieht man die warmherzige und leidenschaftliche Verteidigung der Menschenwürde in jeder Szene, will sich noch nicht mal ein Funken Verständnis durch Einbezug von Zeitumständen etc. für Duckmäusertum, stillem Protest oder sonst einer feigen Ausrede einstellen.
Es gibt in diesem Film so viel schöne Szenen, die einen tief berühren und gleichzeitig zum Lachen wie zum Schlucken bringen, dass es schwer fällt, sie alle aufzuzählen: Die genialen Hitler-als-Redner-Imitationen, der Tanz mit der Weltkugel, Chaplins Rede am Schluß, die Duelle zwischen Hinkel und Napoloni (der ebenso geniale Jack Oakie als Mussolini), die fantastische Rasiermesser-Walzer-Choreographie und und und.
Neben Lubitschs To be or not to be einer der besten Beiträge Hollywoods – nein, des Kinos überhaupt – zur Menschheits-Bildung. Chaplin war wirklich genial, auch wenn er so unverblümt didaktisch daherkommt wie hier.

#29 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:24

Norman Foster – Journey into fear (Von Agenten gejagt) USA 1943 (Welles, Joseph Cotten, Dolores del Rio)

Ein Mittelklasse- film noir- Thriller, der vom einfach gestrickten Drehbuch her ganz dem Genre verpflichtet ist, aber auch ein paar leichtfüßige, misogyne Späße à la Hollywood einbaut. Offensichtlich mit geringem Budget und nicht an Originalschauplätzen produziert und ganz auf die Geschichte konzentriert, kriegt man nicht viel von der Atmosphäre eines Istanbul, eines Folklore-Frachtschiffs oder dem Schwarzen Meer mit. Ganz B-movie noir eben. Viel Nacht inklusive Showdown mit Gewitter & strömenden Regen, einem türkischen Geheimpolizei-Chef Haki (Welles) mitsamt Trunksucht und Nachtclub inklusive Animierdamen, einem nur scheinbar unbescholtenen amerikanischen Ingenieur (Cotten) und einem Haufen zwielichtiger Türken und deutscher Nazis. Manchmal wirkt der Film noch zusätzlich etwas arg ökonomisch zusammengeschnitten (Gesamtlänge 69min), die Einstellung, wenn Cotten das Schiff verlässt, ist aber schön expressionistisch/film noir. Der Film wäre vielleicht interessant gewesen, hätte Welles Regie geführt, so wie es eigentlich vorgesehen war.

#30 Neuschnee

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Geschrieben 14. August 2008, 14:24

Ruthie Shatz & Adi Barash – Garden ISR 2003 (Dudo, Nino)

Sehr guter Dokumentarfilm über zwei Strichjungen in dem „The Garden“ genannten Stadtteil Tel-Avivs. Das Kamerateam begleitete die Jungen – den 17jährigen Palästinenser Nino und den 18jährigen Israelo-Araber Dudo – über ein Jahr, z.T. versteckt zusammen mit Freiern, mit Strassenarbeitern usw. Sehr beeindruckend die seltsam unwirkliche Atmosphäre Tel-Avivs und die Hauptprotagonisten der Doku, die zwischen Selbstinszenierung und Objekt des Voyeurismus sehr sympathisch rüberkommen. Eine der besten Dokus, die ich bisher gesehen habe.





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