In meinem Herzen haben viele Filme Platz
#1891
Geschrieben 15. August 2009, 07:02
Sole Survivor (Nur Tote überleben) ~ USA 1983
Directed By: Thom Eberhardt
Die Werbefachfrau Denise Watson (Anita Skinner) überlebt als einzige einen Flugzeugabsturz. Abgesehen von ihren Schuldgefühlen gegenüber den zahlreichen Opfern weitestgehend wiederhergestellt und frisch verliebt in ihren behandelnden Arzt (Kurt Johnson), sieht sie direkt nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus überall seltsame Gestalten. Jene stehen zunächst nur scheinbar unbeteiligt in der Gegend herum und begnügen sich damit, Denise Angst zu machen. Schon bald darauf belassen sie es jedoch nicht länger bei ihrer Passivität. Weiß die für psychotisch erklärte, abgehalfterte Schauspielerin Karla Davis (Caren Larkley) mehr?
Kleiner, durchaus passabler Gruselfilm, der sich, rein zeitkontextuell betrachtet, wohltuend von dem damals vorherrschenden Slashereinerlei abhebt. Regisseur und Autor Eberhardt ließ sich ein paar effektvolle Wendungen einfallen, um seinem unabhängig produzierten Debüt einen adäquaten Wirkungsgrad zu verleihen und antizipierte bereits damals - bloß sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit - Ideen, die erst 15 Jahre später großflächig von der Genreindustrie etabliert und zu globaler Popularität geführt werden sollten. Allerdings fehlt es "Sole Survivor" zum echten Klassiker schlicht an der notwendigen, technischen Professionalität. Ein spannendes Thema allein macht noch keinen wirklich großartigen Film, dazu bedarf es dann schon noch gewisser Geschicklichkeiten in der Ausführung. Jene gehen Eberhardt und seinen Mitarbeitern zumeist spürbar ab. "Sole Survivor" kann seine B-Herkunft der guten Ansätze zum Trotze nie verleugnen. Dafür ist er innerhalb seiner eigenen Bande aber etwas Besonderes, und das sollte primär zählen.
6/10
#1892
Geschrieben 15. August 2009, 07:20
Nightmare Beach ~ I 1988
Directed By: Umberto Lenzi
Der diesjährige Spring Break in Florida wird überschattet von: Der verschwundenen Leiche eines hingerichteten Mörders (Tony Bolano), einer mit ihm verbandelten Rockerbande, einem irren Motorrad-Mörder mit eingebauter Starkstromapparatur auf seinem Ofen, einem geldgeilen Bürgermeister (Fred Buck), der alles unter den Tisch kehrt, um sich nicht das Geschäft zu vermasseln, einem übereifrigen Polizisten (John Saxon), einem versoffenen Arzt (Michael Parks), einem Pfaffen (Lance LeGault), der die Seele jedes verkommenen Mädchens in Hotpants retten möchte und schließlich den zwei Kumpels Skip (Nicolas De Toth) und Ronnie (Rawley Valverde), die sich die Superparty etwas anders vorgestellt haben.
Denkt man an seine Poliziotti aus den goldenen Siebzigern, muss man Lenzi zwangsläufig mentale Vorverwesung attestieren angesichts der Spaßgurke "Nightmare Beach". Der Film ist zwar superlustig und erfüllt damit die wichtigste aller theatralischen Missionen, nämlich die, sein Publikum zum Lachen zu bringen, man darf aber guten Gewissens annehmen, dass ebenjener Humor auf blanker Unschuld beruht. Durchweg alles an dem Film ist grandios misslungen, angefangen bei der seelenlos aufschlagenden Schauspieler-Staffage, die selbst mit den sonst recht spielfreudigen Saxon und Parks nur zwei weitere Schießbudenfiguren auffährt, über den nervig-identitätslosen Haarspray-Hardrock, der den Soundtrack dauerbeschallt bis hin zu den hechelnd eingefangenen Miss-Wet-T-Shirt-Contests. Balla-Balla, Kopp kaputt. Allenthalben eingestreut ein paar sich wohltuend abhebende, sadistische Goreeffekte, die unser Zuschauer unweigerlichen Aggressionsaufbau gleich wieder auf ein gesundes Maß zügeln und damit goldrichtig platziert sind. Immerhin darin ist Lenzi ein Virtuose. Der Rest ist Lärm.
4/10
#1893
Geschrieben 15. August 2009, 07:48
Bolero (Ekstase) ~ USA 1984
Directed By: John Derek
Europa, zwanziger Jahre: Die amerikanische Millionenerbin Lida McGillivary (Bo Derek), genannt Mac, und ihre Freundin Catalina (Ana Obrégon) haben soeben an einem kostspieligen englischen College graduiert und wollen sich nun ganz dem gezielten Verlust der Unschuld widmen. Als Anstandsdame ist noch Macs Chauffeur Cotton (George Kennedy) dabei. Mac möchte unbedingt einen Scheich für die ehrenvolle Entjungferungs-Mission, findet in Marokko jedoch nur einen Opiumquarzer (Greg Bensen), der im entscheidenden Moment selig entschlummert. Zurück übers Mittelmeer verkuckt sie sich in den Matador Angel (Andrea Occhipinti), lässt sich von ihm in wildem Ritual das Hymen durchstoßen ("I'm a woman now!") und hegt schon Heiratsgedanken, da macht ein wilder Stier die testikulären Voraussetzungen für eine glückliche Ehe vorerst zunichte. Gelegenheit für Mac, durch allerlei Blankziehereien ihren Spanier wieder auf Kurs zu bringen.
"Ecstasy" wird nicht mit 'x' geschrieben. Für seinen nächsten Erotiklumpen nach dem von mir ja geschätzten "Tarzan, the Ape Man", der natürlich wiederum nichts anderes werden konnte, als eine Plattform für sein damals von der Welt begeifertes, nur halb so altes Weib, ging John Derek zu Cannon, die damals wirklich alles unter Vertrag zu nehmen schienen. Mit "Bolero", der Titel spielt natürlich auf Ravels Stück an, das durch Blake Edwards' "10" und die entsprechende Szene mit Bo Derek gigantische Berühmtheit erlangte sowie auf die lustige hermeneutische Parallele zu dem Namen der Aktrice, blies man dort mächtig Zucker in eine riesige Seifenblase. Hier war er, der definitive Film mit dem gewissen Nichts. Aufgrund seiner Ereignisarmut unter Drogeneinfluss vermutlich hervorragend anzuschauen, präsentiert "Bolero" eine Abfolge von Unwesentlichem und steht damit in der Tradition all jener geschmäcklerisch arrangierten Erotikklassiker von "Emanuelle" bis Hamilton, die es jeweils vortrefflich verstanden, die Entkleidungsszenen ihrer Darstellerinnen in neblige Weichzeichnerszenarien und historische und/oder exotische Interieurs zu hüllen. John Derek fällt dazu noch dem tragischen Irrglauben anheim, witzig zu sein, womit und worin er natürlich völlig danebenlangt. "Tarzan" verfügte immerhin über eine - wenn auch hauchdünne - Geschichte und den phantastischen Richard Harris. "Bolero" hat nur noch die nackelige Bo. Wobei... ist das denn eigentlich ein Mangel?
4/10
#1894
Geschrieben 16. August 2009, 18:02
Malibu Express ~ USA 1985
Directed By: Andy Sidaris
Millionärssohn Cody Abilene (Darby Hinton) kann es sich leisten, sein Hobby zum Beruf zu machen. Er ist nämlich Privatdetektiv, sieht unverschämt gut aus und kriegt jede Frau, die in seiner Windrichtung steht, sofort in die Kiste. Sein neuester Auftrag, gestellt von einer überaus attraktiven Comtessa (Sybil Danning), führt ihn in die verwinkelten Räume eines Herrenhauses und bald auch zu Erpressung und Mord.
Mit "Malibu Express" hatte Testosteron-Regisseur Sidaris offenbar im Sinn, seinen persönlichen "Big Sleep" abzuliefern. Die Story jedenfalls ist noch konfuser als bei Hawks und Brackett und zieht sich ausschließlich an den für Sidaris bekannten Äußerlichkeiten entlang, ergo Brüsten, Autos, Waffen, Bodybuildern, schicken Urlaubsmotiven und Brüsten. Im Film gibt es nur eine Frau (Niki Dantine), die wohl aufgrund ihrer beginnenden Betagtheit nicht ihr Oberteil lüftet, dafür jedoch ein lustiges Bösewichtetrio und auch ein lustiges Trashfamilientrio ("Oh nein, nicht die schon wieder!"), die Cody ständig zum Rennenfahren nötigen. Beknackter geht's nimmer. Oder doch? Sidaris wusste bei seinen 'films for boys' stets genau, was er tat und ließ mit unbedingtem Vorsatz den schlechten Witz triumphieren. Möge man ihm das nachsehen. Oder zugestehen.
4/10
#1895
Geschrieben 16. August 2009, 18:39
The Thing (Das Ding aus einer anderen Welt) ~ USA 1982
Directed By: John Carpenter
In der Antarktis stößt eine zwölfköpfige amerikanische Forscherstation auf ein Alien, das bereits einen benachbarten norwegischen Stützpunkt überfallen hat und die Fähigkeit besitzt, mit nur einer Zelle seiner Gestalt einen Fremdkörper zu inkubieren, beliebig von innen heraus umzuformen und schließlich zu assimilieren. Nachdem sich das "Ding" in Gestalt eines Huskys bei den Amerikanern eingenistet hat, beginnt es sukzessive, die Männer zu dezimieren.
Für seinen ersten Majorfilm konnte Carpenter sogleich mit einem deutlich höheren Budget haushalten als gewohnt (und handhabte diese Situation souverän), wobei seine finanziellen Verfügungen sich seit seinem Debüt "Dark Star" ohnehin jeweils vervielfacht hatten. "The Thing" ist eine Neuverfilmung der Campbell-Story "Who Goes There?", die Carpenters großes Idol Howard Hawks mit seinem Cutter Christian Nyby als Regisseur bereits rund 30 Jahre zuvor adaptiert hatte und repräsentiert den seltenen Fall, innerhalb dessen eine Zweitverwertung ihr Vorbild an Reife, Kraft und Qualität in den Schatten stellt. Das "Original" nahm als für ihre Zeit typisches, phantastisches B-Kino die politischen Implikationen amerikanischer Kalter-Kriegs-Paranoia vorweg, wie sie in den Fünfzigern dann noch zuhauf ihren Weg in den Film finden sollten. Damit gibt sich Carpenter nicht mehr ab. Er verschanzt sich zur Gänze in eine bedrohte Lauerstellung und führt seinem Publikum, repräsentiert durch den Filmhelden MacReady (Carpenters Leibakteur Kurt Russell), eindrucksvoll die Ungewissheit vor Augen und Ohren, die sich angesichts der Praxis des Aliens, sich fremde Körper anzueignen, einstellt. Man kann niemanden mehr trauen, nichteinmal sich selbst. Dass Carpenter ein formaler Virtuose ist, hat er mit den vorhergehenden Filmen bereits eindrucksvoll bewiesen. "The Thing" brachte nochmal sämtliche seiner weiterentwickelten Stärken auf den Punkt und versetzte mit seinen noch immer unglaublichen Makeup-Eskapaden (Rob Bottin) Zuschauer wie Kritiker in teils empörte Reaktionen zwischen Erstaunen und Brechreiz. Der Film bedeutete für Carpenter schließlich zugleich Zenit und Fluch, denn mit dem "Selbstverkauf" an das Studiosystem begann auch der langwierige, vielfach unterbrochene Prozess des kreativen Burnout, der ja bedauerlicherweise bis heute andauert.
10/10
#1896
Geschrieben 19. August 2009, 14:25
The Swarm (Der tödliche Schwarm) ~ USA 1978
Directed By: Irwin Allen
Die afrikanische Killerbiene rüstet zum Großangriff auf den Süden der USA: Formiert zu einem gigantischen Schwarm löschen die kleinen Sauviecher eine Kleinstadt aus, lassen Züge entgleisen, Helikopter abstürzen, sorgen dafür, dass ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt und nehmen schließlich die Großstadt Houston in Beschlag. In einer Mischung aus Bewunderung und Ratlosigkeit hat der Entomologe Dr. Crane (Michael Caine) schließlich die rettende Idee.
Die Obsessionen des Irwin Allen. Der Produzent und Regisseur kann sich, abgesehen vielleicht von den Kreierern irgendwelcher Endzeitdramen, wohl des zweifelhaften Ruhmes erfreuen, in die Kinoannalen der Siebziger als größter Massenmörder von allen eingegangen zu sein. In seinen Filmen geht kaputt, was nicht niet- und nagelfest ist, stürzt zusammen, zerbricht, versinkt, verbrennt, explodiert alles von Gottes- und Menschenhand geschaffene in den Epizentren diverser Katastrophen. Die Welt der Cineasten ist sich jedoch bis heute eigenartig einig: Wo "The Poseidon Adventure" und "The Towering Inferno" nicht wenige Spannungsmeriten einfahren konnten und nachdrücklich demonstrierten, welch Spielball der Mensch in den imaginären Händen der Elemente ist, versagt "The Swarm" auf ganzer Linie. Ein B-Film mit dem miefigen Beigeschmack der Tierhorror-Ecke, dem einer Insekteninvasion noch dazu, das war nix und schon gar nix Neues mehr. Dabei ist das Basisrezept das übliche und bekannte - eine einmal mehr beispiellose Besetzung mit zahlreichen renommierten Hollywood-Rentnern, spektakuläre Schauwerte und der mit Abstand größte Bodycount aller Allen-Filme (allein nach dem "Zwischenfall" mit dem Kernkraftwerk ist die Rede von mehr als dreißigtausend Opfern), Katastrophenfilmtouristenherz, was willst du eigentlich mehr? Nun, das frage ich mich auch. Klar, der Film ist dramaturgisch kanonisch billig und doof bis hanebüchen dazu, aber das ist - Hand auf die Brust - eigentlich doch sowieso alles, was aus dieser Ecke stammt. Katastrophenfilme aus Tinseltown sind und waren stets Trashkino mit doppelter Edellackschicht, nie mehr. "The Swarm" besitzt wenigstens den Mut, zu seiner geistigen Schmalschultrigkeit zu stehen. Das Tollste ist, dass Michael Caine den ganzen Quatsch in vorderster Reihe mitmacht, als ginge es um den entkurvten Einzug in den Schauspielolymp und von den Killerbienen aus Afrika faselt wie von außrirdischen Invasoren im Miniformat, während man seinen Kollegen wie Henry Fonda oder Fred MacMurray wenigstens erste Stadien der Senilität unterstellen kann.
Zusammengefasst ein Riesenspaß, zu keiner Sekunde auch nur einen Hauch von langweilig.
5/10
#1897
Geschrieben 19. August 2009, 15:17
Tombstone ~ USA 1993
Directed By: George P. Cosmatos
Im Winter 1879 kommt Wyatt Earp (Kurt Russell), des Marshal-Daseins müde, in das Städtchen Tombstone um dort sein Glück als Croupier zu machen. Zusammen mit seinen Brüdern Virgil (Sam Elliott) und Morgan (Bill Paxton) und seinem alten, an Tuberkulose erkrankten Freund Doc Holliday (Val Kilmer) sonnt sich Wyatt in seinem Ruf als Pistolero, den man besser nicht herausfordert und fängt eine nachhaltige Fehde mit den "Cowboys" an, einer Gruppe Desperados, zu denen neben Curly Bill Brocious (Powers Boothe) und dem gefürchteten Johnny Ringo (Michael Biehn) auch Ike Clanton (Stephen Lang) und Billy Clanton (Thomas Haden Church) und die McLaury-Brüder Tom (John Philbin) und Frank (Robert Burke) gehören. Die Feindschaft der "Clans" gipfelt in der Schießerei am O.K. Corral und später in einer gegenseitigen Vendetta, bei der diverse Teilnehmer ihre Leben lassen.
Halbwegs historisch akkurate Aufarbeitung der Ereignisse zwischen 1879 und 1882, die die Earps und die anderen bewussten Familien in Tombstone in ihren Strudel rissen. Cosmatos legt deutlichen Wert auf ein gewises Maß an Authentizität (wobei bestimmte Ereignisse und Personen wie die Erschießung von Marshal White (Harry Carey jr.) oder die beiden weiteren Earp-Brüder James und Warren zeitlich gerafft bzw. komplett getilgt wurden), klar im Vordergrund steht jedoch der damals bereits anachronistische Wunsch nach einem dynamisch aufbereiteten Genrefilm, wie er um 93 und bis heute längst keine Selbstverständlichkeit ist. Seit "Dances With Wolves" gibt es im Schnitt einen wirklich bemerkenswerten Western jährlich - man vergleiche dieses Quantum nur mit den fünfziger und sechziger Jahren. Dennoch war die Earp-Biographie bzw. deren Ausriss eines der vielen unvorhersehbar "dual gehandhabten" Projekte dieser Zeit, die (genau wie Robin Hood oder Columbus) praktisch zeitgleich zwei Konkurrenzproduktionen hervorbrachten. In diesem Fall musste Lawrence Kasdan mit seinem "Wyatt Earp" sich als Ringgegner und großer Kassenverlierer geschlagen geben. Dessen überlanger, sich durchweg als Geschichtsstunde in Sachen Wildwest verstehender Film kostete fast dreimal soviel, spielte jedoch nur die Hälfte ein. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: "Tombstone" enthält sich jedweder Gefahrenzone der Schwerfälligkeit und setzt auf eine zeitgemäße Inszenierung, zudem hat er die deutlich interessantere Besetzung mit einem echten Aufgebot an Genrehelden. Wie in allen Wyatt Earp - Filmen bietet die Holliday-Rolle das größte Potenzial und wie stets beherbergt sie das größte darstellerische Talent. Val Kilmer setzt geradewegs die ikonische Transzendenz seines Parts als Jim Morrison in "The Doors" fort und legt den schwindsüchtigen Glücksspieler und Trinker als intellektuellen, einsamen Nihilisten an, dessen ausgedehnte Philosophie sich auf die Bereiche kurz vor der Todesschwelle beschränkt. "Tombstone" ist ein großer Film und ein erstklassiger Western, der seine wahre Bestimmung, nämlich die eines modernen Klassikers, unter den scharfen Blicken vergehender Jahre allerdings noch weiter manifestieren muss.
8/10
#1898
Geschrieben 19. August 2009, 19:11
The New Centurions (Polizeirevier Los Angeles-Ost) ~ USA 1972
Directed By: Richard Fleischer
Soeben von der Polizeiakademie entlassen, nimmt Officer Roy Fehler (Stacy Keach) den Streifendienst zusammen mit dem alten Hasen Kilvinski (George C. Scott) auf in East L.A., ethnischer Schmelztiegel und Hort von Nutten, Dealern, Schlägern, Psychopathen. Fehler lernt von Kilvinski den Job trotz aller Widrigkeiten zu lieben und ihn zur höchsten Erfüllung zu erklären, derweil seine Frau (Jane Alexander) sich völlig vernachlässigt fühlt. Nach Kilvinskis Pensionierung zeigt sich, dass mit dem Job auch sein Lebensinhalt verloren gegangen ist und Fehler steht bald so gut wie allein da.
Sehr intensives Porträt des Alltags kalifornischer Streifencops in Los Angeles, inspiriert von Joseph Wambaughs gleichnamigem Romandebüt. Von einer zutiefst menschlichen und warmherzigen Mentalität geprägt, lässt Fleischer mittels seiner porennahen Inszenierung den urbanen Alltag spürbar werden, demonstriert, wie sich der großstädtische Puls nach Einbruch der Dämmerung beschleunigt und dekonstruiert das in den Jahrzehnten zuvor mühevoll errichtete Heldenbild des Supermanns in Blau innerhalb seiner paar Minuten Laufzeit. "The New Centurions" ist auch ein hartes, desillusionierendes Werk, das jeden Hoffnungsschimmer fahren lässt angesichts einer vom Opportunismus vereinnahmten Welt. Der Film lässt offen, ob die Bemühungen der idealistischer Uniformierter letzten Endes der Redundanz zusprechen oder ob sie zumindest helfen, einen annehmbareren status quo zu gewährleisten. Egal, zu welcher Entscheidung man kommen mag - für die Gesetzesvertreter in ihrer Tretmühle macht es am Ende keinen Unterschied.
9/10
#1899
Geschrieben 19. August 2009, 19:25
Quiet Cool ~ USA 1986
Directed By: Clay Borris
NYPD-Cop Dylanne (James Remar) wird von seiner Ex-Freundin Katie (Daphne Ashbrook), die in einem kleinen Holzhüttendörfchen in den Bergen von North Carolina ein Krämerlädchen betreibt, zur Hilfe gerufen: Katies Bruder (Gregory Wagrowski), dessen Frau (Paulette Walsh) und ihr Sohn Joshua (Adam Coleman Howard) sind verschwunden. Tatsächlich wurden alle drei Opfer der örtlichen Marihuana-Mafia, die die gesamte Gegend kontrolliert und jeden in der Gegend im Sack hat. Joshua war zuvor Zeuge eines Mordes geworden und hat als einziger das darauffolgende Massaker an seiner Familie überlebt. Als Dylanne sich vor Ort ein Bild gemacht hat, trifft er im Wald auf den in Waffentechniken versierten Joshua und räumt zusammen mit ihm auf.
Hübscher kleiner Actionkracher aus den frühen Tagen von New Line, in dem auch sogleich auch ein Selbstzitat, das - natürlich - "A Nightmare On Elm Street" huldigt, Platz findet. In 80 Minuten Laufzeit macht der Film keine Gefangenen und lässt seine Rachegeschichte ähnlich pointiert und schmucklos vom Stapel wie ein Walter Hill seine Arbeiten - umso auffälliger die darstellerische Parallele zu Hill in der Person James Remars, hier ausnahmsweise auf der Seite des bzw. der Guten zu sehen, was angesichts der Fiesfressen der schmierigen Dopepflanzer jedoch gar nicht weiter auffällt. Remars Proletenblick mit heruntergezogenen Mundwinkeln ist ja unbezahlbar. Recht ungewöhnlich für einen Genrefilm dieser Tage gestaltet sich die nordamerikanische Waldkulisse als Substitut zur mittelamerikanischen oder südostasiatischen Flora, ansonsten gliedert sich "Quiet Cool", was die politische Unkorrektheit in Form rücksichtsloser Ausradierung des feindlichen Kroppzeugs anbelangt, nicht nur passgenau in den Kanon seines Jahrzehnts ein, sondern trägt diesen sogar uneingeschränkt mit.
6/10
#1900
Geschrieben 21. August 2009, 12:55
The Hill (Ein Haufen toller Hunde) ~ UK 1965
Directed By: Sidney Lumet
Sergeant Joe Roberts (Sean Connery) kommt während des Zweiten Weltkriegs in ein in Ägypten befindliches Disziplinierungslager für Soldaten der britischen Armee, die wegen an sich verschmerzbarer Delikte die unbedingte Subordination zur royalen Befehlsgewalt wiedererlernen sollen. Zusammen mit seinen Leidensgenossen McGrath (Jack Watson), King (Ossie Davis), Stevens (Alfred Lynch) und Bartlett (Roy Kinnear) wird Roberts, der zu Unrecht wegen Befehlsverweigerung und Feigheit vor dem Feind verurteilt wurdew, in eine Zelle gepfercht und von dem profilneurotischen Lagerverwalter Wilson (Harry Andrews) und seinem sadistischen Aufseher Williams (Ian Hendry) drangsaliert. Ein mitten auf dem Exerzierhof aufheschichteter Sandhügel, auf den die Gefangenen im Schnellmarsch hinauf- und hinuntergejagt werden, symbolisiert die ganze Unmenschlichkeit des militärischen Strafvollzugs. Stevens übersteht die Tortur nicht und Roberts und King wenden sich gegen die Kommandantur.
Wenn Lumet es auf die emotionale Involvierung seines Publikums anlegt, vollbringt er seine beeindruckensten Regieleistungen. Er besitzt das absolut treffsichere Talent, den Zuschauer vollkommen auf seine Seite zu ziehen und ihn mittels lückenloser Dichte in eine Position zu befördern, die beinahe im Leinwandgeschehen selbst liegt, um ihm so peu à peu die Kehle zuzuschnüren oder ihn Empörung, Wut, Hilflosigkeit bis zur Körperlichkeit spüren zu lassen. "The Hill" ist dafür das zu kürende Beispiel. Als Militärkritik im Allgemeinen und als solche an der steifen britischen im Besonderen ist der Grenzgang zwischen der Realität der kriegerischen Nebenkulisse und dem inhumanen Wahn, der sich dahinter verbirgt (und auf unglaublich pointierte Weise gezeichnet wird) ein derart schmaler, dass das Verschwimmen beider Seiten unabdingbar wird. Jeder einzelne der immerhin zehn vorgestellten Hauptfiguren wird minutiös vor dem Rezipienten ausgebreitet, aufgeschlagen wie ein Buch und so respektvoll wie bemitleidens- oder hassenswert, aber jederzeit motivatorisch nachvollziehbar charakterisiert. Besser kann starkes Erzählkino mit Botschaft nicht sein. In Wucht und Ergreifungsradius höchstens vergleichbar mit Kubricks "Paths Of Glory".
10/10
#1901
Geschrieben 22. August 2009, 08:49
Taken (96 Hours) ~ F 2008
Directed By: Pierre Morel
Als sich Kim (Maggie Grace), die bei Muttern (Famke Janssen) und reichem Stiefvater (Xander Berkeley) lebende, gerade 17-jährige Tochter des Ex-Elitespions Bryan Mills (Liam Neeson) einen Paris-Trip mit ihrer Freundin (Katie Cassidy) wünscht und die Einverständniserklärung des Papas braucht, lässt dieser sich nur widerwillig überreden. Es kommt, wie es kommen muss: Kaum in Orly gelandet, geraten die Mädels in die Fänge albanischer Menschenhändler. Bryan bekommt per Handy mit, was los ist, reist umgehend nach Paris und bringt die Hölle mit sich.
Ganz schön dumm, diese osteuropäischen Kriminellen, weiß doch jedes Kind, dass man von Töchtern, besonders amerikanischen, besser die Finger lässt, da die Chance, sich damit einen überbesorgten, väterlichen Einzelkämpfer um Todfeind zu machen, denkbar groß ist. Die Jungs haben offensichtlich noch nie "Commando" oder "Man On Fire" gesehen. Nun reiht sich also auch Oskar "Darkman" Schindler in die Reihe der grantigen Patriarchen ein. Jeder, der auch nur im Verdacht steht, dessen Töchterlein angefasst zu haben, endet mit quasi im Vorbeigehen gebrochenem Genick, eingeschlagenem Kehlkopf oder massig Blei im Wams. Eine so konsequent widermoralisch ausgespielte, reaktionäre Rachegeschichte hat es schon seit langer Zeit nicht mehr gegeben im Mainstreamkino. Die "Taken" zugrunde liegende kosmopolitische Sichtweise ist sicherlich nicht mal unrealistisch, dennoch stößt sie zuweilen unangenehm auf: Der üble (Straßen-)Abschaum kommt aus Albanien, die Gentlemangangster indes sind inländische Mitteleuropäer, angesehen sozialen Kreisen oder gar Regierungsämtern entstammend, der Endverbraucher ist ein fetter arabischer Scheich auf seiner Yacht im Seine-Hafen. Und das Beste: Hätte die unschuldige (und dass sie dies ist, wird extra und gesondert erwähnt; deswegen darf sie im Gegensatz zu ihrer Freundin auch bis zum Schluss überleben) Kim nur auf ihren Papa gehört, der die Schlechtigkeit der Welt doch zur Genüge kennt; zwar hätte sie sich mit dem Eiffelturm weiterhin als Postkartenansicht begnügen müssen, wäre dafür jedoch an Leib und Seele unversehrt geblieben - Väter, sperrt die Töchter ein, besonders, wenn es nach Europa geht. Dort warten schon die bösen und mafiösen Albaner (O.-Zitat: "Von denen hält sich selbst die Russenmafia fern")! Nun ja. Die formale Konsequenz des Films ist dennoch unwiderlegbar. In würziger Kürze beendet "Taken" jedes nervige Geplänkel (die zu Beginn ausgebreitete, angestrengte Vater-Tochter-Exfrau-Triangel ist biederstes Westentaschendrama) in Minute 35. Danach geht's bis zum Schluss zur Sache und bleibt dabei. Von neumodischen Shuttereffekten und CGI-Blut ließ Morel weitestgehend die Finger und so darf man "Taken" durchaus als "old school" bezeichnen. Gutes Action-Fast-Food demnach, an dem jeder weiterführende Gedanke allerdings als überflüssig abprallt. Immerhin: Die Videoabende für Ballertrash im großen Stil bekommen nach und nach wieder Fleisch.
6/10
#1902
Geschrieben 22. August 2009, 09:40
The Last Frontier (Draußen wartet der Tod) ~ USA 1955
Directed By: Anthony Mann
Während des Sezessionskriegs müssen auch die Forts an den äußeren Westgrenzen des Landes gehalten werden. Dafür zuständig sind vornehmlich Offiziere und Privates aus der zweiten und dritten Reihe, die am Antietam und in Gettysburg aufgrund individueller Schwächen nichts zu suchen haben. Der als "Schlächter von Shiloh" in Ungnade gefallene Colonel Marston (Robert Preston) hat bereits zwei Außenposten an die Indianer verloren, einen davon, eben Fort Shiloh, durch die eigene strategische Unfähigkeit. Zur selben Zeit heuern die drei Trapper Jed Cooper (Victor Mature), Gus (James Whitmore) und Mungo (Pat Hogan) bei der Kavallerie als Scouts an. Ihren anfänglichen Wunsch nach einem eigenen Status als 'Blaurock' büßen sie ganz schnell wieder ein, als sie bemerken, dass die Steifheit und Disziplin der Armee mit dem Verlust persönlicher Freiheit gleichzusetzen ist. Als Jed sich in Corinna (Anne Bancroft), die Frau des Colonels verliebt, die sich ihrerseits selbst längst von ihrem Gatten abgewandt hat, wird zusätzliches Öl in das streitbare Feuer zwischen dem uniformierten Profilneurotiker und dem Waldläufer gegossen.
Vielleicht der schönste Western Anthony Manns ohne James Stewart, ein poetisches Gemälde, ungeheuer militär- und obrigkeitskritisch, ein Monument für die Freiheit des Individuums, beinahe pro-anarchistisch - bis hin zum unerklärlichen, finalen Einbruch. Doch der Reihe nach: "The Last Frontier", im US-TV unter dem mindestens ebenso passenden Titel "Savage Wilderness" gelaufen, ist nach "The Man From Laramie" der zweite Scope-Film Manns, der für seine Naturschauplätze (vermutlich Oregon oder Nebraska) kein anderes Format zulässt. Alles lebt und existiert im Einklang, Berge, Gewässer, Wälder, Indianer und selbst die umherziehenden Trapper. Erst die Armee, die uniformierte Zivilisation, bringt die Dinge aus dem Gleichgewicht, begleitet von Tod, Verderben, Umweltzerstörung. Um über den nahenden Winter zu kommen, müssen Jed Cooper und seine zwei Freunde, die ihre Jahresausbeute an Häuptling Red Clous haben abtreten müssen, weil dieser seit der Grenzausweitung alle Weißen hasst, sich als Scouts verdingen. Doch selbst die dafür nötige Disziplin sind sie nicht bereit aufzubringen. Jed, der bekennende Analphabet in Lederkluft, torkelt mehrmals volltrunken durch das nächtliche Fort, singt und gröhlt, schlägt Wachtposten k.o. und belästigt die unterkühlte Corinna. Höhepunkt seiner Aktion ist eine im Suff vollzogene, leidenschaftliche versuchte Aufwiegelung der versammelten Soldaten gegen die irrsinnigen Attackierungspläne Colonel Marstons Die Kavalleristen hassen Cooper, er symbolisiert für sie den Antipoden all dessen, was ihr Dasein definiert. Dennoch entpuppt er sich als der gescheiteste Mann im Fort, der als einziger den Überblick behält. Von Marston über einen Mittelsmann erfolgreich provoziert und daraufhin zum Tode verurteilt, holt Cooper am Ende die Kastanien aus dem Feuer und wird zur Belohnung zum Armeeoffizier ernannt. Dieser absolut widersinnige, vollends diametral zu dem gesamten zuvor vermittelten Gedankengut stehende Schluss, steht im schlechten Ruf als Mann von der Columbia aufgezwungenes Finale und zerschießt alles, was der Film zuvor so aufrichtig und lustvoll am Militarismus denunziert hat. Ein passende(re)s Ende, und der Film könnte die Speerspitze in Manns Schaffen markieren. Bezeichnenderweise endete danach die kurze Zusammenarbeit mit der Columbia.
9/10
#1903
Geschrieben 23. August 2009, 09:49
Transsiberian ~ UK/E/D/LT 2008
Directed By: Brad Anderson
Das junge amerikanische Ehepaar Jessie (Emily Mortimer) und Roy (Woody Harrelson) reist mit der transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau. Im Zug lernen sie ein anderes Paar, Abby (Kate Mara) und Carlos (Eduardo Noriega) kennen. Carlos ist, natürlich ohne sich erkennen zu geben, als Drogenkurier unterwegs und becirct nebenbei Jessie, die sich seinen Avancen ihrerseits nur schwer entziehen kann. In einer für Carlos günstigen Situation kommt es schließlich zu einer nachhaltigen Katastrophe, die das spätere Auftauchen zweier russischer Polizisten (Ben kingsley, Thomas Kretschmann) nicht eben vereinfacht.
Andersons jüngster Film fällt in jene Qualitätskategorie, die man landläufig mit dem vielsagenden Prädikat "gut, aber nicht weltbewegend" abzustempeln geneigt ist. Gemessen an den durchaus packenden anderen beiden Filmen, die ich von ihm kenne, ist mir das eigentlich ein bisschen zu wenig. "Transsiberian" scheint anfänglich etwas unentschlossen zwischen Thirtysomething-Beziehungsdrama und Hitchcock-Hommage umherzupendeln, wobei die letztliche Gewichtung deutlich auf letzterer liegt. So kann man glauben, die Spannung sich langsam steigern zu spüren, andererseits sind die narrativen Mechanismen, mit denen Anderson diesen Effekt verfolgt, nur allzu transparent. Wenn überhaupt sticht "Transsiberian" als Regiefilm hervor, denn dort liegt Andersons primäre Stärke. Die innere Disparität der sich schuldig machenden Jessie inmitten der sibirischen Minusgrade bildhaft nachvollziehbar werden zu lassen - darin punktet er, da ist der Film sehr gut geölt. Ben Kingsley, den ich sehr mag, braucht naturgemäß nicht angezweifelt zu werden. Ansonsten wohl kein Werk für die Ewigkeit.
6/10
#1904
Geschrieben 23. August 2009, 10:15
Paradise Alley (Vorhof zum Paradies) ~ USA 1978
Directed By: Sylvester Stallone
Hell's Kitchen, 1946: Die drei italienischstämmigen Brüder Cosmo (Sylvester Stallone), Victor (Lee Canalito) und Lenny (Armand Assante) träumen vom großen Reichtum. Cosmo schlägt sich mit kindischen Betteleien durch, Victor liefert Eis und Lenny, just als versehter Kriegsveteran zurückgekehrt, arbeitet als Leichenbestatter. Cosmo kommt auf die gloriose Idee, den nicht allzu cleveren, aber bärenstarken Victor als Catcher in den Ring zu stellen und damit eine Stange Geld zu machen. Lenny, der anfänglich noch dagegen ist, entwickelt sich derweil als Victors Manager nach und nach zum eiskalten Opportunisten.
Stallones Regiedebüt entstand auf dem Höhepunkt seines feuilletonistischen Renommees. "Rocky" war noch in aller Munde und mit Jewisons "F.I.S.T.", in dem Stallone als Jimmy-Hoffa-Verschnitt aufgetreten war, hatte er bereits Erfahrungen in Bezug auf period pieces gesammelt. Gute Voraussetzungen an sich für "Paradise Alley". Als Milieuschilderung beweist dieser dann auch Stärken, die er in seiner Charakterzeichnung allerdings nicht einlösen kann. Wenn László Kovács, der bereits ebenfalls als d.p. für "F.I.S.T." tätig gewesen war, die winterlichen, dampfenden Bilder der heruntergekommenen Manhattener East Side in Weichzeichneroptik einfängt, dann kommt jene authentische Atmosphäre zum Tragen, die für einen Film wie "Paradise Alley" überlebenswichtig ist. In den ersten zwei Dritteln ist das brüderliche Gefüge der drei Carbonis dann auch in recht glaubhaften Bahnen präsent, Nebencharaktere wie der depressive Ringer Big Glory (Frank McRae) binden sich nahtlos in den Figurenkosmos ein. Gegen Ende dann will Stallone, analog zu seinem Filmcharakter, aber zuviel, muss auf Teufel komm' raus Konflikte in die Story einbinden, die dann als lose Enden liegen bleiben und urplötzlich keiner Lösung mehr bedürfen, weil der vorhergesehene dramatische Abschluss ausbleibt und sich alles einer märchenhaften Gewinnerposse fügt. Das schmeckt nicht sonderlich stimmig und dem zumindest intendierten, glücksbeladenen Entlassen aus dem Film zum Trotze kann man das unweigerliche Gefühl nicht abschütteln, etwas Unfertiges gesehen zu haben. Vielleicht war es der fehlende Mut zur Tragödie und zum finalen Scheitern, der Stallones Autorenkarriere damals den Saft abgedreht hat. Möge sich sein gegenwärtiges Comeback langfristiger gestalten.
5/10
#1905
Geschrieben 23. August 2009, 10:42
Friday The 13th (Freitag, der 13.) ~ USA 2009
Directed By: Marcus Nispel
Clays (Jared Padalecki) Schwester Whitney (Amanda Righetti) ist in der Nähe des Crystal Lake verschwunden. Auf der Suche nach ihr stößt Clay auf eine Truppe Kids, die in der Gegend ihre Wochenendunterhaltung zu gestalten suchen, da die reichen Eltern von einem der Jungs (Travis Van Winkle) dort ein ausgesprochen großzügig eingerichtetes Ferienhaus besitzen. Was keiner der jungen Schönen weiß: In der Gegend treibt der blutrünstige Killer Jason Voorhees (Derek Mars) sein Unwesen, dessen Mutter (Nana Visitor) einst ihren etwas wackligen Rachefeldzug unterbrochen sah, weil sie selbst enthauptet wurde.
Man tut gut daran, wie ich selbst nicht mehr Erwartungen an Nispels Pseudo-Remake zu stellen als an jedes andere x-beliebige "Friday"-Sequel zuvor. Anders als Rob Zombie mit seinem "Halloween" zeigt der gebürtige Frankfurter keinerlei Ambitionen, das Franchise neu zu erfinden oder ihm gar einen differenten Atem einzuhauchen; alles bleibt bekannt, alles bleibt gleich. Das wird sicherlich auch mit der Eindimensionalität der Jason-Figur zusammenhängen, die ein eingehenderes psychologisches Schema gar nicht erst zulässt. Jason war eben stets der umwegloseste unter allen Schlitzern seiner Zunft. Doch ist auch dieser Ansatz letztlich brauchbar, denn das in Sachen Mr. Voorhees geübte Auge findet seine alle paar Jahre erwünschte Blutreinigung. Da die Reihe noch nie an chronologischer Einheitlichkeit oder gar Logik interessiert war, fällt im Prinzip auch der aktuelle Film nicht aus dem narratologischen Rahmen. Man muss sich, analog zu dem waghalsigen, vor elf Jahren vollführten "Halloween"-Jump durch "H2O" einfach vorstellen, sämtliche "Friday"-Filme nach Steve Miners zweitem Teil habe es nicht gegeben bzw. ihre Inhalte seien mittels Gehirnwäsche o.ä. aus den Köpfen der Menschen innerhalb der Filmrealität gelöscht worden. Ein adäquates Remake kann "Friday 09" schon deshalb nicht sein, weil er inhaltlich nicht um Pamela Voorhees kreist, sondern um ihren Filius, der am Anfang noch wie weiland in Teil Zwo mit einem Kartoffelsäckle auf dem Kopf sein Werk verrichtet, um dann später die ikonografische Hockey-Maske zu entdecken und gegen den ollen Fetzen einzutauschen. Dann geht's aber auch richtig los. Und: Man lernt sogar ein bisschen was Neues über den Crystal-Lake-Schlächter und wird auf seine Bude eingeladen. Das gesamte Ex-Feriencamp ist nämlich mit Gängen unterkellert, in denen Jason es sich regelrecht gemütlich gemacht hat mit ein paar Stofftierchen hier und da, einer Stinkekammer für seine verstümmelten Opfer und einem autarken Stromnetz. Jase V., der Elektro-Tüftler. Was den Blut- und Därmegehalt anbelangt, so bleibt "Friday 09" auf mediokrem Serienlevel. Die letzten regulären Beiträge "Jason Goes To Hell" und "Jason X" sind jedenfalls mindestens genauso derb - das nur dem Gore-Apologeten, den's interessiert. Ansonsten hat man bei künftigen "Friday"-Retrospektiven zu den 1000 bereits vorhandenen eben noch 100 lustige Minuten mehr zu kucken bzw. Zeit, sich abstumpfen zu lassen. Und diese ausgesprochen aparte Julianna Guill, die eines der Opfer (um nicht zu sagen: das freizügigste) spielt, macht die ganze Kiste noch zusätzlich reizvoll für den sabbernden Manne. Das ist doch schon etwas.
5/10
#1906
Geschrieben 23. August 2009, 16:00
Goodbye Bafana ~ D/F/BE/ZA/I/UK/LU 2007
Directed By: Bille August
Südafrika, 1968: Der Gefängniswärter James Gregory (Joseph Fiennes) wird mitsamt seiner Familie nach Robben Island versetzt, wo ausschließlich schwarze Terroristen inhaftiert sind. Weil er Xhosa beherrscht, wird er als Zensor in jenem Trakt, in dem der als besonders aufrührerisch geltende Nelson Mandela (Dennis Haysbert) einsitzt, abgestellt. Gregory beginnt nach zögerlicher Annäherung eine freundschaftliches Verhältnis zu Mandela, das ihn wegen einer kleinen Gefälligkeit bald den guten Ruf unter seinen Kollegen und die freiwillige Aufgabe der Stellung kostet. Ein paar Jahre nachdem er von Robben Island zurück aufs Festland gegangen ist, ersucht man Gregory erneut, als Bewacher für Mandela einzuspringen, der wegen des internationalen politischen Drucks ebenfalls in einen anderen Strafvollzug kommt. Bis zu Mandelas Freilassung 1990 behält Gregory sein Amt inne.
Typisches Gutmenschen- und Betroffenheitskino, dem man nichts Böses vorwerfen kann und das aufgrund seiner didaktisch-pädagogischen Ausrichtung gut fürs Schulfernsehen taugte. Anders als Apartheidsfilme, die noch zu Regimezeiten entstanden sind (wie "Cry Freedom" oder "A Dry White Season") fehlt es dem sehr historisch gefärbten "Goodbye Bafana" allerdings an wütender Leidenschaft und dem Mut, die rassistischen Missstände konsequent zu bebildern. Wenn Gregory erfährt, dass seine Denunzierungen die Mitschuld an den öffentlich als Unfällen oder Defensivhandlungen verkauften Exekutionen politischer Gegner und ANC-Mitglieder trägt, dann bleibt es bei der bloßen Information. Script und Kamera sind quasi permanent an Gregorys Seite und verkaufen den anfangs treuen Staatsdiener, der trotz seiner im Laufe der Jahre zunehmend kritischen Haltung nie seine Stellung aufgibt, als Quasi-Helden. Ob diese Perspektive in Verbindung mit Fiennes Darstellung und der behaupteten Wärter-Gefangenen-Harmonie nicht etwas überzogen ist, lässt sich nur mutmaßen. Mandelas und Gregorys im Making Of zu sehende Originalstatements klingen jedenfalls deutlich reservierter und lassen eher eine zweckmäßige Färbung ihrer Beziehung durchschimmern. Doch selbst wenn "Goodbye Bafana" ein wenig märchenhaft sein mag - er spielt seine Melodie klangvoll und im Takt.
7/10
#1907
Geschrieben 24. August 2009, 14:47
Dio Perdone... Io No! (Gott vergibt - Django nie!) ~ I/E 1967
Directed By: Giuseppe Colizzi
Hutch Bessy (i.d. deutschen Fassung: Dan / Bud Spencer) ist im Auftrage einer Versicherungsgesellschaft unterwegs. Er soll den Verbleib einer riesigen Menge Gold klären, die aus einem Zug gestohlen wurde. Da fast sämtliche Mitreisende ermordet wurden, kann niemand die Täter identifizieren - so glauben sie. Doch war man diesbezüglich nicht ganz so gründlich. Derweil ist Cat Stevens (i.d. deutschen Fassung: Django / Terence Hill) auf der Flucht vor der Bande des Banditen Bill St. Antonio (Frank Wolff), den Cat nach einem strittigen Pokerspiel im Duell erschossen hat und der angeblich verbrannt sein soll. Als Hutch und Cat aufeinander treffen, steht für sie fest, wer hinter dem Goldraub steckt. St. Antonio weilt mitnichten im Jenseits.
Das erste bedeutende Zelluloid-Zusammentreffen von Carlo Pedersoli und Mario Girotti, die sich ihre englisch prononcierten Künstlernamen Bud Spencer und Terence Hill soeben zugelegt hatten, im ersten Teil einer schleichend, aber bestimmt den Weg zum Klamaukwestern ebnenden Trilogie von Giuseppe Colizzi. Spencer und Hill traten in allen dreien dieser Filme als einheitliche Charaktere auf, die jeweils eine vornehmlich zweckmäßige Freundschaft im Angesicht irgendeiner zu meisternden Aufgabe verbindet. Ist "Dio Perdone" auch ein recht harter Vertreter des Italo-Westerns, in dem zahlreich gestorben wird, so werden hier trotzdem die Grundzüge von Spencers und Hills zahlreichen Team-Ups gelegt. Der eine ein schicker, akrobatischer Held mit allerlei Kunststückchen im Ärmel, der andere ein bärbeißiger Vollbartprügler, der nur einen gezielten Schlag benötigt. Selbstredend vermöbeln sich die Zwei auch untereinander und spielen sich aufgrund unterschiedlicher Interessen allerlei Streiche. Am Ende gehen sie jedoch vereint als Sieger aus der Chose hervor. Colizzi inszeniert mit epischem Hauch in Scope und Musik von Ángel Oliver, weiß die schroffen, naturgegebenen Vorzüge von Almeria vollends zu nutzen und lässt dabei eine qualitativ durchaus zu den besseren ihrer Zunft zählende Spaghetti-Pferdeoper vom Stapel, die sich nicht ganz eindeutig an Leones "Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo" anlehnt (ursprünglicher Titel von "Dio Perdone" sollte "Il Cane, Il Gatto, Il Volpe" sein - wenig einfallsreich). War hier noch der charismatische Backen-Barbarossa Frank Wolff mit von der Partie, konnte Colizzi für die beiden weiteren Filme auch US-Stars vom Schlage eines Eli Wallach, Lionel Stander und Woody Strode verpflichten.
Was das deutsche Titel-Wirrwarr angeht: Der Film wurde recht flott nach seiner Entstehung, mit einer noch ungewohnten, Münchener Synchronbesetzung für die Hauptdarsteller (Reinhard Glemnitz und Benno Hoffmann) im Zuge der "Django"-Welle von Warner-Columbia ins Kino gebracht. Terence Hill war wegen seiner relativen physiognomischen Ähnlichkeit zu selbigem als Plagiats-Franco-Nero recht beliebt. Nur zwei Jahre später erfolgte die erste von mehreren Wiederaufführungen unter dem Titel "Gott vergibt - Wir beide nie!", die immerhin schon Spencers Präsenz bzw. die des Duos implizierte, bis die Berliner Tobis 1981 eine rigoros um sämtliche Gewaltakte erleichterte und umsynchronisierte Fassung namens "Zwei vom Affen gebissen" verhökerte, die mit dem eigentlichen Film nichts mehr zu tun hatte. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr hierzulande auch dem Trilogiefinale "La Collina Degli Stivali" und später Barbonis "...Continuavano A Chiamarlo Trinità", der immerhin schnitttechnisch weitgehend unangetastet blieb.
Der Mittelteil der Colizzi-Trilogie, "I Quattro Dell'Ave Maria" aka "Vier für ein Ave Maria" ist der letzte Spencer-/Hill-Film ohne offizielles deutsches DVD-Release. Möge sich das doch bitte in Bälde ändern.
6/10
#1908
Geschrieben 24. August 2009, 15:08
The Poseidon Adventure (Die Höllenfahrt der Poseidon) ~ USA 1972
Directed By: Roland Neame
Der Ozeandampfer "Poseidon" macht seine letzte Atlantiküberfahrt von New York nach Athen. Mitten auf See lässt eine gigantische Flutwelle das Schiff kentern. Während die meisten Passagiere voller Panik blindlings in ihr Verderben rennen, behält der unkonventionelle Reverend Scott (Gene Hackman) einen kühlen Kopf und führt, leider nicht ohne weitere Verluste, eine Gruppe von neun weiteren Passagieren (u.a. Ernest Borgnine, Stella Stevens, Shelley Winters, Red Buttons) durch das auf den Kopf gestellte Schiff Richtung Freiheit.
"The Poseidon Adventure" war vielleicht nicht der erste Katastrophenfilm ("Titanic"-Verfilmungen gab es anno 72 bereits mehrere und "The Flight Of The Phoenix" und "Airport" lieferten die Blaupausen für das modernisierte disaster movie), zumindest aber jener, der den Kurs der entsprechenden Siebziger-Jahre-Welle modellhaft festlegte, mit deren Schöpfer Irwin Allen im Hintergrund. Katastrophenfilme lassen sich filmhistorisch als verzweifelte, künstlerisch vollends irrelevante Versuche der großen Studios einordnen, New Hollywood die gerunzelte Stirn zu bieten. Die alternden Bosse und Produzenten begriffen damals schlichterdings nicht, was um sie herum vor sich ging und machten Millionen-Dollar-Verluste mit kostengewaltigen, pompösen Streisand-Musicals. Irwin Allen nutzte die verworrene Gunst der Stunde, verpflichtete ein halbes Dutzend gegenwärtig abgehalfterter golden oldies für einen Hauch von darstellerischem Glanz sowie einen angesagten Star der neuen Welle und machte Film als Abenteuerspielplatz - oder umgekehrt. Jedes Deck der Poseidon, das auf dem Weg Richtung Freiheit durchquert werden muss, steckt voll neuer Gefahren und Unbill; entstellte Leichen liegen herum, Sauerstoff fehlt hier, Feuer brennt dort, das Wasser kommt unaufhaltsam von hinten. Heute wird sowas in Form von Videospielen vermarktet. Nahezu alle anderen Katastrophenfilme, die "The Poseidon Adventure" nachfolgten - insbesondere natürlich die, an denen Allen in persona beteiligt war - spielen sich lose nach diesem Schema ab. Mit "The Towering Inferno" wurde der gewaltig knallende Höhepunkt erreicht, mit dem "Poseidon"-Sequel, "Airport '79" und dem oberfaulen Ei "City On Fire" endete der ganze Spuk dann eher kläglich.
Dennoch, es ist nicht schwer, Gefallen selbst an den schwachen Vertretern dieser naiven Art der Trash-Vermarktung zu finden, so man sie nur gebührend zu nehmen weiß.
7/10
#1909
Geschrieben 25. August 2009, 14:24
The Angry Hills (Hügel des Schreckens) ~ USA 1959
Directed By: Robert Aldrich
Griechenland, 1941: Die Deutschen besetzen große Teile des Landes und haben ihre liebe Not mit den im Untergrund organisierten Partisanen. Der amerikanische Kriegsberichterstatter Mike Morrison (Robert Mitchum) kommt in das krisengeschüttelte Athen und erhält von Dr. Stergion (Donald Wolfit), einem alten Bekannten, eine Liste mit 16 Namen von vorgeblichen Nazikollaborateuren, die jedoch in Wahrheit als Doppelagenten tätig sind. Stergion wird kurz darauf durch ein Verhör zum Selbstmord gezwungen und Morrison tritt eine entbehrungsreiche Flucht an, den Gestapochef Heisler (Stanley Baker) stets dicht auf den Fersen.
Die kompakte Wucht anderer Arbeiten erreicht Aldrich mit dieser Leon-Uris-Verfilmung nicht. Es dürfte sich wohl um eine Auftragsarbeit gehandelt haben, denn der ganze Film macht den geflissentlichen Eindruck einer zwar ordnungsgemäßen, zugleich aber verhohlen lästigen Pflichtübung. Das im Mainstream-Kino relativ selten anzutreffende Thema des griechischen Widerstands während der Nazi-Besatzung ist jedoch zu wichtig, um es auf diese eher unbeteiligte Weise aufgearbeitet zu sehen. Grashüpfer Mitchum, der zumeist - und so auch hier - den Eindruck des lässigen Helden mit sämtlichen Fäden in der Hand hinterließ, war für den Part des Protagonisten eine klare Fehlbesetzung. Ein verletzlicherer Held mit mehr Mut zur Mimik wäre hier probater gewesen. Doch mit solchen Namen im Rücken ist "The Angry Hills" selbstredend kein schlechter Film. Baker als ausnahmsweiser Nazirepräsentant mit humanen Regungen und Marius Goring als sein parteiinterner Gegenspieler Oberst Olberg stehlen Mitchum mühelos die Schau. Es gibt sehr fesselnde Szenen, wie etwa die Auslöschung eines ganzen griechischen Dorfes samt der Exekutionen ausgewählter Sündenböcke, die aufgrund der tapferen Verweigerungshaltung seiner Einwohner stattfinden. Die hier gebotene Intensität kann Aldrich jedoch nicht permanent durchhalten. Da wäre angesichts seiner gewohnten Qualitäten sicherlich mehr möglich gewesen, behaupte ich.
6/10
#1910
Geschrieben 26. August 2009, 17:16
The Man Who Fell To Earth (Der Mann, der vom Himmel fiel) ~ UK 1976
Directed By: Nicolas Roeg
Der Außerirdische Thomas Jefferson (David Bowie) ist wegen einer alles Leben bedrohenden Dürre auf seinem Heimatplaneten zur Erde gekommen. Aufgrund seines im Vergleich zu den Menschen ungleich weiter entwickelten Wissens kann Jefferson auf seinem Asylplaneten ein Industrieimperium gründen, mit dessen erwirtschaftetem Geld er mittelfristig die Heimreise und Rettung für sein Volk plant. Das Geheimnis seiner Herkunft teilt er mit zwei Personen, der ehemaligen Hoteldame Mary-Lou (Candy Clark), die er auch ehelicht, sowie dem Wissenschaftler Nathan Bryce (Rip Torn). Doch ist Jefferson den Wirtschaftsmächtigen und Politikern der USA ein Dorn im Auge. Man entführt und isoliert ihn, fördert seinen hilflosen Alkoholismus und unterzieht ihn jahrzehntelangen Experimenten. Am Ende ist der scheinbar nichtalternde Jefferson, jeder Chance zur pünktlichen Rückkehr beraubt, für seine Widersacher uninteressant geworden und lebt ein unerkanntes Leben als exzentrischer, gebrochener Trinker.
Der Autor Walter Tevis, auf dessen Romanvorlage Roegs Film basiert, setzte seine zutiefst existenzialistischen Geschichten gern in scheinbar triviale Kontexte. "The Hustler", von Martin Ritt mit Paul Newman adaptiert, spielt im Pool-Billard-Milieu, das poetische "The Man Who Fell To Earth" transportiert vorgeblich eine SciFi-Story, dabei geht es um nichts weniger als die ökonomische und emotionale Gier und Arroganz des Menschen und wie offensiv er im Angesicht geistiger Überlegenheit reagiert. Der von vornherein andersartig und androgyn auftretende Jefferson weckt, kaum dass er im Rampenlicht der neugierigen Öffentlichkeit steht, bei fast jedem, den er trifft, potenzielle Antipathien, die sich noch potenzieren, sobald die Menschen von seinem geistigen und sittlichen Vorsprung erfahren. Diese hilflose, latente Aggression führt zu einer langewährenden Aushöhlung seines Wesens, die schließlich damit endet, dass Jefferson jede Hoffnung auf eine rechtzeitige Heimreise und damit eine Rückkehr zu Frau und Kind begraben kann.
Roegs Bilder sind freizügig, ohne jedoch exhibitionistisch zu wirken. Körperliche Nacktheit ist bei ihm gleichbedeutend mit Aufrichtigkeit. Überhaupt ist er ein - im positiven Sinne - sehr literarischer Filmemacher, der Symbole, Leitmotive und Bilder verwendet, die jeweils auch umfangreicher Prosa genugtäten. Bowie, damals in seiner musikalischen Hochphase, legt das traurige Alien an als fragile Mixtur aus Jesus, Howard Hughes, Andy Warhol und eben David Bowie. "E.T." war ja damals selbst noch Zukunftsmusik, sonst hätte man auch ihn noch hinzuziehen können. Tatsächlich aber war der popkulturelle Einfluss wahrscheinlich umgekehrt.
9/10
#1911
Geschrieben 28. August 2009, 13:08
The Witches (Hexen hexen) ~ USA 1990
Directed By: Nicolas Roeg
Der kleine Waisenjunge Luke (Jasen Fisher) reist mit seiner zuckerkranken Großmutter (Mai Zetterling) zur Auskurierungszwecken in ein englisches Küstenhotel. Zufällig halten dort zeitgleich auch sämtliche Hexen von der Insel dort ihren Jahreskongess ab, unter dem Vorsitz der garstigen Oberhexe Eva Ernst (Anjelica Huston). Deren Plan zur Ausrottung sämtlicher Kinder Englands sieht vor, selbige in Mäuse zu verwandeln. Luke plant dies mithilfe seiner Großmutter zu verhindern, da wird er entdeckt und selbst in einen Mäuserich verhext...
Wenn Nicolas Roeg einen Kinderfilm erstellt, selbst nach einer so erfrischenden Geschichte wie der gleichnamigen von Roald Dahl, dann darf man mit Fug und Recht davon ausgehen, dass nicht per se jeder Halbwüchsige die geschmacklichen Unsicherheiten des Regiexzentrikers teilen dürfte. In "The Witches" jedenfalls geht es, bisweilen auf verbaler, manchmal aber auch auf visueller Ebene, recht schleimig zur Sache und ich als (hoffentlich) guter Pädagoge täte nur den hartgesotteneren Knirpsen zu dem Film raten. Jene dürften aber einen Heidenspaß mit dem ekligen Make-Up der Huston haben oder dem recht derben Finale, in dem sich die Geheimwaffe der Hexen gegen sie selbst richtet. In punkto Inszenierung gibt es auffällige Parallelen zu den frühen Filmen von Peter Jackson, die sich in etlichen Zooms, eiligen Kamerabewegungen an Körpern entlang und Fischaugenlinsen manifestieren. Die etwas sophistischer eingestellten Liebhaber von "Meet The Feebles" und "Braindead" dürften demnach auch an "The Witches" ihre Freude finden.
7/10
#1912
Geschrieben 28. August 2009, 13:25
The Onion Field (Mord im Zwiebelfeld) ~ USA 1979
Directed By: Harold Becker
Los Angeles, 1963: Die beiden Polizisten Hettinger (John Savage) und Campbell (Ted Danson) werden im Zuge einer nächtlichen Routineüberüprüfung eines Wagens, in dem die beiden Kleinganoven Powell (James Woods) und Smith (Franklyn Seales) sitzen, von selbigen mit der Waffe bedroht und in eine ländliche Gegend vor der Stadt entführt. Campbell wird erschossen, Hettinger kann fliehen. Kurz darauf werden Powell und Smith geschnappt, schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe und verzögern das Verfahren durch immer neue Revisionen und juristische Findigkeiten um Jahrzehnte. Hettinger erlebt derweil einen schleichenden psychischen Zusammenbruch.
Es heißt, dass Joseph Wambaugh mit der Verfilmung seines Romans "The Choirboys" durch Robert Aldrich dermaßen unzufrieden war, dass er seine eigene Produktionsgesellschaft 'Black Marble' (benannt nach einem weiteren seiner semiauthentischen Romane) gründete, die ihm weitestgehende künstlerische Autarkie gestattete. Erste und einzige Produktion der Firma wurde "The Onion Field", ein recht schwermütiges Drama um die unter Umständen langsam mahlenden Mühlen der amerikanischen Rechtsprechung, die auch gesetzliche Lücken aufzeigt und entgegen aller idealistischen Fiktion keineswegs wasserdicht ist. Das müssen sowohl die Täter als auch das verbliebene Opfer, Karl Hettinger, am eigenen Leibe erfahren.
Film und Buch basieren auf einem realen Fall, den Wambaugh minutiös und mit den tatsächlich Beteiligten recherchierte und dem der Ruf eines etwas kleinformatigeren Nachfolgers zu Capotes "In Cold Blood" angeheftet wurde. Tatsächlich gibt es deutliche Parallelen: Die unergründliche Gewalteskalation, zwei "leichte" Gauner, die urplötzlich explodieren und zu Kapitalverbrechern werden, der sich im Zeitlupentempo voranquälende Justizprozess und schließlich eine weise Form der Unparteilichkeit, die eine nüchterne Umschreibung derartiger Geschehnisse fraglos benötigt. Allein dem Rezipienten bleibt das finale Urteil überlassen. Allerdings scheint man auch hier den leisen Ruf zu vernehmen: Staatlich legitimierter Mord an Mördern kann und darf niemals weder Lösung noch probate Vergeltung sein.
8/10
#1913
Geschrieben 28. August 2009, 13:52
Dracula ~ USA/UK 1979
Directed By: John Badham
Das Schiff, mit dem der rumänische Graf Dracula (Frank Langella) zu seiner neuen Heimat in der Carfax Abbey anreist, zerschellt an den Klippen von Cornwall. Bis auf den Grafen sind sämtliche Besatzungsmitglieder und Passagiere tot und erwecken den Anschein, als seien sie von einem wilden Tier zrfleischt worden. Der Psychiater Seward (Donald Pleasence), seine Tochter Lucy (Kate Nelligan), ihr Verlobter Jonathan Harker (Trevoir Eve), der dem Grafen auch seine neue Immobilie vermittelt hat, sowie Lucys Busenfreundin Mina (Jan Francis) nehmen Dracula als sorgensreiche Gastgeber auf. Bald darauf stirbt Mina eines unerklärlichen Todes. Ihr Vater Professor Van Helsing (Laurence Olivier), umgehend nach Cornwall berufen, ist sich sicher: Mina wurde das Opfer eines Vampirs, bei dem es sich nur um den Grafen handeln kann. Nun entbrennt ein Kampf um Lucys Seele, den Dracula für sich zu entscheiden scheint...
Badhams "Dracula"-Verfilmung von 1979 ist ein Triumph der location scouts und der set designer, ein stilsicherer, ästhetischer Hochgenuss des gotischen Horrorfilms. Dabei stand weniger Stokers Briefroman im Vordergrund als vielmehr die Bühnenadaption des Briten Deane bzw. deren späterer Modifikation durch den Amerikaner Balderston, die bereits den ersten Universal-"Dracula" mit Bela Lugosi inspiriert hatte. Der wesentliche Unterschied zu Stokers Vorlage besteht in der Reduktion der Figuren und der Anbindung ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen, zudem spart sich das Stück aus naheliegenden Gründen den Schauplatz Transsylvanien. Badhams Verfilmung respektive D. W. Richters Script springen mit den Fakten aus Stück und Buch noch zusätzlich frei um. Bestimmte Details werden hier weggelassen und dort hinzugemengt und umgekehrt. "Dracula" '79 ist also nichts für literarische Erbsenzähler und Lupsensucher von Inadäquatheiten. Visuell hingegen ist er allemal eine Entdeckung wert.
Wie seinerzeit Lugosi hatte auch Langella die Titelfigur einige Male auf der Bühne gegeben, war sich so ihrer und seiner eigenen Stärken sehr bewusst und konnte den obersten aller Vampire entsprechend anlegen. Mit der sehr romantisch gewichteten Geschichte, die im Prinzip nichts anderes erzählt als eine modernisierte Version der Tristan-Legende, antizipierte Badham zugleich den 13 Jahre später folgenden Film von Coppola, was darüberhinaus nicht nur für die Anlage der Story, sondern auch für formale Aspekte gilt - zu nennen wären da die phantasievolle Gestaltung der Carfax-Abtei oder die von Sewards Sanatorium, nicht zu vergessen Badhams Vampirhochzeit zwischen Dracula und Lucy. Coppola dürfte die vorliegende Adaption alles in allem nicht eben geringfügig beeinflusst haben.
8/10
#1914
Geschrieben 29. August 2009, 10:37
El Cid ~ USA/I/UK 1961
Directed By: Anthony Mann
Spanien im 11. Jahrhundert: Der Ritter Rodrigo Díaz de Vivar (Charlton Heston) fällt bei König Ferdinand von Kastilien (Ralph Truman) als Verräter in vorübergehende Ungnade, als er ein paar gefangenen Mauren das Leben schenkt. Nachdem Rodrigo, dem die Muslime den Beinamen 'El Cid' (Der Herr) verehren, seinen Verleumder (Andrew Cruickshank), dummerweise zugleich sein künftiger Schwiegervater, im Duell tötet, wird er Schwertführer Ferdinands. Nach dessen Tod ringen seine Söhne Alfonso (John Fraser) und Sancho (Gary Raymond) um die Thronfolge. Sancho, der Erstgeborene, wird ermordet. Rodrigo lässt Alfonso öffentlich durch einen Reinigungseid beschwören, dass er mit dem Tod seines Bruders nichts zu tun habe, worauf dieser hochgekränkt den Ritter in die Verbannung schickt. Ein paar Jahre später ruft Alfonso Rodrigo aus dem Exil zurück, als der Nordafrikaner Ben Yussuf (Herbert Lom) zum Sturm auf Spanien bläst. Im Kampf um Valencia wird Rodrigo tödlich verwundet, lässt sich jedoch von seiner Frau Jimena (Sophia Loren) den ausdrücklichen Wunsch abnehmen, sein Heer noch als aufs Pferd gebundener Leichnam gegen die Mauren zu führen.
Mit "El Cid" gab der Monumentalfilm-Produzent Samuel Bronston seinen unabhängigen Einstieg und konnte einen recht ordentlichen kommerziellen Erfolg verbuchen. Für Anthony Mann war die Arbeit an einem großangelegten Historienepos wie diesem recht ungewohnt und dennoch kann ihm niemand nachsagen, damit keine exzellente Arbeit auf dem hohen Niveau der Kollegen Wyler, DeMille oder Mankiewicz abgeliefert zu haben. Der seinerzeit für das kostspielige Hollywood-Spektakel beinahe unabdingbar scheinende Charlton Heston gab dem spanischen Pendant zu den Tafelrittern ein prägnantes Gesicht und auch die sonstige, aus finanziellen Gründen mit eher unglamourösen Namen geschmückte Besetzung kann sich sehen lassen. Massenszenen wie die pompös arrangierte Schlacht bei Valencia fesseln dabei ebenso wie die eher intimen, höfischen Ränkespiele um die Königskinder, die ja für solche Stoffe jeweils unerlässlich sind. Ein schön gestaltetes, prächtiges Epos ergibt das, und eines, das besonders durch seine Independent-Herkunft von einem außerordentlichen filmhistorischen Rang zehrt.
Ein Wort zur neuen DVD: Diese präsentiert den Film endlich so, wie er auf einem digitalen Medium eigentlich schon immer auszusehen gehabt hätte, beispielhaft restauriert und voller Farbpracht. Hier lohnt das Update ganz ohne weiteren Kommentar.
8/10
#1915
Geschrieben 30. August 2009, 09:14
Staying Alive ~ USA 1983
Directed By: Sylvester Stallone
Viel hat der ehemalige Disco-Zampano Tony Manero (John Travolta) nicht dazugelernt, seit er von Brooklyn nach Manhattan gezogen ist. Vergeblich sucht er Engagements als Tänzer, doch ohne Ausbildung und mit seinem etwas schlichten Gemüt sieht'strübe aus mit der Karriere. Ein Lichtstrahl zeichnet sich ab, als seine Freundin Jackie (Cynthia Rhodes), die für das kommende Broadway-Spektakel "Satan's Alley" tanzt, auch Tony dort einführt. Doch mit einer Statistenrolle mag dieser sich ncht zufriedengeben, schon gar nicht, da ihn die Haupttänzerin Laura (Finola Hughes) reizt...
Eigentlich ist "Staying Alive" ein veritabel-widerwärtiger Film, der seinen als Zeitporträt vortrefflich geratenen Vorläufer "Saturday Night Fever" vollkommen ungenügend beerbt. Sylvester Stallone, der bekanntermaßen steinige Austeigergeschichten liebt und dem es Erfüllungen des american dream besonders angetan haben, besonders wenn italienische Immigranten in zweiter oder dritter Generation im Zentrum stehen (ein Blick in Stallones Biographie gibt Aufschluss über die Gründe dafür), nutzte die charakterlich unfertige Figur des Tony Manero, um ihr in einem Sequel endlich zu großflächigem Ruhm zu verhelfen. Ob sie diesen im Filmorkus überhaupt benötigt hätte, ist bereits eine sehr spezielle Frage, die Form, in der sich der ersehnte Triumph dann letztlich einstellt, wird vermittels billigster soap opera begangen. Nicht zu vernachlässigen der üble Körperkult um all die definierten, ausgehungerten Streichholzpersönchen im Film, der der nach Tanzstreifen gierenden, jugendlichen Klientel schon damals ein bedenkliches Schönheitsideal verkaufte. Die massierten Kritikpunkte führen bis zu einer fast universellen Indiskutabilität des gesamten Films. Warum nur tut man sich sowas also freiwillig bis zum Schluss an? Für mich als hobbymäßigen Chronisten der 80er-Jahre-Popkultur, für den der zu "Staying Alive" passende Foto-Roman in der 'Bravo' zu den ersten medialen Erfahrungen zählt und der sich genau an das lächerliche, von dem genannten Blättchen ausgerufene Duell zwischen "Flashdance" und "Staying Alive" respektive zwischen Jennifer Beals und Travolta (lächerlich deshalb, weil beide Film von demselben Verleih gestartet wurden) erinnert, hängt selbst an ausgewiesenem Stinkkäse wie diesem noch eine gewisse, nicht näher definierbare Form der Nostalgie. Und ich gestatte mir eben allenthalben, dieser stattzugeben. Und zumindest zwei gelungene Aspekte hat "Staying Alive" dann doch noch vorzuweisen: Den filmischen Kreisschluss in Form von Maneros triumphierendem Broadway-Abgang zu "Staying Alive" und ferner den Einsatz dieses schönen Bee-Gees-Songs während einer Montage-Sequenz.
3/10
#1916
Geschrieben 30. August 2009, 10:21
Meteor ~ USA 1979
Directed By: Roland Neame
Der Astrophysiker Dr. Bradley (Sean Connery) wird von einer Segelregatta zu einer Washingtoner Krisensitzung abberufen. Grund: Der riesige Komet Orpheus wurde von einem kleinen Asteroiden zersplittert. Einige seiner Partikel, darunter ein 8 km messendes Kernstück, rasen nun auf die Erde zu. Der große Meteor droht bei einem Anschlag eine neue Eiszeit hervorzurufen. Bradley, der einst eine kosmische Abschussbasis für Nuklearraketen konstruiert hat, soll ebendiese nun umprogrammieren, um Orpheus zu zerstören. Außerdem benötigt man die Hilfe der Sowjets, die eine ähnliche Apparatur im All besitzen sollen.
Nachdem also schon die meisten irdischen Ursachen für großflächige Katastrophen ausgeschöpft waren, wandte man sich mit "Meteor" der extraterrestrischen Gefahr eines Meteoriteneinschlages zu, der der gesamten Menschheit auf Jahrhunderte den Saft abdrehen könnte. Nicht ganz so ausführlich breit wie Irwin Allen, dennoch aber mit einem hübsch grob gestrickten Sinn für Spekulationen lässt Neame schon die ersten Vorboten Orpheus' für einigen Wirbel sorgen: Ein Schweizer Ski-Paradies, in dem Sybil Danning gerade einen fröhlichen Langlauf begeht, wird nach einem Einschlag von einer gigantischen Lawine begraben, Hong Kong wird zum Opfer einer gigantischen Flutwelle und auch mitten durch Manhattan zieht ein zerstörerischer Brocken eine gewaltige Zerstrungsschneise, der unter anderem das World Trade Center zum Opfer fällt (eine Szene, die selbst im Nachhinein noch durchaus beunruhigend wirkt). Nettes Disaster-Futter also mit - um es einmal neudeutsch zu formulieren - ordentlichem Impact und gehöriger Starpower. Auch diese ist ja ein bereits etabliertes Obligatorium. Ein paar ausgesprochene Dussligkeiten im Script (der Meteor grunzt wie ein dickes Weltraummonster) und manch unvermittels eingeschobene, neben den anderen, gelungenen, recht dümmlich aussehende S-F/X-Sequenz schmälern das Vergnügen nicht, da sie den ohnehin vorhandenen Trashappeal nur ausfüttern. Spaßig, sehr sogar.
5/10
#1917
Geschrieben 30. August 2009, 10:47
Scorpio ~ USA 1973
Directed By: Michael Winner
Der alternde CIA-Spion Cross (Burt Lancaster) wird von seinen Vorgesetzten auf die Abschlussliste gesetzt, da es Hinweise gibt, denen zufolge Cross als Doppelagent tätig ist. Ausgerechnet Cross' vormaliges Mündel, der katzenliebende Jean Laurier (Alain Delon), Deckname Scorpio, soll für seine Liquidation einstehen. Scorpio jagt Cross von Washington bis nach Wien und zurück, mehrere Chancen zu Cross' Eliminierung nimmt der von Skrupeln behaftete Scorpio dabei nicht wahr. Erst einige endgültige Beweise können den Killer umstimmen, der seinerseits jedoch nicht mit der Skrupellosigkeit seiner Hintermänner rechnet.
Im unmittelbaren Vergleich zu Winners Killer-Vorgänger "The Mechanic", der die ganz ähnliche Figurenkonstellation eines erfahrenen Profikillers und dessen ehemaligem Schüler, der sich zu gefährlicher Größe aufschwingt, aufgrund seiner jugendlichen Naivität jedoch selbst zum größten Verlierer prädestiniert ist, bleibt "Scorpio", der noch das Agenten-Milieu hinzuzieht, etwas farblos. Lancaster und der als sein russischer Kompagnon auftretende Paul Scofield sind zwar teadellos und haben eine besonders schöne Betrinkensszene zusammen, dies kann einige überflüssige Längen, die für unpassende Tempi-Wechsel sorgen, nebst grober Momente der Unlogik allerdings nicht kaschieren. Was an "Scorpio" (im Prinzip wäre "Cross" der wesentlich passendere Filmtitel gewesen) jedoch besonders gefällt, ist die bereits aus Viscontis "Gattopardo" bekannte Paarung Delon-Lancaster, die Graufärbung der politischen Grenzgänger auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs und schließlich die für die Entstehungszeit nicht ungewöhnliche, harsche Kritik an den zutiefst amoralischen Praktiken der Geheimdienste.
7/10
#1918
Geschrieben 30. August 2009, 11:19
Storm Warning ~ AU 2007
Directed By: Jamie Blanks
Der Wochenend-Angelausflug mit einem kleinem Motorboot endet für das Melbourner Pärchen Pia (Nadia Farès) und ihren Freund Rob (Robert Taylor) in den Mangrovensümpfen von French Island, wo sie stecken bleiben. Als ein Unwetter losbricht, suchen die beiden Schutz bei einem kleinen Farmhaus, in dessen Scheune sie eine beträchtliche Marihuana-Plantage vorfinden. Kurz darauf kehren auch schon die Hausherren zurück, ein Vater (John Brumpton) mit seinen beiden Söhnen (David Lyons, Matthew Wilkinson), allesamt übelster Hinterwäldler-Abschaum. Erwartungsgemäß setzen sie Pia und Rob einigen erzwungenen Erniedrigungen aus, die sich dann, nach kurzer Gefangenschaft der beiden, in denkbar brutalster Weise gegen sie selbst wenden.
"Storm Warning", der vor kurzem bei uns beschlagnahmt wurde und leider erst dadurch mein Interesse auf sich gezogen hat, ist einer der autoreflexivsten Backwood-Horrorfilme, die mir bislang untergekommen sind. Das Script geht von der gesicherten Prämisse aus, dass die Mechanismen ebendieses Subgenres nicht nur bei seinen Rezipienten, sondern auch bei den filmischen Protagonisten, insbesondere jenen in der (vermeintlichen) Opferrolle, aufgrund entsprechender medialer Erfahrungswerte hinlänglich bekannt sind, um den Spieß diesmal bereits im Vorhinein auf nahezu befreiende Weise umdrehen zu können. Pia und Rob avancieren sozusagen zu den ultimativen Rächern und Heldenfiguren all jener in ähnlichen Situationen versetzten Filmcharaktere der letzten Dekaden und gehen dabei besonders als modernisierte Variationen von David und Amy Summer aus Peckinpahs "Straw Dogs" durch. Dies bezieht sich sowohl auf ihren fast schon erfrischend umweglosen Aktionismus als auch auf die oppositionelle Ausfüllung ihrer jeweilige Genderrolle. Was sie sich zu Beginn von den drei widerwärtigen Grasbauern gefallen lassen müssen, ist zwar recht harter Tobak und sicherlich von psychischer Nachhaltigkeit, die unmittelbar folgende Vendetta bzw. ihre Präventionsstrategien um Schlimmerem zu begegnen, fallen jedoch ungleich härter aus. Die emotionale Basis auf der dies geschieht, dürfte zugleich der ausschlaggebende Grund für die hierzulande kurze aber endgültige Zensurgeschichte des Films sein. Blanks macht unter Berufung auf sein Drehbuch keinen Hehl daraus, dass seine drei Bösewichte, die diese Titulierung nebenbei wirklich verdienen, auf der absolut untersten Kaste ihres ohnehin niederen Menschentypus stehen: Dreckig, schmierig, schwerstkriminell, sexistisch, bösartig, sadistisch, zur Sodomie neigend... die Liste mit entwertenden Attribuierungen ließe sich endlos weiterführen. Da ist die qua zivilisatorische Gegenwehr nicht nur erwungen, sondern gar ausdrücklich erwünscht. Anwalt und Künstlerin haben hier als respektierte, etablierte Sozietätsmitglieder die letztlich einmalige Gelegenheit, ihren eigenen, im Thanatos verwurzelten Instinkten nachzugehen, ohne dafür später rechtliche Sanktionen erwarten zu müssen. Das ist natürlich äußerst provokant und diskutabel, streift sogar faschistoide Tendenzen, bleibt aber letztlich ein unbequemes, psychologisch durchaus relevantes Gedankenspiel.
7/10
#1919
Geschrieben 31. August 2009, 07:39
Changeling (Der fremde Sohn) ~ USA 2008
Directed By: Clint Eastwood
Los Angeles, 1928: Die alleinerziehende Mutter Christine Collins (Angelina Jolie) geht eines Tages zur Arbeit und kehrt abends nach Hause zurück, ohne ihren kleinen Sohn Walter (Gattlin Griffith) dort vorzufinden. Die Vermisstenanzeige führt dazu, dass die Polizei Christine nach einigen Wochen einen in Illinois aufgegriffenen Jungen (Devon Conti) als ihren Filius präsentiert. Christine lässt sich von den beschwichtigenden Worten des federführenden Beamten (Jeffrey Donovan) zunächst einlullen, zumal der Knabe selbst behauptet, ihr Sohn zu sein, muss dann jedoch zweifelsfrei erkennen, dass es sich bei diesem Jungen keineswegs um Walter handelt. Die sich nun anschließende Odyssee führt Christine in aller Härte die zersetzende Korrumpiertheit der Stadtgewaltigen von L.A. vor Augen.
Die Zukunft wird "Changeling" einmal als mustergültiges Beispiel für die späte inszenatorische Meisterschaft seines Regisseurs ins Feld führen, davon bin ich fest überzeugt. Innere Ruhe und Gelassenheit sind die atmosphärisch vorherrschenden Eigenschaften des Films, der dennoch eine gigantische rezeptorische Sogkraft zu erzeugen bewerkstelligt. Eastwood gelingt ein in allen Details stimmiger Film, der seine Reife auf mehrerlei Ebenen ausspielen kann. Am augenfälligsten erschien mir sein Status als period movie, den "Cangeling" in absolut mitreißender und sagenhaft authentischer Weise bedient. Das Bildmaterial wurde nachträglich eingefärbt, ein Effekt, durch den primär die Sepiafarben hervorgehoben werden und der besonders den Außeneinstellungen einen eigentümlichen, bräunlich-goldenen Schimmer verleiht, so dass noch ergänzend ein nostalgischer Eindruck entsteht. Weiterhin gliedert sich der Film in die schon längere Reihe jener Werke ein, die Los Angeles, respektive seine früheren Inkarnationen, als Hort ungebremster Korruption porträtieren. Angelina Jolie beherrscht die Rolle der sich dagegen erhebenden Kämpferin im Namen der Gerechtigkeit, die nicht nur gegen eine politische, sondern zugleich gegen die geschlechtliche Übermacht anzutreten hat, in beeindruckender Weise. Dass "Changeling" ganz nebenbei ein wahnsinnig mitreißender, emotional involvierender und extrem spannender Film ist, wird da angesichts seiner sonstigen Perfektion beinahe zur begrüßenswerten Nebensache.
9/10
#1920
Geschrieben 31. August 2009, 09:03
Dick Tracy ~ USA 1990
Directed By: Warren Beatty
Der Polizist Dick Tracy (Warren Beatty) kämpft in einem zur Popkulisse geronnenen Chicago unermüdlich gegen das organisierte Verbrechen, dem mit dem unentwegt sabbelnden Big Boy Caprice (Al Pacino) und seinen Gefolgsleuten eine neue Gefahr vorsteht.
Die 1930er Jahre waren das Jahrzehnt der comic strips, Pulpliteratur in Vollendung. Kleine Kunstwerke auf den Unterhaltungsseiten der Tageszeitungen, die inmitten der neuesten Hiobsbotschaften aus der Wirtschaftsdepression und Berichten des Faschismus in Übersee ein paar eskapistische Sekündchen offerierten. Manche dienten dem befreienden Zwecke des Humors, andere lieferten Spannung mit maskierten oder gar gänzlich kostümierten Helden, die in der Großstadt, im Dschungel, in alternierenden Zeitlinien oder im Weltraum gegen das übermächtige Böse, zumeist in Form willkürlicher Überzeichnungen oder unverhohlener Abbilder realer Pendants von Dr. Fu-Manchu bis Hitler kämpften. Viele von ihnen traten parallel oder ergänzend dazu auch in Schundromanen, Hörfunk- oder Kinoserials an und verliehen ihren gezeichneten Pendants damit (ver)menschlich(t)e Gesichter. Zu ihnen gehörten archetypische Figuren wie Prince Valiant (Eisenherz), Buck Rogers, Flash Gordon, Jungle Jim, Tarzan, Mandrake, The Phantom, The Shadow, Dick Tracy, später auch Superman, Batman, The Spirit und Captain America. Ihre Schöpfer, die nunmehr zumeist zu den anerkannten Künstlern ihres Jahrhunderts und Wegbereitern der Popkultur gezählt werden, hör(t)en auf klangvolle Namen wie Hal Foster, Alex Raymond, Burne Hogarth, Lee Falk, Chester Gould, Bob Kane und natürlich Will Eisner. Bis heute berufen sich Generationen von Comicschaffenden auf diese Ahnväter, ihre bahnbrechenden Techniken und Geschichten; seit ein paar Jahren reizen und beflügeln sie außerdem die Phantasie nostalgiebewusster Filmemacher. Richard Donner mit "Superman" und besonders Tim Burton mit "Batman" stießen die wichtigsten Türen für Comicadaptionen auf, denn das vermeintliche Kindermedium wurde durch sie im großen Stil - und erfolgreich - als Familien-, wenn nicht gar Erwachsenenkino aufbereitet und etabliert. Besonders Burtons expressionistische Ideen bildeten dabei die Spitze des Eisbergs. Nur wenige Monate später zog bereits Warren Beatty mit dieser Verfilmung des Chester-Gould-Comics "Dick Tracy" nach. Ein waghalsiges Unterfangen, eigentlich schon mit seiner ersten aufflammenden Idee zu großflächigem Scheitern verurteilt. Im Gegensatz zu Batman ist Dick Tracy über die Grenzen der USA hinaus eben nicht jedermann ein Begriff und die erforderliche, weitaus exaltiertere Darstellung musste im absoluten Missverhältnis zu den Kosten stehen. Kurz: "Dick Tracy", dafür bürgt schon dessen quittegelber Trenchcoat, wurde ein seinerzeit stark aber zwecklos gepushter Arthouse-Film im Mainstreamgewand, ein so mutiges wie irrsinniges Werk, das für einen titanicgleichen Untergang an den globalen Kinokassen sozusagen determiniert war und sein allzu großmäuliges Versprechen bestenfalls auf dem nordamerikanischen Kontinent einzulösen vermochte.
Umso schöner das Wiedersehen mit diesem überbordenden Stück voller leuchtender Primärfarben, Theaterkulissen im Großstadtformat, bonbonhaften Dekorationen und Kostümen, Tommy-Guns, einer unerhörten Starbesetzung (zumeist hinter unkenntlichem Make-Up verborgen) und dazu passend swingender Tanzmusik und all den weiteren Klischees, die man aus den alten Gangsterstreifen der Warner Bros. noch bestens kennt. "Dick Tracy" ist ein rein sensuell stimulierendes Werk, das auf dramaturgischer Ebene fast komplett, und vielleicht sogar bewusst, scheitert. Warren Beatty erweist sich erneut als ein intellektueller, brillanter Regisseur, der genau weiß, was er tut, notfalls selbst unter Inkaufnahme des Risikos, dass andere es nicht wissen. "Dick Tracy" anzusehen ist ungefähr so, als dürfte man sich 100 Minuten lang in einem Süßwarenladen austoben und von der gesamten Auslage, selbst von den Schnapspralinchen, einmal kosten. Zwar sind Bauchschmerzen und Zuckerschock vorprogrammiert, das eigentliche Erlebnis wird jedoch unvergesslich bleiben.
8/10
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