Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen
#1
Geschrieben 08. März 2004, 20:55
vor einigen Wochen habe ich auf meiner Homepage ein eigenes Filmtagebuch begonnen. Aus Bequemlichkeitsgründen habe ich aber beschlossen, die alten Einträge hinüberzuretten und von nun an auf www.filmforen.de mit meinen Streifzügen fortzufahren. Ursprünglich war geplant, lediglich Neuerwerbungen aus der Videothek in den Rundumschlag einzubeziehen. Bedingt durch die nunmehr gewonnenen Freiheiten wird das aber ausgedehnt auf Kinoerlebnisse, Wiederbegegnungen und andere cineastische Encontres. Da ich eine gewisse Vorliebe für den Exploitation-Bereich des Kinos besitze, wird man hier mit filmischen Kanonen von einigen Gnaden konfrontiert werden. Aber man sollte nicht erschrecken, wenn man über den einen oder anderen Faßbinder stolpert. Erstmals in meiner journalistischen Tätigkeit werde ich mir auch den Luxus kapitaler Verrisse leisten. Normalerweise schreibe ich ja nur über Filme, die ich mag. Ich gehe davon aus, daß die meisten Filme "ihr" Publikum haben, und im Besitz der letzten Wahrheit war ich bis gestern auch nicht, weswegen ich um Verständnis bitte, wenn meine harschen Worte hier und da einen Film treffen mögen, den der Leser liebt und schätzt. Merke: Es handelt sich hier um ein Tagebuch, nicht um Filmrezensionen, und dieses Format erlaubt es mir halt, mal so richtig uffe Gagge zu hauen und die Chimäre der objektiven Beurteilbarkeit von Kunstwerken schön im Stall zu lassen, wo sie meines Erachtens ohnehin am besten aufgehoben ist...
Viel Spaß - aufi geht's!
"Dieser Wein schmeckt rhombenförmig!" (Helge Schneider)
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#2
Geschrieben 08. März 2004, 21:29
Ein ehemaliger Gangster hat sich in Spanien zur Ruhe gesetzt. Der Frieden wird aber gestört, als der beinharte Fiesling Logan auftaucht, um ihn mit sanfter Gewalt zu einem neuerlichen Beutezug zu überreden. Blut fließt...
Tja, wie man diesen britischen Film klassifizieren soll, weiß ich selber nicht. Ist das ein Gangsterfilm? Eine schwarze Komödie? Ich habe mir das Ding mal auf Verdacht für 4,95 Euro mitgenommen, da mir Sailor RIP so davon vorgeschwärmt hat. Und siehe da, SEXY BEAST wäre auch weit mehr wert gewesen, denn er ist exzellent inszeniert und rockt massiv! Der in Großbritannien sehr bekannte Ray Winstone spielt einen schmerbäuchigen Killer, der einfach nur noch seine Ruhe haben möchte. Er liebt seine Frau (eine ehemalige Pornotrulla), will Vergangenheit Vergangenheit sein lassen. Dann kommt Ben Kingsley als Erzschurke Logan. Der Mann ist hochintelligent, pflegt einen überaus reduzierten Sprachduktus und hat eine gewaltige sexuelle Störung. Und hier merkt man erst, wie gut der Film ist: War der Anfang auf dezente Weise komödiantisch, wird die Sache jetzt biestig, weil die Gespräche alle ihre Bedrohlichkeit aus dem abgehackten Hinundher beziehen und der irritierenden Beziehungslosigkeit. Man weiß, daß es hier um Leben und Tod geht, aber man fragt sich andauernd: "Was redet der böse Mann da gerade?" Daß Ben Kingsley ein Bombenschauspieler ist, weiß man nicht erst seit gestern, aber hier wird er ergänzt von einem sehr schlauen Drehbuch und einer exzellenten Regie von Jonathan Glazer, die beweist, daß Filme von Ex-Videoclip-Regisseuren nicht immer in unverbindlichen Schmodder abdriften müssen. Was der Titel des Filmes übrigens bedeuten soll, weiß ich selber nicht. Das ist ein ähnliches Rätsel wie bei STRAW DOGS von Peckinpah, der ja angeblich auf einem chinesischen Sprichwort basieren soll. ("Sexy-Biest, das du stehst in Halm von Schilf, kehle nie den Lücken zu dem bösen Mann aus Honolulu!") Toller Film!
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#3
Geschrieben 08. März 2004, 21:50
Ein paar junge Leute in einer linksgestrickten Studentengruppe agieren ihre diversen menschlichen Defizite aus und begehen Waldfrevel im Quadrat.
Das Regiedebüt von Kazuyoshi Kumakiri sorgte bei seiner Aufführung auf der "Berlinale" 1998 für entsetzte Besucher und sicherte sich einen Ruf als Skandalfilm. Tatsächlich ist der Film sogar recht ernsthaft gemacht und - bedenkt man den Umstand, daß der Filmemacher erst 23 war - durchaus beachtlich. Allerdings finde ich es hier einmal wirklich nicht unproblematisch, wenn viele Splatterfans sich den Film lediglich unter dem Gesichtspunkt der Spezialeffekte ansehen werden, denn von Fun-Splatter ist der Film meilenweit entfernt. Stattdessen versucht sich der Film am Genre des Psychodramas und schildert den Ursprung von Terrorismus als eine Mischung von gesellschaftlichem Außenseitertum und persönlichen Problemen. Die Botschaft "Psychosexuelle Konflikte make the world go round" ist so neu nicht, und was als eine Art Pickelausdrück-und-Vögel-WG beginnt, wird ab etwa einer Stunde zu einer Widerwärtigkeit von einigen Gnaden. Die jungen Leute - die vorher lediglich so wirkten, als wären sie beim AstA rausgeflogen - drehen richtig ab, als die Situation extrem wird, und Kastration und ähnliche Ausfälle sind die Folge. Wäre der Film nicht so offensichtlich ernstgemeint und um die minutiöse Darstellung einer Extremsituation bemüht, würde es sich nur um einen hinterletzten Sado-Exploiter übelsten Zuschnitts handeln. Auch so kann einem aber ganz anders werden, wenn man sich vor Augen führt, daß es sehr viele unterschiedliche Zuschauergruppen gibt, und sich diesen Film als Splatterfilm à la VERSUS anzuschauen, wäre schon sehr sick. Tatsächlich finde ich, daß der Film ab dem Moment krass abfällt, wenn die Blutrunst einsetzt. Hatte ich es schon bei AMERICAN PSYCHO sehr begrüßt, daß die Regisseurin die Gewalt des Buches extrem abgeschwächt hatte, um das Augenmerk auf die Abartigkeit der Figuren zu lenken, so ist man in KICHIKU spätestens ab der Kopfschuß-Szene eher angeekelt vom Film selbst als von seinen Figuren. Auch gelingt es einem nicht, eine Bindung zu den (durchweg unsympathischen) Charakteren aufzubauen. Kumakiri schafft es sicherlich, die dargestellte Gewalt zu motivieren und als Abartigkeit zu kennzeichnen, aber auf emotionaler Ebene war ich irgendwann raus und habe mich nur noch darüber geärgert, daß Übungen in filmischem Exzeß sich zunehmend selbst ihrer Wirkung berauben. EINE filmische Roßkur wie Pasolinis DIE 120 TAGE VON SODOM erfüllte noch ihren Zweck. Zwei oder drei dieser Filme - schön und gut. Aber irgendwann wird es zu solch einer Selbstverständlichkeit, das exzessive Ausleben von Gewaltphantasien zu thematisieren, daß man zwangsläufig abstumpft. Zugegeben, mir sind ernsthafte und gut gemachte Filme wie dieser hier deutlich lieber als dilettantischer Splatter-Quatsch à la VERSUS oder der ideologisch nicht ganz unbedenkliche BATTLE ROYALE, aber letzten Endes fördern sie nur die Mutlosigkeit, solchen Mißbildungen der Gesellschaft entgegenzuwirken. KICHIKU ist absolut nihilistisch und scheint keine Hoffnung für die Menschheit zu besitzen. Ich wünsche dem Regisseur jedenfalls, daß er als nächstes einen GLÜCKSBÄRCHI-Film machen kann - mal schauen, was draus wird! KICHIKU ist nicht schlecht - es kann einem aber nur schlecht von werden... Wenn man depressiv drauf ist oder keine Lust hat, sich arg zusetzen zu lassen, sollte man vom Betrachten des Films auf jeden Fall Abstand nehmen! (Anmerkung: Wer sich den Film trotz meiner Gesundheitswarnung antut, sollte danach das beigefügte "Making Of" schauen, das die Laune wieder etwas hebt, sieht man doch die nunmehr sehr freundlichen Schauspieler beim Herumflachsen...)
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#4
Geschrieben 08. März 2004, 21:52
In einem ghettomäßig verbrieften Spukhaus wollen junge Hallodris eine Disco eröffnen. Dabei bekommen sie es mit dem Geist eines Super-Pimps zu tun...
Nein, dieser Film handelt nicht vom Schiffsarzt der "Enterprise", "Bones" McCoy! Stattdessen bekommen wir einen Retro-Blaxploitation-Supergau geboten, daß einem die Rastalocken qualmen... In der Hauptrolle als Geisterloddel brilliert Gangstarapper Snoop Doggy Dogg. Nicht, daß er schauspielerisch etwas auf der Latte hätte, aber er besitzt natürlich die Mischung aus arroganter Ausstrahlung und Rampensauqualität, die solch eine Rolle zum Funktionieren bringt. Und das ist nicht selbstverständlich, denn das Drehbuch ist so hohl, das schwimmt sogar in Milch! Abgesehen von diversen mäßig originellen visuellen Einfällen (wie z.B. der schwarzweißen "Höllenwand", in der die Verdammten herumjammern) gibt es in der zweiten Hälfte nur noch viel konventionelles Geknalle und Gezische, das zwar wach hält, aber nicht sättigt. Schön aber, Pam Grier als schwarzmagisch beleckte Ex-Geliebte des Doggy Doggs zu sehen - die Frau schaut immer besser aus, je älter sie wird! In weiteren Nebenrollen findet man die eine der beiden Miezen aus GINGER SNAPS und eine extrem gutaussehende dunkelhäutige Darstellerin, von der man im besten Sinne des Wortes mehr sehen möchte! Regie führte Ernest Dickerson, der als Kameramann tolle Arbeit bei einigen Spike-Lee-Filmen verrichtet hat und schon beim launigen EC-Horror-Comic RITTER DER DÄMONEN als Filmemacher hervortrat. BONES ist komplett hirnfrei, aber einigermaßen unterhaltsam und temporeich. Ich finde, der Herr Dogg sollte lieber weiterhin den Dämon machen, als in drittklassigen Pornovideos mitzumischen...
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#5
Geschrieben 08. März 2004, 21:58
Tscha, ein veritables Fanboy-Produkt vom sonstigen Trailer-Cutter und Making-Of-Mann Dave Parker, der für "Full Moon" schon so einiges gemacht hat. Den ganzen Film über wimmelt es von Verweisen auf andere Horrorfilme, etwa einen Grabstein für Lucio Fulci oder eine Anspielung auf Make-Up-Spezialist Giannetto de Rossi. Der Film beginnt mit zwei Szenen zum Jaulen, nämlich einem Videotagebuch, in dem ein Wissenschaftler (der eher aussieht wie eine lebendig gewordene Crack-Pfeife!) von einem Zombie umgelegt wird. Dann folgt eine Horrorszene, die sich aber als "Film im Film" herausstellt - stöhn. In einem stillgelegten Krankenhaus versucht eine Crew von Möchtegern-Filmemachern, Schrecken auf Zelluloid zu bannen. Die Gelegenheit hierzu bietet sich, als man im Keller einen merkwürdig aussehenden (und aufrecht positionierten) Sarg entdeckt, in dem eine echte Leiche liegt - der Crackbolzen vom Anfang. War der erste Teil des Filmes noch eine einigermaßen drollige Parodie auf B-Picture-Filmmaking, passiert jetzt ein echter Klops: Die Jungs wollen einfach weiterdrehen und die Leiche als Requisit verwenden! Und die Crew macht mit! Aua... Der Sarg erweist sich dann als Tor zur Hölle, und ebenso als Tor zu fröhlichem Splatter-Quatsch, denn der Crackmann (und einige andere, die wohl gerade in diesem Winkel des Jenseits herumhingen) erwachen zum Leben und geben den College-Kaspern Saures. Dabei ist positiv zu vermerken, daß das Make-Up der Wiedergänger immerhin lustig ist, und wenn man mit solchen Clownereien was anfangen kann, liefert der Film durchaus das, was er verspricht. Mir selber ist solch eine Aneinanderreihung hanebüchener Situationen, mit denen die Splattereffekte mehr schlecht als recht legitimiert werden, mittlerweile deutlich zu wenig. Solche Sachen haben für mich einen "Hey, wir brauchen keine Atmosphäre und machen uns stattdessen über alles lustig!"-Ansatz, den ich eher unsympathisch finde. Beachtlich ist allerdings, daß der Film ursprünglich ab 16 lief (ob geschnitten oder ungeschnitten, darüber teilen sich die Meinungen in den Foren) und wohl uncut im Fernsehen ausgestrahlt wurde, und Szenen wie jene, in denen ein rechter Grimmbär von Zombie einem der Yuppies die Eingeweide herausreißt und ihn dann daran durch die Gegend schleift, sind schon etwas happig... Die DVD enthält ein nettes "Making Of", daß aber leider blöd überlabert wird. Vielleicht war ich aber auch nur zu doof, den Ton umzuschalten...
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#6
Geschrieben 08. März 2004, 22:01
Einige Beamte des Zeugenschutzprogrammes sollen einen ausgebüchsten Kronzeugen zum Prozeßtermin bringen und benutzen dabei dummerweise eine stillgelegte Strecke der "Route 66", wo ein paar Geisterzombies ihr Unwesen treiben.
Hmm, also das ist der neue Film von William SCARECROWS Wesley... Gar so schlecht, wie die Kritiken vermuten ließen, fand ich den Film nicht. Ebenso wie bei BONES (und etwa 98 Prozent der amerikanischen Horrorfilmproduktion!) muß man freilich sein Gehirn an der Kinokasse abgeben, um auf seine Kosten zu kommen. Eigentlich ist es ja ein Armutszeugnis, wenn die Nicht-Horror-Anteile in einem Horrorfilm wesentlich netter sind als der Rest, und ich hatte hauptsächlich meinen Spaß an den Austäuschen des knallharten Helden Lou Diamond Phillips und seinem schwarzen Schützling Steven Williams. Obwohl ich immer häufiger Filme in der deutschen Fassung höre, wenn ich mich nett berieseln lassen möchte, wählte ich hier den Originalton, und das war wohl wirklich die bessere Variante. Dale Midkiff (aus PET SEMATARY) gibt eine gute Vorstellung als Arschloch (wie Cora sagen würde: "Yuppie scum must die!"). Wo es problematisch wird, sind die Auftritte der Zombies, denn die Wackelkamera reicht mittlerweile nicht mehr aus, um Szenen gruselig zu machen, und das Make-Up der Burschen ist ziemlich unterirdisch. Besonders stulle fand ich den Typen mit dem Preßlufthammer, wobei ich schon anmerken möchte, daß ich ein Herz für stumpfe Bösewichter à la Jason habe - die machen den Eindruck, als müßten sie jeden Morgen um 6 Uhr aufstehen und zur Arbeit gehen... (Freddy ist für mich ein elitärer Fatz, aber dazu habe ich meine Meinung ja schon mal kundgetan!) Das Drehbuch ist völlig närrisch - mit der übernatürlichen Gefahr konfrontiert, wissen die Helden immer gleich so Sachen wie den Umstand, daß die Zombies nur auf Asphaltplätzen erscheinen können, also auch im Tankstellenklo! Wenn am Schluß noch die Geister-Dampfwalze auftaucht, ist ganz Feierabend - schöner Gastauftritt auch von Peckinpah-Veteran L.Q. Jones! Also, nette Doofie-Unterhaltung, wenn man's braucht! (Und ich brauchte das gestern abend...)
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#7
Geschrieben 08. März 2004, 22:03
Abzuraten! Ein weiterer Versuch von "Full Moon", sich der Geschichten H.P. Lovecrafts anzunehmen und sie für ein neues Publikum modisch aufzupeppen. In diesem Fall gab man der Originalstory einen Kriminalplot hinzu, der von einem Schatz handelt, der in einem Sarg versteckt sein soll und Ganoven anzieht wie Motten das Licht. Die Schauspieler sind richtig lausig, mit der einzigen Ausnahme des Briten Jon Finch. Bei jedem Auftritt als schleimiger Ober-Gangster versprüht der Shakespeare-Theaterdarsteller (den man auch als Protagonisten aus Hitchocks FRENZY kennen mag) lässige Professionalität, was bei diesem Müll-Drehbuch schon eine Leistung ist. (Seine Leistung kann man nur wirklich würdigen, wenn man den O-Ton einschaltet.) Der Rest der Besetzung spielt entweder hölzern (das Mädel aus HELLRAISER) oder chargiert über (Jeffrey Combs). Die Ghouls sehen einfach nur dull aus und werden am Schloß mit lauter Bombastik-Buff-Bomben konfrontiert, die sich Lovecraft so wohl auch nicht gedacht hat. Für diesen Film hätte man nicht nach Rumänien fahren müssen, wo der Großteil des Filmes entstand. Dadd is´ ziemlicher Murks, Freunde!
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#8
Geschrieben 08. März 2004, 22:07
Eine junge Frau, die immer von Piraten geträumt hat, wird von den Piraten-Zombies der "Black Pearl" entführt, die einen alten Aztekenfluch per Blutopfer von ihren knochigen Schultern nehmen wollen. Allerdings gibt es da noch den heldenhaften Captain Jack Sparrow, der ein Wörtchen mitzureden hat...
Tja, und ich habe ihn noch im Kino erwischt! Ich liebe ja Piratenfilme - Burt Lancaster in DER ROTE KORSAR - geil hoch zehn! Captain Kidd, Mary Read und Klaus Störtebeker sind meine Freunde. Deswegen konnte auch dieser Hollywoodfilm eigentlich nicht verlieren. Natürlich macht der Film viele Dinge massiv falsch, was bei einer Bruckheimer-Disney-Koproduktion gar nicht anders zu erwarten war. Von allem gibt es ein bißchen zu viel, und von manchen Dingen viel zu viel. Die Actionszenen sind am besten, wenn sie relativ zurückhaltend sind. Piraten sind an sich ja ein sehr uncharmantes Völkchen, weshalb man auf Charme in der Produktion schon angewiesen ist. (Burt Lancaster etwa mit seiner Zirkusvergangenheit war früher ein absoluter Charme-Garant!) Das einzige Element in diesem Film, das Charme bereithält, ist natürlich Johnny Depp, der eine unglaubliche Vorstellung abliefert und seinen Jack Sparrow wie einen bekifften Zeichentrick-Dandy-Piraten aussehen läßt. Ich bin ja immer insgeheim neidisch, wenn ich höre, daß so viele Frauen auf den oder den Hollywood-Star abfahren. Bei Johnny Depp ist das was anderes - wer so gut aussieht und so gut spielt wie er, verdient das Königreich. Bei allem Rabatz, den FLUCH DER KARIBIK auffährt, ist er derjenige, der für mich den Film im Alleingang hochstemmt. Die Geister-Piraten sind hauptsächlich computeranimiert, was aber okay ist, da man immerhin den Trick benutzt, sie in einzelnen Einstellungen von fleischlichen Raufbolden zu Knochenkumpeln abwechseln zu lassen, je nachdem, wie das Mondlicht scheint... Toll ist der Moment, wo Jack selber für einen Moment zombiefiziert, an seinem Knochenarm hochschaut und meint: "Oh, das ist interessant..." Insgesamt durchaus spaßig, det Janze, gute Unterhaltung, und der Depp ist weiß Gott kein solcher.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#9
Geschrieben 08. März 2004, 22:10
Ein paar Anthroposophen, äh, Anthropologen begeben sich auf einem Boot nach Amazonashausen, um einen unerforschten Eingeborenenstamm zu suchen, geraten dabei aber an eine computeranimierte Riesenschlange.
Tja, man bekommt bei dem Film exakt das, was man erwartet und verdient - einen leidlich kompetent gemachten Monsterquatsch mit Starbesetzung! Könnt Ihr Euch Jennifer Lopez (J Lo) und Ice Cube ("Bodycount's in the house...") als Anthropologen vorstellen? Also, ich nicht... *gröhl* An ihrer Seite haben sie noch einen Briten, der vorhersehbarerweise als komisches Element eingeplant ist (Erinnert Ihr Euch an Pip aus SOUTH PARK? Erinnert Ihr Euch an Tony Blair aus dem Irak-Krieg?), sowie den Texaner Owen Wilson, der in THE MINUS MAN einen hervorragenden Psychopathen gespielt hat und in MEET THE PARENTS den wunderbar schleimigen Schwiegermuttertraum... Nach kurzer Wegstrecke auf dem Fluß (auf dem ich - ungelogen! - übrigens schon mal einen Piranha geangelt habe!) retten sie Jon Voight vor dem sicheren Tod. Jon Voight ist ein ganz famoser Schauspieler und war brillant in Filmen wie MIDNIGHT COWBOY oder DELIVERANCE. Auch hat er Angelina Jolie gezeugt, was immerhin erwähnt werden sollte. Ich schätze mal, er hatte einfach Spaß bei dem Gedanken, in einem Monsterfilm mitzuspielen. Vielleicht brauchte er auch das Geld. In jedem Fall drückt er unerbittlich auf die Tube und schaut so schlangenähnlich aus, daß man der Expedition eine Warnung vor die Brust nageln möchte. Der kneift die Augen zusammen, Mund leicht geöffnet, Mundwinkel nach unten - der sieht aus wie eine Mischung aus Anthony Hopkins und Anthony Steffen! Ansonsten ist der Film Dutzendware, aber er liefert exakt das, was man bei so einem Ding erwartet, und er tut es in fairer Quantität. Die Schlange ist 15 Meter lang und beißt auch schon mal Leuten, die einen Wasserfall herunterstürzen, die Rübe ab. Ich habe Schlimmeres gesehen. Tobe Hoopers CROCODILE ist schlimmer. Der ist viel schlimmer.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#10
Geschrieben 08. März 2004, 22:12
Was dummen Action-Trash angeht, ist dieser Bullshit derzeit einer meiner Favoriten - der macht richtig Laune! Ving Rhames spielt einen Ex-Cop, der bei einem Festnahmen-Fuckup seinen Arm verloren hat. Man sieht ihn am Anfang, wie er irgendwo in Italien vor einem Grabkreuz kniet und hanebüchene Lyrikstreusel verstreut: "Tod, du bist so eitel!" oder etwas in der Richtung... Seine Tochter ist derweil in der alten Heimat in die Hände von drogensüchtigen Pornobestien gelandet, und in der Rolle des perversen Pornoregisseurs Charlie Strom brilliert Gary Oldman... Mein Gott, was hat dieser begnadete Schauspieler in solch einer Scheiße zu suchen? Naja, er chargiert auch nach Herzenslust, rollt mit den Augen, sabbert und trieft bei jeder Bewegung... Die Tochter von Ving ist dann auch Stargast bei einer Sadomaso-Orgie, wo ein paar der bewährten Hollywood-Drecks-Schlitzaugen ihre weltberühmte Gefühllosigkeit offenbaren dürfen. Vings Tochter (die sehr süße Kerry Washington) hat 'nen Superpart und schaut immer ganz traurig und mißbraucht in die Kamera. Damit sie einen Gegenpol hat, wird auch noch Alicia Coppola (noch eine aus dem Klan!) in die Handlung eingeführt, als Pornoregisseurin, die den Scheiß nicht mehr länger mitmachen will, schluchz... Sie wollte eigentlich lieber Kunst machen. Ja, so ist das. Ving kommt dann natürlich und haut allen die Grütze raus. Vorher wird er aber noch mit seinem nicht-appen Arm an einen Kirchenaltar genagelt (darunter macht Hollywood das nicht mehr!), schleift an dem angenagelten Arm den ganzen Altar durch eine Feuersbrunst und wundert sich dann noch, warum ihn die Leute "Action Jackson" nennen! (ACTION JACKSON, liebe Freunde und Nachbarn, war jener begnadete Unfug, in dessen Finale Carl Weathers mit seinem Sportwagen durch eine Hoteltür fährt, die Treppen hoch, durch den Flur, bis in die Wohnung des Täters - yeah!) Also, wer geglaubt hat, daß der furzernste 8 MM schon das letzte Wort zum Thema "Moderne Porno-Dekadenz" gewesen ist, kann hier mal einen Blick riskieren. Er bekommt am Schluß ein Finale, bei dem ich fröhlich gegackert habe, da es sich obendrein um eine quasi-religiöse Erlösungswirkung bemüht. Nein, nein, nein, dieses Hollywood! Wenn es das nicht gäbe, müßte man glatt eins bauen...
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#11
Geschrieben 08. März 2004, 22:14
Die wahre Geschichte des Sexmörders Jeffrey Dahmer.
Das war jetzt so ein Teil, das ich mir mehr durch Zufall ausgeliehen habe. Ich weiß nicht, ob die Reihe von Biopics über Massenmörder für das Kabelfernsehen entstanden ist. Könnte ich mir schon vorstellen. Das filmische Handwerk ist aber deutlich besser, als man das von solchen Filmen (die ich normalerweise sehr verabscheue) gewöhnt ist, und die Filmemacher gehen auch nicht mit dem Authentizitätsanspruch hausieren. Die Hauptfigur wird eingeführt als Arbeiter in einer Süßwarenfabrik, und man bekommt sehr bald spitz, daß mit dem Mann etwas nicht stimmt. Und zwar ganz und gar nicht. In der Hauptrolle ist der (sehr wie der junge Faßbinder aussehende) Jeremy Renner absolut hervorragend. Mit "True Crime"-Geschichten kenne ich mich nicht wirklich aus und kann deswegen nicht beurteilen, inwieweit die ganzen Einzelheiten den Tatsachen entsprechen, aber allein durch die Darstellung entsteht bereits eine extrem unangenehme Wirklichkeitsnähe, die bei Einhaltung der üblichen Hollywood-Plakativitätsregeln niemals möglich gewesen wäre. Der Film enthält sich nicht nur jeglicher Effekthascherei, sondern bleibt (bis auf eine blutige Szene, die aber auch eher als irregeleitete Form von Zärtlichkeit präsentiert wird) frei von Ekeleien. Auch hier wäre das volle Splatter-Programm ein massiver Fehler gewesen, da sie vom morbiden Tagesablauf des Triebtäters abgelenkt hätte. Regisseur David Jacobson macht das sehr geschickt und unaufdringlich, verzichtet selbst auf ein kathartisches Ende. Man bleibt eher schweigend zurück und betrachtet die Menschheit mit neuen Augen. Ein guter, unspektakulärer Film mit großer Wirkung. Bin beeindruckt.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#12
Geschrieben 08. März 2004, 22:16
Die wahre Geschichte des Sexmörders John Wayne Gacy.
Lange nicht so gut wie DAHMER, aber allein schon durch die Darstellung des moppeligen Hauptdarstellers Mark Holton ein echter Gewinner. John Wayne Gacy scheint - wenn man dem Film Glauben schenken darf - ein echter "Family Man" gewesen zu sein. Ein Cop, der gutaussehende junge Männer aus unsicheren sozialen Verhältnissen für handwerkliche Tätigkeiten engagiert - huiuiui! Der Film ist deutlich konventioneller strukturiert als der wesentlich experimentellere DAHMER, aber auch hier wird ein sehr glaubhaftes Bild der Schein-Normalität erzeugt, unter deren Fassade der namenlose Abgrund lauert... Ich habe gerade gemerkt, daß meine Videothek auch noch einen Film über Ted Bundy vorliegen hat - der kommt dann also auch noch in den Player!
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#13
Geschrieben 08. März 2004, 22:19
Der Vampir Lestat hat sich aus Todesüberdruß für ein Jahrhundert aufs Ohr gehauen, entdeckt dann aber, daß sich die Welt sehr nach seinem Geschmack entwickelt hat. Er tut das Naheliegendste und wird Rockstar, zieht damit aber den Zorn der anderen Blutsauger auf sich...
Zu Anfang dachte ich noch: Boah, das wird bestimmt ein geiler Trasher! Zu stampfenden Rhythmen erzählt der Chef-Vampir einigen Stuß, dann sieht man eine original authentische MTV-Rockgruppe im saubersten Proberaum der Welt, und der Vampir singt einfach mit! Will heißen, er gröhlt einfach: "Uaaaahahh...", und alle sagen: "Mann, bist du gut!" Lestat schlägt dann auch bei seiner anvisierten Kundschaft ein wie eine Blendaxgranate und kokettiert eifrigst mit seiner Eigenschaft als Vampir. (Scheinbar stören niemanden die Hunderte von Groupies, die verschwinden müssen...) Der Film wird niemals wirklich gut, aber er ist vom australischen Videoclip-Regisseur Michael Rymer zumindest leidlich kompetent gemacht, wenn mir die Pseudo-Manson-Musik (von Korn-Musiker Jonathan Davis) auch sehr bald mörderisch auf den Zeiger ging... (Marilyn Manson ist viel zu intelligent für so einen Plünn. Oder meint Ihr, der möchte gerne ein Vampir sein?) Naja, und dann taucht auch bald die halbe Belegschaft vom "Zwischenfall" auf - Vampire sind nämlich überall, und sie sehen genau so aus, wie Leute, die wie Vampire aussehen möchten, gerne aussehen würden. Natürlich sehen die meisten verteufelt gut aus - wer beißt schon Greise und Ömsen? Naja, man bekommt dann halt 90 Minuten lang Vampir-Kitsch der oberen Hochglanz-Liga geboten. Der narzißtische Vampir Lestat (mit seiner albernen Fiedel!) erweckt aus simpler Blutgeilheit die ägyptische Vampir-Pionierin Akasha zum Leben, die von der guten Sängerin (und mäßigen Schauspielerin) Aaliyah gespielt wird. Aaliyah starb leider kurz darauf mit 22 Jahren bei einem Flugzeugabsturz, was wirklich sehr traurig ist, die an dem Film Beteiligten aber nur zu einer der üblichen klebrigen Gedenk-Featuretten inspiriert hat. ("Sie hatte viel Potential, und - sie hatte viel Potential!") Wo der Film hätte weitermachen sollen, ist die Szene beim Konzert, wo die Vampire über Lestat herfallen, vor unzähligen Musikfans - das ist so überzogen, daß es schon wieder beeindruckt. Der Film selbst bleibt eine wenig geschmackvolle, sehr effekthascherische Angelegenheit, die weder guten Trash noch eine interessante Ergänzung zum Vampir-Kanon bietet. Von der Autorin der Vorlage, Anne Rice, habe ich immer noch nichts gelesen, aber Bettina meinte, sie sei so eine Art Rosamunde Pilcher für Vampire. Das möchte ich mal so stehenlassen...
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#14
Geschrieben 08. März 2004, 22:23
Ein unangepaßter Jugendlicher bekommt Besuch von einem Dämon mit Kaninchenkopf und Totenschädelgesicht - was kann da falsch gelaufen sein?
Dieser außerordentlich merkwürdige Film überraschte mich zutiefst, da ich aufgrund des Titels und des Plakatmotivs einen Teenie-Slasher minderer Machart vermutete. Tatsächlich beeindruckte mich der Film so nachhaltig, daß ich sofort in die Stadt lief, um die DVD zu erwerben. Es gab leider nur noch die Tinbox-Collector's-Edition. Auf die andere Fassung - ca. 10 Euro billiger - hätte ich eine Woche warten müssen. Ich kaufte das Ding trotzdem - so sehr beeindruckte mich der Film... Okay, Donnie ist zwar ungewöhnlich intelligent, aber sehr merkwürdig. Er hat merkwürdige Visionen, die nicht etwa aufhören, als ein ganzer Flugzeugmotor auf dem Haus seiner Familie landet. Er kann mit den Leuten um sich herum nicht viel anfangen, abgesehen von der neuen Schülerin Gretchen, deren Vater gerade versucht hat, die Mutter zu erstechen. Auch ist da diese alte verwirrte Dame, die sich von fast jedem anfahren lassen zu wollen scheint und doch nur nach ihrer Post schauen will. Sie hat einst ein Buch über Zeitreisen geschrieben. Jetzt ist sie nur noch ein pittoresker Fremdkörper in der glatten Gesellschaft dieser kalifornischen Kleinstadt. Hat das etwas mit Donnies Visionen zu tun, speziell mit den merkwürdigen Würmern, die aus dem Leib seiner Zeitgenossen herausquellen? Ich gewann nach etwa 30 Minuten den Eindruck, daß ich es mit mehr zu tun hätte als dem üblichen Teenie-Slasher. Dann startete ich ab in den Mikrokosmos dieses Films. Sein David-Lynch-artiges Ende ließ mich sehr aufgewühlt zurück. Ich rasierte mir direkt im Anschluß meinen Bart ab, was immer das über den Film aussagt. Ich war mitten drin im Film und liebte ihn. Was genau das Ende zu bedeuten hat, weiß ich immer noch nicht, aber der Regisseur Richard Kelly (der 7 Jahre jünger ist als ich) hat mit seinem Debüt-Langfilm einige Sachen richtig gemacht. DONNIE DARKO wurde koproduziert von Drew Barrymore, die auch eine sympathische Gastrolle hat als junge Lehrerin, die einer fundamentalistisch-fanatischen F*tze Platz machen muß, die behauptet, daß Graham Greene ein Pornograph ist. Mitten im Geschehen steht Jake Gyllenhaal, der nicht nur der Sohn von Regisseur Stephen Gyllenhaal ist, sondern auch ein verdammt guter Schauspieler. Ich behaupte jetzt mal, daß er eine Menge kifft, aber es trägt hier nur zum Gelingen seiner nicht unkomplizierten Rolle bei, denn Donnie ist weit mehr als der übliche Schul-Außenseiter: Er ist ein waschechter Geisteskranker! Oder trügt da der Schein? Er ist verflucht intelligent, verglichen mit seiner debilen Umwelt. Seine Eltern sind aufrechte Republikaner und glauben den Worten von George Bush Senior. Daß die Tochter für den Demokraten Dukakis wählt, ist ein Dorn in der Seite des Familienfriedens. Dann kommt Gott, in Gestalt des Flugzeugmotors. Gibt es eine Chance für das Übernatürliche in dieser Umgebung? Donnie sieht sich TANZ DER TEUFEL im Kino an und weiß Bescheid. Der positivistisch-debile Prediger (geniale Zauberrolle für Patrick Swayze!) bekommt das zu spüren. Kinderpornos haben da auch ihren Platz. Aber was soll dieser verdammte Flugzeugmotor bedeuten? Bis das halbwegs klar wird, erscheint noch einige Male der Hase Frank, dem einiges verflucht leid tut, warum auch immer. Ich habe lange keinen Film dieser Art mehr gesehen, der mich derart aufgewühlt und umgeblasen hätte. Massivst empfohlen! Jake Gyllenhaal trat die Columbia-Universität in den verlängerten Rücken und küßte seine nunmehrige Freundin Kirsten Dunst auf den ihren, was insgesamt ein guter Tausch ist. DONNIE DARKO - toller Film.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#15
Geschrieben 08. März 2004, 22:25
Weil er keine Freunde hat und mit seiner siechen Mama wohnen muß, freundet sich Willard Styles mit Ratten an, die ihn bis zu einem gewissen Punkt trefflich unterstützen.
Eine immerhin ordentliche Neubearbeitung des alten Ratten-Klassikers von Daniel Mann, in dem der ödipale Konflikt, dem der Hauptcharakter unterliegt, mit Joe-Dante-Nostalgo-Raffinesse mundfertig gemacht wird. Crispin Glover (der in dem großartigen Jugendfilm THE RIVER'S EDGE spielte, Michael J. Fox´ Vater in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT war und in FREITAG DER 13. - DAS LETZTE KAPITEL die Hand an den Tisch genagelt bekommt) leistet einen ordentlichen Job als repressiver Bürohengst, dessen Demütigungen einfach überhand nehmen. Zuerst freundet er sich mit der reizenden Weißmaus Sokrates an. Dann folgen die namenlosen Legionen. Der widerspenstige Riese Ben hingegen verkörpert ödipalen Konflikt auf Ratten-Niveau. Wenn der Rattenanteil der Rache getan ist, muß irgendwas schief gehen, das spürt man sofort... Die Neuverfilmung von Glen Morgan ist ordentlich und entbehrt auch der tierschützerischen Schnitzer der Originale (verbrennende Ratten sollten niemandem Spaß machen!), geht einigermaßen behutsam und umsichtig vor. Jenseits des Achtungserfolges gibt es auch keine Neuerungen. R. Lee Ermey (der Spieß aus FULL METAL JACKET) ist angemessen widerlich als böser Chef, die immer interessante Jackie Burroughs angemessen siech als Mutter. Ohne den gewohnten Krach geht alles ganz angenehm vonstatten, ohne daß aber nennenswerte neue Akzente geschaffen würden. Wer den alten Film nicht kennt, kann sich WILLARD ohne Reue anschauen. Wer ihn kennt, bekommt eine ehrenhafte, aber unaufregende Neuauflage geboten, der sich aber niemand zu schämen braucht. Cora hat den Film mit mir zusammen gekuckt. Ihr Haupteinwand war: "Warum werden im Abspann die Ratten nicht namentlich genannt?" Ihr Favorit war die Bullen-Ratte Ben, und das ist auch mit Sicherheit der absolute Crack des Filmes. Ich will jetzt auch eine Ratte als Freund...
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#16
Geschrieben 08. März 2004, 23:10
Für mein Empfinden ein ziemlicher Griff ins Klo. Zwar kenne ich die Vorlage nicht (die Zeiten, in denen ich jeden neuen King sofort verschlang, sind lange vorbei!), aber ich kann mir nicht vorstellen, daß sie so schwach ist wie dieser unentschlossene Mischmasch. Die ersten 50 Minuten fand ich ja noch ganz in Ordnung: Vier Männer, die sich von Kindesbeinen an kennen, teilen irgendein Geheimnis in ihrer Vergangenheit, das mit einem anderen Kind namens Schnaggels (oder so) zu tun hat. Diese STAND BY ME-artige Story wirkt wie King-Nostalgie und ist durchaus sympathisch. Die Männer begeben sich dann in eine verschneite Gebirgshütte, wo sie einen halb erfrorenen, sehr dicken Mann entdecken, der fürchterlich furzt und dann das ganze Klo zuscheißt... Hier dachte ich für einen Moment, der Film könne richtig gut werden. Die ekligste Szene des ganzen Films hat nämlich nix mit Brutalität zu tun, sondern mit dem Abtritt: Als der dicke Mann vom Klo rutscht und seinen blutigen, nackten Hintern präsentiert (Zitat: "Ich will das jetzt gar nicht sehen!"), war ich ernsthaft schockiert, denn der Gang zum Klosett in all seiner Würdelosigkeit ist in der Tat eines der letzten großen Tabus der Kinematographie. Dem Dicken schlüpft aus dem analen Schacht ein Alien, das aussieht wie eine Kackwurst mit eingebauter "Vagina Dentata". Leider handelt es sich bei diesen Gesellen nur um die Begleit-Aliens (das Drehbuch macht sich nicht die Mühe, ihre Funktion näher zu erläutern), während die Erstliga-Außerirdischen um "Mr. Gray" ziemlich langweilig aussehen - eigentlich sehen sie aus wie intergalaktische Versicherungsvertreter! Und ab da wird der Film richtig schlecht: Morgan Freeman (in seiner sinnlosesten Rolle ever!) und Tom Sizemore (für ihn nichts Neues!) sind die Army Guys, die die Aliens wegbomben wollen. Das ist dann auf einmal eine Bezugnahme auf den 50er-Jahre-"Creature Feature", was überhaupt nicht zum Vorangegangenen paßt. Außerdem holpert das Drehbuch (ausgerechnet vom sonst verläßlichen William Goldman) zwischen der für Mr. King üblichen flapsigen Ironie im Umgang mit dem Horrorstoff und ernsthaftem Horror hin und her, was teilweise zu saftigem Überchargieren der Akteure führt... Insgesamt kein richtiger Rohrkrepierer à la ROLLERBALL und zumindest ganz unterhaltsam, aber für Regisseur Lawrence Kasdan ist das schon eine satte Enttäuschung!
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#17
Geschrieben 08. März 2004, 23:18
Ich bin ja aus Tradition ein Mensch, der niemals weiß, was genau in den Filmen abgeht, die ich mir anschaue, da ich keine Trendmagazine lese. So war ich gänzlich überrascht davon, daß KILL BILL von seinem Titel mehr als hinreichend erklärt wird. Uma Thurman ist eine Braut, die fast einem Mordanschlag zum Opfer fällt, und nach vier Jahren im Koma geht sie los und will alle Verantwortlichen killen. Dabei geht sie ganz programmatisch vor und arbeitet sich langsam bis zu Bill vor. Tarantuti hat den Film ja ursprünglich (glaube ich) als einen Einzelfilm konzipiert, den man dann auseinanderschneiden mußte, weil er zu lang wurde. In Teil 1 erwischt es tatsächlich nur die ersten beiden der vier Killer plus Auftraggeber - der Film hat sonst keine Handlung! Er ist allerdings so verdammt gut gemacht, daß es kaum jemanden stören wird. Ich bin ein erbitterter Feind der ganzen Tarantuti-Epigonen. Robert Rodriguez´ Filme finde ich etwa komplett lächerlich. In FROM DUSK TILL DAWN hat mir nur der Tanz von Salma Hayek gefallen und Harvey Keitels garantiert nicht komisch gemeinte Szene, in der er seinen Kindern mit todernster Miene sagt: "Mutter ist tot!" Auch war da der großartige Anschlußfehler, in dem Quentin Tarantuti himself rumsitzt und sich sein Hamburger in ein Bier verwandelt und zurück! In DESPERADO gibt es den tollen Kampf in der Stierarena, in dem einem Held das Bein gebrochen wird. Er levitiert sich vom Boden ab und bricht dem bösen Goliath das Genick. Was bedeuten würde, daß er sich vom Boden abfedert, dann im Fluge die Richtung wechselt und mit demselben Fuß den Genickknacker ansetzt... Oder er hebelt sich mit dem gebrochenen Fuß ab, aber das würde auch nicht soviel Sinn ergeben. Der einzige Tarantuti-Nachahmer, den ich gemocht habe, war DER BLUTIGE PFAD GOTTES, in dem zwei irische Jungs den Segen Gottes in die verderbte Umwelt einbleuen - der war ziemlich chefig! Die anderen dieser "Gewalt ist cool"-Hanswurstiaden fand ich erbärmlich. Nun ist Tarantuti aber in Wirklichkeit Tarantino, und da nicht Koks seine Hauptinspirationsquelle darstellt, sondern echtes Talent, ist KILL BILL zwar ein fast vollständig aus Zitaten zusammengesetzter Film, aber Tarantino bastelt aus den Zitaten etwas vollkommen Neues. Das ist nicht simple Pastiche oder Parodie - das ist etwas, das man noch niemals gesehen hat! Uma Thurman ist total klasse, nicht nur, wenn sie ihre Zehen zum Gehorsam überreden will, als sie nach langjährigem Koma ihren Dienst versagen - sie will die Rache. Und sie will nicht nur irgendeine Rache - sie will die vollkommene, totale Rache! Noch niemals zuvor ist so intensivst Rache geübt worden - die Blutwurst wird zum allesverzehrenden Inferno! Die schwarze Mami, die es zum Anfang erwischt, ist noch fein raus. Der Großteil gehört der Story der "Ally McBeal"-gestählten Lucy Liu, und sie arbeitet sich langsam vor zu einem der fulminantesten Showdowns der Filmgeschichte! Zuerst erwischt es über 60 von Lucys Killern - Uma macht Schluß im Quadrat, und nicht nur im Quadrat, sondern auch in Schwarzweiß, denn die Zensur hatte gegen die ICHI THE KILLER-reifen Exzesse doch einiges einzuwenden. Wie kann man einen solchen Höhepunkt, wo halbtote Yakuza-Killer ohne ihre abgetrennten Gliedmaßen davonkriechen, noch übertreffen? Ganz einfach - mit einem simplen, stilisierten Showdown in einem bläulich eingefärbten japanischen Wintergarten, wo nur gelegentlich eine Wasserpumpe schnaufend in die Stille zwischen den Scharmützeln eindringt. Und wenn Killerin Lucy Liu zum Todesstoß anhebt, was ertönt da? Die Disco-Flamenco-Rhythmen von "Don't Let Me Be Misunderstood"! Und es funktioniert - Geniestreich! Der große Clou des Filmes sind für mich die unglaublichen Musikeinsätze. Da ist eine "Easy Listening"-Version von Rimsky-Korsakoffs "Hummelflug", Musik aus Italo-Western und von Bernard Herrmann, und immer an Stellen, wo man niemals drauf kommen würde. Und es funktioniert zur Perfektion. Ich hätte für mein Leben gern die Gesichter der Disney-Executives gesehen, als sie zum ersten Mal den fertigen Film vorgeführt bekamen, mitsamt des farbigen Yakuza-Finales, das jetzt wohl nur in Japan herauskommen wird. Die Kinne und Doppelkinne müssen heruntergerutscht und auf dem Boden aufgetrumpft sein. Die werden jeden Spaß verloren haben, angesichts der eigenen Familienkino-Politik. Angeblich trägt sich Disney ja derzeit mit der Absicht, die lukrative "Miramax"-Abteilung abzustoßen aufgrund dieses knochenkrachenden Overkills. Für mich ist KILL BILL jetzt schon Legende. Ästhetisch höchste Vollendung und in seiner inhaltlichen Reduktion schwer zu übertreffen. Ich fürchte, das ist mein Lieblingsfilm von Tarantino! Der Mann ist irre, aber gut...
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#18
Geschrieben 08. März 2004, 23:24
Dieser australisch-amerikanische Streifen basiert auf der wahren Geschichte, die sich hinter der Legende um die "Zahnfee" versteckt. In einem kleinen australischen Städtchen namens Port Fairy gab es nämlich im 19. Jahrhundert eine Einwohnerin namens Matilda Dixon, welche die Angewohnheit hatte, Kindern Münzen für ihre ausgefallenen Milchzähne zu geben. Bei einem Brand wurde das Gesicht dieser einsamen, aber grundanständigen Frau fürchterlich entstellt, so daß sie fortan nur noch mit einer Maske durch die Stadt ging. Den Brauch mit den Zähnen behielt sie bei. Der Argwohn, den viele der braven Bürger gegen diese Frau hegten, kam zum Ausbruch, als eines Tages zwei Kinder vermißt wurden. Man stempelte Matilda zum Sündenbock und lynchte sie kurzerhand, nicht ohne ihr vorher noch unter Gejohle die Maske vom Gesicht gerissen und ihre entstellte Fratze den Leuten vorgeführt zu haben. Die Kinder tauchten wenige Zeit später wohlbehalten wieder auf. Diese grausame Tat blieb lange ungesühnt, da die Honoratioren der Stadt versuchten, die Sache unter den Teppich zu kehren. Als aber Unglücksfälle die Stadt heimsuchten, lastete man diese dem Unrecht an, das einst an Matilda Dixon verübt worden war. Heute hat man ihr ein Denkmal gesetzt und erzählt von ihr mit Ehrfurcht. Kinder legen ihre ausgefallenen Zähne unter das Kopfkissen, und romantische Erziehungsberechtigte schleichen in die Schlafzimmer der Kleinen, um die Zähne mit Geldmünzen zu vertauschen... Regiedebütant Jonathan Liebesman hat daraus einen stimmungsvollen Grusler gebastelt, der meistenteils auf Blutrunst verzichtet, aber ausgesprochen spannend ist. Bei einigen Szenen habe ich sogar laut aufgeschrien, denn Liebesman ist Schockeffekten als solchen durchaus nicht abhold. Für meinen Geschmack zielt der Film dann etwas zu sehr in die JEEPERS CREEPERS-Ecke und läßt Matilda als grausigen Rachedämon wiederkehren, der blitzschnell zuschlägt und fledermausiges Geraschel im Handgepäck führt. Das verspielt einiges vom Potential der Story, aber der Film bringt die Action-Kaspereien immerhin ganz ordentlich über die Bühne, und auch THE FOG machte ja bereits aus einer klassischen Geistergeschichte ein unterhaltsames Vehikel für Schockeffekte...
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#19
Geschrieben 08. März 2004, 23:29
Nachdem der bei uns mysteriöserweise ungeschnitten herausgekommene JASON X dem ausgelutschten FREITAG DER 13.-Muster bereits die Narrenkappe aufgesetzt und seine blutrünstigen Spezereien mit viel Ironie und Kasperei versehen hatte, wird das Zusammentreffen der Horror-Ikonen tatsächlich wieder etwas ernsthafter. Das finde ich nicht immer geglückt, da die ohnehin extrem eingleisige Arbeitsweise von Jason Voorhees eigentlich nach Verarsche schreit, aber das Zusammenwürfeln der beiden sehr unterschiedlichen Massenmörder (das etwas an die Taktiken der "Universal Studios" erinnert, wie bei FRANKENSTEIN MEETS THE WOLF MAN) ist durchaus reizvoll und erlaubt den direkten Vergleich: Jason ist der total stumpfe Proletarier, der seinen Mangel an Erziehung durch äußerste Zweckfixiertheit ausgleicht und einen sehr lobenswerten Arbeiterethos. Freddy Krueger hingegen ist der psychologisch beleckte Megalomane, der eitel und großkotzig ist bis ins Mark und sein Plus an Gehirntätigkeit zu unsozialen Zielen mißbraucht. Jason ist ohne Frage der sympathischere der beiden Massenmörder, wenn auch Freddy die Lacher auf seiner Seite hat. Die Teenagerbratzen sind widerlich wie eh und je und haben das Wort "Kanonenfutter" auf ihre Stirne tätowiert. Mit viel Bohei und Blutgemansche (leider wieder häufig computergeneriert) treten sie die Fährfahrt über den Styx an und können sich wahrlich nicht beschweren... Meines Erachtens war Tobe Hoopers THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2 (der vom Drehbuchautor von Wim Wenders´ PARIS, TEXAS geskriptet wurde!) der erste Horrorfilm, der die analytischen Bestrebungen der Genrehistoriker bewußt in seine Vorgänge einfließen ließ. Filme wie Wes Cravens SCREAM setzten diese Tendenz dann schlaumeierisch fort und lieferten den Subtext gleich mit zum blutigen Geschehen. FREDDY VS. JASON steht in exakt dieser Tradition, was ihn aber nicht davon abhält, einen gesunden Unterhaltungswert zu besitzen. Der erste Boxkampf, den ich jemals ganz gesehen habe, war jener, wo Mike Tyson Evander Holyfield das Ohr abbiß. Bei Freddy und Jason geht das ganz ähnlich zu. Der erste Zweikampf findet statt in Freddys Traumwelt-Fabrik, der zweite bei Camp Crystal Lake. Wer gewinnt, werde ich hier natürlich nicht verraten, aber ich gehe mal davon aus, daß die Fans dieser Horrorfilmserien ihren Spaß haben werden und mit Sicherheit keine Enttäuschung riskieren.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#20
Geschrieben 08. März 2004, 23:32
Meine vollständige Kritik zu diesem bahnbrechenden Pionier des Vietnam-Disco-Spektakels steht hier.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#21
Geschrieben 08. März 2004, 23:40
Heute habe ich einen Film gesehen, der mich bis ins Mark getroffen hat! Man hält sich ja doch immer für abgebrüht und über alles erhaben, doch Gaspar Noés sogenannter Skandalfilm IRREVERSIBLE ist wirklich weit mehr als nur eine Ausweitung des MEMENTO-Schemas. Während Christopher Nolans Film seine Prämisse, einen Film mal vom Ende bis zum Anfang zu erzählen, noch etwas kompromißlerisch und teilweise unstimmig umsetzte, macht IRREVERSIBLE absolut keine Gefangenen: Der Film bewegt sich vom tragischen Ende bis zum idyllischen Anfang zurück, und jede Szene ergibt sich aus der folgenden. Ich fragte mich beim Betrachten des öfteren, ob die Strapazen des Erlebnisses vom Resultat gelohnt werden. Selten hat mich ein Film so enerviert und verstört wie dieser, Pasolinis 120 TAGE VON SODOM eingeschlossen. Nur eine weitere Übung in Narrative und Stil? Mit solchen Mitteln? Der Film beginnt mit einer scheinbar unscheinbaren Szene, in der ein älterer Mann mit einem jüngeren Mann philosophische Gemeinplätze austauscht. Dann geht es in eine Schwulenbar, wo ein Mann einen anderen sucht, dessen Spitzname "Der Bandwurm" lautet. Die Szene endet damit, daß ein Mann dem anderen den Schädel zertrümmert. Eine unglaublich brutale Szene - vielleicht die brutalste, die ich jemals gesehen habe. Noé erreicht das mit einer ständig herumkurbelnden Kamera, die immer nur Schnipsel der Umgebung einfängt, gerade genug, um dem Lauf der Geschehnisse zu folgen. Untermalt wird das von einem repetitiven, leiernden Sound, der einen fast verrückt macht. Wie der letztendliche Gewaltausbruch dann realisiert ist, weiß ich selber nicht - da müssen wohl Computereffekte eine Rolle gespielt haben, denn einen Zwischenschnitt habe ich keinen bemerkt, und der Kopf des armen Schauspielers ist nur noch Matsch. Der Rest des Filmes schildert dann konsequent rückwärtsführend die Vorgeschichte, die zu diesem Gewaltausbruch geführt hat. Der Film enthält exakt zwei Gewaltsequenzen, aber die reichen aus, um den Zuschauer nachhaltig zu verstören. Der Mord ist zurückhaltend, vergleicht man ihn mit der Vergewaltigung. Diese ist die härteste und unangenehmste, die ich jemals in einem Film gesehen habe, und trotzdem exakt so, wie man solch ein "Kavaliersdelikt" zu filmen hat: eine Einstellung, ohne Zwischenschnitte oder andere Kaspereien, die dem Betrachter erlauben, sich vom Geschehnis zu distanzieren. Zwischendurch erscheint mal ein Beobachter im Hintergrund, verzieht sich aber sofort feige. Die Szene ist wirklich kaum mitanzusehen, und es ist einer der wenigen Filme, die mir beim Betrachten Tränen des Entsetzens in die Augen getrieben haben. Der Film wird danach immer freundlicher und heller, aber der Gesamteindruck ist bereits vorgezeichnet - alles, was da noch kommt, ist bereits zerstört. Die selbstjustizfilmgemäße Rache hat beim näheren Hinsehen den Falschen getroffen. Alle Ordnung ist aus den Fugen geraten. Während die Bildführung zu Anfang des Filmes noch völlig enthemmt und unkontrolliert in der Gegend herumkurbelt (und auch auf einigen sexuell expliziten Details ausruht), gewinnt sie zum Ende hin immer mehr Ruhe und Ordnung, doch die aufgewühlten Nerven des Zuschauers beruhigen sich nicht mehr. Wenn am Schluß die Klänge meines absoluten Lieblings-Klassik-Werkes (dem Largo aus Beethovens 7. Symphonie) erklingen, schwingt bereits alles im Trubel dessen, was die Zukunft bringen wird. Während MEMENTO tatsächlich nicht viel mehr ist als eine erzählerische Stilübung, bebildert IRREVERSIBLE den Alpdruck einer Welt, wo alle Aktionen die Folgenden determinieren und somit eine Art von Vorbestimmung herrscht; nicht im religiösen Sinne, sondern ganz wortwörtlich. Alle Illusion von Idyllvorstellungen ist auf einmal Schall und Rauch. Die Folgen eines möglichen Fehlverhaltens sind unabschätzbar und mit keinen wissenschaftlichen Formeln zu bändigen. Meine eigene Überzeugung, daß alles, was wir tun und treiben, seine Spuren hinterläßt, findet in diesem Film seine ebenso konsequente wie schreckliche Bestätigung. Die zärtlichen und intimen Szenen, die der hervorragende Hauptdarsteller Vincent Cassel (Sohn von Jean-Pierre) mit seiner "real-life"-Lebensgefährtin Monica Bellucci hat, finden ihre Entsprechung in dem namenlosen Horror des Filmanfangs. Es gibt nicht viele Filme, bei denen ich passagenweise wegschauen mußte. Am Schluß - "Time Ruins All Things" - habe ich geheult. Das war das erste Mal, daß ich bei der abendlichen Eßwarenbeschaffung auf mein Auto verzichtet habe, da ich zu aufgewühlt und innerlich zerstört gewesen bin. Der Schluß mit Monica Bellucci auf der Wiese wird lange vor meinem geistigen Auge spuken. Nach Noés vorangegangenen Übungen in moderner Gewalt ein Meisterwerk von einem Film, das man sich aber nicht anschauen sollte, wenn man zartbesaitet ist - es könnte schwer in die Hose gehen. Während BAISE-MOI (FICK´ MICH) eine in meinen Augen ebenso überflüssige wie widerwärtige Nichtigkeit mit Hardcoreszenen darstellte, ist IRREVERSIBLE ein großes Kunstwerk, das den unwiderruflichen Charakter des eigenen Handelns ebenso in Marmor einmeißelt wie die Vergänglichkeit augenblicklichen Glücks. Kein Skandalfilm, sondern Kino, wie es sein soll. Bin geplättet.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#22
Geschrieben 08. März 2004, 23:48
80 Millionen Dollar soll diese zelluloidgewordene Güllepumpe gekostet haben. Warum Hollywood seit einiger Zeit damit beschäftigt ist, Klassiker neuzuverfilmen, ist mir eh schleierhaft. Spätestens das PSYCHO-Remake des eigentlich ja begabten Gus van Sant sollte diesen Bestrebungen die Totenglocke geläutet haben. Aber bei ROLLERBALL ist alles vorbei, der saugt wie eine ganze Armee Gretchen! Testvorführungen deuteten die Katastrophe bereits an, was die Produzenten zu maßgeblichen Kürzungen verleitete. Zudem wurde eine der wenigen akzeptablen Komponenten des Filmes - der Soundtrack von Luc Bessons Eric Serra - dadurch versaubeutelt, daß man mehrheitlich unhörbare Metal-Mucke der Marke "Wer macht Marilyn Manson am schlechtesten nach?" über die Vorgänge kleisterte... Wer Hauptdarsteller Chris Klein ist, wußte ich nicht, denn ich habe AMERICAN PIE nicht gesehen. Nach ROLLERBALL weiß ich immerhin eines - James Caan isser nich! Aber selbst, wenn Sir Laurence Olivier in die Kasperklamotten geschlüpft wäre, hätte jener keine Chance gehabt, denn McTiernan macht alles falsch, was falschzumachen ist. Der originale ROLLERBALL kontrastierte (für die damalige Zeit) megabrutale Sport-Actionszenen mit stillen dramatischen Momenten und Bachs sakralem Fugengenorgel. Absolut essentiell waren natürlich die Fightsequenzen, bei denen der Zuschauer wirklich mitfieberte und am zweifelhaften Geschehen teilnahm. Das Spiel selbst war denkbar simpel gestrickt und wirkte wie ein auf Geometrie reduzierter Kampf ums Überleben. Actionszenen - wie technisch elaborat sie auch ausgeschmückt sein mögen - müssen auf einer simplen Grundlage beruhen. Bei McTiernan bekommt man ein komplett unübersichtliches Gemengsel lärmender Einstellungen, in denen bunt kostümierte Biker-Clowns über einen Parcours schwirren, der eher an "Spiel ohne Grenzen" erinnert denn an eine realistische Sportveranstaltung. Was da passiert, geht einem komplett am Arsch vorbei, denn man kriegt kaum mit, was vor sich geht! Es werden keine Spielstände eingeblendet. Stattdessen bekommt man einen fast schon rutgerhaueresk schlecht eingesetzten Jean Reno, der mächtig auf die Tube drückt, sowie ein babylonisches Sprachgewirr, das wohl ein wenig zeitgenössische Kritik am globalen Medienmarkt einstreuen soll, aber einfach nicht funktioniert. BLADE RUNNER ist da wirklich ganz weit weg. Und warum befindet sich der Schauplatz im verarmten Rußland? Sind das die Kinder der Perestroika? Wirkt eher wie eine Neuauflage des kalten Krieges, und am Umstand, daß Amerika in der geschilderten Zukunft wohl überall ist, nehmen die Drehbuchautoren nicht wirklich Anstoß. Nicht, daß kritische Akzente durch den verwirrten Radau hätten hindurchdringen können! Die Kampfsportszenen sind rettungslos schlecht choreographiert. Interessanterweise wirkten die entsprechenden Szenen im originalen ROLLERBALL auf mich wesentlich intensiver und schockierender, und das, obwohl Bach hier zugunsten von Rob Zombie, Slipknot und ihren unbegabteren Genossen weichen mußte. Die dramatischen Szenen (für die sich scheinbar eh keiner der Verantwortlichen zu interessieren schien) wirken lustlos hingeklatscht und bedienen lediglich puritanische Moralvorstellungen. Ich fasse es nicht, daß McT die Sache so in den Sand gesetzt hat, denn DIE HARD war eigentlich ein Prototyp für einen aufregenden Actionreißer - zwar tumb und fremdenfeindlich, aber in Sachen Spannungserzeugung die Exzellenz auf Stelzen. In ROLLERBALL vergurkt er alles, selbst den Finalfight, der im Original fast mythische Dimensionen erlangte. Im Remake zappelt alles wild durcheinander - man ahnt, wer gut und wer böse sein soll, das Publikum schwenkt auf Held Jonathans Seite um, ein paar böse Russkis wedeln mit ihren Wummen, Jonathan schmeißt die Scheiben kaputt und haut Jean Reno und seinem indischen Schlappenschammes die Lichter raus. Interessiert das jemanden? Nö. Ich starrte nur völlig entgeistert auf dieses sinnlose, geschmacklose Multimillionendollar-Fiasko und dachte: "Der Sailor Ripley, der hat eigentlich Recht gehabt!" ROLLERBALL 2002 - eine filmische Bankrotterklärung obersten Ranges.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#23
Geschrieben 08. März 2004, 23:55
Genaugenommen basiert DARK BLUE nur auf einem Treatment von James Ellroy, aber es hat sich neben einiger MTV-Gewieftheit doch einiges von der Qualität des Werkes des bedeutendsten gegenwärtigen US-Krimiautors ins Endresultat retten können. Kurt Russell (in seiner mit Abstand besten Rolle - der Mann ist wirklich super!) spielt einen widerlichen rassistischen Bullen, der mit einem jungen Idealisten zusammengewürfelt wird. Im Gefolge der Rodney-King-Sauerei (Wir erinnern uns: Ein junger Schwarzer wird von weißen Polizisten fast zum Krüppel getreten, was unglücklicherweise von einer Videokamera mitgeschnitten wird!) kommt es zu einem Initiationsritus in Sachen Realität. Leider kann der junge Polizist den zynischen Dreckskram seines abgehärteten Kollegen nicht mitmachen, weshalb es zu dramatischen Störungen im Polizeiapparat kommt. Am Schluß setzt es ein wohlwollendes Finale, das Ellroy etwas schönbürstet, aber ansonsten handelt es sich um bemerkenswert deftiges Gewaltgewitter, in dem der Mensch sehr von seiner unmittelbaren Umgebung bestimmt wird. Das geht hin bis zum vorsätzlichen Mord, der von der Exekutive gutgeheißen werden soll. Der idealistische Polizist kann damit nicht leben, und so hagelt es dann im Schlußteil - der während der Post-King-Krawalle stattfindet - ein blutiges Erlösungs-Showdown, das die verirrten Wege der Polizisten dann letztendlich doch in die richtigen Wege lenkt. In der Wirklichkeit haben die Cops, die Mr. King plattgetreten haben, lächerlich geringe Strafen bekommen, und das auch nur wegen der Krawalle. Der Film besticht durch eine exzellente Darstellung des von mir fälschlicherweise geringgeschätzten Kurt Russell und der beiden fiesen Killer (Poor White Trash und Crack-Nigga), und er unterläßt beachtlicherweise eine moralische Bewertung, zumindest an der Oberfläche. Die Charaktere erscheinen trieb- oder giergesteuert und kegeln sich durch das Dickicht, das wir Leben nennen. Mit dem brennenden L.A. (remember Watts?) wird sogar eine religiöse Komponente angeschnitten, die dem Ellroy-Universum durchaus nicht fremd ist. Die Synchro haut einige unnötig vergröbernde Klopfer hinein, die den Ansatz zur schwarzen Komödie noch verstärken. Aber wenn auch der Film den Kassenerfolg mit Sicherheit verfehlen wird, so sollte man ihm dennoch seine Aufmerksamkeit leihen. So schwarz wird die Welt nicht mehr - in den Nachrichten bleibt sie nur grau. Die Leute haben keine Arbeit, die Politiker lügen nach Leibeskräften, und die Justiz kümmert sich um die Problemfälle. Danach kommt der Werbeblock. Bei Ellroy kommt eben nicht der Werbeblock. Das ist nicht versöhnlich, das ist nicht stramm agitatorisch - das orientiert sich streng an der wesensmäßigen Orientierung der Charaktere an ihrer persönlichen Historie. Die wohnt bei McDonald's, die wohnt im kommerziellen Fernsehen, und dazwischen verbleibt Ficken und das Hoffen auf einen Erlöser. Die Sinnsuche als Knochenarbeit für den strauchelnden Moralisten - bei Ellroy nimmt sie Form an, blutig und beherzt. Der Film ist vielleicht umgedichtet und mehr an das Hollywood-Format angepaßt, aber er gibt Ellroys Geist trotzdem noch adäquat wieder. Man mag manchmal kaum hinkucken, und kommerziell wird der Film mit Sicherheit gefloppt sein, aber Ellroy habe ich da satt gefunden. Teilweise hat mir der Unterkiefer an der Popcornschachtel geklebt. Aber wenn Watts Lloyd Hopkins geformt hat, so bietet uns Rodney King einen Einblick in das moderne Amerika vor Afghanistan und dem Irak, wie es kaum ein anderer amerikanischer Film gewähren wird. Beim ersten Ansehen fand ich den Film so lala, aber mittlerweile ist er richtig gewachsen. Das ist der Weltklang, wie er von den meisten Medien ignoriert wird. Er ist böse, er ist eklig und er hinterläßt den berühmten Nachgeschmack, der die meisten gesunden Sachen kennzeichnet.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#24
Geschrieben 09. März 2004, 00:00
Wäre der Film ein Musikstück, wäre er Kammermusik - reduziert, emotional und zielsicher. Ralph Fiennes spielt (wie üblich bei Cronenberg: hervorragend) einen Geistesgestörten, der in eine Londoner Wohngemeinschaft für ebensolche eingewöhnt wird. Dabei lernt der Zuschauer Stück für Stück, was zu der Einlieferung geführt hat. Von der sehr gescheiten Story darf ich hier gar nichts verraten, da der Weg zur Weisheit der ganze Spaß ist. Wer Horror erwartet, wird enttäuscht werden, denn der Gehalt an schreckenerregenden Genrezutaten ist noch geringer als beim tollen DEAD RINGERS (DIE UNZERTRENNLICHEN), aber wie immer ist das Resultat ein echter Cronenberg-Film, mit all den Zutaten, die man von Cronenberg schon immer gewohnt war. Eine geradlinige Erzählstruktur darf man nicht erwarten. Es geht eher in Richtung von David Lynchs ERASERHEAD, wo viele sinnliche Signale letztlich den Weg zum großen Ganzen ebnen. Auch Spektakel à la eXistenZ darf man nicht erwarten. Aber wer ein bißchen Feinsinn mitbringt, wird, denke ich, sein Auskommen haben in dem vertrackten Vergangenheits-/Gegenwartsgewirr des neuen Werks. Trotzdem, Warnung: Wer nicht extrem gut Englisch versteht, sollte auf die deutsche Version warten. Ich habe vielleicht ein Drittel des Dialogs mitbekommen, und Cockney, kryptische Dialoge und Ralph Fiennes´ rollenbedingtes Schwachsinnigengemurmel setzen einem hart zu. Aber Cronenberg ist und bleibt einer der wenigen Regisseure, die immer ganz genau das hinbekommen, was sie wollen.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#25
Geschrieben 09. März 2004, 00:02
HALLOWEEN 8: RESURRECTION ist nicht wirklich bemerkenswert, um es sehr vorsichtig auszudrücken. Jamie Lee Kürbis spielt zwar am Anfang kurz mit, und Rick Rosenthal - Regisseur des zweiten Halloween-Spuks und des ordentlichen BAD BOYS - führt Regie, aber dennoch bleibt nur ein Fazit: Was passiert, wenn man einige Westküsten-Jungdarsteller mit albernen Hiphop-Bärten und Rapper Busta Rhymes nach Haddonfield entführt? Ein gigantischer Haufen Krötenkacke passiert da - Zeitverschwendung de luxe. Handwerklich ist das Ganze schon okay, aber wenn man die Leihgaben von THE BLAIR WITCH PROJECT und dem asiatischen ST. JOHN'S WORT mal beiseiteläßt, bleibt da nur das Aufgewärmte von gestern, inklusive unglaublich vielen Glaubwürdigkeitsschnitzern. Da jault man einige Male herzhaft auf, möchte ich mal sagen. Stand der Carpenter-Film noch haushoch über den Jason-Massakern, ist hier wirklich kein Unterschied zu erkennen. Im Gegenteil, JASON X fand ich wesentlich netter als diesen technikhörigen, schwachsinnigen Schmonzes. Da haut man sich wohl lieber selbst 90 Minuten lang mit einer Cocktailgabel auf den Kopp.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#26
Geschrieben 09. März 2004, 00:06
Diese neue schwarze Komödie von Danny de Vito ist zwar kein ähnlicher Kracher wie sein DER ROSENKRIEG, aber trotzdem hinreichend lustig und bösartig, um zu entzücken. Robin Williams ist ein extrem gruseliger Kinderfernsehstar namens Rainbow Randolph, der mit seinem seichten Müll über eine Bestechungsaffäre stolpert. Als Ersatz gräbt der Sender einen ökologisch bewußten Pausenclown namens Smoochy aus, der als rosafarbenes Rhinozeros neue Abgründe niedlicher politischer Korrektheit erschließt. (Edward Norton - aus FIGHT CLUB und AMERICAN HISTORY X - brennt ein Feuerwerk ab.) Rainbow Randy landet in Rekordzeit in der Gosse und brütet Paranoia: Das Rhinozeros muß sterben! Der Film schildert das in zwar nicht absolut brillanter Form, aber er besitzt genügend großartige Momente, um ihn nachhaltig zu empfehlen. Williams und Norton sind beide wunderbar. (Williams habe ich ja gerade als ernsthaften Darsteller in den beiden Thrillern INSOMNIA und ONE-HOUR PHOTO lieben gelernt!) De Vitos Inszenierung ist sehr maliziös, und jeder Kitsch-Punkt, der gestreift wird, wird in sein fieses Extrem verkehrt. Der Schluß löst - wie üblich - vieles etwas zu wohlfeil auf, aber in Anbetracht der vielen depperten Hollywood-Schmonzetten ist DEATH TO SMOOCHY ein sehr, sehr schöner Spaß für den subversiven Geist. ("Heil, Smoochy!")
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#27
Geschrieben 09. März 2004, 00:16
HOUSE OF 1.000 CORPSES, das 7 Millionen Dollar schwere Regiedebüt des ehemaligen "White Zombie"-Frontmannes Rob Zombie, wurde ursprünglich für die Universal hergestellt. Führende Köpfe der Firma bekamen aber kalte Füße, fürchteten sie doch, der Film wäre ein sicherer Fall für ein NC17-Jugendverbot, was bei großformatigen Horrorfilmen kommerzielle Trübsal verspricht. Nach Universal war es dann MGM, die Fersengeld gaben. Schließlich nahm sich die unabhängige Firma Lion's Gate ein Herz. Das fertige Werk habe ich nun (in leider recht ranziger Qualität) zu Gesicht bekommen, und ich bin in der Tat beeindruckt. Was Rob Zombie da (als Regisseur und Drehbuchautor) zusammengeschreinert hat, ist alles andere als der platte Teenie-Horrorfilm, den ich eigentlich erwartet hatte. Tatsächlich ist der Film sogar ziemlich furchterregend, und selbst in der zurechtgestutzten Form (Zombie mußte schwer Hand anlegen, um ein R-Rating zu bekommen) setzt er dem Zuschauer massiv zu. Ich prophezeie mal, daß der Film auch hierzulande zu einem Kult-Horrorfilm werden wird, aber daß er ungeschnitten herauskommt, kann ich nicht so recht glauben... HOUSE lehnt sich ausdrücklich an Tobe Hoopers TEXAS CHAINSAW MASSACRE an, wobei es in erster Linie der sein Sujet sattsam parodierende zweite Teil ist, an den Zombies Zankapfel erinnert. Ebenfalls kann man Charles Kaufmans MOTHER'S DAY als augenfällige Inspiration erkennen. Die Handlung ist denkbar simpel: Zwei Pärchen, die nach Spuren des mysteriösen Massenmörders "Dr. Satan" suchen, erleiden irgendwo im Hinterland eine Autopanne und geraten in die Fänge einer mörderischen Familie gemeingefährlicher Irrer. Soweit nichts Neues. Interessant wird der Film auf der formalen Ebene, da Zombie nicht gerade auf die klassische Erzählstruktur setzt und die Vorgänge stattdessen beständig mit Irritationen durchsetzt, etwa handgehaltene "dokumentarische" Einstellungen, Super-8-Material oder optisch verfremdete Szenen. Gleichzeitig bombardiert der Soundtrack das Ohr mit Songs aus der Feder von Mr. Z und recht nervenstrapazierender Effektmusik. Daß Zombie bislang nur ein paar Musikvideos gedreht hat, merkt man überdeutlich. Aber nicht glatte Schönfärberei ist das beherrschende Element: Zombie watet förmlich in Bildern menschlicher Niedertracht und Degeneriertheit, und er tut dies so konsequent, daß man sich als Zuschauer mit den Irren eingeschlossen wähnt. Obwohl die Verbrecher natürlich auch in diesem Film wieder kreative Köpfe sind und die Lacher auf ihrer Seite haben, wird der Film sehr bald beklemmend und immens unangenehm. Wenn sich Obermiesnik Otis Firefly die Gesichtshaut des Papas eines der entführten Mädchen aufsetzt, um ihr einen bösen Streich zu spielen, wird einem schon ganz anders... Die Psychopathen sind ziemliche Kanonen: Otis Firefly (einer seiner Brüder heißt Rufus Firefly, da Zombie offenbar die Marx-Brothers mag!) wird von Bill Mosely gespielt, dem Mann mit der Stahlplatte aus TCM 2. Karen Black (die sich mittlerweile auf B-Horrorfilme spezialisiert zu haben scheint) ist die Mutter des Clans und schwer nymphoman. Die Trumpfkarte ist Baby, eine junge Dame, die von Rob Zombies Lebensgefährtin Sheri Moon gespielt wird. Sie ist eine wahre Horrorbraut, wie eine Mischung aus verdrogtem Rockgroupie und Manson-Familie, und ihr enervierendes Lachen ist ansteckend wie eine tödliche Krankheit. Einen sehr hübschen Auftritt hat auch Sid Haig, den Exploitationexperten noch aus den Filipino-Gefängnisfilmen von Jack Hill kennen werden, mit dem er auch den großartigen SPIDER BABY machte. Sein Captain Spaulding (auch Marx-Brothers, wenn ich mich recht entsinne) ist ein clownsgesichtiger Tankstellenbesitzer mit angrenzendem Monstrositätenkabinett und Serienmörder-Geisterbahn! HOUSE OF 1.000 CORPSES als guten Film zu bezeichnen, bringe ich nicht ganz über's Herz, denn handwerklich ist doch vieles uneben - Zombie scheint häufig willkürlich Einfall auf Einfall zu türmen. Gelegentlich übt er sich auch in hübschen Irritationsmanövern, wie z.B. in jener Szene, in der Polizisten bei einer Hausdurchsuchung auf Leichen stoßen. Da erschillt auf einmal Slim Whitmans Schluchzer "I Remember You" und gibt dem Zuschauer den Rest... Das Resultat von Mr. Zombies Bemühungen ist aber in jedem Fall eine nette Nervenmühle, die mir wesentlich lohnender erscheint als Mainstream-Horror, wie er etwa von Joel Silver (HOUSE ON HAUNTED HILL, GHOST SHIP) derzeit beschritten wird. Der Film ist zu grimmig, um ein adäquater Popcorn-Grusler für Freddy-Fans zu sein, und ist man zu Anfang noch versucht, seine grellen Effekte als Kasperkram abzutun, so bleiben einem die Kommentare bald im Halse stecken. Ein Film, der beißt, oh ja.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#28
Geschrieben 09. März 2004, 00:23
Das ist auch so ein Film, den die Amis niemals hinbekommen werden, auch wenn Tom Cruise die Remake-Rechte schon gekauft haben soll... Es geht um eine junge Frau, die seit Kindertagen blind gewesen ist, aufgrund einer Hornhauttransplantation aber wieder sehen kann. Leider sieht sie nicht nur den alltäglichen Unfug, sondern auch Menschen, wo eigentlich keine Menschen sein sollten - Seelen, so tot wie die Seelen von Fernsehpersönlichkeiten. Wenn ein Lebenshauch entfleucht, kriegt die Heldin das sofort mit. Die Reise geht dann nach Thailand, um die Historie der Spenderin aufzudröseln, und oh ja, das hat etwas mit den Erscheinungen zu tun... Nach etwa der Hälfte dreht der Film von einem Schocker zu einem der in asiatischen Gefilden durchaus beliebten Reinkarnationsdramen, inklusive tränentreibender Verflechtungen. Das ist aber richtig lobenswert, denn man wird richtig überrascht, und auch die Horrorfilmfans werden sattsam zufriedengestellt, denn die drei oder vier Schocks, die der sehr ruhig erzählte Film anbietet, sind absolute Gnadenhämmer und sollten über Lautsprecher genossen werden, denn der Sound ist hier sehr essentiell... Gerade bei den ersten beiden Kloppern habe ich laut aufgeschrien, was Ingo und Micha zu vollkommen unangebrachter Belustigung veranlaßt hat - ich gehe bei solchen Filmen halt richtig mit! Also: Neben RING, DARK WATER und KAIRO ist das jetzt der vierte asiatische Geisterfilm, der mich richtig verjagt hat.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#29
Geschrieben 09. März 2004, 00:41
Die Meinungen gingen weit auseinander, von "Bodenlos" bis "Besser als das Original". Ich bin eigentlich überrascht, wie gut das Ergebnis ist: Verglichen mit dem erbärmlichen DAS GEISTERSCHLOSS (THE HAUNTING - a fucking disaster!) ist das "Dream Works"-Remake des japanischen Filmes zumindest eine ganz kreative Angelegenheit, die von offensichtlichem Respekt vor dem Original geprägt ist und einige bemerkenswerte Schockmomente offeriert. Teenies, die das Original nicht kennen, werden den Schreck ihres Lebens bekommen! Natürlich wird der unaufdringliche Symbolismus des Originals in der Ami-Fassung sattsam ausgedeutet, da hier alles seine Erklärung haben muß, irgendwo. Regisseur Gore Verbinski hat aber noch ein paar ganz effektive Symbolismen aus eigener Manufaktur hinzugefügt, etwa den Baum, die Pferde und das hübsche Herbstlaub, die die Natur etwas in den Vordergrund rücken. Auch scheint er seine Argento-Filme gesehen zu haben. Leider war das japanische Original einfach sehr, sehr gut und einer der wenigen Horrorfilme, die mir in 35 Jahren Angst gemacht haben. Der amerikanische THE RING ist gut für starke Spannung und einige herausragende Schreckeffekte, aber für Angst ist der Film einfach eine Spur zu kalkuliert und aufwendig. In der Chef-Szene des Originals (Sadako krabbelt aus dem Fernseher) starrt der Zuschauer nur noch entsetzt auf das Etwas, das da erscheint. Der enge Raum des Journalisten wird im Remake zu einem weiträumigen, naturlichterhellten Loft-Studio, das eine Konzentration auf das Grauen kaum noch zuläßt und technische Effekte in den Vordergrund rückt. Auch wird unklugerweise versucht, Suspense zu erzeugen, indem die (allerdings bildhübsche) Heldin Naomi Watts (aus dem tollen MULHOLLAND DRIVE) heranbraust, um eventuell noch Rettung herbeizuführen... Weniger wäre mehr gewesen. Trotzdem: Wer das Original nicht kennt, hat es mit einem vorzüglich gemachten und teilweise sauspannenden Geisterfilm zu tun. Cineasten auf der Suche nach dem wahren Grauen halten sich aber bitte an das japanische Original, das ja auch von "Anolis" auf DVD veröffentlicht worden ist.
P.S.: Der zweite Teil von Nakatas Geisterfilm fällt gegenüber dem Original etwas ab, enthält aber immerhin noch zwei oder drei begnadete Schocks aus der unmittelbar herzfrequenzbedrohenden Liga. RING 0 hat qualitativ mit den ersten beiden Folgen nicht mehr viel zu tun, sondern stellt nur einen milde prickelnden Nachklapp dar. Nakatas neuer DARK WATER vermag aber durchaus zu entzücken und ist ein verdienter Nachfolger für RINGU.
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
#30
Geschrieben 09. März 2004, 00:49
Nach dem deutlich überdurchschnittlichen CRONOS und dem unterhaltsamen MIMIC drehte Guillermo del Toro diesen sanften Grusler, bevor er mit BLADE 2 endgültig Richtung Hollywood wechselte. Was man bei dem flotten BLADE-Gemetzele kaum für möglich halten sollte: THE DEVIL'S BACKBONE ist ein ruhig erzählter, behutsamer Film, der seine Geister - anders als etwa Amenábars THE OTHERS - nicht in gewohnter angelsächsischer Manier als simple Schreckmacher verwendet, sondern eher auf den Pfaden solch dunkler Märchenfilme wie Robert Wises THE CURSE OF THE CAT PEOPLE oder Frank La Loggias THE LADY IN WHITE wandeln läßt. Es geht um den kleinen Carlos, der zu Zeiten des Bürgerkrieges von seinem widerstandskämpferischen Papa in einem abgelegenen Waisenhaus untergebracht wird. Neben den üblichen Hackordnungskämpfen muß Carlito aber auch noch mit einem veritablen Gespenst fertigwerden: Ein kleiner Junge ist einstmals unter mysteriösen Umständen ermordet worden. Der Film läßt sich lange Zeit, bis er sein Geheimnis lüftet, und so werde ich das Rückgrat des Teufels tun, das hier vom Kamm zu blasen, aber er bringt es fertig, sowohl spannend als auch unheimlich zu sein. Der Geist will zwar Rache, aber er schließt mit Carlos eine Art Freundschaft, was den Film eher als morbiden Kinderfilm erscheinen läßt denn einen Horrorfilm, aber er ist an keiner Stelle süßlich und zeigt die Schrecken der Kindheit - die am Herzen des Horrorfilmappeals liegen - mit großem Einfühlungsvermögen und großer Intensität. Die Zeichnung des Bürgerkriegsumfeldes erinnert manchmal etwas an den Meister Carlos Saura, wobei del Toro einen viel aufwendigeren Bildstil verwendet, aber anders als Amenábar greift er nicht nach dem abgründigen Schrecken, sondern nach dem Wunder, das ein isoliertes Kind in der Schwärze menschlicher Niedertracht finden kann, wenn sich die Schatten lichten: Wenn auch der Geist zunächst erschreckend und bedrohlich wirkt, so gehört die Strafmaske wahrlich den diesseitigen Miesniks, die so abgründig schlecht sind, daß kein Gruselgeist mitkommt... Mit von der Partie ist der Amenábar-Darsteller Eduardo Noriega als gutaussehender Hausmeister mit Untiefen und die häufige Almodóvar-Aktrice Marisa Paredes als einbeinige Waisenhauschefin. Und Pedro Almodóvar war auch Produzent des Filmes. Eine sehr schöne Überraschung - ein Märchen für böse Jungen, die sich insgeheim nach dem Guten sehnen. Und ohne den "Film-Dienst" wäre ich niemals auf den Film aufmerksam geworden... Ein dicker Pluspunkt für die Herren des "Wir raten ab"´s. Die Verleih-DVD von "Kinowelt" enthält ein Video-Interview mit Guillermo, ein "Making of", Storyboards und andere Extras. Ayayay!
Kommentare zum Tagebuch? Aber ja!!!
"Kreativität kommen allein von Nerven in Nacken hinten!" (Chinesischer Doktor in Woody Allens ALICE)
Besucher die dieses Thema lesen: 1
Mitglieder: 0, Gäste: 1, unsichtbare Mitglieder: 0