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"It's only a movie!" - Filmforen.de

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"It's only a movie!"


35 Antworten in diesem Thema

#1 Jodo

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Geschrieben 28. Juli 2003, 17:09

Titel haben wir, tag-line haben wir... fehlen nur noch die Texte, hm? *g* Beizeiten...
B)
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"Man sage doch nicht, daß der real existierende Sozialismus für die unauffällige Vorbereitung eines vollkommen andern nichts abwerfe! Auch die Schlange, die man steht, kann zum Baum der Erkenntnis verführen."
Ulrich Sonnemann, Gangarten einer nervösen Natter bei Neumond

#2 Jodo

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Geschrieben 30. Juli 2003, 07:30

Gurkenernte, I

Fantom Killer
Fantom kiler
Roman Nowicki
Polen, irgendwann in letzter Zeit
DVD
Raptor (Dragon)
ca. 88 Min.
Format: wechselnd
Deutsch DD 5.1 / 2.0
FSK / JK: ungeprüft

imdb

Ein Maskierter treibt sich herum und killt nackte Frauen.

Der Inhalt erschöpft sich in der knappen Angabe ausreichend. Wäre ich nicht in Gesellschaft und Partylaune gewesen, so hätte ich mir den Film sicher nicht bis zum Ende angesehen und auch mit zunehmender Dauer keinen Heidenspaß gehabt.
Bei dem Film von einer story zu reden ist übertrieben, die agierenden Personen für Schauspieler zu halten ist euphemistisch. Bemerkenswert ist die handwerkliche Kunstfertigkeit des Regisseurs, dessen eigenen Angaben zufolge "Fantom killer" sein erster abendfüllender Film ist. Er vermag es gekonnt, verschiedene Bildverfremdungen, Bild-in-Bild-Kompositionen und sinnvolle Einstellungsvariationen zu einem optisch befriedigenden Ergebnis zusammenzuführen. Unterlegt wird dies durch einen sehr passablen score, der sich auf der DVD separat abspielen lässt. Für eine solche low budget Amateurproduktion ist der technische Stand des Films sehr akzeptabel.
Was macht den Film so interessant, dass es sich lohnt, darüber zu berichten?
Er hat keine story, er hat reichlich Längen, er ist nicht wirklich interessant, er hat dumme, nein, saudumme Dialoge. Dialoge, die nach ein paar Flaschen Bier irgendwo die Schmerzgrenze unterwandert haben und die einen an manchen Stellen nur noch ungläubig Grinsen lassen.
Die Frauen im Film nutzen jede Gelegenheit, um sich ihrer Kleidung zu entledigen. Sei es, dass sie im Wald alles von sich werfen, um graziös durch einen Zaun zu steigen oder weil es ihnen beim Putzen zu warm wird. Es wird deutlich: egal warum, die Klamotten müssen runter! Auch sind die Frauen sehr häufig in gebückter Stellung abgelichtet. Operierte Titten, wohin man blickt.
Die Heranführung an die Mordszenen ist so unrealistisch und hahnebüchen wie möglich gehalten. Anders ist es nicht zu erklären, dass eine Frau zu nächtlicher Stunde in einen Wagen steigt, in dem sie ein maskierter Mann mitnimmt, mitten im Wald mit dem Kommentar "Wir haben den Keilriemen verloren" anhält und sie sich daraufhin auszieht, um ihre Nylons als Riemenersatz zu spenden und die restlichen Klamotten auszieht, damit sie nicht dreckig werden. Da muss man erstmal schlucken um das zu verarbeiten. Aber damit ist es nicht getan, es geht noch wesentlich grotesker weiter. Es bleiben einem die Möglichkeiten, das Desaster auszuschalten oder sich gnadenlos zu amüsieren.
Inhaltlich möchte ich nicht mehr schreiben, ebenso möchte ich den twist am Ende nicht verraten, der jedoch einiges im Film retrospektiv besser verständlich macht.
Die DVD liefert einige Texttafeln, die ein Interview mit dem Regisseur beinhalten. Dort erfährt man Erstaunliches. Hat man sich beim Film noch nicht genügen amüsiert, hier kann man dies nachholen.
Herr Nowicki ist nach eigenen Angaben ein ausgemachter Frauenfreund, der das weibliche Geschlecht für stärker und selbstbewusster hält als das männliche. Er bezeichnet den Film als "dark comedy" oder "erotic horror fantasy". "The comedy is below the surface. It's a comedy without jokes". Und in der Tat, wenn er die Komödie nicht in den dargestellten Absurditäten sieht, dann sind die jokes so weit unter der Oberfläche, dass sie niemand mehr wiederfindet.
Herr Nowicki möchte die Schwäche des männlichen Geschlechts, die sich in Gewalttaten gegen und Machtphantasien über Frauen äußert, darstellen. Schade nur, dass er im Interview auf die Frage, warum da alle Frauen nackt sind, weiterhin erklärt "Titts sell films" und der gesamte Film aus der wollüstigen Männerperspektive mit symbolischen Mordwerkzeugen wie Besenstielen, langen Messern, Meißeln und Bohrmaschinen dargestellt wird. Stimmig die Bilder von Frauen, die durch lang zelebrierte Stechereien richtung Vagina nicht zum panischen und schmerzvollen Schreien, sondern zu einem zurückhaltenden, angetörnten Stöhnen gebracht werden. Da schlägt das Männerherz höher und Nowicki wähnt sich stellenweise in shakespearschen Ausmaßen der Darstellung.
Sicher gelingt es Nowicki, perverse Männerfantasien auf den Schrim zu bringen. Wo hier jedoch die kritische Dimension verborgen ist, die die Frau als das 'stärkere Geschlecht' identifiziert, das ist bei ihm wohl ebenfalls tief unter der Oberfläche oder aber auch in einer der ungezählten Wodkaflaschen verschwunden, die er regelmäßig verputzt hat, um seine Kreativität anzukurbeln.
Fazit: "Fantom Killer" ist ein großer Misthaufen von einem Film, der seitens des Regisseurs noch ansprüchlerisch daherkommt. Der Film ist, abgesehen von eindeutigem posing, extrem blutarm. Direkte Verletzungs- oder Splatterszenen kommen nicht vor. Der gorehound, der sich Bethmann, Ittenbach, Schnaas & Consorten einverleibt, wird nicht befriedigt werden.
Der Film ist einzig in einer gewissen ausgelassenen Stimmung erträglich, in der man bestimmte Rezeptionsareale des Gehirns bereits betäubt und andererseits ein humorig-grunzendes Feingefühl für abseitige Situationen entwickelt hat.

--
Frau kniet nackt und gebückt auf einem Tisch. Ein öliger Typ mit offensichtlich angeklebter Schenkelbürste schiebt ihr einen Kochlöffel in den Arsch. Die beiden haben gewettet. Er soll den Löffel innerhalb einer Minute nicht rausziehen können.
Nowicki: "Das ist die Excalibur-Sequenz."
--
"Sie hat die Welt mit mehr Löchern verlassen als ihr bei der Geburt mitgegeben wurden."
--
"Ach wissen Sie, hier ist doch sowieso nichts los. Da kann man genauso gut arbeiten gehen."

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#3 Jodo

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Geschrieben 16. April 2004, 07:57

“….plain evil.”

Last house on dead end street
The cuckoo clocks of hell (nach Motiven aus Kurt Vonnegut’s ‘Mother night’)
USA Dezember 1972 / Januar 1973
Offizielles release 1977 als „The fun house“
DVD Barrel Entertainment, USA 78 min., unrated
DVD CMV Laservision, Deutschland; FSK/JK ungeprüft
VHS ???, Venezuela

imdb

Es gibt Filme wie diesen, die ich weder als ‚gut’ noch als ‚schlecht’ attributieren kann. Ich kann auch nicht sagen, dass das Sehen ‚Spaß’ gemacht hat oder dass ich mich ‚gut unterhalten’ habe. Es gibt Filme wie diesen, die einfach ungemein beeindruckend sind und die die Grenzen von dem, was Filme für einen Eindruck hinterlassen können, etwas weiter nach vorne rücken.
Regisseur und Hauptdarsteller Roger Watkins, der unter anderem als ‚Victor Janos’ (wie auch der Rest der Crew unter Pseudonym) in den credits gelistet ist, spielt Terry Hawkins. Terry Hawkins ist frisch aus dem Knast entlassen. Er wurde, wie er denkt, seinerzeit zu Unrecht verurteilt. Zornige Selbstgespräche führend kehrt er an den Ort seiner damaligen Berufstätigkeit zurück. Früher hat er sein Geld mit dem Drehen billiger Pornofilme verdient. Völlig desillusioniert beschäftigt ihn nurmehr der Gedanke, wie er sich für das erlittene Unrecht rächen kann. Er will dem Publikum Filme geben, richtige Filme, bei denen der Zuschauer schon sehen wird, was er davon hat. Er hat seinen Weg gefunden, die Gesellschaft für die erlittene Schmach bezahlen zu lassen. Mit einer Crew zieht er los in ein leer stehendes großes Haus, sie fangen mehrere Personen und Terry Hawkins beginnt sein Werk. Die Dreharbeiten überleben sie nicht.
Die Atmosphäre, die sich bereits in den ersten Minuten aufbaut, ist nur schwer in Worte zu fassen. Wir sehen einen Terry Hawkins, der einen ebenso trostlosen Eindruck macht wie die gesamte Umgebung, in der er sich bewegt. Er ist auf dem Weg zu seiner alten Wirkungsstätte und erzählt währenddessen aus dem Off seine Geschichte. Herzschlagen ist zu hören, seine Stimme ist zornig, die Umgebung ist grau, er bewegt sich am Rand seiner Welt, weiß noch nicht wohin mit seiner Wut und alles bekommt die Aura des Bedrohlichen, unterstützt durch einen score, dessen typischer sound auch auf auf den zu dieser Zeit erschienenen Tangerine Dream-Alben wie „Zeit“ oder „Alpha Centauri“ zu finden ist. Schon sehr früh wird klar, was in den nächsten 75 Minuten auf den Zuschauer wartet: das wird kein Vergnügen und kein schlichter Unterhaltungsfilm, da braut sich eine üble Sache zusammen. Diese Ahnung soll sich im Folgenden bewahrheiten.
Terry Hawkins dreht snuff-Filme. Er und seine Filmcrew scheinen der Wirklichkeit völlig entrückt zu sein. Sie feiern Parties, auf denen es zu Auspeitschorgien zur Belustigung der Anwesenden kommt. Der Film lässt kaum eine Gelegenheit aus, um menschliche Erniedrigung zu thematisieren.
Roger Watkins filmt dies nicht stumpf ab. Er geht mit handwerklichem Geschick und symbolischem Hintersinn an das Projekt. Er treibt Maskenspiele zur Verschleierung der Identität der Täter, die sich, ebenso wie die gesamte reale Filmcrew hinter Pseudonym-credits, bei ihren Akten der Gewalt und Erniedrigung hinter fremden Gesichtern verbergen. Er hält den Personen Spiegel vor, in denen sie sich selbst beobachten und ihr jämmerliches Dasein betrachten können.
In dem Film wird beobachtet. In Spiegeln, durch die Kamera, die Ausgepeitschten durch ein völlig entrückt und irre wirkendes Party-Publikum. All dies muss der Zuschauer ebenso beobachten. Die absolute Verwerflichkeit des Geschehenden und die teilweise Drastik der Darstellung werfen den Zuschauer sehr schnell auf die Frage zurück, was er sich dort gerade ansieht und, konsequenterweise, warum die Protagonisten dies tun und warum er sich dies ansieht. Doch diese Art der Zuschauerfolter reicht Watkins noch nicht. Er versetzt den Zuschauer per subjektiver Kamera in die Opferrolle: dieser sieht sich im Finale im grellen Licht mehrerer Scheinwerfer einem mordlüsternen Kamerateam gegenüber. Purer Terror, eine Sequenz, die bei mir für eine kräftige Gänsehaut gesorgt hat. Ich habe mich selten bei einem Film so ins Geschehen hineingezogen gefühlt wie in der finalen Folter- und Mordsequenz von ‚Last house’. Und es war nicht das wohlige Gruseln von Horror- oder Psycho-Schockern wie ‚Alien’ oder ‚Medusa touch’, es war ein unangenehmes Gefühl.
Roger Watkins hat es geschafft, einen gewaltigen und schwer verdaubaren Brocken Film zu drehen, der Spuren hinterlässt, wenn man ihn nicht betrachtet wie die Partygäste im Film den show-act des Abends. Der Film gibt keinen Anlass zum Schmunzeln, keine Gelegenheit, Distanz zur von vorne bis hinten morbiden Atmosphäre zu schaffen, man sitzt auf einer Spirale, die nur eine Richtung kennt: abwärts.
Dies macht die Faszination des Films aus. Er wird nur vereinzelt graphisch, die Entwicklung findet mittels Psychoterror statt. Mangels alternativer Beschreibungsmöglichkeiten habe ich auf einer website die Zusammenfassung „This film is plain evil“ gelesen und kann die Vorstellung des Autors sehr gut nachvollziehen. Der Zuschauer muss sich die Distanz zum Geschehen regelrecht erkämpfen, er sieh sich einem komplett humorlosen Treiben eines Killer-Ensenbles gegenüber, das mit dem Ernst macht, worüber andere nur theoretisieren.
‚Last house’ macht einen stellenweise holprigen und unlogischen Eindruck. Watkins, der beim Drehen des Films übrigens keinerlei Kosten zu decken hatte (er hatte gerade amerikanische Literatur studiert, bekam Geräte und Material von der Hochschule entweder gestellt oder vom Vater bezahlt, die Mitwirkenden rekrutierten sich aus der Kommilitonen- und Professorenschaft), hatte ursprünglich einen anderen Film gedreht. „The cuckoo clocks of hell“ hatte eine Laufzeit von nahezu drei Stunden und man kann nur erahnen, was für eine gewaltige Monstrosität von Desillusionierung, Erniedrigung, Folter, Mord und Trostlosigkeit dieser Film gewesen sein muss. Man sagte Watkins, dass sowas nichtmal in irgendwelchen Kellern gespielt werden würde. Der Film wurde um mehr als die Hälfte auf 78 Minuten runtergekürzt und unter „The fun house“ veröffentlicht. Kurze Zeit später wurde er, bedacht auf Kassenträchtigkeit, in Anlehnung an den fast zeitgleich produzierten „Last house on the left“ in den heutigen Titel umbenannt. Zufrieden ist Watkins mit der vorliegenden Version nicht, es ist jedoch das einzige, was von dem Film übrig ist. „I’m no friend of fucked-up filmmaking“ sagt Watkins, der ebenso über die Qualität des vorliegenden Materials nicht sonderlich glücklich ist und entgegnet auch so der häufig geäußerten Meinung, dass “ein solcher Film” durch eine möglichst schmuddelige Qualität noch an Atmosphäre gewinnt. Eine Betrachtung, die sicherlich auf Rezipientenseite etwas für sich hat. Als ich den Film vor einigen Jahren in Form eines ca. siebten Abzugs eines abgenudelten venezuelanischen Videos gesehen habe hat dies den Film’genuss’ kaum geschmälert.
Der Film hat nach meinem sicherlich begrenzten Wissen kein pendant, mit dem man ihn vergleichen könnte. In meinen Augen gehört dieser Streifen für jeden cineastisch Interessierten zum Pflichtprogramm, konträre Meinungen garantiert.
Die erhältlichen DVDs verfügen über äußerst umfangreiches und interessantes Bonusmaterial. CMV bietet etwas mehr Material als Barrel, diese verfügt dafür über ein vorbildliches informatives booklet, wie es wünschenswerterweise jeder DVD beiliegen sollte.
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#4 Jodo

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Geschrieben 16. April 2004, 12:38

Bang boom bang!

Bad boys II
Michael Bay
USA 2003
DVD Columbia Tristar, Deutschland, FSK: KJ

imdb

140 Minuten lange Actionfilme müssen schon Qualität aufweisen, damit einem nicht die Füße dabei einschlafen. Was mir hier aus dem TV gekommen ist, war aller Ehren wert. Verprellt durch die Kürzung auf eine 16er-Freigabe und die seinerzeit mäßigen und von Gewaltdarstellungsparanoia verseuchten Kritiken habe ich die Kinoauswertung sausen lassen, was mir in der Nachbetrachtung doch ein wenig leid tut.
Bruckheimers filmischer Ziehson Michael Bay hat für die Fortsetzung seines Spielfilmdebuts aus dem Jahre 1995 reichlich Geld und eine lange Leine bekommen. Offensichtlich ist Bay, wenn ihm niemand über die Schulter sieht oder reinquatscht, zu anderen Dingen als einem „Pearl Harbor“ fähig, aus dem einem der martialische Nationalismus nur so entgegenbretterte.
Die Geschichte der beiden nervösen Cops aus Miami, die große Ladungen von Extasy verfolgen und den Drogenbaron mit Hauptwohnsitz auf Cuba kassieren wollen, wird von Michael Bay nahezu schnörkellos in einer mit witzigen Dialogen gespickten Action-Achterbahnfahrt präsentiert. Bay konzentriert sich auf nichts anderes als die in furioser Kameraarbeit eingefangene story und legt damit die Messlatte für kommende Filme dieses Typus ziemlich hoch. Weder Schauspieler, Stuntmen noch Material wurden geschont, um einige der rasantesten Szenen der letzten Jahre auf die Leinwand zu bringen. Mit einem absoluten Minimum an digitalen Sperenzchen feiert Bay bei einer Autobahn-Verfolgungsjagd eine solch rasante Materialschlacht ab, die vergleichbare Sequenzen in T3 und Matrix reloaded einfach in die Ecke stellt. Der Film hat auf mich den Eindruck gemacht, als ob Bay beim Drehen nicht einen einzigen Gedanken an ein mögliches rating verschwendet hat, kompromisslos hält er auf alles drauf, was er auf der Leinwand sehen will. Kritische Stimmen kamen „Na typisch, das Böse sitzt wieder auf Cuba“, doch so kompliziert hat Bay es nicht gemacht. Es hätte auch jedes andere beliebige südamerikanische Land sein können, doch aus rein pragmatischer Sicht tut man sich leichter, den kurzen Sprung von Miami zur nahen Insel zu machen. Wenn der Film irgend etwas nicht ist, ist es politisch. In Bruckheimer-Filmen unüblich, ist die US-Flagge nur ein Mal kurz im Bild. Ich nehme an, dass Bay diese Feinheiten scheißegal gewesen sind. Ich bezweifle überdies, dass ein Typ wie Henry Rollins sich kaum für Bruckheimer-Standard-Gülle hergeben würde. Sicherlich tauchen hier auch bekannte Elemente auf wie die heroischen Zeitlupen und die ewig am Himmel kreisenden Helikopter, doch das ist sehr gut zu verschmerzen, da die positiven Elemente hier vollkommen überwiegen.
„Bad boys II“ ist hochklassiges, kompromissloses Actionkino mit Witz und der notwendigen Rüpelhaftigkeit, das mit überzeugenden schauspielerischen Leistungen aufwartet und einfach nur Spaß macht. Ein Bekannter teilte mir mit, dass sogar die deutsche Tonspur zu gebrauchen sei. Mehr davon!
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#5 Jodo

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Geschrieben 19. April 2004, 08:41

Gurkenernte, II

Passion Christi
Mel Gibson
Passion of Christ
USA 2003

imdb

Die letzten 12 Stunden im ersten Leben des Jesus von Nazareth.
Ein Film, dessen gesamte Bedeutungslosigkeit mir nicht erst nach den abgelaufenen 2 Stunden bewusst wurde. Langeweile als Folterinstrument. Gut, dass ich kein Geld fürs Kinoausgegeben habe.
Was hat der Film außer einer knapp anderthalbstündigen Drangsalierung des zu Kreuzigenden zu bieten? Nichts über religiöse Inhalte, nichts über sein Leben. Ich habe mich gefragt, welche Zielgruppe der Film hat. Die Zielgruppe muss sehr klein sein. Der Film kann nur solche ansprechen, die willens und bereit sind, voller Leidensempathie das gleiche Martyrium im Kinosessel durchzumachen wie der Typ, der durch die Gegend gepeitscht wird. Der Film bietet für den religiös oder sonstwie Glaubensinteressierten keinerlei Denkansatz oder Gesprächsanlass.
Was wurde gekräht ob der unglaublichen Brutalität, die dem Film innewohnen soll. Er beinhaltet in der Tat Sequenzen im Stile von Splatterfilmen, doch es ist nicht die Qualität dieser Effekte, die den Film zu einer Tortur werden lassen. Wirklich graphisch wird er selten. Es ist schlicht die Quantität, die ewig lange Zeit, die Gibson seinen Hauptdarsteller, kräftig rot gefärbt, in die Kamera hineinleiden lässt. Es ist Gibson gelungen, den Zuschauer diese Tortur spüren zu lassen. Die einen gehen durch die Qualen starken empathischen Empfindens eines vermutlich vollkommen fehlgelaufenen Religionsverständnisses, die anderen werden durch Langeweile und das Verlangen, nicht länger in die ewig gleich aussehende Leidensvisage blicken zu müssen, gefoltert. Ich konnte diesen offen stehenden Mund und den Rest des Gesichtes, das einen eine Stunde lang glubschäugig anglotzte, nicht mehr sehen. Brillante schauspielerische Leistung übrigens. Wird nur noch von der Ausdruckskraft Elijah „Frodo“ Woods übertroffen. Und Maria... wer hat die gecastet? Ist vom Alter her mehr die Schwester oder Tochter als die Mami des Mannes am Kreuz.
Fazit: Langeweile, Zeitverschwendung, ab in die Tonne damit :zzz:. Und Gibson ist mir noch eine Erklärung schuldig, weshalb er gerade zu Jodie Foster eine langjährige freundschaftliche Beziehung pflegt, wo doch gleichgeschlechtlich Liebende in seinem religiösem Sumpfgebiet auf den Scheiterhaufen gehören.
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#6 Jodo

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Geschrieben 19. April 2004, 11:45

Wenn das der Papa wüsste….

Battle Royale II – requiem
Kenta Fukasaku
Japan 2003
HK-DVD

imdb

Nein, ich habe Kinji Fukasaku in den credits nicht vergessen. Er soll die Eröffnungssequenz für diesen Film gedreht haben, die sich optisch nicht viel von der Eröffnungssequenz des ersten Teils unterscheidet. Damit ist gut und ich möchte seinen Namen nicht unnötig in den Schmutz ziehen. Die credits sollen durchaus eine eindeutige Identifikation der Schuldigen ermöglichen.
Während der Dreharbeiten zu „Battle Royale II – requiem“ ist der Regisseur vom ersten „Battle Royale“ gestorben, Friede seiner Asche. Nach Sichtung des Filmes ist in mir der starke Verdacht aufgestiegen, dass Papa Fukasaku auf der Stelle tot umgefallen sein muss, als sein missratener Sohn ihm sein ebenso missratenes Drehbuch unter die Nase gehalten hat. Was sich hier in aller Hässlichkeit entfaltet ist ein mörderisch infantiles Machwerk, in dem die Überlebenden des ersten Massakers eine terroristische Vereinigung gegründet und allen Erwachsenen auf diesem Planeten den Fehdehandschuh hingeworfen haben. Sie „verschanzen“ sich auf einem kleinen Inselchen. Ich als Regierung hätte zur Lösung des Problems vermutlich Plan A gewählt und ‚The Rock’-ähnlich das Eiland vollständig einäschern lassen. Hier wird jedoch in bekannter Manier eine Schulklasse bis an die Zähne bewaffnet und bekommt drei Tage Zeit, die Terroristenbande zu liquidieren. Ohne viel zu spoilern sei verraten, dass am Ende selbstverständlich noch jemand überlebt und es wird das Hohe Lied des Terrorismus angestimmt. Und nein, das ist keine Parabel mehr, so sehr der Film auch versucht, dem ersten Teil nachzueifern. Das Ende ist so ölig und pathetisch, dass ich tatsächlich Angst um mein Laufwerk bekam.
„Battle Royale II“ ist einer der größten Drecksfilme, die ich in den letzten Jahren zu sehen bekam. „This film has a message and this message is: beware!“
Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat jedoch eine Nachricht, die mich einige Wochen nach Betrachtung erreichte: die FSK hat den Film ungekürzt mit einer Erwachsenenfreigabe passieren lassen. Mein lieber Mann, da hört’s aber auf, meine Herren!! Nicht, dass ich jetzt was gegen die Zulassung hätte. Nein. Aber wie wurde denn mit dem ersten Teil umgesprungen? Der erste Teil, der eine klare Botschaft transportiert, der gelungene Charakterisierungen aufweist und der zur Reflexion von Sozialverhalten auffordert, der wurde von der FSK verschmäht, selbst die Juristenkommission hat ihm die strafrechtliche Unbedenklichkeit abgesprochen. Liebe Leute, das kann alles nicht wahr sein.
Dieser stinkende Haufen Scheiße von einem sequel wird durchgewunken und ein lupenreiner engagierter Jugendfilm, der eine 16er-Zulassung verdient gehabt hätte, damit er seine Zielgruppe auch erreichen kann, wurde verteufelt. Da sollten sich einige Personen mal an den Kopf fassen und prüfen, ob sie da nicht mittlerweile ins Leere greifen.
:wall:
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#7 Jodo

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Geschrieben 20. April 2004, 07:06

Drei Wege aus der Nikotinsucht

Picking up the pieces
Alan Smithee / Dean Tschetter
Bloodsucking Pharaohs in Pittsburgh
USA 1991
i-on DVD, Deutschland; FSK: KJ (s. US-DVD)
Lucky 13 / Navarre DVD, USA; r-rated + unrated Bonus
Paramount Laserdisc, USA; r-rated

imdb

Sweenie Birdwell und Joe Blocker sind zwei Cops so garnicht nach dem Geschmack ihres Captains. Birdwell, klein und gemein, zieht seinen Partner mit alten Geschichten auf und wettet mit anderen Kollegen, ob sich Blocker beim Anblick von Leichen an Tatorten übergeben muss oder nicht. Blocker, ein traumatisierter Bär von einem Cop mit guten Kontakten zu Damen aus dem horizontalen Gewerbe und einem Sex-Problem, hat seinen Einstand mit einer Gesichtsblässe, die problemlos mit der der romero’schen Untoten aus „Dawn“ konkurrieren kann. Die beiden haben einige Morde zu untersuchen, bei denen sich herausstellt, dass diese zusammenhängen und Teile eines Rituals zu sein scheinen. Teile der Körper wurden jeweils entfernt, mal ein Gehirn, mal eine Milz, und jedes Mal wurde ein Zettel mit ägyptischen Hieroglyphen zurückgelassen.
Mit Hilfe einer Politesse aus Las Vegas, einem kriminalistischen Bilderbuch über Hüte sowie einem dicken Telefonschinken des ägyptischen Teils von Pittsburgh machen Sie sich auf die Killerjagd, während ihr hysterischer Captain im Präsidium auf sie schießt („Easy Chief, you can’t shoot them in the station!“) und sonst nur Morddrohungen für sie übrig hat.
Die Beschreibung lässt ahnen, das wir es hier mit einer Hommage an H.G. Lewis’ frisch beschlagnahmten „Blood feast“ zu tun haben. Es ist eine liebevolle Hommage voller Situationskomik, slapstick, running gags und kleinen versteckten Scherzen. Der Film kann seinen Spannungsbogen nicht immer aufrecht halten, doch das können wir ihm nachsehen. Die Mordgeräte sind nicht alltäglich. Der Killer zieht auf einem kleinen Wägelchen einen Generator durch die Gegend, an den er abwechselnd eine Kreissäge, eine elektrische Heckenschere, einen Staubsauger[!] und einen Pressluftmeißel für sein finsteres Treiben anschließt. Tom Savini setzt die meist zurückhaltenden Effekte gewohnt stilsicher in Szene.
Der Film macht Spaß. Das Klischee des cholerischen Polizeicaptains ist prima umgesetzt, jedoch hätte es im Film stärker präsent sein können. Hammer’s Boss Captain Trunk und Arnolds Vorgesezter auf der Spielfilmseite des Last Action Hero haben hier einen würdigen Partner gefunden. Und dann war da noch Sweenie Birdwells Frau, die mit dem Rauchen aufhören wollte...
Vor Jahren stolz wie Lumpi, die Laserdisc dieser kleinen Perle ergattert zu haben, freut es mich heute, dass kleine DVD-label wie i-on dafür sorgen, solche Streifen einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Auf den DVDs befindet sich die gleiche Ausstattung, die deutsche leidet ein kleines bisschen unter dem NTSC-Transfer, bietet dafür aber erfreulicherweise deutsche Untertitel zur Originaltonspur.
Auf der Laserdisc ließ der Regisseur Dean Tschetter durch die Nennung von Alan Smithee durchblicken, dass er mit den Kürzungen an seinem Film nicht zufrieden gewesen ist. Die DVDs enthalten nun die gängige r-rated-Fassung mit den deleted scenes im Bonus-Material. Das hat wohl ausgereicht, um Tschetter zu überreden, seinen Namen wieder drunterzusezen. Bei Betrachtung dieser Szenen stellt sich jedoch die Frage, über was sich Tschetter so echauffiert hat. Sicherlich wird es jedem Regisseur gegen den Strich gehen, seine Vision nicht 100%ig durchsetzen zu können, doch in den gekürzten Szenen passiert wahrlich nicht viel Bemerkenswertes. Es ist schwer vorstellbar, dass die Entfernung dieser Szenen irgend etwas mit einer MPAA-Schnittauflage zu tun gehabt haben. Es scheint hier mehr ein Fall von gekränkter Regisseurs-Ehre zu sein, dem eventuell die Paramounts reingequasselt haben. Egal, freuen wir uns, dass solche sympathischen B-Filme auch das Licht der hiesigen Kaufhäuser erblicken.

--
Der Captain flehentlich zu Blocker, nachdem dieser Birdwell auf die Fresse gegeben hat und ihn nervös mit der Kanone bedroht, weil Birdwell ihn mit dem Sex-Problem aufgezogen hat:„Don’t hesitate!! Don’t think about it!! Just do it!! Pleeeaase!!!”
--
„Another one bites the dust…"

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#8 Jodo

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Geschrieben 26. Mai 2004, 13:29

Mann beißt Hund

Reporter des Satans
Billy Wilder
Ace in the hole / The big carnival / The human interest story
USA 1951
arte

imdb

Nach langer Zeit wieder einmal gesehen. Die Geschichte von Charles Tatum, Zeitungsreporter, auf der Suche nach der großen Schlagzeile. Gedreht nach einer wahren Begebenheit aus dem Jahre 1925.
Das 'Lexikon des internationalen Films' bezeichnet dies als einen von Billy Wilders bittersten Filmen und der Schreiber hat wohl Recht. Er ist nicht sonderlich subtil, hier kreist der Holzhammer.
Charles Tatum ist aus guten Gründen bei einigen namhaften Zeitungen großer Städte wie New York oder Chicago gefeuert worden und ist auf der Suche nach einer neuen Anstellung. Etwas, was ihn nie verlässt, ist sein manischer Ehrgeiz und sein gewaltiges, von seinem Tun vollkommen eingenommenes Ego. “I can handle big news and little news. And if there’s no news, I’ll go out and bite a dog.” ist sein Credo und er weiß ebenso “It’s a good story today. Tomorrow, they’ll wrap a fish in it.”. Tatum kennt die Mechanismen der erfolgreichen und erfolglosen Berichterstattung auswendig, er richtet sein Leben danch aus. Er strandet in der Provinz von New Mexico bei einem ehrbaren Zeitungsverlger, der in jedem Büro "Tell the truth" an der Wand stehen hat. Dieser stellt den integeren Medienmann dar, der Tatum trotz dessen großkotzigen und arroganten Auftretens aufnimmt und der in seinem Verhalten Tatum gegenüber väterliche Züge erkennen lässt. Er sieht von Beginn an, dass Tatum im Kern eine in Selbstsucht gefangene Person ist und gibt ihm eine Chance auf solide, unspektakuläre Arbeit.
Tatum wird dazu abberufen, irgendwo in der Pampas von New Mexico von einer Schlangenjagd zu berichten. Auf dem Weg dorthin stösst er an einer Prärietankstelle auf einen Mann, der bei Untersuchungen in alten Indianerhölen verschüttet wurde. Dessen Eltern sind verzweifelt und seine Frau, die das öde Landleben satt hat, will die Gelegenheit nutzen, räumt die Kasse des Tankstellenrestaurants aus und packt ihre Koffer. Tatum wittert die Schlagzeile und mimt den Organisator der Rettungsaktion, zwingt die Frau zu bleiben, damit er seine story emotionaler gestalten und sie bei dem geplanten Trubel noch ein paar Dollars mehr verdienen kann.
Im Folgenden trommelt Tatum Sherriff, Arzt und Bergwerkkolonne zusammen, um eine Rettungsaktion im großen Stil aufzuziehen. Natürlich nicht, ohne das entsprechend in seiner neuen Zeitung reißerisch zu verbraten.
Schaulustige kommen in Scharen, der Sheriff lässt sich durch Tatums Drohung, ihn in seinem nahen Wahlkampf in seiner Zeitung zu vernichten, korrumpieren und räumt ihm volle Entscheidungsgewalt bei Organisation und Durchführung der Rettungsaktion ein. Exklusive Berichterstattungsrechte natürlich garantiert, Reporter anderer Zeitungen bekommen keine Informationen. Tatum ist, zusammen mit dem Arzt, der einzige Kontakt, den der Verschüttete hat. Nachdem der Arzt anfangs bestätigte, der Verschüttete habe eine Pferdenatur und würde das gut überstehen, beginnt die kaltblütige und perfide Kalkulationsmaschine des Zeitungsmannes zu arbeiten. Eine schnelle 16-Stunden-Rettungsaktion mittels Tunnelabstützung wird aufgegeben zugunsten einer mehrere Tage andauernden gefährlichen Bohrung. Mehr Tage, mehr Auflagen. Tatum lässt seine alten Zeitungsbosse, die ihn zuvor wortwörtlich in die Wüste geschickt haben, um ihn und seine story betteln. Die Geschichte endet, wie Wilder sechs Jahre zuvor den alkoholkranken Schriftsteller Don Birnam in "Lost weekend" abtreten lassen wollte, jedoch von den Paramounts nicht gelassen wurde.
Wilder präsentiert uns in "Reporter des Satans" keine oberflächliche Medienschelte mit dem Zeigefinger der Generalverdammung. Wilder bietet, wie in allen seinen Dramen, menschliche Schwächen, Wünsche, Süchte und Obsessionen auf. Das Böse erwächst aus den niederträchtigen Handlungen der agierenden Personen, die allesamt ihre Gründe für ihre Handlungen haben. Treffen mehrere dieser Personen bei einer Begebenheit aufeinander, potenziert sich das Unheil und die Unschuldigen leiden darunter.
"Reporter des Satans" zeigt einen selbst- und ruhmsüchtigen Reporter, der das Leben eines verschütteten Mannes für ein paar Tage voller Schlagzeilen aufs Spiel setzt. Die Frau des Verschütteten ist die Ehe fünf Jahre zuvor eingegangen, weil sie sich, selbst arm wie eine Kirchenmaus gewesen, eine Menge Geld davon versprochen hat. Diese Hoffnung auf Reichtum wurde ihr in der Prärietankstelle nicht erfüllt, sie nutzt nun die Gelegenheit, dem Jahrmarkt der Schaulustigen reichlich Geld abzuknöpfen und ungeachtet des Schicksals ihres Mannes anschließend das erwirtschaftete Geld zusammn zu raffen und das Weite zu suchen. Sie kollaboriert mit dem Reporter, biedert sich ihm an. Der Sheriff wird von Tatum erpresst und lässt sich einreden, dass er nur die Chance auf seine Wiederwahl habe, wenn er sich im Zuge der Rettungsaktion publikumswirksam profilieren kann. Der Minenarbeiter, der Zweifel an der von Tatum bestimmten Rettungstechnik äußert, wird vom Sheriff mundtot gemacht mit der Drohung, seinen Job zu verlieren, den er ihm erst beschafft hat. So bildet sich ein hermetisch geschlossener Kreis korrumpierter Menschen, die wichtige Funktionen inne haben und diese nicht nach bestem Wissen und Gewissen ausführen. Die Schaulustigen gehen über das Maß derer, die nur mal eben nachsehen wollen, was da los ist, hinaus. Sie feiern ein Volksfest.
Wilder präsentiert uns nicht nur ein böses menschliches Drama, er betreibt nebenbei noch Publikumsschelte, die das Kinopublikum in dieser Form wohl noch nicht kannte. Die johlende Masse ist der Nährboden, auf dem die Saat des Teufels gedeiht, ähnlich dem Quotenvieh, das heute von Fernsehstudio zu Fernsehstudio und von Show zu Show getrieben wird und das sabbernd vor dem Bildschirm hängt, um sich am Privatleben anderer Leute zu ergötzen oder sich dabei vortrefflich zu langweilen.
"Ace in the hole", wie der Film anfangs hieß, wurde kein Erfolg. Auch die spätere Umbenennung in "The big carnival" brachte ihm keinen zusätzlichen Kredit beim Publikum. Wilder hatte zu jener Zeit ein Vergnügen daran gefunden, in seinen Filmen Dinge zu thematisieren, die unpopulär waren wie sechs Jahre zuvor schon das Trinkerdrama "The lost weekend", welches das Thema Alkoholismus erstmalig einer breiten Öffentlichkeit als profundes Problem präsentierte. Wilder verfasste gerne grenzwertige Drehbücher, die immer wieder ein Prüfstein für die Politik der Filmstudios waren, für die er arbeitete und spekulierte auf die leicht erweiterte Kraus'sche Feststellung, dass nur solcher Stoff, den der Zensor nicht versteht, guter Stoff ist.
Hat Wilder in späteren Jahren zunehmend sehr gute doppelbödige Komödien gedreht, die in ihren Dialogen den für ihn typischen "Charme der Rasierklinge" zelebrierten, so gefallen mir Wilders ernsthafte Filme noch ein Stück besser. Er beherrscht das mitreißende Drama, wie weiterhin Filme wie "Double indemnity" oder "Witness for the prosecution" in beeindruckender Weise zeigen. Es ist an der Zeit, dass die große Filmkiste von Billy Wilder für angemessene DVD-Veröffentlichungen ein wenig mehr geöffnet wird.
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#9 Jodo

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Geschrieben 26. Mai 2004, 13:30

"Ein Mal Kino 8 bitte." – "Loge?" – "Nicht nötig, ich bleibe nicht lange."

Irréversible
Gaspar Noe
Frankreich 2002
DVD, Schweiz
OmU

imdb

Eine Frau wechselt den Freund, sie wird von einem Unbekannten vergewaltigt und verprügelt. Die Männer, ehemaliger und aktueller Partner, selber gute Freunde, getrieben vom jetzigen Partner, ziehen los, um den Peiniger zu finden und die Tat zu rächen.
Im Stile von "Memento" ist der Verlauf der Geschichte rückwärts montiert. Mehr als die wenig innovative inhaltliche Komponente dominieren in Gaspar Noes "Irréversible" zahlreiche technische Spielereien, mit denen er offensichtlich den Film für den Zuschauer so unsehbar wie möglich gestalten möchte.
Die stellenweise verwackelte Kameraführung: es ist eindeutig die Absicht zu erkennen, den fortgeschrittenen Zustand der Raserei der Rache und die drückende schwüle Unübersichtlichkeit im Untergrundclub "Rectum" in adäquat hektischen und verstörenden Bildern einzufangen. Leider ist dies mit fast unsehbaren Bildern übertrieben und
weiterhin, eingebettet in die Rückwärtsinszenierung, ein dramaturgischer Fehlgriff, da die umgekehrte Chronologie des Gezeigten längst nicht den Spannungsbogen und das Miterleben zulässt wie es mit einer konventionellen Erzählabfolge möglich gewesen wäre. Jegliche Spannung verpufft zudem nach der ausufernd dargestellten Vergewaltigung zur Mitte des Films. Es kommt danach kein Element von Interesse mehr, die Vorgeschichte ist vollkommen beliebig. Das durch entsprechende musikalische Untermalung schwermütig präsentierte "Wie schön war die Unschuld"-Ende des Films verkommt zu einem kleinen détail und sticht überdies aus der sonstigen Nüchternheit und Distanziertheit der inszenierten tragischen Ereignisse heraus. Ein inkonsequenter Fehlgriff des Regisseurs in die Kiste des konventionellen Kinos.
Inszenatorisch darf die Frage gestellt werden, welchen Zweck außer dem Selbstzweck die Rückwärtsbewegung der Erzählung hat. Ist dies in "Memento" ein der Veranlagung des Protagonisten inhaltlich und zum Spannungsaufbau in gerechtfertigter Art und Weise Tribut zollender Kunstgriff, so offenbart sich in "Irréversible" keineswegs ein Drama, welches die Unumkehrbarkeit psychischer und physischer Folgen einer äußerst brutalen Vergewaltigung darstellt, sondern eine profane Rachegeschichte, die zwar mit einer Vergewaltigung und einem sich anschließenden Rachemord durchaus unumkehrbare Taten präsentiert, sich sonst jedoch mit weiteren Aussagen oder einer die Folgen der Tat für die Frau auf welche Weise auch immer thematisierenden Geschichte zurückhält und die titelgebende Irreversibilität nicht weiter verfolgt. So ist die Rückwärtsbewegung im Film auch eine thematische Rückwärtsbewegung bzw. aus Sicht einer geschichtlichen Vorwärtsbewegung eine Stagnation, die keinerlei erwähnenswerte Aspekte beinhaltet und den Zuschauer in eine Sackgasse führt.
Am Anfang und am Ende des Films steht der Satz "Die Zeit zerstört alles", dessen Bedeutung mir nicht aufgehen wollte. Es soll vermutlich die auf den Kopf gestellte Volksweisheit "Die Zeit heilt alle Wunden" sein und folglich aussagen, dass die Zeit unversöhnlich keinerlei Wunden heilt, sondern das Verheilen verhindert und / oder neue Wunden aufreißt und vitale Dinge zertrümmert. Dies erscheint mir eine unsinnige Aussage, zumal wenn ich versuche, das in Relation zum filmischen Inhalt zu setzen. Es gibt dort keine Zukunft, auf die sich der Satz projizieren und somit verifizieren ließe. Die Zeit ist kein Akteur, sondern eine biegbare Marionette. Ein totales Ende proklamierende Aussagen haben den Nachteil der Beliebigkeit ihrer inhaltlichen Variablen. So sind Sätze wie "Die Zeit heilt alle Wunden" und "Die Zeit zerstört alles" inhaltlich nahezu identisch. Ob die Zeit alles heilt oder alles zerstört ist am Ende das selbe, denn das Leben hört nicht auf sondern geht weiter. Auch für unser Pärchen im Film. Der Mensch hat sich schon durch alles durchrationalisiert.
Mitnichten ist die verwackelte Kamera eine subjektive und würde so in ihrer Wackeligkeit noch eine nachvollziehbare künstlerische Absicht im Sinne der inhaltlichen Präsentation der erzählten Geschichte liefern; es ist eine beobachtende Kamera, daher erscheinen die Drehbewegungen und wackeligen Aufnahmen nur als technische Mätzchen, die einem anderen Ziel dienen als die Befindlichkeit oder die Bewegungen der Protagonisten darzustellen oder gar den Zuschauer in das Geschehende einzubeziehen. Er bleibt außen vor. Aus diesem Grund bezieht der Film zum Gezeigten auch keine Stellung. Noe hält nur drauf und konfrontiert den Zuchauer zu Beginn (also als letztendliche Konklusion der Geschichte) mit einem Dialog zweier Personen, dessen Essenz auf die Negation jeglicher Moralität und die Verteidigung stumpfer Triebbefriedigung hinausläuft. Erscheint die komplette Amoralität in Filmen wie "In China essen sie Hunde" noch in einem herzerfrischend antiklerikalen Gewand, so haben wir hier einen ziemlich unverdaulichen Brocken Film vor uns, von dem uns der Regisseur, wie einleitend erwähnt, nach Möglichkeit fern halten möchte.
Die Schmerzgrenze des Zuschauers wird auf mehrere Weisen ausgelotet: die erwähnte Kameraführung, die gerade in der Eröffnungssequenz, dem Mord, teilweise kaum seh- und identifizierbare Bilder produziert, kombiniert mit grummelnden Geräuschen im Bereich von 28 KHz, die sehr gut von Tieren wie Katzen als bedrohlich wahrgenommen werden (Erdbebengrollen soll auf ähnlicher Frequenz sich verbreiten), beim Menschen jedoch überwiegend Unwohlsein und Schwindelgefühle auslösen. Der imdb ist zu entnehmen, dass der Effekt, dass Zuschauer vermehrt die Kinovorführungen von "Irréversible" bereits am Anfang aufgrund der Erzeugung dieses unbehaglichen Gefühls verlassen haben, ein in dieser Weise gewollter Effekt dieser Ton- und Bildmischung gewesen ist (1). Habe ich durchaus ein faible für technische Spielereien und hat mich dies anfangs stark an Joe Dantes "Matinee" und die Praktiken des dort hommagierten William Castle erinnert, der sein Publikum in umgebauten Kinosälen schon mal mit Elektroschocks aus den Kinosesseln erfreute (unvergessen sein "Tingler" mit Vincent Price), so blieb mir hier nur Kopfschütteln, denn das Unternehmen, sein Publikum bereits am Filmanfang mit Bildern und Ton derart zu malträtieren, dass es die Flucht ergreift, halte ich für vollendet schwachsinnig. Mag man es künstlerisches Konzept nennen, ich für meinen Teil gehe bspw. nicht ins Fussballstadion, um mir bereits am Eingang von ein paar hools in die Klötze treten zu lassen und daraufhin nach Hause zu schleichen, ohne vom Spiel etwas mitbekommen zu haben.
Weiterhin genügend Zeit zum Abwenden hat der Zuschauer bei der in aller Ausführlicheit und Nüchternheit dargestellten Vergewaltigung, die neben dem Mord das zentrale inhaltliche Element des Filmes darstellt. Eine solche Darstellung hat Pros und Contras, sie ist in meinen Augen zumindest einer hübschen Hollywood-Stilisierung und Verharmlosung eines solchen Aktes vorzuziehen. Aber was will Noe damit bezwecken? Ich frage mich, ob in "Irreversible" einfach nur eine laue story durch künstlerische Manierismen ein wenig aufpoliert präsentiert wird oder ob der Regisseur irgendwo in seinem Werk noch einen tieferen Sinn sieht. Spätestens am Ende, vor dem im Kino mit Sicherheit kein Epilepsiekranker vor Filmbeginn gewarnt wurde, spuckt Noe dem Zuschauer ein letztes Mal ins Gesicht. Höchstwahrscheinlich wandelnd auf den Spuren von Kubricks motivischem 'final trip' aus "2001", haut er uns, in Sekundenbruchteilen zu einem Flackern überblendet mit einer weißen Wand, vollkommen sinnfreie Schemenbilder um die Augen. Wer da die gesamte Zeit schmerzfrei draufblicken kann muss bereits klinisch tot sein. Hier schreit Noe ein letztes Mal sehr deutlich "Schaut endlich weg!" und glücklicherweise ist der Film danach auch beendet.
Der Film hat bei mir durchaus gewirkt. Ich habe ihn bis zum Ende gesehen und habe nicht das verlangen, dies noch einmal zu machen. Allerdings hat mir der Film auch keinerlei Botschaft oder andere mit dem Inhalt transportierten Erkenntnisse mitgegeben. Was immer Herr Noe im Sinn hatte, irgend etwas ist da schief gegangen. Er hat hier einen Film zum Wegsehen abgeliefert, der, inhaltlich äußerst limitiert, wohl keinen anderen Zweck verfolgt und bei dem ich am Ende zu der Einsicht gelangt bin, dass man ihn sich mangels inhaltlicher Tragweite von vorne herein erst garnicht ansehen braucht. Weiß der Geier, woher in der imdb die hohen Bewertungen kommen. Es scheint trotz alledem eine ganze Menge Leute zu geben, die damit richtig viel anfangen können. Vorausgesetzt, sie geilen sich nicht nur an der Vergewaltigung und am Schädelgemantsche auf. Es sollte deutlich sein, dass dieser Film nicht 'unterhalten' will. Auf der Suche nach Sinn guckt man jedoch ins Leere.

(1)Prinzipiell sind solche subversiven Taktiken, den Zuschauer zu beeinflussen, nicht neu. Es gibt zahlreiche Filme, die bspw. den Herzschlag und die Atmungsfrequenz des Zuschauers manipulieren wollen, indem sie unterschwellige Herzrhytmustöne enthalten. Auch bei "Irréversible" sind solche Herztöne hörbar.
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#10 Jodo

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Geschrieben 28. Mai 2004, 12:41

"Who's Zed?"

Jäger der verschollenen Galaxie
Ken Dixon
Slave girls from beyond infinity
USA 1987
Ocean Video, Deutschland

imdb

Jaa, deshalb lohnen sich die Ausflüge auf die örtlichen Flohmärkte doch hin und wieder. Ausgrabungen in den letzten verstaubten Kisten mit VHS-Kassetten fördern bisweilen Dinge zutage, auf die man im normalen Tagesbetrieb selten aufmerksam wird. Ein Blick aufs cover... Jäger der verschollenen Galaxie... freizügige Mädels mit dicken Strahlenkanonen und ein schleimiges Monster, das sie in seinen Krallen hält. Die paar Cent könnten gut investiert sein. Was erspäht mein Auge im Kleingedruckten? *lins* Originaltitel... Slave girls from beyond infinity! *rotfl* Wer sich einen so haarsträubenden Titel einfallen lässt kann kein schlechter Filmemacher sein. Der Mann hat Phantasie! Wir haben hier vermutlich eine Perle des Genres in der Hand, einen unbekannten Meilenstein, den Lucas womöglich plagiiert hat? Nein, die slave girls sind from 1987. Egal, eingepackt. Das richtige Programm für einen Sonntag Nachmittag bei Tee und Keksen.
Unbeholfene Darstellerinnen, die eine scheinbar natürliche Naivität auf die Leinwand bringen und niemals mehr tragen als Bikini oder Negligé, fliehen von einem Raumkreuzer und notlanden auf einem Planeten. Sie kommen an ein Schloss, in dem Zed und seine zwei Roboter leben. Andere Gäste sind bereits dort, auch sie sind auf dem Planeten gecrasht. Es waren mal mehr, mittlerweile sind nur noch zwei übrig. Zed hat auch einen Trophäenraum, den jedoch niemand betreten darf. Nanu, lauert dort eine verborgene Gefahr? Zed erzählt jedenfalls gerne und häufig von seinem Hobby, der Jagd. Im Urwald ums Schloss gibt es reichlich zur Strecke zu bringen. Er hat auch seine eigene Philosophie entwickelt, nach der er als bewaffneter homo sapiens die unbestrittene Krone der Evolution darstellt und alles andere Gezeug sich nur zu seinem persönlichen Vergnügen im Universum befindet. Werden unsere Möpseträgerinnen entdecken, welch schreckliches Geheimnis in Zeds Trophäenraum lauert? Doch Vorsicht vor den Robotern... hier ein Dialog-highlight:
Robo soll auf die Gäste aufpassen und die Zimmer kontrollieren. Bis auf eine Dame sind aber alle stiften gegangen. Sie startet ein Ablenkungsmanöver.
Frau:"Ich will schwimmen gehen. [Pause] Ich habe keinen Badeanzug." *blinzel*
Robo:"Ich habe meine Befehle. ... *brrrzzzzz* ... na gut, überredet."
[...]
Die Frau badet im Meer. Robo 2 trifft Robo 1.
Robo 1:"Was tust du hier?"
Robo 2:"Sie beaufsichtigen."
Robo 1:"Du hattest den Befehl, die Zimmer zu kontrollieren!"
Robo 2:"Alles in Ordnung."
Robo 1:"Hast du das persönlich geprüft?"
Robo 2:"Äh, nein."
Robo 1:"Ich dachte, du bist für das Haus verantwortlich."
Robo 2:"Gib nicht so an, du kannst garnicht denken."
Robo 1:"Du bist beleidigt?"
[...]
Robo 1:"Ich werde den Meister informieren!"
Robo 2:"Von mir aus, du Fehlzündung."

:P
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#11 Jodo

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Geschrieben 28. Mai 2004, 12:45

Bukowski, I: Love hurts

Crazy love
Dominique Deruddere
L'amour est un chien de l'enfer / Love is a dog from hell
Belgien 1987
Ascot Video, Deutschland; FSK: 18
nach Charles Bukowski; Motive aus der Jugendbiographie "Ham on rye" und der short story "The copulating mermaid of Venice, California"

imdb

Nicht Henry Chinaski, wie Bukowskis alter ego in seinen semibiographischen Büchern heißt, sondern Harry Voss ist hier die Hauptperson in einem tragischen und anrührenden Film von dem Belgier Dominique Deruddere. Ähnlich wie Bukowski in seiner Literatur vermengt Deruddere in seinem Film biographische Tatsachen mit einem Quentchen Fiktion. Bereits die ollen Griechen, wie Diogenes Laertius in seinem Buch "Leben und Meinungen berühmter Philosophen" zu berichten weiß, hatten Gefallen an der leichten fiktionalen Aufbrezelung von Geschichten über Personen gefunden, solange es der Unterstreichung und Pointierung wesentlicher Charakterzüge galt. Deruddere steht somit formal in bester langer Tradition und hat seine Arbeit ausgezeichnet gemacht.
Wir sehen Harry Voss als Jungen, Jugendlichen und Erwachsenen. Leitmotiv für den Film ist die Sexualität in verschiedenen Ausprägungen. Das Aufkeimen der sexuellen Neugier beim Jungen, die Tragik eines Zuneigung begehrenden, jedoch durch acne vulgaris derbe entstellten Jugendlichen und die Suche nach der perfekten Partnerin des Erwachsenen.
Immer begleitet von einem Freund, streift Harry Voss durch die verschiedenen Episoden. Bis zum Jugendlichenalter bewegen wir uns auf größtenteils biographischem terrain.
Der kleine Junge wird von seinem etwas älteren Freund auf die hervorstechenden Merkmale des anderen Geschlechts aufmerksam gemacht. Das Interesse ist geweckt, Frauen werden vorsichtig beobachtet und der eigene Körper verwandelt sich in etwas neu zu Entdeckendes.
Der Jugendliche Harry Voss ist kein schöner Anblick. Josse de Pauw schafft es in seinem Spiel, der Figur von Harry Voss die nötige Schüchternheit und Scham vor dem eigenen Aussehen zu verleihen. Er erlebt Zurückweisungen selbst von Frauen, die sein Freund für ihn 'besorgt' hat, leichte Mädels, die gerne einfach mal poppen wollen. Höhepunkt des zweiten Aktes ist der High school-Abschlussball. Von seinem Freund zu offensiven Taten gedrängt, verbirgt er sein Gesicht und bringt den Mut auf, die Schönheit des Abends zum Tanzen aufzufordern. Zu einem von der Sängerin der Schulband zuckersüß dahingeschmachteten "Love hurts" drehen die beiden ihre Kreise auf der Tanzfläche. Am Ende des Liedes siegt trotzdem die Resignation aus kaum vorhandenem Selbstwertgefühl. Er wird diese Frau nie bekommen, der Tanz war umsonst. Sie blickt ihn fragend an und er geht, um sich zu besaufen.
Der letzte Akt ist die mit seiner biographischen Entwicklung der Sexualität und Sehnsüchte verschmolzene, beinahe surreal anmutenden Fiktion. Deruddere verlängert die Leiden des jungen Harry in seine frühe Erwachsenenphase und lässt ihn die perfekte Partnerin suchen. Harry und sein Freund stehlen eine Leiche (wer mag das wohl sein?) und die Tragik nimmt ihren abschließenden Lauf. Es endet mit einer Hochzeit im Meer.
Nur in seltenen Fällen lasse ich mich in Filmen davon überzeugen, dass Kinder dort richtig plaziert sind, sie haben das größte Potential, nervtötende und klugscheißende Akteure zu sein und für Zwecke des Zielgruppenfangs in der debilen Eltern- und Großelternecke instrumentalisiert zu werden. Positive Beispiele von Kinderintegration in Filmen sind "Mike Mendez' Killers" oder aber auch "Crazy love". Hut ab vor Geert Hunaerts, der unter Anleitung von Deruddere die Rolle des erwachenden und neugierigen an der Tür zur Pubertät klopfenden Jungen großartig mit Leben füllt.
Deruddere hat einen anrührender Film gedreht, der im Gegensatz zu Barbet Schroeders mit Recht zum Kultfilm avancierten "Barfly" auch dann funktioniert, wenn man keine Vorkenntnisse über Leben und Werk von Charles Bukowski besitzt. Gediegenes Erzähltempo, ruhige Kamera, unspektakuläre Aufnahmen, die immer nur so nah an die Personen heranrücken, wie es die Situation benötigt. Deruddere hat sich in den frühen Bukowski anhand dessen biographischer Aufzeichnungen sehr gut hineingefühlt. Bukowski selbst (als ausgewiesener Kinomuffel musste seine Frau ihn zwingen, sich Derruderes Film anzusehen) hat bei der Vorführung ein paar Tränen zerdrückt; das größte Lob, das Deruddere wohl zuteil werden konnte, da er es geschafft hat, vitale Elemente aus Bukowskis Biographie, die für sein späteres Leben große Bedeutung erhielten, authentisch zu vermitteln. Ich weiß nicht, ob "Crazy love" zumindest im Entstehungssprachraum Holland oder Belgien ein kommerzieller Erfolg geworden ist, der Regisseur kann jedenfalls sehr zufrieden mit seiner Arbeit sein. Ich bin es auch.
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#12 Jodo

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Geschrieben 28. Mai 2004, 15:31

Schmerzen & Neugier

Sick: the life and death of Bob Flanagan, supermasochist
Kirby Dick
USA 1997
Avalanche Home Entertainment DVD, USA; unrated

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Bob Flanagan war von Geburt an zum frühen Sterben verurteilt, seine Krankheit nennt sich Mukoviszidose (cystic fibrosis). Flanagan kam irgendwann auf die Idee, sein permanentes Leiden besser kennenzulernen,um damit auch besser umgehen zu können. Er begann mit einem starken introspektiven Impuls und stellte fest, dass er sehr viel von seiner Körperlichkeit spürte, wenn er sich selber Schmerzen zufügte. Dies waren Körperempfindungen, die von ihm selbst hervorgerufen und ihm nicht von seiner Krankheit aufoktruiert wurden. Er hatte eine Form gefunden, mit seinem Körper zu kommunizieren und dem passiven Leiden etwas Konstruktives (in seinen Augen) entgegenzusetzen. Flanagan war sehr humorig veranlagt, ebenso sah er die Möglichkeit, mit seinem Masochismus an die Öffentlichkeit zu treten, um sein Schicksal mit anderen Menschen zu teilen und seine Methode der Daseinsbewältigung zu vermitteln. So führte er denn öffentlich seine Masochisten-Shows auf, illustrierte sie mit stories und füllte sie mit Witz. Als Frau hatte er sich im Übrigen eine sehr dominante dame geangelt, die seinen Wünschen nach Selbstfindung im Schmerz entsprach.
Die Geschichte von Bob Flanagan ist äußerst interessant. In der knapp 90minütigen Dokumentation wird selbstverständlich auch nicht mit Bildern gespart, die sein masochistisches Treiben zeigen. Ein Blick auf das cover deutet bereits an, was den Zuschauer erwartet. Schmerzhafter Höhepunkt der Darbietungen war für mich eine Aktion, die Buttgereit seinen Schramm nur mit einer Gummiattrappe hat machen lassen. Doch, da tut das Zusehen wirklich weh... aber dieser graphische Höhepunkt soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einer wirklich interessanten, informativen und trotz des tragischen Themas humorvollen Dokumentation zu tun haben, in der sich ein Sterbenskranker bei seiner Lebensbewältigung filmen lässt.
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#13 Jodo

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Geschrieben 25. Juni 2004, 07:57

Wo Gangster um die Ecke knallen

Bullet point
Larry Bishop
Mad dog time / Trigger happy / Eine Sippschaft zum Ermorden
USA 1996
VPS Video, Deutschland; FSK: 18

imdb

"Auf der anderen Seite des Kosmos, tief im Weltraum, entstand ein paralleles Universum: Vic's Welt. Eine glückliche Welt, sie war voller Freuden. Vic's Welt war so verdammt nochmal voller Freuden." Wir sehen Weltraumbilder von Sternen und farbigen Gaswolken, dazu swingt Sinatra I've got the world on a string.
Willkommen in Vics Welt. Vic (Richard Dreyfuss, meist im Bademantel) ist in der Anstalt und kommt morgen raus. In den Monaten, in denen Vic weg war, haben alle wichtigen Personen und die, die sich dafür halten, Vorbereitungen für die Umverteilung der Machtverhältnisse getroffen. Wenn Vic rauskommt, soll er abgesezt werden. Das haben alle vor und schießen untereinander aus, wer denn das größte Stück vom Kuchen bekommt. Dann kommt Vic und sieht, dass auch seine Frau in der Obhut einer der Geier ist...
Richard Dreyfuss, Gabriel Byrne, Ellen Barkin, Burt Reynolds, Kyle MacLachlan, Richard Pryor, Jeff Goldblum, Henry Silva, Billy Idol und andere bekannte Gesichter haben sich hier versammelt, um den stilvollen Abgang zu machen. "Das Leben, das ist so... schießwütig."
Die seltsame Idee, die Geschichte in einem fiktiven Paralleluniversum zu inszenieren, leistet dem Gefühl vorschub, dass es der Zuschauer hier mit einem Kammerspiel zu tun hat. Wenige Schauplätze, zumeist zwei Nachtclubs und deren Keller, eine überschaubare Anzahl agierender Personen und klar festgelegte Verhaltensmuster schaffen die Atmosphäre einer kleinen, hermetischen Welt, in der andere Gesetze gelten als in unserer Welt. Der 'normale' Mensch ist hier vollkommen ausgeblendet, es zählt einzig das Gesetz der Gangster. Schnell hat man sich an diese seltsame Atmosphäre gewöhnt und verfolgt amüsiert und interessiert das Treiben der Akteure. Wir befinden uns in einem Mikro-Universum.
"Ich beurteile das Leben eines Mannes an der Art, wie er stirbt." So denkt mit Ben London (Gabriel Byrne) nicht nur einer der Akteure, so hat Larry Bishop seinen Film inszeniert. Man duelliert sich mit Stil, in dunklen Kellern an großen massiven Schreibtischen mit Stehlampe, oder man zelebriert shot-outs, die von zynischen oder sarkastischen Texten begleitet werden. Der Film ist nicht rasant, er ist eher zurückhaltend, ähnlich dem Tempo von Mendez' "Killers". Selten hatte ich das Gefühl, dass der Spannungsbogen abreißt. Bishop hat einen kleinen Film gedreht, der gut unterhält. Seinen Daddy, Joey Bishop, der mit bürgerlichem Namen Joseph Abraham Gottlieb heißt und der letzte Überlebende des "rat packs" um Dean Martin, Frank Sinatra und Sammy Davis jr.ist, hat er als Mr. Gottlieb von "Gottlieb's mortuary" im Film untergebracht, der für die Entsorgung der anfallenden Leichen zuständig ist. Eine Personalie, die ebenso die Musikauswahl in Vic’s Welt erklärt. Ein herrliches "My way"-Duett (freundlicherweise im O-Ton gehalten und deutsch untertitelt) liefern Paul Anka und Gabriel Byrne ab.
89 Minuten prima Unterhaltung mit einer guten Portion Humor lassen einen aus dem seltsamen Universum von Vic und den anderen Gangster-Schergen mit einem leichten Grinsen im Gesicht in die Realität zurückkehren. Wo bleibt die DVD??
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#14 Jodo

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Geschrieben 09. Juli 2004, 09:33

Aus der Tiefe des Inneren

Mystic river
Clint Eastwood
USA 2003
Warner DVD, Deutschland

imdb

Ein Drama über Kinderschändung, Mord, Rache und selbstgerechtes Handeln. Kausalität und Kontingenz lassen die Charaktere in eine Situation schlittern, die niemand so hat erleben wollen. „Was wäre gewesen, wenn...?“ fragen sich die Protagonisten am Schluss, helfen tut es ihnen freilich nicht.
Eastwood hat mit „Mystic river“ einen schwer beeindruckenden Film mit glänzend agierenden Schauspielern abgeliefert; Robbins ist wohl nur in die Kategorie ‚Bester Nebendarsteller’ gelangt, weil es neben Sean Penn keinen zweiten besten Hauptdarsteller geben konnte. Die beiden hätten sich den Oscar teilen können.
„Mystic river“ ist ein Lehrstück, das man Typen wie Gaspar Noé ein Mal die Woche um die Ohren hauen sollte, damit diese sehen können, wie man sowas ordentlich macht und die Filmwelt mit sinnfreiem Pseudokunstgewichse wie „Irréversible“ fortan verschonen.
„Mystic river“ ist für mich das diesjährige highlight und hat das „Kill Bill / Lady Snowblood“ double-feature vom obersten Treppchen gestoßen. In den Olymp der besten DVD-Veröffentlichungen wird bei mir noch „Lemora“ von Synapse eingehen, wenn deren neuer deal mit Ryko über die Bühne gegangen ist und die bereits für letztes Jahr angekündigte VÖ diesmal pünktlich zum 31.8. erscheint. Eventuell habe ich bis dahin noch die letzte Geste von Kevin Bacon dechiffriert.
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Geschrieben 24. September 2004, 09:18

Schuld & Sühne

21 Gramm
Alejandro González Iñárritu
21 grams
USA 2003
DVD, Deutschland

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Erinnerungen wurden wach an den äußerst schwermütigen "Crossing guard", Sean Penns zweiten Film als Regisseur. Die Filme sind thematisch eng verbunden, "21 Gramm" ist jedoch komplexer angelegt und geht über das im "Crossing guard" extrem ausgewalzte Schuld-Leid-Rache-und-Moral-Motiv etwas hinaus. Die Zersplitterung der Geschichte in drei konvergierende Handlungsstränge, die zudem nicht-linear erzählt werden, sorgt für eine gewisse äußerliche Auflockerung des Themas und macht den Film besser verdaulich als den "Crossing guard". "21 Gramm" ist ein durchaus beeindruckender Film, jedoch wird er bei mir eine sehr geringe Wiederholfrequenz beim Ansehen haben.
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"Man sage doch nicht, daß der real existierende Sozialismus für die unauffällige Vorbereitung eines vollkommen andern nichts abwerfe! Auch die Schlange, die man steht, kann zum Baum der Erkenntnis verführen."
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#16 Jodo

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Geschrieben 24. September 2004, 09:22

Quo vadis?

Dämonisch
Bill Paxton
Frailty
USA 2001
Kinowelt DVD, Deutschland

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-spoiler inside-
Ein alleinerziehender Vater taucht bei seinen zwei Kindern im Schlafzimmer auf, weckt sie und faselt von einer Gotteserscheinung, die ihn beauftragt hat, für das kommende jüngste Gericht schon mal mit dem Umlegen von Dämonen in Menschengestalt zu beginnen. Diesem Auftrag folgt er fortan sehr hingebungsvoll und drillt seine Söhne zu Handlangern.
Über gut 80 Minuten habe ich den Film interessiert verfolgt, da Paxton bei jeder 'Vision' visuelle Anker liefert, die eine Erklärung im Rationalen eröglichen, sprich: es können Halluzinationen sein. Die helle Gotteserscheinung tritt aus einer mondbeschienenen Metallfigur hervor, der Engel mit dem flammenden Schwert erscheint ihm, unter einem Auto liegend, während er von Flex-Funken eines Kollegen berieselt wird. Bis hierhin befinde ich mich also in einem recht ansprechend gefilmten Psychopathendrama religiösen Einschlags, denn es geht der "Hand Gottes"-Killer um. Aber was stellt Paxton dann an? Er hievt die ganze Geschichte auf die reale Ebene einer Welt, in der ein alttestamentarischer Rachegott seine 'Kinder' bedenkenlos untereinander umhermetzeln lässt. Denn es ist ja das Wort Gottes, was somit durch den Menschen vollstreckt wird. Ich habe offenen Mundes nur noch auf die Sequenz gewartet, in der der Sünde der Abtreibung schuldige Frauen niedergemäht werden. Erstaunlicherweise kam das nicht. Welcher Teufel hat denn den Paxton da geritten? Bah, was ein Dreck. Was stellt der wohl als nächstes an?
:deepshit:
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#17 Jodo

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Geschrieben 24. September 2004, 14:00

Wehret den Anfängen

Menschenfeind
Gaspar Noé
Seul contre tous
Frankreich 1998
Legend DVD, Deutschland
Reihe 'Kino kontrovers'

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-spoiler am Schluss-
Irgendwo habe ich ja doch eine masochistische Ader. Ist mir dieselbe am Hals geschwollen, als ich "Irréversible" gesehen habe, so habe ich mir dennoch die Zeit genommen, den Vorgänger zu sichten, "Menschenfeind". Geben wir Herrn Noé eine zweite Chance. Obwohl, das ist anachronistisch. "Irréversible" ist die zweite Chance, mal sehen, was er aus der ersten macht.
Es kommt knüppeldicke im Leben eines Schlachters, Murphys Gesetz schlägt gnadenlos zu. Noé präsentiert uns einen Mann, der im Leben nichts zu lachen hatte und der mittels im Off gehaltener Monologen seine Seele für den Zuschauer nach außen krempelt. Terry Hawkins in den ersten Minuten von "Last house on dead-end street", das ist hier Philippe Nahon, und zwar die kompletten 93 Minuten lang. Verbrechen, Knast, Mord, Isolation, die vollkommen kaputten Beziehungen zu Frauen und die Lust am Vernaschen der eigenen Tochter, die mit Dachschaden im Heim sitzt. Das ist die Hölle, in der sich Nahon bis zum Abticken durchmonologisiert.
So weit, so gut. Der Film hat einen interessanten Ansatz. Mit ihrem Leben unzufriedene und durchdrehende Leute ist die Leinwand gewöhnt, spätestens nach Joel Schmachers "Falling down", den die Amerikaner so garnicht mochten. Stilistisch begibt sich Noé, wie konnte es auch anders sein, auf eine Gratwanderung. Für mich war die Linie zum Hörspiel überschritten. Durch das konsequente Vorantreiben der story mittels dem Gedankenanzapfen aus dem Off funktioniert der Film gänzlich ohne Bilder; Noé beginnt hier sein Anti-Kino, das er mit "Irréversible" in nervtötender Weise perfektioniert. Nach einer halben Stunde kreiste mein Finger permanent über der TV-Fernbedienung, aber ich konnte der Verlockung widerstehen, das Bild zum Ton auszuknipsen.
Die für mich somit in Teilen misslungene Umsetzung einer guten Idee findet aber selbstverständlich noch eine negative Krönung in den Manierismen und Mätzchen, denn Noé scheint nicht Noé zu sein, wenn er seine Filme nicht mit sinnlosen Effekten aufpeppt. Bei jedem Situationswechsel der Knall von der Tonspur... toll. Das ist so mitreißend und wird von Mal zu Mal spannender... meine Güte, was soll sowas?
Leider schafft es Noé nicht einmal, seine Geschchte konsequent zu Ende zu bringen. Nahon schafft seine meschuggene Tochter aus dem Heim in ein gemietetes Apartement, um dort was zu machen? Sex und die Kugel geben. Aus und vorbei. Das passende Magenschwinger-Ende eines verpfuschten Lebens. Sollte man meinen. Sieht man auch. Und was dann? Es ist ein Traum! Da bin ich aus dem Sessel gefallen. Unser Herr Noé, der seine Mission im Schockieren und Drangsalieren des Publikums sieht, lässt den Protagonisten den ganzen Film hindurch konsequent abdrehen, jeder Gedanke ist depressiv, aggressiv, jedes Bild ist trostlos, jeder Mord ist echt. Und beim Ende, was in der Tat folgerichtig und niederschmetternd hätte wirken können, macht er einen auf Denver-Clan. Oder Dallas. Oder Falcon Crest. Oder wasauchimmer, jedenfalls wachen da immer irgendwelche Leute auf und nichts ist passiert. Was soll das? Ist das ein misslungenes Spielchen mit den Erwartungen der Zuschauert? Es ist so erbärmlich inkonsequent wie auch schon die kitschige Gestaltung der Endsequenz von "Irréversible", die sich so überhaupt nicht in den kühlen Rest integrieren ließ.
Was bleibt vom Film übrig? Ein guter Grundgedanke, teilweise ansehnliche Bilder und eine depressive Atmosphäre, die sich Herr Noé mit seinen Mätzchen selber ruiniert. Der Film ist noch sehbar, was man von "Irréversible" nicht mehr behaupten kann. Gaspar Noé hat seine Talente seit "Menschenfeind" kräftig weiter entwickelt, und zwar ausschließlich die Negativen.
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#18 Jodo

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Geschrieben 25. September 2004, 17:43

Das letzte Haus auf der linken Seite in der Sackgasse am Rande des Parks

The old dark house
James Whale
[Das Haus des Grauens]
USA 1932
Kino on Video DVD, USA

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Schon 1932 sind in Häusern bereits manch merkwürdige und gruselige Dinge geschehen.
Es ist düster, ein Gewitter tobt und ein Auto quält sich durch die aufgeweichte Landschaft, die in der Dunkelheit ebenso wenig Orientierungspunkte bietet wie die Landkarte, die die Insassen des Autos in den Händen halten und die von durch das Wagendach eingedrungenem Wasser vollkommen aufgeweicht ist. Hügel rutschen ab und blockieren die Wege. Dann taucht im kaum vorhandenen Scheinwerferkegel ein altes Gemäuer auf. Man klopft und ein bärtiger, finster dreinblickender und offensichtlich stummer Butler (Boris Karloff) öffnet die Tür. Sie werden eingelassen und nach einigem smalltalk mit dem dort wohnenden Geschwisterpaar Femm aufgenommen, ebenso wie ein weiteres Pärchen, das den Weg durch das Gewitter nicht schafft.
Mit der Zeit stellt sich heraus, dass nicht nur das Geschwisterpaar sich merkwürdig verhält und sich permanent angiftet (er ist ein ausgemachter Hasenfuß und sie eine schnippische Zicke), auch der Butler tendiert zur Randale, wenn er besoffen ist (und bei so einem Wetter kann man sich die Nacht nur erträglich saufen). Außerdem scheinen noch zwei weitere Mitglieder der Familie Femm das Anwesen zu bewohnen: der 102 Jahre alte Vater, der seine schrullige und zugleich fistelhafte Stimme dem Umstand verdankt, dass er von einer Frau gespielt wird, die selbst in den credits als Mann aufgeführt ist, und ein zweiter Sohn, der dem Wahnsinn anheim gefallen ist und permanent versucht, das Haus abzufackeln, wenn er aus seinem Zimmer entkommen kann.
James Whale hat mit "The dark old house" eine feine Gruselkomödie abgeliefert, die auf beiden Genregebieten zu gefallen weiß. Aus heutiger Sicht verliert der Gruselaspekt etwas an Wirkung; was eventuell an der Abwesenheit bedrohlicher untoter oder künstlicher Kreaturen liegt, die seinerzeit in der Kinolandschaft Furore machten und die man heute mit Filmen aus dieser Zeit automatisch assoziiert. So haben wir hier hauptsächlich einen als Komödie funktionierenden Film, der seinen Charme zu großen Teilen aus Wort- und Dialogwitz bezieht, in einem setting, das selbstverständlich auch heute noch viele Schlüsselreize bedient: ein einsames, dunkles und bedrohliches Haus, große Innenräume mit knisternden Kaminen, ein tobendes Gewitter zur Nachtzeit und das für Mulmigkeit sorgende Wissen, dass noch irgendwo bedrohliche und unbekannte Dinge lauern. Zumindest sorgt ein solches setting bei mir immer für eine freudige Erwartung :love:, ebenso wie es die gothic-Atmosphäre vieler Hammer-Filme vermag, ohne die so mancher Film aus der Zeit in die Bedeutungslosigkeit absacken würde.
In erfrischend kurzen 70 Minuten unterhält James Whale sein Publikum stilvoll und gekonnt, ohne einen wirklichen 'Kracher' à la "Frankenstein" oder "Invisible man" abzuliefern. Aber das muss auch nicht immer sein. Interessant sind die Umstände, die die heutige Existenz dieses Filmes überhaupt möglich gemacht haben. Damals unter Laemmle/Universal entstanden, kümmerte sich der Verleih nach Auslaufen der Rechte nicht mehr um den Film. Regisseur Curtis "Logan's run" Harrington spürte den Rollen hinterher, startete zwei Suchanfragen in den New Yorker Tresoren von Universal, doch man konnte dort nichts finden. Erst beim dritten Mal, Harrington war für die Universals mittlerweile wohl ein richtiger 'pain in the ass' geworden, konnten Filmrollen mit dem fast völlig ruinierten Original-Negativ gefunden werden; Universal sagte großzügig "Nein" zu einer Aufbereitung und Restaurierung, die die einzige Rettung des Filmes bedeutet hätte. In England hatte sich William Castle bereits des Themas angenommen und ein remake gedreht, was zur Folge hatte, dass die Produzenten Columbia/Hammer sich die Vorführrechte an dem Titel sicherten. Universal hatte demnach noch die Besitzrechte am Original, ohne Einverständnis der Engländer hätten sie den Film allerdings nicht aufführen dürfen. So hat Harrington zahlreiche Bittbriefe verschickt und um Geldmittel für die Restaurierung gebeten, bis das Eastman-Haus in New York 1968 zusagte und vier neue prints erstellte. Ohne diese Aktion hätten die Universals den Film vorsätzlich verrotten lassen. Wer weiß, was in solchen Tresoren großer Filmfirmen sonst noch nach und nach vergammelt.
Deutschlandpremiere hatte der Film dem Int. Filmlexikon zufolge übrigens im März 1989 beim seinerzeit maroden Resteverwerter Tele 5! :haeh:
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#19 Jodo

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Geschrieben 25. September 2004, 20:09

Etwas bleibt immer übrig

Hedwig and the angry inch
John Cameron Mitchell
USA 2001
Entertainment in Video DVD, GB

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Hansel wuchs mit seiner Mutter in Ost-Berlin auf. Verliebt in einen großen schwarzen GI ("sugardaddy" :P), unterzog er sich einer Geschlechtsumwandlung, die misslang ("The wound healed and i was left with a one inch mount of flesh"), um als Hedwig den sugardaddy zu heiraten und aus Ost-Berlin in die USA zu fliehen. Der GI ließ ihn/sie sitzen und Hedwig war in einem gottverlassen Trailerpark in der Mitte von Nirgendwo gestrandet.
Hedwig verguckte sich in einen Jungen und teilte mit ihm ihre Liebe für Musik und schrieb etliche Songs. Ihr Augenstern verschwand, um kurze Zeit später als 'Tommy Gnosis' mit Hedwigs Songs die große Rock-Karriere zu machen. Völlig angesäuert, tourt Hedwig mit einer eigenen Band dem dreisten Dieb hinterher und wo Tommy Gnosis Stadien füllt, spielt sie in kleinen Kneipen und Restaurants mit ihrer Band die Rock-Songs, die ihr bisheriges Leben, Liebe und Verrat vertonen. Selbstverständlich nicht, ohne den einen oder anderen Giftpfeil in Richtung Tommy zu verschießen, der ihr die Karriere geklaut hat.
John Cameron Mitchell, Regisseur und Hansel/Hedwig, hat seine äußerst erfolgreiche Off-Broadway-Show auf die Leinwand gebracht: ein tragikomisches Musical, das – mal feinfühlig, mal kräftig rockend – die ungewöhnliche Geschichte einer körperlich nie ganz vollendeten Transe erzählt.
Eigentlich kein Freund von Musicals, gibt es immer wieder Ausreißer, die mein Interesse wecken. Die "Rocky Horror Picture Show" ist so eine Ausnahme, "South Park – bigger, longer, uncut" ist so ein Ding und noch ein oder zwei andere Titel, die mir gerade nicht einfallen. "Hedwig" merkt man die Theater-Herkunft an, die filmische Umsetzung ist gekonnt. Mitchell setzt das genuin tragische Thema mit einer großen Portion Humor um, sodass das Amüsement neben den Rock-Einlagen und den dramatischen Wendungen keinesfalls zu 'kurz 'kommt :D. Prima Unterhaltung, prima Film.
Die britische Disc ist für kleines Geld mit AK, Musik-Videos und making-of großzügig ausgestattet. Eine deutsche VÖ lässt auf sich warten. :(
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#20 Jodo

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Geschrieben 25. September 2004, 23:31

Gurkenernte, III

Beast of Yucca Flats
Coleman Francis
USA 1961
Treeline DVD
50 Horror Classics Box

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Hartes Brot, liebe Leute, hartes Brot gibt uns Coleman Francis hier zu knabbern. Ich habe lange überlegt, ob ich dem Film diese Ehre erweisen soll, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich es tun: es ist der schlechteste Film, den ich je gesehen habe.
Dass Ed Wood der mieseste Regisseur der Welt sein soll, war von Anfang an ein Marketing-Gag, um den trash an den Mann zu bringen. Gegen Coleman Francis sieht Wood in der Tat wie ein begabter Autorenfilmer aus. Es soll noch üblere Filme geben als den hier vorliegenden, zu finden wohl in der amerikanischen 'Mystery science theater'-Reihe, aber die sind mir bislang noch nicht begegnet. Bis ich also Machwerke wie "Eegah!" sichten kann, gebührt dem "Beast of Yucca Flats" einzig und allein der letzte Platz in allen erdenklichen rankings. Worum geht's?
Der Ed Wood-erprobte Tor Johnson spielt einen russischer Wissenschaftler, der in die USA reist und vom Flugplatz an verfolgt wird, bis er in irgend einem Wüstengebiet in die Pampas flieht und, von radioaktiver Strahlung verseucht, zu einem Ungetüm mutiert. Dauer des Filmes: 54 Minuten. Gefühlte Sehzeit: ein halber Tag.
Der Film ist ein Lehrstück im Hinblick auf Dinge, die man beim Filmen tunlichst unterlassen sollte.
Die "Verfolgungen": gemeinhin mit Action und Tempo assoziiert. Nicht hier. Autos schleichen um Kurven und kriechen nahezu über den highway. Leute rennen nicht hintereinander her, sie bewegen sich gemächlich. Nur nicht anstrengen. Der Kameramann wäre vermutlich nicht hinterher gekommen.
Die Logik: der komplette Film besteht nur aus Anschlussfehlern. Keine Szene passt zur anderen. Die Umgebung wechselt selbst bei der Autoverfolgung beliebig ab: mal fahren sie durch die Wüste, mal durch die Berge und mal durch anderes Gelände. Unglaublich. Muss man gesehen haben, um es zu glauben. Tor Johnson ist btw. auch nicht mutiert. Er ändert sein Aussehen im Film nicht signifikant.
Die Technik: Coleman Francis hatte Angst, dass die Nachbearbeitung des sounds zu sehr in die Kasse haut, wenn mit den Schauspielern lippensynchron nachsynchronisiert wird. Dialoge finden daher statt mit den Darstellern im Off, den redenden Personen mit dem Rücken zur Kamera oder die Hand vor den Mund haltend. Und schon wieder: unglaublich! Das muss man mal gesehen haben.
Im Gegensatz zu anderen Heulern aus dem 1,x-Bewertungsbereich der imdb bringt "Beast of Yucca Flats" nicht einmal genügenden unfreiwilligen Humor mit, der die Sache erträglich machen würde. Nein, liebe Filmfreunde, hier sind wir beim absoluten Bodensatz angelangt. Und die Collection-Box verspricht noch einige von diesen Überraschungen. Da muss erstmal ein wenig vorgeglüht werden. Dieses Zeug sollte man sich keinesfalls alleine ansehen :party:
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#21 Jodo

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Geschrieben 26. September 2004, 18:15

Eiskalt

Zeugin der Anklage
Billy Wilder
Witness for the prosecution
USA 1957
MGM DVD, Deutschland

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Agatha Christie schreibt großartige Kriminalromane. Wenn jemand wie Billy Wilder daherkommt und sich eines Stückes annimmt, kann man Gutes erwarten.
Mr. Vole (Tyrone Power) wird eines Mordes bezichtigt, viele Indizien sprechen gegen ihn. Auch der Zuschauer ist ob seines Verhaltens dazu geneigt, ihm die Schuld am Verbrechen abzunehmen.
Seine Frau, Mrs. Vole (Marlene Dietrich), ist eine kühle Person, der nicht viel an der Unterstützung ihres Mannes liegt. Mr. Vole nimmt die Dienste des kränkelnden, jedoch vor Routine nur so stinkenden Rechtsanwalts Robarts (Charles Laughton) an, gegen den Rat und Willen dessen um seine Gesundheit besorgten Arztes und seiner pingeligen Haushälterin. Die Ermittlungen in diesem Fall bergen einige Überraschungen, ebenso wie der Prozessverlauf und sein Ende.
Ich werde mich hüten, an dieser Stelle mehr über den Hergang der Geschichte zu erzählen. Was hat Wilder hier für einen Film abgeliefert?
Es gibt zwei Vertreter des sogenannten 'courtroom dramas', die mich richtig gepackt haben. "12 angry men" ("Die zwölf Geschworenen") ist der unerreichte Klassiker, in dem in einem augenscheinlich glasklaren Mordfall sich einer der Geschworenen mit seinen Zweifeln quer stellt und dafür sorgt, dass die gesamte Geschworenenschaft sich quälend lange Stunden wieder und wieder mit dem Fall befassen muss. Dabei stoßen sie an Grenzen des Menschlichen, eigene Ressenstiments und Vorurteile brechen auf, die Gruppe steht unter einer ungeheuren Spannung und muss sich letztendlich auf ein einstimmiges Ergebnis einigen, ohne dabei moralisch und faktisch fahrlässig zu urteilen. Eine nervenzerrende Sitzung, die ebenso den Zuschauer auf eine Achterbahn der eigenen Urteilssprüche und –reflexionen führt. Der Zuschauer ist de facto der dreizehnte 'angry man'.
Der andere Film ist Wilders "Witness for the prosecution", der durch brillante schauspielerische Leistung, überraschende und dramatische story sowie eine präzise Inszenierung besticht. Neben dem Gerichtsdrama lässt es Wilder sich nicht nehmen, den Film mit seinem urtypischen Dialogwitz zu unterfüttern. Nicht nur die Kabbeleien des Rechtsanwaltes mit seinem Arzt und der übermäßig besorgten und ihn teils herrisch bemutternden Haushälterin bieten eine Projektionsfläche für geschärfte Spitzen, auch der Gerichtssaal ist vor Wilders Seitenhieben mit dem 'Charme der Rasierklinge' nicht sicher. Dies alles jedoch, ohne die Ernsthaftigkeit des Hauptplots in Frage zu stellen.
Ist die Komik, sei sie beabsichtigt oder nicht, in "Anatomy of a murder" ("Anatomie eines Mordes") in meinen Augen dort fehlplaziert, in Wilders Drama passt sie, wie in vielen seiner Filme, wie die Faust aufs Auge und ist das Salz in der Suppe (um mich mal in Floskeln zu ergehen). Gebe ich den "12 angry men" eine 10 von 10, so hat "Witness for the prosecution" mindestens 9 verdient.
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#22 Jodo

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Geschrieben 29. September 2004, 13:27

Overload

Van Helsing
Stephen Sommers
USA 2004
Universal DVD, Deutschland

imdb

Nach der "Liga der außergewöhnlichen Gentlemen" der zweite gescheiterte Versuch, den Filmspaß mit der reinen Anhäufung von Genre-VIPs zu maximieren. Flache Gestalten, die zu reinen Action-Elementen degeneriert wurden. Zu hektisch der Film, die Entwicklung von Athmosphäre braucht Zeit. Diese bekommen weder die Bilder, die von Spektakel zu Spektakel eilen, noch der soundtrack, der ein Häppchen nach dem anderen liefert, ohne ein Thema jemals zur vollen Geltung kommen zu lassen. Hut ab vor den Effekte-Machern, der Film liefert teilweise sehr schöne Bilder. Die Werwölfe sehen klasse aus, so manche Umgebung hat Stil. Aber insgesamt ist das nicht mehr als ein Ein-Mal-Sehvergnügen geworden. [klugscheiß]Weniger ist mehr.[/klugscheiß]
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#23 Jodo

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Geschrieben 01. Oktober 2004, 12:29

Waidmannsheil!

Alien vs Predator
Paul Anderson
USA 2004
PG-13 / FSK 16

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Mit gemischten Erwartungen habe ich den Film eingeworfen. Alles, was mit Aliens und Predatoren bislang über die Leinwand geflimmert ist, wurde iirc mit einem 'R' bedacht; wenn nicht aus Gewalttätigkeitsgründen, dann auch aufgrund der düsteren und spannenden Athmosphäre. Was erwartet mich hier also in dem vermeintlichen 'Kinderkino'?
Von Paul Anderson wurde ich bislang noch nicht enttäuscht. Vom extrem spannenden SciFi-Horror "Event Horizon" bis zum äußerst solide und gut verfilmten Videospiel "Resident evil" (seine weiteren Filme kenne ich nicht) hat Anderson sehr gute Arbeit abgeliefert. Er versteht sich im kreieren von Athosphäre und im geschickten Plazieren von Schockelementen, unterm Strich das Wesentliche, was gute Horror-Suspense-Unterhaltung neben einer tauglichen Schauspielergarde braucht.
"Alien vs Predator" lässt erst einmal die Erinnerungen an Carpenters "The thing" aufleben: eine Expedition marschiert ins polare Eis, weil sich etwas Unbekanntes, das aussieht wie eine untereisische Pyramide, dort befindet. In der Pyramide angekommen, machen sich die Spezis dran, die allerorten sichtbaren Hieroglyphen zu entschlüsseln. So manch ein Symbol kommt dem filmkundigen Zuschauer arg bekannt vor und sowohl Spannung als auch Vorfreude wachsen. Wie man es von tapsigen Forschern in Abenteuerfilmen zur Genüge gewöhnt ist, können auch hier die Damen und Herren die Finger nicht von den Dingern lassen. Langsam aber sicher erwacht die Pyramide zu unheilvollem Leben.
Was Dunkles, was Gruseliges und ein im Verlauf des Filmes steigendes Action-Barometer lassen dieses Überraschungsei zu einem richtig runden Filmerlebnis werden. Es ist zu verschmerzen, dass die Charakterzeichnung der Expeditionsteilnehmer nicht zu sehr in die Tiefe geht. Diese Dinge lässt Anderson dort, wo sie gut aufgehoben waren: im ersten "Predator" und in den "Alien"-Filmen. Hier geht es um Spannung und Action und davon gibt es genügend. Wenn die Predatoren und die Aliens aufeinander treffen, fliegen die Fetzen und die grüne Suppe spritzt. Es hätte mich doch sehr gewundert, wenn die FSK das mit einer 12 anstatt der vor drei Wochen erteilten 16 abgesegnet hätte.
Für die Freunde des üppigen sounds sei ergänzt, dass das Ding selbst auf meinem PC schon mächtig gescheppert hat. Anderson liefert hier einmal mehr 1A Unterhaltungskino ab. Da ist Anfang November definitiv ein Kinobesuch fällig :)
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#24 Jodo

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Geschrieben 31. Oktober 2004, 11:54

Bukowski, II: Geisterstunde

Der Andere
Philipp Fleischmann
Filmakademie Baden-Württemberg, 1998
Kurzfilm
Betacam SP auf VHS
nach Charles Bukowskis short story "The other"


"Der Andere" ("The other") ist eine von Bukowskis short stories, die sich in der absurden Ecke seines Schaffens ansiedelt. Neben der frühen so phantasievollen wie reimfreien Lyrik, den semiautobiographischen Romanen und Kurzgeschichten sowie den umfangreichen Briefwechseln hat er auch einige Sachen geschrieben, die zwar den bei ihm üblichen realistischen Stil aufweisen, jedoch einen deutlichen Schlag in die paranoide Entfremdung haben. Wer erinnert sich nicht mit einem breiten Grinsen an den armen Hank Chinaski, der von einer zudringlichen Bettdecke verfolgt wird oder der sich in der Größenordnung eines handelsüblichen Dildos in der Hand einer drallen Mieze wiederfindet? "Der Andere" schürt ebenso die Paranoia. Ein Mann stellt fest, dass jemand unterwegs sein muss, der genau so aussieht wie er. Seine Freundin fickt mit dem anderen und, getäuscht von dem perfekten Doppelgänger, findet sie den Sex zur Abwechslung mal richtig gut. "Wo ist der Schampus?" fragt sie das Original, als dies aus der Kneipe nach Hause kommt. "Du hast gesagt, du willst Schampus mitbringen, als du gegangen bist. Uhh, der Sex war gut." Mit der Zeit findet der Mann heraus, dass der Doppelgänger ein finsteres Spiel mit ihm treibt. Und wir wissen nicht, ob der Andere ein wirklicher Gegenspieler oder nur die halluzinierte und für den Zuschaer visualisierte andere Hälfte seiner Säuferpsyche ist.
In ruhigen s/w-Bildern verfilmt Fleischmann die Geschichte aus Bukowskis Reich des Seltsamen. Über allem steht das wohlwollende Bemühen der Akteure, die Atmosphäre und das Flair von Bukowskis abgerissenen Gestalten einzufangen. Beim Bemühen ist es allerdngs auch geblieben, nicht einmal Mickey Rourke konnte eine glaubwürdige Verkörperung des 'dirty old man' in Barbet Schroeders 'Barfly' abliefern[1]. Die 'bums' aus Bukowskis Reisejahren waren etwas anderes als die Berber, die heute in der Einkaufsstraße liegen.
Filmisch ist "Der Andere" dann auch mehr als eine Fingerübung einzuordnen, die noch nicht die Klasse einer gut erzählten Geschichte hat. Für den Fan ein Muss, für den Freund des Merkwürdigen immerhin ein kleines Stück Kurzweil.

(1) Die ultimative Verkörperung von Bukowski ist mir in der Bar-Revue Bukowski Waits for us begenet. Die Band 'Raindogs' um Frontman und 1A-Waits-Imitat Michael Kiessling tourte zusammen mit dem Schauspieler Karl-Heinz Heil durch die Lande. Bukowskis Affinität zu Waits wörlich nehmend, lieferte die Truppe einen Liederabend mit eingeschobenen Vorträgen von Gedichten und story-Fragmenten Bukowskis ab. Karl-Heinz Heil war für diesen Job ein Glücksgriff. Nicht nur, dass er die Texte großartig und mit viel Herz präsentierte und spielte, auch optisch habe ich mich an einen frühen bis mittelalten Bukowski erinnert gefühlt. Sollte sich jemand in nächster Zeit an eine weitere Verfilmung von Bukowski-Zeug machen, das ist der Schauspieler!
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Geschrieben 01. November 2004, 02:05

Bukowski, III: Rat in jeder Lebenslage

Liebe ist ein Höllenhund
Philipp Fleischmann
Filmakademie Baden-Württemberg, 1998
Kurzfilm
VHS
inspiriert durch Charles Bukowskis "Love is a dog from hell"


Die Themen Liebe & Beziehung sind bei Bukowski omnipräsent, egal, in welcher Literaturform er sich gerade austobt. Eine große Gedichtsammlung heißt dann auch folgerichtig "Love is a dog from hell". Philipp Fleischmann nimmt sich des Problems an, dass der unerfahrene Mann den Manipulationen der besitzerfgreifenden Frau schutzlos ausgeliefert ist. So lange, bis der Mann sich in Klausur mit ebenjenem Bukowski-Buch begibt, um daraufhin den Spieß umzudrehen.
Philipp Fleischmann hat hier einen locker-beschwingten Kurzfilm abgeliefert, der das Thema 'geistige Fernsteuerung' mittels einer Voodoopuppenstory und in stop-motion-Technik eingefangenen Bewegungen rüberbringt. Liebevoll gemacht und mit einem riesigen Augenzwinkern präsentiert uns Fleischmann einen Streifen, der verdeutlicht, warum es sowas wie Kurzfilme überhaupt gibt. Humorvoll und pointiert verbildlicht er hier einige Gedanken, die jeden schon mal umgetrieben haben. Davon mag er gerne noch mehr machen :)
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Geschrieben 06. November 2004, 20:15

Grenzfall

Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam
The Englishman who went up a hill and came down a mountain
Christopher Monger
England 1995
Miramax DVD, Deutschland

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Es zieht sich eine gewisse Stimmung durch Filme wie diesen oder "Lang lebe Ned Divine", ich nenne das mal 'Ethno-Kino von der Insel'. Kennzeichen ist eine Geschichte, die mittels eines unvorhergesehenen Ereignisses den Alltag der jeweiligen Dorfbevölkerung in Aufruhr versetzt und zu seltsamen Handlungen treibt.
Hier befinden wir uns in South Wales, im ruhigen Dörfchen Ffynnon Garw. Wir schreiben das Jahr 1917, fast alle Männer sind im Kriegseinsatz und diese lange Absenz macht sich nach und nach durch die Haarfarbe der Neugeborenen bemerkbar, die der des örtlichen Schankwirtes verdächtig ähnelt. Durch eine Nachnamensknappheit bedingt flechten die Waliser charakteristische persönliche Merkmale oder Kauzigkeiten als Beinamen in die Anrede ein, so wird der Schankwirt dann auch 'Morgan the goat' (herrlich: Colm Meaney) genannt.
Das Besondere des Dorfes Ffynnon Garw ist der gleichnamige Berg, an dessen Fuß es liegt. Es ist der erste Berg in Wales, wenn man die Landkarte von Süden nach Norden liest; an diesem Demarkationspunkt hört England auf und Wales beginnt. Denn die Definition von Wales ist 'da, wo die Berge beginnen'. Der Berg ist somit ein bedeutsames Identität stiftendes Symbol und aufgrunddessen zweifaches Objekt des Stolzes für die Dorfbewohner: wichtig für das Land und ruhmreich für das Dorf, dessen Namen jeder mit der südwalisischen Landesgrenze verbindet. Eines Tages kommen zwei Reisende nach Ffynnon Garw. Es sind Kartographierer und sie vermessen das Land im königlichen Auftrag. Das ist für die Dorfbewohner zunächst kein Problem, doch dann kommt es für sie ganz dicke: die Kartographierer eröffnen ihnen, dass der Berg die erforderliche Bergnorm von 1.000 Fuß Höhe nicht erfüllt und somit nur noch ein 984 Fuß hoher Hügel ist. Diese Nachricht trifft die Bewohner wie ein Donnerschlag. Das Wahrzeichen läuft Gefahr, von der Landkarte getilgt zu werden. Die Dorfbewohner wollen dies nicht zulassen und werden rege: sie müssen einerseits den Hügel irgendwie wieder zu einem Berg machen und andererseits die königlichen Landvermesser auf unverdächtige Weise im Dorf festhalten, bis sie den Ffynnon Garw erneut vermessen können. Doch die Vermesser verfügen über ein Auto und am nahen Bahnhof fahren Züge....
Schöne Landschaftsaufnahmen und sympathisch-skurrile Dorfbewohner, die in ihrer Unterschiedlichkeit doch eine Gemeinschaft bilden und zusammen an einer Aufgabe arbeiten (ihre Identität zu bewahren), machen diesen Film leichtfüßig und sehr charmant. Christopher Monger erzählt die Geschichte mit viel Witz, der aus den natürlichen Handlungen der Personen entspringt. Nichts erscheint aufgesetzt oder gekünstelt. Die "Romanze", die in den verschiedenen taglines ein Zuschauermagnet sein soll, ist glücklicherweise nur eine Marginalie, die der Hauptsache des Films, dem Land, der Bevölkerung und dem Gemeinschaftssinn, werder Zeit noch Aufmerksamkeit stiehlt. Kurz, der Film ist ein durch und durch rundes Vergnügen, auch für diejenigen unter uns, die bei Hugh Grant und der angedeuteten Romanze auf dem cover eine gesunde Abwehrreaktion zeigen :P
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#27 Jodo

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Geschrieben 30. Januar 2005, 13:47

Re-animator

Maniac
Dwain Esper
USA 1934
Kino on Video DVD, USA

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Nein, Herbert West war wirklich nicht der erste Mann, der mit der Spritze herumfuchtelte. Dwain Esper schickte schon 1934 Dr. Meierschultz (sic!) ins Rennen, um die Toten wieder zu beleben oder die Lebenden... nein, es wird nichts verraten.
Dwain Esper klatscht hier ganz locker die Vorlagen von Lovecraft und als zweiten plot für die suspense die Katze von Poe zusammen, um eine ganz ernsthafte Aufklärungsarbeit über Geisteskrankheiten auf das Publikum loszulassen. Geschissen auf den moral code, gibt es für die damalige Zeit ziemlich rüde exploitation zu sehen: in irrer Raserei bloßgelegte Titten einer entführten Schönheit, entaugte und durch Fensterscheiben fliegende Katzen und catfights, bei denen die Haare fliegen. Die Zensoren fanden dies damals überhaupt nicht witzic'k und verweigerten dem Ehepaar Esper jegliche Freigaben:
"This is to advise you that our reviewers have screened your picture entitled Maniac (with synchronisation & dialogue) and recommended its rejection. Therefore, your application for a license to exhibit this print is hereby denied and its exhibition forbidden in New York State.
Reasons: INHUMAN / IMMORAL / WOULD TEND TO CORRUPT MORALS / WOULD TEND TO INCITE CRIME"

Am Beispiel von durchgeknallten Wisenschaftlern und ihren Opfern möchte Herr Esper verschiedene Ausprägungen der geistigen Deformation aufzeigen. Wie auch in seinem 'Narcotic' (ebenfalls 1934), der historisch zweifellos als Vorgänger des zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten 'Reefer madness' zu sehen ist, bedient er sich der seinerzeit drastischen Bildersprache, die unterbrochen wird von durchrollenden Texttafeln, die den theoretischen Hintergrung dieser Krankheiten erläutern. Ein echter Schulfilm und gedreht in völliger Überzeugung, hier wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten.
Es sollte klar sein, dass dieses Vorhaben aus der heutigen Sicht in einem vollkommen anderen Licht erscheint. 'Maniac' ist ein Partyfilm und Schenkelklopfer par excellence. Dr. Meierschultz ist die vollkommene Manifestation der Idee eines mad scientist. Wirres Haar, Rauschebart, irrer Blick und wilder Gestus machen unseren Doktor zu einem wahren Erlebnis. 1934 war der Übergang vom Stumm- zum Tonfim in den Köpfen der Schauspieler noch lange nicht vollzogen, so haben wir hier eine Darstellerbande, die das volle overacting bietet und gerade im Fall des Doktors die performance in ungeahnte Höhen treibt. Dazu gesellen sich natürlich noch in höchstem Maße erheiternde filmische Unzulänglichkeiten wie heftigste Anschlussfehler und unmotiviert im Sande verlaufende Handlungsstränge. Einmal umrühren und der cocktail ist angerichtet.
Überflüssig zu erwähnen, dass Dwain Esper mit seinem wertkonservativen Exploitationkino seiner Zeit natürlich weit voraus war ;) 'Maniac' erhält von mir mindestens 9 von 10 trash-Punkten. Dieser Meilenstein der Filmgeschichte hielt bereits nach der ersten Sichtung Einzug in den Olymp meiner Lieblingsfilme. :love:
Ich möchte btw. gerne eine Gesamtausgabe des Esper'schen Werkes haben. Dort lauern noch Titel wie 'Modern motherhood' oder 'How to undress in front of your husband' :P
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#28 Jodo

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Geschrieben 21. Februar 2005, 12:20

Kurz und schmerzvoll

Roadkill – the last days of John Martin
Jim van Bebber
USA 1988
Jelinski & Buttgereit VHS, Deutschland

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Auf der Suche nach etwas Kurzgebratenem kramte ich in alten VHS-Kisten so vor mich hin, bis mir die ersten Bänder mit lange nicht mehr gesehenen Filmchen in die Hände fielen. Also den VCR entstaubt und gleich eingeworfen :)
John Martin ist ein Psycho, und zwar ein richtiger. Zuammen mit Ratten, Maden und anderem Getier haust er in einer Wohnung, in der Schimmel, Schleim, Kadaver aller Arten, Blutlachen und Gesichter aus abgezogener Menschenhaut (an den Wänden hängend) ein heimeliges flair verbreiten. Gleich zu Beginn sehen wir ihn in seine Wohnung gehen und auf dem Küchentisch etwas zerlegen, was wie ein überdimensionierter Nager aussieht. Diverse Innereien verspeist er sofort. Er hat seine Mimik nicht immer unter Kontrolle und auch sein Verhalten ist nicht immer klar gesteuert. John Martin ist auch nicht allein. Er zappt sich durchs TV, säuft Bier und kommuniziert redend bölkend und schimpfend mit den Musikanten, game show-Heinis und dem Rest des Unterhaltungsabfalls. Beim Blick in John Martins Wohnung blicken wir auf eine riesige Müllkippe, die in eine andere Müllkippe blickt und dabei komplett den Verstand verloren hat. Danach sehen wir John Martin, wie er sich duscht, rasiert und sauber anzieht. Nanu? Hat sich da der Rest Mensch ans Tageslicht gegraben?
Er steigt ins Auto und geht auf Tour. Ein Pärchen mit einer Panne wird mitgenommen. Elektroschocker raus *britzel* und die beiden wachen entkleidet in seiner Wohnung auf. Er mit den Füßen an einer Kette hängend, sie in einem Drahtkäfig direkt über dem Gasherd. Kreischend. Den Rest kann man sich dann problemlos denken.
Das abrupte Ende dieses 15minütigen sickos erinnert daran, dass an dieser Stelle das Geld für die Produktion zu Ende war und van Bebber wohl keines zur Vervollkommnung des Projektes auf Spielfilmlänge bekommen hat. Was bei dieser Parade der Abscheulichkeiten schade, aber auch kein großes Wunder ist. Ich kann mich Trebbin anschließen, der sagt, dass die 15 Minuten wohl bereits die Essenz eines möglichen langen Spielfilmes enthalten, und muss anfügen, dass mir dieser Eindruck vor einiger Zeit bei der Betrachtung von 'Anthropophagus' in der Super8-Fassung ebenso gekommen ist. Auch diese Kurzversion ist die gelungene Kondensierung eines ansonsten grausam langatmigen und –weiligen Filmes.
Van Bebbers 'John Martin' ist sicko-Kino par excellence, alles ist dreckig, vergammelt, gestört und widerlich. Und das in nur einer erfrischenden Viertelstunde. :)
Einen kleinen Lattenschuss scheint Herr van Bebber selber allerdings auch zu haben. Welcher Teufel mag ihn geritten haben, dass er Sequenzen von Jean-Michel Jarres Synthesizer-Bombast in den soundtrack (zu 90% bin ich mir sicher, 'Oxygen' gehört zu haben, eventuell war es auch 'Equinoxe')genommen hat? Bis auf diese wirklich unpassende Entgleisung eine absolute Empfehlung für jeden Fan des dreckigen Kinos.
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#29 Jodo

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Geschrieben 21. Februar 2005, 16:23

Kurz und schmerzvoll, II

Berlin snuff
Thomas Wind
Berlin snuff – Straßen der Gewalt
Deutschland 1995
VHS

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Eins, zwei
Harry kommt vorbei
drei, vier
...

Harry Schwerdtfeger ist mit Kamera- und Tonmann unterwegs, um für Kanal 96 seine Sendung 'Straßen der Gewalt' mit möglichst blutigen Bildern zu füllen. Scham und Skrupel sind ihm fremd, es wird auf alles draufgehalten, was veprügelt oder vergewaltigt wurde (und mitunter gerade wird *g*). Harry liefert die Sensation. Berlin schickt eine Sondereinheit auf die Straßen, die Kriminalität verringert sich um dramatische 70%, Harry gehen die stories aus, die Einschaltquote bricht ein und Cheffe sagt ihm, dass ein Kollege die Sendung übernehmen wird, wenn sich da nichts tut.
Was ein findiger Medienlümmel macht, wenn er keine stories mehr bekommt, haben wir ja schon bei Wilders 'Reporter des Satans' gesehen. Die drei von Kanal 96 legen da noch eine Schippe drauf und inszenierren hübsch blutige happenings.
Was thematisch die obligatorische Medien- und Sensationsschelte ist, gefällt sich selbst natürlich auch in deutlich ironisch-graphischen Bildern. Kamera und Schnitt sind nicht vom Talent eines Gosejohann, aber für eine Amateurproduktion beachtlich gut. Schauspielerisch wird sich jede Mühe gegeben, Spaß am Spiel ist deutlich zu sehen und herausgekommen sind gut 30 Minuten Kurzweil, die auch durch so manche Zote im Dialog zum Schmunzeln einladen.
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#30 Jodo

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Geschrieben 21. Februar 2005, 16:36

Eine Steinfaust geht nach Osten

Hellboy DC
Guillermo del Toro
USA 2004
Columbia Tristar 3DVD-Box, Deutschland

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Mangels profundem Comic-Hintergrund kann ich bei den ganzen Sachen wie X-men, Spiderman, Hulk etc. etc. nicht beurteilen, wie sehr sich die Verfilmungen ans Original halten. Die drei genannten waren bei mir zumindest ex und hopp, Kategorie Ein-Mal-gucken-und-weg. Hellboy macht jedoch richtig Spaß.
Ron Perlman ist grandios, der Rest des supporting cast bis hin zum meckernden und fluchenden russischen Torso klasse. Optisch eine Augenweide und im Gegensatz zu Vorgenannten hat er das gewisse Etwas, dass bei mir die Lust auf wiederholtes Gucken weckt. Der Hellboy ist trotz außerirdischer Provenienz, markantem Äußeren und beeindruckenden physischen Kräften ein sehr menschlicher Charakter; die Bösewichte haben Stil, fiese Monstren tummeln sich, die gesamte freakshow bietet Grusel, Action, Abenteuer, Apokalypse und Humor in genau richtiger Proportion. Mir ist im gesamten Film nur eine misslungene Sequenz aufgefallen, in der es deutlich sichtbar ist, wie unrund unser Hellboy an Seilen hängend auf das letzte Stück der zusammenbrechenden Brücke stolpert.
Kurz: tolles Kino :)
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