Vorstadtkrokodile
Deutschland 1977 / Wolfgang Becker
vs.
Vorstadtkrokodile
Deutschland 2009 / Christian Ditter
Das aktuelle Jugendprogramm war es, das mich in letzter Konsequenz dazu brachte – wenn vorerst auch nur in begrenzt temporärer Form – das SchischamaxX für eine Sondervorstellung der 77er Originalfassung der VORSTADKROKODILE seine Pforten öffnen zu lassen. Nach einer nachmittäglichen Schwimmbad-Vorführung der Neuauflage, drängte sich mir der 1:1 Vergleich der Max von der Grün Verfilmungen geradezu auf. Und -dazu braucht es keinen Propheten- das Duell ging mit haushohem Sieg an die alteingesessenen Bonanzarad-Rocker um Maria, Hannes, Kurt, Olaf, Willi, Otto, Frank, Theo und Theos kleiner Schwester.
Kai (in der Urfassung Kurt) ein an den Rollstuhl gefesselter Junge, beobachtet von seinem Fenster aus wie das, in einer alten Ziegelei stattfindende, Aufnahmeritual einer Lausbubenbande – den namensgebenden Krokodilen – beinahe in die Hose geht. Gerade als das neuste Mitglied Hannes kurz davor ist vom Dach des baufälligen Gebäudes zu stürzen, rettet ihn Kai mit einem Anruf bei der Feuerwehr. Seine Neugier ist geweckt und Kai selbst legt fortan alles daran Mitglied der Krokodile zu werden. Das führt, ob der Behinderung des jungen Burschen, zu einigen Reibereien innerhalb der Bande. Dem nicht genug, haben die jungen Draufgänger – und Draufgängerinnen – auch noch alle Arbeit damit, einer bösen Verbrecherbande das Handwerk zu legen.
Die 2009er Neuauflage der Geschichte macht in ihrem gegebenen Rahmen – eben ein Jugendfilm zu sein – prinzipiell alles richtig. Die Darsteller wurden allesamt mit Bedacht ausgewählt und verleihen dem Film sogar einen gewissen Tiefgang. Alles ist spannend, modern und gefällt dem Publikum bis 15 Jahre bestens. Der Urfan (zu denen ich mich bekenne und zähle) erfreut sich über den kauzigen Semmelrogge, der hier die Rolle seines Vaters aus dem Original übernimmt und traut seinen Ohren nicht, wenn der original Titelsong von
El Pasador aufgespielt wird, der anno 1977 sogar zu einem beachtlichen Hitparadenerfolg wurde. Soundmäßig hat die Neuauflage dann aber auch schon alle Punkte verspielt, denn wo sich im Original noch Größen wie Supertramp, Deep Purple und Alan Parsons Projekt tummeln, jammern uns die präpubertierenden Jungs von Apollo 3 etwas von
Superhelden um die Ohren. Das führt dann auch zu einem der grundsätzlichsten Probleme, welches man als gereifter Zuseher mit der 2009er Fassung hat. Obwohl beide Filme primär für ein jugendliches Publikum gedacht sind, gibt sich die 77er Fassung deutlich erwachsener und wo die Neuauflage weitestgehend Spaßabenteuer bleibt, präsentiert sich die Urfassung als reifes Sozialdrama der Arbeiterschicht, das auch unbequeme Themen nicht ausspart.
Dazu erfreut man sich dann auch in gesteigertem Maße an der ungeschliffenen Rotzigkeit der damals direkt von der Strasse weggecasteten Jungdarsteller und dem Wiedersehen mit gestandenen Größen wie Eberard Feik, Marie-Luise Marjan und – natürlich – einem Martin Semmelrogge, der in so unvergleichlicher Weise das Arschloch Egon gibt. Eine Figur, die Zeit meines Lebens immer mit einigem Unbehagen verbunden beiben wird. Toll auch die junge Birgit Komanns, die perfekt in die Rolle des behinderten Kurt passt und die – um der Bubenrolle gerecht zu werden – nachträglich von Oliver Rohrbeck synchronisiert wurde. Der nostalgisch verklärte Blick – ich gebe es freimütig zu – tut dann noch sein Übriges, um die originalen VORSTADTKROKODILE auch 32 Jahre nach ihrer Entstehung unangefochten auf dem Tron deutscher Jungendverfilmungen – hier höchstens noch zusammen mit der GROßEN FLATTER - thronen zu lassen.
"Wir sind die Krokodile, die Vorstadtkrokodile!"
Bearbeitet von Funxton, 08. August 2009, 09:07.