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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen - Filmforen.de - Seite 3

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Ich habe dir niemals einen Hasenbraten versprochen


776 Antworten in diesem Thema

#61 Cjamango

    Pauschalterrorist

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Geschrieben 27. April 2004, 00:59

Schwarzer Engel (Video)

Brian de Palmas OBSESSION geht für gewöhnlich etwas unter, wenn man Texte über den Regisseur liest. Dies mag daran liegen, daß der Film die visuellen Kabinettstückchen (die zu so etwas wie einem Markenzeichen für de Palma geworden sind) vergleichsweise dezent und unaufdringlich einsetzt. War der vorangegangene Thriller SISTERS noch eine sehr knallige Angelegenheit – mit blutrünstigen Effekten, viel Split-Screen-Tamtam und ironisch überspitzten Charakterisierungen -, erzählt OBSESSION eine sehr ruhige Geschichte, deren emotionalen Sturzfluten nicht ausagiert werden, sondern unter der Oberfläche vor sich hin brodeln.

Michael Courtland (Cliff Robertson) ist ein glücklich verheirateter und finanziell ausgesprochen gutgestellter Südstaaten-Geschäftsmann, dessen Ehefrau Elizabeth (Genevieve Bujold) plus gemeinsamer Tochter eines Tages Opfer einer Entführung werden. Von der Polizei läßt sich Courtland dazu beschwatzen, einen Koffer mit Falschgeld zu übergeben. Bei der Verhaftung der Kidnapper kommt es aber zu einem Unfall. Elizabeth und die kleine Amy verlieren daraufhin das Leben.

16 Jahre später: Courtland hat irgendwie weitergemacht, hängt aber immer noch dem entschwundenen Glück von einst nach. Auf einer Geschäftsreise nach Florenz begegnet er einer jungen Kirchenbild-Restaurateurin, die seiner toten Frau wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Man verliebt sich, doch auf der jungen Beziehung lastet schwer die Schuld vergangener Tage...

Diese Variation auf Hitchocks VERTIGO (einer meiner Lieblings-Hitche!) erschien zu einer Zeit, als sich die Kritik noch nicht eingeschossen hatte auf de Palma, der ja lange nur als Kopist des dicken Mannes aus England galt. De Palma selbst scheint diese gebetsmühlenartig heruntergeleierte Abwertung seiner filmischen Qualität sehr gepiesackt zu haben, denn über lange Jahre hinweg versuchte er sich in Genres, für die er m.E. nicht sonderlich geeignet war. (Vgl. etwa den schwerfälligen und viel zu pointierten Humor von WISE GUYS.) Mit FEMME FATALE hat er zum Glück wieder fast zu alter Form zurückgefunden, wenngleich die Besetzung von Banderas einen Geschmackslapsus darstellt, den ich eher John Carpenter zugetraut hätte...

Egal. OBSESSION hat einen spannungsbetonten Anfang (Entführung), dümpelt dann etwas im finstern Gewässer der Melancholie und legt schließlich an im alles reinigenden Hafen der Liebe. Leider geht da wieder etwas schief, und während die REBECCAeske Beziehungsproblematik, die der Liebesgeschichte zugrundeliegt, schon Konfliktpotential genug böte, so sind es natürlich kriminalistische Händel, die der jungen Liebe endgültig das Wasser abzugraben drohen. Allzu schwer ist das alles nicht zu durchschauen, aber de Palma und sein Drehbuchautor Paul Schrader (der bald darauf TAXI DRIVER und dessen groteske Reaktionär-Variante DER MANN MIT DER STAHLKRALLE skripten sollte) schaffen es, das künstliche Story-Gespinst zum Leben zu erwecken, was nicht zuletzt am völligen Verzicht auf Humor und grelle formale Mätzchen liegt. Man fühlt sich sehr schnell wohl in diesem düsteren Szenario, zittert wohlig, wenn Courtland vor dem marmornen Mausoleum steht, das er seiner Frau errichtet hat und harrt des Verhängnisses, das sich anbahnt... Unterstrichen wird der schicksalshafte Touch von der hervorragenden, orgel- und chorgetragenen Musik des großen Bernard Herrmann, deren morbider Romantizismus mir wesentlich besser gefällt als seine deutlich grelleren Akkorde zu SISTERS.

Die deutsche DVD von „Anolis“ ist von exzellenter Bildqualität. (Der Film wurde komplett mit leichtem Weichzeichner fotografiert.) Der deutsche Ton ist leider nur mono, aber die (leicht verständliche) englische Sprachfassung ist nicht nur vorzüglich, sondern läßt vor allem Herrmanns majestätische Komposition in einer Klarheit erschallen, die ich bei ihren Veröffentlichungen auf Vinyl und CD vermißt habe. Ergänzt wird der Spaß von einer gut 30-minütigen Doku, auf der sich die Hauptbeteiligten über die Produktionsumstände auslassen.

Ach, und OBSESSION ist natürlich KEINE Adaption dieses Buches über Jess Franco... :)
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#62 Cjamango

    Pauschalterrorist

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Geschrieben 27. April 2004, 01:43

Der tödliche Schwarm (Premiere World)

Wann kommt er endlich, der erste SF-Action-Heuler über ein atomar mutiertes Riesen-Axolotl?

Endlich war die Gelegenheit gekommen, einen der großen Klassiker des schlechten Films erneut zu sichten. Aus meiner Jugendzeit hatte ich noch die bereits zwei Einträge vorher zitierte Abspannmitteilung des Produzenten in Erinnerung. Über den Rest des Erlebnisses hatte sich bereits das barmherzige Mäntelchen der Vergessenheit gesenkt...

Irwin Allen galt ja für eine kurze Zeit als Zampano des Katastrophen-Kinos. Mit Filmen wie THE POSEIDON ADVENTURE oder FLAMMENDES INFERNO trug er der zunehmenden Skepsis Rechnung, mit der der Mensch die Errungenschaften der Zivilisation betrachtet. In THE SWARM geht Allen sehr ähnlich zu Werke und liefert zunächst einen ganzen Schwung völlig uninteressanter und soapiger Einzelcharakterisierungen, um dann die Wände zum Wackeln zu bringen.

Der Feind ist in diesem Fall die afrikanische Killerbiene. Anders als die Kellerbiene oder gar die Kellnerbiene fällt die Killerbiene in Millionenstärke über Texas her und mordet und metzelt nach Herzenslust. Dies zu verhindern, ist die Aufgabe von zwei Menschen – dem nüchternen Entomologen Michael Caine und dem Operettengeneral Richard Widmark. Beide kümmern sich mehr um ihre kindischen Kompetenzstreitigkeiten als um die Rettung der Menschheit. Zum Glück gibt es aber noch Henry Fonda, der einen an den Rollstuhl gefesselten Wissenschaftler namens Dr. Krim spielt, der aussieht, als habe er den Natursekt erfunden. Tatsächlich vertrauen aber alle ganz doll darauf, daß er ein Anti-Serum herstelle.

Die Spezialeffekte, Rückprojektionen etc. sind nicht wirklich auf der Höhe des im Vorjahr erschienenen STAR WARS, sondern erinnern eher an das Gesamtwerk von Bert I. Gordon. Dabei muß man aber einen signifikanten Unterschied beachten: Gordon hatte niemals eine Besetzung von alten Stars zur Verfügung, von denen insgesamt sieben bereits einen Oscar in Händen halten und auch mit nach Hause nehmen durften... Das große Rätsel des Filmes ist nicht wirklich, wie man die Bienen dazu gebracht hat, auf den Schauspielern herumzukrabbeln, oder wie man die Schauspieler dazu gebracht hat, sich bekrabbeln zu lassen. Mysteriös jenseits aller Faßbarkeit bleibt allein der Umstand, warum alle diese Leute bei dem Film mitgemacht haben. Können die nicht lesen?

Das Drehbuch ist schlecht. Das Drehbuch ist so was von schlecht. Was den Leuten da an Dialogen und Handlungen zugemutet wird, ist dermaßen närrisch, daß es schon fast in den Bereich des Surrealen hineinlugt. Irwin Allen und Salvadore Dali – zwei Brüder im Geiste? Man könnte es fast meinen. Nein, wirklich: Wenn Henry Fonda auf einmal aus dem Rollstuhl aufgestanden wäre, sich nackend ausgezogen hätte und Kasatschok getanzt, dann hätte das auch niemanden gewundert... Besonders trübe sind die „human interest“-Subplots, besonders jene in der Kleinstadt, wo Teile des Films spielen. Während anderswo Menschen schreiend mit überkopierten Scheißhausfliegen kämpfen, darf sich Olivia de Havilland von gleich zwei gesetzten Herren umbalzen lassen – dem greisen Cowboy Ben Johnson und dem schon leicht dementen Apotheker Fred MacMurray. Wer wird siegen? WEN INTERESSIERT DAS? Wir wollen sehen, wie unschuldige Schulkinder mit tödlichem Killerbienengift vollgepumpt werden, explodierende Tankstellen, Zeter & Mordio, das volle Programm. Stattdessen besinnt sich auch der knochentrockene Medikus Michael Caine seiner romantischen Ader und verliebt sich in die wackere Krankenschwester Katherine Ross – kreisch! („Der Caine war ihr Schicksal“) Wäre ich ein bärbeißiger Hardcore-Militarist vom Schlage Richard Widmarks, dann hätte ich nicht meinen Chef Cameron Mitchell oder den Präsidenten um Erlaubnis gefragt, sondern die beiden Turteltauben einfach in einer Seitengasse per Genickschuß entsorgt... Bradford Dillman spielt Widmarks Schlappenschammes. Weitere Opfer des Drehbuchs sind Richard Chamberlain als weiterer Serologe, Slim Pickens als trauernder Papa mit Cowboy-Hut (gaaanz schlimme Szene!), Lee Grant als TV-Journalistin (was sonst?) und José Ferrer als Atomkraftwerkbesitzer.

Der Vollständigkeit halber noch einmal die tolle Erklärung des Abspannes:

"The African killer bee portrayed in this film bears absolutely no relationship to the industrious, hard-working American honey bee to which we are indebted for pollinating vital crops that feed our nation."

Hier mein eigener Zusatz:

Summ, summ, summ,
Bienchen, summ herum
Summ, summ, summ,
Bienchen, bist du dumm

Fazit: Allen kann man es nicht rechtmachen, und ob Allen es allen rechtmachen kann, ist sogar noch fraglicher, aber ich habe meinen Spaß gehabt. Lauter gedemütigte Superstars, ein tumberes Drehbuch als EARTH VS. THE SPIDER, und ich habe meinen Spaß gehabt? Mann, wat bin ich eine fiese Möpp...
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#63 Cjamango

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Geschrieben 27. April 2004, 12:01

Zivilprozeß (Video)

Heute war ich mal ganz pervers drauf und habe ich mir ein Beispiel für das neue liberale Hollywood-Kino angesehen. Was kommt raus, wenn der Drehbuchautor von SCHINDLERS LISTE einen Film über das amerikanische Rechtssystem macht? ZIVILPROZESS kommt dabei raus!

John Travolta spielt einen aufstrebenden Anwalt mit dem programmatischen Namen Jan Schlichtmann. Obwohl er bereits auf dem Cover des "Boston Magazine" abgebildet wurde und zu den begehrtesten Junggesellen seines Einzugsbereichs gezählt wird, hat er ein Herz für Umweltsünderopfer und nimmt einen sehr unpopulären Fall an, der bereits von zahlreichen Kanzleien abgelehnt wurde: Zwei Fabriken haben irgendwo im neuenglischen Hinterland jahrelang Fässer voll chemischem Blubberlutsch in den Fluß entsorgt. Einige Kinder sind daraufhin gestorben. Zusammen mit seinen Soziussen kämpft Schlichtmann wie ein Löwe und stemmt sich gegen die Mächte der Finsternis, repräsentiert vom Anwalt der Gegenpartei, dem alten Schlachtroß Robert Duvall...

...und ja, ohne einen eingebauten Vater/Sohn-Konflikt geht es leider nicht, denn Schlichtmann muß seinem ehemaligen Mentor natürlich demonstrieren, daß er den längeren Pillemann hat! Wenn man sich die Partner von Travolta ansieht (darunter immerhin William H. Macy und Tony Shaloub), hat man das Gefühl, daß Anwälte erst ab 50 Jahren dazu kommen, sich zu etablieren. Da der Film von Robert Redford koproduziert ist (der ja so etwas wie die Frank-Capra-Nachfolge angetreten hat), wimmelt es zu Beginn des Films vor durchaus authentisch rüberkommenden Pessimismen, die dann aber von zunehmend unglaubhaft werdendem Wunschdenken ersetzt werden. Kein Anwalt, der seine sieben Sinne beisammen hat, würde solch einen vagen und schwer beweisbaren Fall übernehmen. Bei Schlichtmann liegt der Fall hingegen anders: Er wirft seine berufliche Existenz und die seiner Partner in die Waagschale, um ein paar Landarbeiterfamilien zu helfen. Durchaus relevante Punkte werden dabei angeschnitten, etwa der Umstand, daß man es sich in den USA wirklich leisten können muß, Recht zu haben. Man darf Travolta und seine Kollegen dabei beobachten, wie sie vor Kreditinstituten buckeln, um das nötige Kleingeld aufzutreiben. Das einzige Problem ist nur: In Realität würde das ganz anders laufen! Für den altbewährten dramaturgischen Kunstgriff des plötzlich auftauchenden Kronzeugen - "Ja, also, ich hab´ gesehen, wie die die komischen gelben Fässer in den Fluß gekippt haben!" - ist sich der Film nicht zu schade.

Immerhin setzt es am Schluß noch ein paar Untertöne, die ein strahlendes Happy-End unterbinden, aber die Optimismus-Symphonie der "Wir sind das Volk!"-Amerikaner ist schon etwas blauäugig, um es milde auszudrücken. Ganz ohne Humor ist der Film nicht, aber am lustigsten fand ich nicht lustig gemeinte Stellen, etwa jene, wo von starken Männerhänden fortwährend Teppiche, Gemälde o.ä. aus der beständig pleiter werdenden Kanzlei rausgetragen werden... Wer einen richtig lustigen Film dieses Genres anschauen möchte, soll sich mit der Groteske ...UND GERECHTIGKEIT FÜR ALLE von Norman Jewison befassen - den fand ich richtig knorke! Robert Redfords Liberal-Kino finde ich gelegentlich kolossal unterhaltsam (QUIZ SHOW), gelegentlich okay, wenn auch zu naiv (ZIVILPROZESS), aber im Extremfall sieht das dann so aus wie in dem unsäglichen DIE LETZTE FESTUNG, wo Patriotismus und der Glaube daran, daß das Gute sich letztendlich durchsetzen wird, zu einem völligen Absurdion führen.

Wer will schon die Trumps verteidigen, wenn er dafür Farmer Vincent mit seiner Güllepumpe rausboxen kann? Klage abgewiesen - nächster Fall!
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#64 Cjamango

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Geschrieben 28. April 2004, 16:22

Kill Bill Vol. 2 (Schauburg, Gelsenkirchen)

Zu diesem Film will ich nicht viel verraten, da sich jeder selbst einen Reim machen soll. Nur soviel: Wer den ersten Teil nicht gesehen hat, ist nicht zu beneiden... Ebenso empfiehlt es sich, nicht mit der falschen Erwartungshaltung in den Film hineinzugehen, denn gegenüber dem ersten Volumen wird doch ein sehr viel gemächlicheres Tempo eingeschlagen. Optische Leckerli wie das Duell im japanischen Wintergarten, mit dem Teil 1 schließt, sind in der Fortsetzung eher rar. Bei der fast quälenden Langsamkeit so mancher Szenen habe ich versucht, mir vorzustellen, wie Tarantino den Film wohl verkauft hätte, wäre er noch ein völliger Newcomer...

Nun, er ist alles andere als ein völliger Newcomer und konnte den Film exakt so gestalten, wie er sich das vorstellte, und das ist gut so! Meine Meinung, daß es sich bei Tarantino um einen komplett Geisteskranken handelt, wurde erneut unterstrichen - wie kommt man darauf, ein Gemengsel aus Exploitationfilm-Leihgaben derart bizarr zusammenzubauen? Ich saß manchmal nur noch mit offenem Mund da und dachte mir: Bei Gott - dieser Mann kann nicht einmal Max Schautzer beim Telefonieren filmen, ohne daß es faszinierend und sexy ausschaut!

Uma Thurman ist nicht Max Schautzer, soviel sollte klar sein. (Wenngleich Max Schautzer wahrscheinlich hübschere Füße hat!) Und auf ihrem Weg zur blutigen Satisfaktion muß sie erneut zahlreiche Fährnisse überwinden, wobei mir am besten das Begräbnis gefallen hat, das zu den extremsten Szenen gehört, die ich jemals in einem Hollywood-Film gesehen habe... Ich habe den Vorzug genossen, den Film mit sehr erdhaften Begleitern zu kucken. Bettina maulte während des gesamten Mittelteils, daß sie es doof fände, daß Uma ihr Samurai-Schwert verloren habe. Na, sie bekommt es ja wieder!

Ob man einen Bezug zu dieser intelligenten und kunstvollen Präsentation von Exploitation hat, bei der man Ironie von blutigem Ernst höchstens noch mit dem Samurai-Schwert trennen kann, ist sicherlich Geschmackssache, aber wer den ersten Teil bejubelt hat, wird wohl entsprechend vorgewarnt sein und sein Auskommen haben. Ich habe auf jeden Fall erst einmal geschluckt, dann meinen Spaß gehabt, und mittlerweile finde ich auch den zweiten Teil richtig knorke!

P.S.: Wer übrigens Samuel L. Jackson in seinem Gastauftritt erkannt hat, verdient den goldenen Löwen von Radio Luxemburg! Ich habe nicht einmal Bo Svenson wiedererkannt. Mal schauen, ob der auch bei Tarantinos Remake von Enzo G. Castellaris INGLORIOUS BASTARDS auftaucht...
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#65 Cjamango

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Geschrieben 01. Mai 2004, 00:42

Drive-In-Kellner (Video)

Über dieses Werk ist nicht gar so viel zu erzählen. Ein handelsüblicher Slasher mit einigen Extrazutaten, die ihn etwas erträglicher gestalten als den üblichen VMP-Ausstoß. Ein geheimnisvoller Mörder treibt sein Unwesen in einem Autokino. Die blutrünstigste Szene findet gleich zu Anfang des Filmes statt: Einem begattungswilligen Männchen wird der Kopf vom Rumpf getrennt via Machetenwucht. Das Weibchen bekommt die Waffe quer durch den Hals. Da ist für ein "Umpf!" im Publikum gesorgt, und man fragt sich, ob die am 13.1. Geborenen tatsächlich einen Grund gehabt haben für ihre rigorose Maßnahme...

Die beiden dicksten Cops von Los Angeles befassen sich mit dem Fall. Der Betreiber des Autokinos stellt sich als glatzköpfiger Grobian mit der Stimme von Scotty von der "Enterprise" heraus. Der eine der Cops hat die Stimme von Clint Eastwood, der andere jene von Homer Simpson. Beide treffen ein armes Würstchen namens Shermy, das für den rabiaten Glatzkopf Müll wegräumt. Shermy ist ein ehemaliger Zirkuskünstler und der einzige Glanzpunkt des Filmes. Als er den Bullen einen vorsteppt, habe ich sogar etwas geschmunzelt. Dann folgt aber die übliche Abfolge aus Mord-Vorbereitungs-Szenen und Metzelei, wobei das Schlimmste bereits in der Anfangssequenz verbraten wurde. Es setzt noch eine langwierige Hatz auf einen anderen Psychopathen, der aber natürlich nicht derjenige welcher ist. Am Schluß gibt es nur ein "Tja, der Mörder wurde niemals gefaßt, dumm gelaufen eigentlich", das andeutet, das den Machern Geld oder Puste ausgegangen sind.

Der Regisseur war ein gewisser Stu Segall, der unter dem W.C. Fields entlehnten Pseudonym "Godfrey Daniels" eine ganze Reihe ordentlicher Pornos gedreht hat, von der Sorte: "Hey, sowas wird heute nicht mehr gemacht!" Er dirigierte Marilyn RABID Chambers durch ihr erstes Comeback, INSATIABLE, aber mein persönlicher Favorit ist sein THE SPIRIT OF SEVENTY-SEX, der rechtzeitig zur 200-Jahr-Feier der USA entstand. Unter dem nome dell'arte "Ricki Krelmn" zeichnete er ficktechnisch die Geschichte der Vereinigten Staaten nach, erzählt von einem greisen Zauselbart. Da geht George Washington seiner Martha an die Wäsche, Pocahontas und Paul Revere erweisen der ewigen Labia ihre Reverenz, und Benjamin Franklin erfindet neue Stellungen für fröhliche Freiübungen. Ein wesentlich lustigerer Film als DRIVE-IN MASSACRE, das ist mal sicher. Später hatte Segall Erfolg im TV mit seiner Serie "Hunter" und wurde ein richtig dicker Fisch im Haifischbecken.

DRIVE-IN MASSACRE auf der Liste der beschlagnahmten Filme willkommen zu heißen, gibt gar keinen Sinn. Es handelt sich um einen zutiefst obskuren Slasher, den wohl kaum jemand ernsthaft vermissen wird. Trotz der ständig präsenten In-Jokes ist der Film nur sehr mäßig amüsant, und seine Splatter-Einsprengsel werden niemanden vom Hocker reißen. Kuckbar, hier und da mit sympathischen Momenten, aber keine entrissene Sleaze-Granate. Der DRIVE-IN-KELLNER serviert nur Hackebeil-Kost der hausbackenen Art, mit wenigen selbstreflexiven Momenten.
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#66 Cjamango

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Geschrieben 03. Mai 2004, 11:01

American Fighter 4: Die Vernichtung (TV)

Als ich mit meiner Freundin am Samstag dem Erzlaster der Trinkseligkeit frönte, stieß ich auf dem selten von mir frequentierten Sender RTL 2 auf ein amerikanisches Actionprodukt, das unserer eingeschränkten Auffassungsgabe entgegenkam. Worum es in dem Film ging, weiß ich nicht mehr, denn wir schalteten uns nach etwa der Hälfte hinzu. Und was soll ich sagen - wir blieben dem Film bis zum Schluß treu wie ein Hund, will sagen: wie zwei Hunde!

Ich habe in meinem Leben schon so einigen Ramsch gesehen. Dabei folge ich immer der Maxime, daß nichts so lustig ist wie das, was sich selbst zum Horst macht. Da ich ein eingestandener Nicht-Fan von soldatischen Tugenden bin, trifft das besonders im Fall von dicken Männern mit schweren Wummen zu, die patriotische Werte mit männlicher Wucht in die Gegend rotzen. Dabei habe ich bislang offensichtlich dem Billig-Kriegsfilm-Sektor zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet, denn bei AMERICAN NINJA 4 ist mir einfach nur noch die Kinnlade runtergefallen!

Als wir einschalteten, kämpften gerade Männer in grellbunten Kasperklamotten gegeneinander. Erinnerungen an türkische Historienfilme wurden wach angesichts des Farbentaumels. Ich erinnere mich, daß mir irgendwann einmal ein Ninja-Film von Tomas Tang vor die Linse gekommen ist, wo die titelgebenden Recken ebenfalls bunte Fetzen trugen. Aha, kombiniere, Ninjas mögen also Karneval! Bei diesem Gerangel wurden zwei amerikanische G.I.s gefangengenommen und in einen unterirdischen Folterkeller verschleppt. Ein Mann mit einem sehr schlecht sitzenden Toupet hält ihnen daraufhin eine Ansprache und zieht wilde Grimassen, die etwas an spastische Zuckungen erinnern. Damit die beiden an Marterpfähle gebundenen Kämpfer für die Freiheit auch seine volle Aufmerksamkeit haben, haut er sie zwischendurch mit einer Peitsche.

Dann habe ich mir eine Stulle geschmiert. Als ich wieder zurückkam, war da ein junger Mann mit Spätachtziger-Disco-Fönfrisur, der mit einem bunten Auto durch die Wüste fährt. Das war Michael Dudikoff! Ich habe von Michael Dudikoff bislang nur in düsteren Legenden vernommen. Die Gosejohanns sind meines Wissens große Fans von diesem Mann. Und tatsächlich - er ist etwas ganz Besonderes. Während Marshal-Aatz-Darsteller wie Chuck Norris für gewöhnlich nur einen einzigen Gesichtsdruck haben, den sie bei ihren thespischen Aktivitäten zur Schau stellen, hat Michael Dudikoff genau gar keinen! Unglaublich, das muß man gesehen haben - ein Gesichtsloser kämpft sie quer durch die Wüste! Der könnte ebensogut eine Aldi-Tüte über dem Kopf tragen... Buchstäblich aus dem Nichts fallen auf einmal bunte Ninjas auf die Motorhaube seines fahrenden Autos, woraufhin er erstmal einen Box-Stop einlegt und mit steinerner Miene seine Arbeit verrichtet. Die Kampfchoreographie ist darüber hinaus einfach lausig und läßt ihn aussehen wie Onkel Tünnes vom Marktplatz.

Etwas später gerät Dudikoff in die Fänge einiger Faschingsrocker, die aussehen, als wären sie bei MAD MAX 2 rausgeflogen. "Au toll, Christopher-Street-Day!" freute sich Cora. Da Dudi besser boxt als einige dicke schwitzende Männer, erkennen die Rocker ihn als einen der ihren an. Gemeinsam fallen sie dann über das Hauptquartier des Toupetträgers und eines sinistren Scheichs her, der manchmal eine weiße Djellaba trägt, dann wieder eine knallrote. Da sind so idiotische Szenen drin, das man es kaum für möglich halten sollte. Mein Favorit war ein Scharmützel, bei dem ein Armbrustträger einen Pfeil auf Dudikoff abfeuert, Dudikoff den mit den Zähnen auffängt und (wenn ich das richtig gesehen habe) einem anderen Bösewicht, mit dem er sich gerade balgt, in den Hals donnert...

Mehr davon! Mehr Dudikoff, mehr Schönheit für die Welt... Heute habe ich mir den ersten AMERICAN NINJA ausgeliehen und harre der Dinge, die da kommen!
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Geschrieben 04. Mai 2004, 02:29

American Fighter (DVD)

Heute habe ich mir den Film ausgeliehen, der die Michael-Dudikoff-Saga einläutete: AMERICAN NINJA! Einen 6 Jahre jüngeren Michael Dudikoff zu sehen, war schon ein kleiner Schock, denn während er in dem gestern besungenen vierten Teil verwegen und nachgerade verlebt ausschaute, wirkt er in dem Original noch wie frisch eingeschweißt - ein jungenhaftes Antlitz, das einem Schuljahrbuch zu entstammen scheint. Auf einer Fanpage steht, er habe einst Kinderpsychologie studiert, bevor er als Model entdeckt wurde. Außerdem erfreut die Page durch Zusatzinformationen wie "He is dyslexic" und "He loves to read". Ein Mensch voller Widersprüche, die erst durch die Produktionsfirma von Golan & Globus aufgelöst wurden.

Joe Armstrong ist zwar ein Mensch ohne Gesicht, aber nicht ohne Geschichte: „Vor sechs Jahren fand ihn eine Pioniereinheit auf einer Insel im Pazifik. Durch eine Explosion hatte er das Bewußtsein verloren, als sie eine Straße durch den Dschungel sprengten. Er wurde mit totaler Amnesie in die Vereinigten Staaten zurückgebracht.“ Aufgrund einiger Zusammenstöße mit den Kräften von Recht & Ordnung wird er dann vor die Wahl gestellt: Knast oder Armee. Natürlich wählt er den Dienst an der Waffe und wird Bürger in Uniform auf einer Pazifikinsel, und er hat es nicht leicht: Als ihn ein Mitsoldat gleich zu Beginn auffordert, seinen Einzelgängerstatus aufzugeben, wirbelt er nur wortlos mit seinem Taschenmesser herum. Als Bestandteil einer Eskorte hat er auf die Tochter des Colonels, Patricia, aufzupassen. Das erweist sich sehr bald als haarig, da auf einmal (mitten im Dschungel!) Straßenarbeiter auftauchen, hinter denen sich schlitzäugige Rebellen verstecken. Es könnte alles ganz locker und blutlos vonstatten gehen, spielten nicht auf einmal Dudikoffs Hormone verrückt: Er tritt, boxt und ballert, und bevor man es sich versieht, bluten vier tote G.I.s die Straße voll... Auch ein paar Ninjas schauen vorbei, quasseln amerikanisch miteinander und treten wild um sich.

Dudi greift sich die Tochter des Colonels und schleift sie quer durch den Sumpfmulch, was ihr gut ansteht, denn sie quasselt ohne Unterlaß. Selbst, als ihr der Einzelkämpfer das Leben gerettet hat, weiß sie nur zu greinen: „Die schöne Bluse und meine Haare – ganz naß!“ Ein echter Konkurrent für Kate Capshaw in INDIANA JONES UND DER TEMPEL DES TODES – so dumm werden sie heute nicht mehr gemacht, und das will schon was heißen!

Schnitt ins Hauptquartier des reichen Bösewichts Ortega, der ausschaut wie eine Mischung aus Johnny Cash und Charles Napier nach einem Schwenkeinlauf. Ortega baut auf seiner Plantage Runkelrüben an, und damit das üble Gewächs auch verkauft werden kann, läßt er Gurkenmurkser auf Entenhausen los. Außerdem verschiebt er Waffen im großen Stil, wofür er auch mit hohen Offizieren der Army zusammenarbeitet. In einem Ausbildungslager züchtet er sich zudem eine Privatarmee heran, die aus Ninjas in buntfarbenen Gewändern besteht – alles hoppelt wild durcheinander und versprüht den Geist von „Spiel ohne Grenzen“. Nein, mit Ortega ist nicht gut Kirschen essen!

Die Dummheit hat einen Namen, und Dudikoff kann ihn nicht einmal buchstabieren! Natürlich ist dieser erste Film (von Sam Firstenberg) um Lichtjahre besser gemacht als der vierte, aber verglichen mit z.B. POLICE ACADEMY ist das natürlich nichts. Die Kampfhändel sind munter, ein klein wenig besser choreographiert, wenngleich weitgehend blutlos, und ich kann mir nicht helfen: Ich finde die Ninjas überhaupt nicht bedrohlich! Eigentlich sind sie eher possierlich und wirken wie eine dem Aussterben geweihte Paradiesvogelart, die von unerklärlichen Bewegungsmustern geschüttelt wird und eigentlich Schwierigkeiten haben müßte, ohne Lotsen über die Straße zu kommen. Ähnlich wie in OPERATION DANCE SENSATION haben sie hier auch einen Gegner namens Jackson, der sie schließlich reihenweise wegräumt und dazu markige Sprüche ausstößt...

Fazit: AMERICAN NINJA ist eine ziemliche Granate, der zwar die Unglaublichkeit vom vierten Teil abgeht, die aber trotzdem angenehm hirn- und sinnlos zu unterhalten weiß. Pazi-Fistfuck, wie man ihn sich wünscht. Dudikoff werde ich auch weiterhin im Auge behalten...
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Geschrieben 04. Mai 2004, 12:43

They (DVD)

Oh nein, nicht schon wieder Alpträume!!!

Na ja, ich hätte ja vorher mal ins Netz schauen können. Dann wäre mir aufgefallen, daß das Ding in den USA als WES CRAVEN PRESENTS: THEY herausgebracht wurde, und auch WIXMASTER habe ich damals nach kurzer Zeit abgebrochen, aber die DVD lachte mich im Videoregal halt an. Man konnte nicht genau erkennen, ob es sich um Außerirdische oder Gruselmonster handelt. Rest assured: Es handelt sich um Gruselmonster. Und man kann den Streifen trotzdem getrost im Regal stehen lassen...

Der Anfang belegt, daß Regisseur Robert Harmon (der immerhin mal THE HITCHER gemacht hat!) DARKNESS FALLS gesehen hat. Anders als der Prolog in jenem Film, punktet THEY nicht wirklich in gruseltechnischer Hinsicht. Danach werden ein paar Charaktere vorgestellt: Eine Psychologiestudentin, ihr angegrungeter Freund, ein junger Mann mit schweren paranoiden Wahnvorstellungen. Der Paranoiker erschießt sich, und es kommt heraus, daß die meisten der Charaktere als Kinder unter Alpträumen gelitten haben. Manche haben merkwürdige Läsionen am Körper, die dann aus irgendeinem Grund dazu führen, daß sie von computergenerierten Urmels heimgesucht werden, die sich aufführen wie bei einem Casting zu ALIEN 5. Erklärt wird das alles nicht wirklich, und je länger der Film dauert, um so willkürlicher werden die komplett unspannenden Horrorszenen. Das Ende vermag immerhin zu überraschen, denn es kommt abrupt und gibt nun mal überhaupt keinen Sinn mehr - ich rief laut vor dem Fernsehschirm: "HÄH?!?" Als Bonus wird ein caligareskes Alternativende angeboten, das zwar abgedroschen ist, aber zumindest die Vorgänge erklärt. Man entschloß sich aber, den halbschlaffen Lachs des Betrachters gnadenlos hängenzulassen, und so bleibt immerhin ein klein wenig Bewunderung für die Dreistigkeit der Macher übrig. In der IMDb ist neben Harmon noch ein zweiter Regisseur aufgeführt, was darauf hinzuweisen scheint, daß mit dem Film im Nachhinein herumgedoktort wurde. Der Patient war aber bereits verstorben.

Was hat der Film? Eine hübsche (wenn auch unterernährte) Kanadierin, die auch im deutlich besseren MY LITTLE EYE mitgemacht hat, und eine brünette Polin, die man beide gerne poppen würde. Wie wäre es mit einem guten Drehbuch? Selbst FEARDOTCOM war deutlich besser...
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#69 Cjamango

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Geschrieben 05. Mai 2004, 00:35

Menschenfeind (DVD)

"Der Mensch hat eine Moral" verkündet der Schluß des Filmes mit bürokratischer Nüchternheit. Gleichzeitig schwingt eine gewisse Bockigkeit mit - da will sich jemand nicht mit der einfachen Route zufriedengeben, sondern verlangt nach dem vollen Programm...

Das volle Programm erwartet den Zuschauer bei dem Film, den Gaspar Noé vor seinem international erfolgreichen IRREVERSIBLE gemacht hat. Es geht um einen Fleischer, der einige Zeit im Knast verbracht hat, weil er eine vermeintliche Vergewaltigung an seiner Tochter rächen wollte. Es traf einen Unschuldigen. Als er wieder auf freien Fuß gesetzt wird, hat er nichts mehr. Um seinen Traum von einer eigenen Metzgerei zu verwirklichen, tut er sich mit einer dicken Schabracke zusammen, die ihn nach Lille mitnimmt. Die Tochter bleibt im Heim, in das sie gesteckt wurde, als Vati den Aufenthalt in der Herrenduschanstalt antrat.

Über die Wiegen der Eheleute haben sich gewissermaßen keine Feen gebeugt. Der Fleischer drischt seiner Lebensgefährtin das Kind aus dem Leibe und verläßt die Stadt. Er will ein neues Leben beginnen. Dies ist aber leichter gesagt als getan, denn die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist lausig. Er sammelt eine Absage nach der nächsten, frißt immer mehr Wut in sich hinein. Aber er hat ja noch eine Faustfeuerwaffe...

Dumme Filme wie BAISE-MOI haben gezeigt, daß man die Wut, die aus sozialer Ungerechtigkeit entsteht, nicht durch eine grelle Abfolge von Schocks allein bewältigen kann. Mit MENSCHENFEIND erzählt Gaspar Noé die Tragödie eines denkbar einfachen Menschen, eines "Everyman", der nicht schlauer oder dümmer, nicht besser und nicht schlechter ist als andere Menschen auch. Der alltägliche Druck macht ihn schließlich zu einem Monster. Der Fleischer (hervorragend gespielt von Noés Stammschauspieler Philippe Nahon) sucht nach einer Richtung, nach einem Sinn. Er möchte gerne ein guter Mensch sein, im Sinne der christlichen Moralvorstellungen, die in seinen Kopf hineingestanzt sind. Diese Suche wird kompromittiert von anderen Faktoren, wie zum Beispiel dem Wunsch nach Gerechtigkeit, den er jeden Tag seines Lebens mit Füßen getreten sieht. Er sieht sich selbst im Zentrum seines Weltbildes („Leben ist ein egozentrischer Akt“) und übersieht, wieviel Ungerechtigkeit er selber verursacht. Tief drinnen ist er sich der Schuld bewußt, die er wegen seiner Tochter auf sich gehäuft hat. Er hat sie allein gelassen, und er ist scharf auf sie, weil sie so ist wie ihre Mutter, und er haßt sie, weil sie so ist wie ihre Mutter. Um so unnachgiebiger schwadroniert er in seinem Inneren über den Zustand der Welt im allgemeinen und seines Heimatlandes im besonderen. Dabei ist die Erzählerstimme des Filmes (=die des Fleischers) zu Beginn noch einigermaßen zusammenhängend. Man akzeptiert ihn als durchaus sympathischen Erzähler, als leidenden Menschen. Je deutlicher sich aber seine aussichtslose Lage vor ihm abzeichnet, desto paranoider werden seine Ideen, desto unlogischer und starrköpfiger sein Gedankengang.

Seine Menschenfeindlichkeit wirkt zu Anfang noch wie etwas, das man auf der Grundlage der dargestellten Umstände nachvollziehen kann. Er philosophiert in seiner einfachen Sprache; selbst im Pornokino hört der kleine Mann im Kopf nicht auf mit der Nerverei. Menschen erscheinen ihm als ausschließlich von niederen Instinkten getrieben. Frauen sind Muschis, Männer sind Schwänze. Alle sind Fleisch. In seiner Bärbeißigkeit bekommt dieser Nihilismus fast etwas Heimeliges. Nur: Man spürt, als ihm das Wasser immer mehr bis zum Halse steht, daß der Nihilismus letztlich nur aufgesetzt und angelernt ist. Seine starre Maske drückt all die Leidenschaft und die Verzweiflung nach unten, da sie nur schmerzt. Auf dem Soundtrack wird das verdeutlicht von den ewig wiederkehrenden Schuß-/Knallgeräuschen, die seine inneren Eruptionen markieren, wenn sich an der Oberfläche seines Körpers nichts zeigen will. Aber diese Technik seiner Selbstbezwingung geht mehr und mehr in die Binsen: Die Stimmen dringen aus ihm heraus, überdecken den Erzähler während des Finales gar. Kein Spoiler an dieser Stelle, denn ich verrate grundsätzlich nicht, wie Filme ausgehen, schon gar nicht ein so toller wie dieser hier...

Über IRREVERSIBLE habe ich schon einiges geschrieben. Tatsächlich verbindet die Filme so manches, etwa das grundlegende Thema von Moral in einer unmoralischen Welt, der Unwiderrufbarkeit des eigenen Handelns, die vermeintliche Sinnlosigkeit, sich von den Fesseln der Natur lösen zu wollen. Was IRREVERSIBLE Beethovens Siebente ist, ist dem MENSCHENFEIND ein Stück von Henry Purcell. Formal wie inhaltlich geht der spätere Film einige Schritte weiter und lädt auch weniger zur kritischen Distanz ein (MENSCHENFEIND ist formal deutlich verspielter), aber beide Filme spiegeln äußerst vehement und wirkungsvoll die Weltsicht von Gaspar Noé wider. Ich habe so viel anämischen Experimentalmist gesehen, der Weltverzagtheit („Hach, meine Seele stößt sich an der rauhen Masse!“) verarbeiten sollte, daß ich von Noés intelligenten und mutigen Filmen sehr begeistert bin. Man merkt, daß da jemand eine Menge Erfahrungen gesammelt hat und eine Menge Wunden eingefahren, aber er gibt sich nicht mit platten Simplifizierungen und Nihilo-Klischees zufrieden, sondern stochert in der Wunde, bis der Eiter abgeflossen ist. Es gibt kaum denkfaule ästhetische Faxen, und intellektuelle Schlaumeiereien verkneift sich Noé völlig. Gerade letztere dienen ja meistens dazu, sich eine trügerische Illusion von Sicherheit und Ich-habe-alles-im-Griff zu verschaffen. Noé sucht und sucht, und er läßt den Zuschauer an seiner Suche teilhaben. Dabei verzagt er nicht, sondern richtet den Blick – bei allen abgebildeten Abscheulichkeiten – stramm nach vorn. Er ist sich der Gefahren – das machen seine Filme überdeutlich – sehr wohl bewußt. Wie meinte der Schriftsteller Pitigrilli mal, sinngemäß zumindest? „Der Kluge wird an einem bestimmten Punkte seines Lebens genau dort ankommen, wo auch der Dumme angelangt ist, nur wird sein Weg ein ungleich steilerer gewesen sein.“ Noé bewältigt die Steilheit des Weges mit Würde, und ich werde mir demnächst mal seinen 1991 gedrehten Kurzfilm CARNE anschauen, der eine Art Vorskizze zu MENSCHENFEIND darstellt.

Ein Lob sei der DVD-Firma „Legend“, die den auf 16mm gefertigten Film in guter Qualität und mit einer ungewöhnlich guten Synchro herausgebracht hat – das war gerade bei diesem Film nicht selbstverständlich.
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#70 Cjamango

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Geschrieben 07. Mai 2004, 01:16

Die rote Flut (DVD)

Bei den meisten Hollywood-Actionfilmen jüngeren Datums tropft die Dummheit aus dem Projektor. Bei RED DAWN haben sie wirklich den Rasensprenger angestellt...

Wo beginnen? Am besten bei der Handlung: Irgendwo in Everytown, U.S.A., lauschen ein paar Jugendliche ihrem Lehrer, der von Dschingis Khan und der "Blutlust der Mongolen" berichtet. Ehe er seinen leidenschaftlichen Vortrag beenden kann, fliegen russische und kubanische Fallschirmspringer am Fenster vorbei. Der Lehrer sieht nach dem Rechten und wird sofort von Kugeln durchsiebt. Anstatt sich darüber zu freuen, daß in ihrem Kuhkaff mal was passiert, rennen die Kiddies wild durcheinander und lassen sich ebenfalls abknallen. Ein kleiner Klüngel verschworener Football-Asse schlägt sich durch bis ins Gebirge. Zunächst erfahren sie dort die Freuden des Überlebenstrainings. Nachdem sie einen Erkundungsgang zurück zur Stadt gemacht haben (unbehelligt) und dort festgestellt, daß im Kino nur noch "Alexander Newsky" läuft (kreiiisch!) und man ihre Väter ins Umerziehungslager gesteckt hat, das im ehemaligen Autokino untergebracht ist, steht ihr Entschluß fest: Sie werden Partisamen! Äh, Verzeihung: Partisanen... Gemeinsam ist man stark und zeigt den Russkis, wo Uncle Sam den Most holt. Was ein richtiger Pfadfinderverein ist, braucht natürlich auch einen schmissigen Namen, und so nennen sie sich nicht Wehrsportgruppe Fieselschweif, sondern die "Wolverines"!

Jau, und wer es schlucken kann, daß eine Handvoll Kinder alle möglichen Totmachwerkzeuge aus dem Effeff beherrscht und genügend strategisches Geschick an den Tag legen kann, um professionelle Soldaten ein ums andere Mal auszutricksen, der heißt entweder John Milius oder ist der ideale Zuschauer für diesen unglaublichen Film! War DELTA FARCE noch ein Film, der dramaturgisch dermaßen hilflos gestaltet war, daß er sich dem Label "Unfreiwillige Komödie" geradezu anwanzte, so tut sich RED DAWN in dieser Hinsicht etwas schwerer. Milius ist kein schlechter Regisseur - er ist nur dumm wie Brot! Der Film ist recht spannend, temporeich und besitzt mehr Menschenverachtung als ein ganzes Rudel sächsischer Glatzen mit Eisenstäben. Unglaublich, daß der Film in den USA ein "PG-13" bekommen hat, während etwa THE BLUES BROTHERS nicht ohne R-Rating davonkam, weil einige Male das Wort "fuck" (as in Muckefuck) erwähnt wird...

Patriotismus wird in diesem Film großgeschrieben. Sofort wird uns ein Kriegerdenkmal mit einem Teddy-Roosevelt-Zitat präsentiert, Basil Poledouris´ heroische Klänge wirken wie eine Mischung aus Aaron Copland und Wagner und auch ansonsten ertönen andauernd Melodien wie "Battle Hymn of the Republic" oder "America the Beautiful". Interessant ist also erst mal, was für Amerikaner hier mit dem Honigseim der Zusammengehörigkeit beträufelt werden. Nach Milius´ Einschätzung (der sich gerne mit Wummen fotografieren läßt und sich als "Zen-Faschist" bezeichnet) sind das die Bullies aus dem Football-Team, die gerne so hart wären wie ihre Papis. Eine bemerkenswerte Szene ist da jene mit Harry Dean Stanton als Vater von Patrick Swayze (kreiiisch!), wo Sohnemann ihn beim Umerziehungslager besucht. Stanton bedauert durch den Zaun, daß er seinen Söhnen so viel Gelegenheit dazu gegeben habe, ihn zu hassen. Offensichtlich hat er sie geprügelt. Jetzt, so Daddy, könnten sie aber sehen, warum er dies getan habe. Dann folgt ein rührseliger Monolog darüber, daß er sich wieder daran erinnert habe, wie er sie im Park auf die Schaukel gesetzt hat. (Uääärrrchz!) Dann weinen alle ein bißchen, und Daddy kommt mit seinem letzten glorreichen Ratschlag: "Ihr dürft nie wieder weinen!" Ja, genau, Papi, das hast du gut gemacht... Man bekommt eine recht deutliche Vorstellung von John Milius´ Kindheit.

Jetzt liste ich mal weitere bemerkenswerte Szenen auf.

Szene 1: Das Wasser im Jeep-Kühler ist alle. Patrick Swayze fordert einen jüngeren Mitstreiter dazu auf, in den Kühler zu urinieren. "Wenn man älter ist, dann weiß man, daß so was funktioniert. Und jetzt piß´ in den Kühler, Danny!"

Szene 2: Derselbe Danny wird bei seiner ersten Jagd dazu gezwungen, Blut zu saufen: "Das ist dein erster Bock? Dann mußt du sein Blut trinken!" Gesagt, getan: "Das war gar nicht so übel..."

Szene 3: Drei Russkis im Arapahoe National Forest schießen Fotos von sich vor einer Gedenktafel, auf der süßlicher Schmonzes über "virgin timber" und so vermerkt ist. Einer der Russen übersetzt das dann sinnentstellend - eine Horde Indianer sei hier von imperialistischen Truppen füsiliert worden. Bis hierhin eine lustige Szene. Dann kommen die Kiddies und blasen die Touri-Russkis weg. Einer schaut noch flehentlich in die Kamera, bittet Gott um Hilfe und heischt um Mitleid. Ra-womms wird er weggeballert. Milius ist kein Weichei und macht keine Gefangenen - daß das mal klar ist!

Szene 4: Die beiden Miezis in der Truppe nehmen Anstoß daran, daß Charlie Sheen (gulp!) sie als "Pussy" bezeichnet. In einem Aufwallen von Frauenstolz hält eine der Pussies (mit dem zu jener Zeit üblichen Madonna-"Fick'mich"-Hairdo und "Ich wär´ so gern ein Cheerleader"-Klamotten) eine quasi-feministische Rede ("Wir lassen uns nicht Pussy nennen!"), mit der Milius Frauen einen - zähneknirsch! - gleichberechtigten Platz neben den männlichen Mongoloiden zugesteht, solange sie ihr Frausein verleugnen. Cool.

Das sind nur vier Szenen, wegen denen man diesen Scheißfilm mal gesehen haben sollte. Als er während meiner Jugend im Kino lief, gab es ein gigantisches Geschiß um die Gefährlichkeit dieses Machwerks. Wenn man es ernstnimmt, handelt es sich in der Tat um einen der übelsten Propagandafilme, die während des Kalten-Krieg-Revivals unter Reagan herausgekommen sind. Aber man lernt in der Tat sehr viel über die Psyche der Amerikaner anhand dieses Zeitdokuments, gerade im Hinblick auf den derzeit tobenden "Krieg gegen den Terror". Zuerst einmal: Ich liebe Amerika! Ich habe nicht umsonst Amerikanistik studiert - ich bin mit der Kultur aufgewachsen und von ihr in demselben Maße geprägt wie von der deutschen. Ich bin ein großer Fan von den Idealen, die dieser Nation zugrundeliegen, und bei meinem Besuch dort habe ich festgestellt, daß es kaum freundlichere Menschen gibt.

Problematisch wird es aber dann, wenn man vergißt, daß der Staatsmann Patrick Henry zum Zeitpunkt seines berühmten Ausspruches "Give me liberty or death!" 65 Sklaven besessen hat. Es zahlt sich aus, zu wissen, daß der Südstaatengeneral Robert E. Lee seine Sklaven freiließ, bevor der Nordstaatler Ulysses Grant dies tat. (Jello Biafra - genau!) Mein Lieblingsschriftsteller Kurt Vonnegut wies einst darauf hin, daß in den amerikanischen Schulen immer noch der Unfug gelehrt würde, daß Amerika 1492 entdeckt wurde. 1492 war lediglich das Jahr, wo Piraten aus Übersee kamen und perfekt entwickelte Kulturen, die dort bereits existierten, zerstörten und ausplünderten. Auf solche traurigen Absurditäten der Geschichtsrezeption hinzuweisen, ist nicht unamerikanisch - es ist fucking überlebensnotwendig!

John Milius glaubt an das Überleben des Stärkeren in einer erbarmungslosen Natur, wo man keine Schwäche zeigen darf. Dabei übersieht der feiste Sozialdarwinist allerdings, daß es dann auch völlig okay wäre, wenn die verdammten Russkis das machten, was sie in RED DAWN so gut machen - die verweichlichte USA unterjochen! Um sich nicht auf seinen Sack treten zu lassen (bzw. den seines Vaters), zeichnet er die Russen so debil wie die Nazis in amerikanischen Propagandafilmen – die kommen aus eigenem Antrieb kaum über die Straße! Wäre es nicht toll, wenn die Nazis und die Nazis im Geiste immer so wären? Bei Milius hat der Sheytan seine klar definierte Rolle und Gestalt. Das ist die eines bösen, zu eigenen Gedanken und Gefühlen nicht fähigen Clowns. Die guten unter den Amerikanern sind wendig, allen Sätteln gerecht und leisten Schmutzarbeit im Akkordtakt.

Das kann man auch über die meisten der Schauspieler sagen, die hier wirken: Patrick Swayze (laaange vor DONNIE DARKO!), C. Thomas Howell, Charlie Sheen, Jennifer DIRTY DANCING Grey und die anderen sind geradezu grotesk schlecht. Es tut weh, Harry Dean Stanton und „Superfly“ Ron O'Neal in solch würdelosen Rollen zu sehen, aber auch Schauspieler müssen arbeiten.

Also: DIE ROTE FLUT ist auf gewisse Weise eindrucksvoll. Es ist kein unschuldiges Trash-Kino, das hier geleistet wird, sondern dummdreiste Übereugungstat. Aber es zeigt auch recht anschaulich, was aus Idealen wird, wenn man sich selbst und seine Mitmenschen ernstnimmt. Es gab heute gerade diese interessanten Folterbilder aus dem Irak, bei denen amerikanische G.I.s bei Aktivitäten zu sehen waren, die Pasolinis DIE 120 TAGE VON SODOM hundertprozentig recht geben: Krieg ist Sex, Krieg ist die Rache der Verklemmten für die ihnen auferlegten Qualen. Bei RED DAWN wird alles Menschliche abgespalten, wird lediglich in platten Phrasen behauptet. George W. Bush sagt zu den üblen Vorgängen: „I am not happy“, was ich gerne glaube. Für John Milius wird Bush jr. mindestens zwei Ligen zu waschweibig sein. Männer müssen hart sein. Männer müssen stark sein. Männer tragen ihr Land auf den Schultern. Männer sind humorlos, und Männer müssen stinken. Stinken nach Schweiß und nach Blut und nach Eins-sein-mit-sich-selbst-in-der-Natur.

Benjamin Franklin war Amerikaner, und er würde den Film hassen. Mark Twain würde den Film hassen. Ich hasse den Film nicht, sondern finde ihn sehr erhellend. Trash-Faktor 100. Sehr viel interessanter als die üblichen weichgespülten Patriotismus-Kamellen. Ich sage über Franz Josef Strauß gerne, daß der Mann wenigstens zum Feind getaugt hat, weil er auf professionelles Gehabe nicht allzuviel Wert legte. Ähnliches läßt sich von John Milius behaupten. Und von seinem Vater, nehme ich an.

Noch ein Zitat von Kurt Vonnegut, aus seinem Theaterstück „Happy Birthday, Wanda June!“: „You're a clown. You're a clown who kills – but you're a clown.“
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Geschrieben 08. Mai 2004, 13:50

8 1/2 Frauen (DVD)

Mein Verhältnis zu Peter Greenaway ist schon immer ein nicht ganz unproblematisches gewesen. In den letzten Jahren hat sich diese Tendenz eher verstärkt, weswegen ich zu 8 ½ WOMEN gleich zwei Reviews anbieten möchte, die denn sowohl stellvertretend sein mögen für die potentiellen Zuschauer, die „in Greenaway-Laune“ sind, als auch für jene, die sich beim Betrachten bodenlos langweilen werden.

Text 1:

Die Story ist schnell erzählt: Als die Ehefrau des schwerreichen Bankchefs Emmenthal stirbt, wird jenem klar, daß er trotz seines immensen Vermögens nun rein gar nichts mehr hat. In seiner Verzweiflung ruft er seinen Sohn Storey zu sich nach Genf, der sein Leben bislang nur auf der Grundlage des Glücks und seines Krötenlateins ausgerichtet hat. Er rät seinem Daddy, seinen Körper wiederzuentdecken. Aus diesem Grunde findet sich alsbald eine ganze Reihe unterschiedlich schöner Mätressen auf dem Emmenthaler Anwesen zusammen, die zur Selbstfindung des Tycoons benutzt werden. Aber auch dieser Weg führt in die Irre, und selbst der bislang so selbstgefällige Filius muß erkennen, daß seiner Weisheit Grenzen gesetzt sind...

Ich habe Peter Greenaways Werke immer als intellektuelle Puzzlespiele empfunden, die sich einen Spaß daraus machen, die Komplexität des Lebens als einen streng mathematisch arrangierten Irrgarten von Informationen darzustellen. Die Informationen entstammen der Welt der Wissenschaften ebenso wie jener der Künste, und während die Figuren der Filme in der Regel verzweifelt um Orientierung ringen, ergeht das den Zuschauern ähnlich. Man kann sich vor die Filme setzen und die ästhetische Schönheit bewundern, mit der die mit Details vollgestopften Tableaus komponiert sind, oder man kann selber zum Fährtensucher werden und all die Anspielungen, Zitate und Wiederaufnahmen zu einem sinnvollen Ganzen formen. Die frühere Zusammenarbeit mit dem Komponisten Michael Nyman war dabei sehr passend: Wie Nymans sehr repetitiv konstruierte Musik ihren Reiz aus dem scheinbaren Widerspruch zwischen der mathematischen Präzision des Notensystems und ihrer emotionalen Wirkung bezieht, so leben auch die Filme Greenaways in erster Linie von der Spannung zwischen dem Geistigen und dem Körperlichen. Das Leben wird bei Greenaway zu einem Museum, durch das man hindurchgeführt wird, und auch wenn viele der Dinge, die da zu betrachten sind, keinen unmittelbaren Sinn ergeben (insbesondere in narrativer Hinsicht), genießt man das ästhetische Erlebnis. Schon in seinen Kurzfilmen verwendet er diese Technik: In COASTLINE reiht er Bilder von Küstenbereichen aneinander und läßt einen nüchternen Erzähler (der wirkt wie eine Parodie auf BBC-Naturkunde-Dokus) eine Fülle von Daten auf den Betrachter ausschütten, z.B.: „An der Küste von Dover existieren über 41 verschiedene Formen von Riedgras.“ Man könnte sagen, daß er die rein intellektuelle Betrachtungsweise, die die Gestaltung seiner Filme nahelegt, ad absurdum führt. Am deutlichsten wird das in der 3-Stunden-Fake-Doku THE FALLS, in der lauter fiktive Lebensgeschichten von Menschen zusammengetragen werden, die an einer ebenso fiktiven Krankheit leiden. Was übrig bleibt, ist eine ironische, gelassene Betrachtungsweise, die die Allmacht der Wissenschaft von ihrem akademischen Sockel herunterholt. Stattdessen setzt die Welt der sinnlichen Wahrnehmung ein: Es wird betrachtet, gerochen, geschmeckt, daß es nur so eine Art hat. Ein Greenaway-Film mit POLYESTER-artiger Schnüffelkarte? Keine schlechte Idee, finde ich!

Natürlich kann man seine Werke nicht auf eine rein ironische Konzeption reduzieren. Nicht umsonst sind ihre Figuren so unglücklich und unzufrieden. In 8 ½ WOMEN ist der alte Emmenthaler aus der Sicherheit seiner bisherigen Existenz herausgeworfen worden. In der Anfangsszene unterzeichnet er einen Vertrag mit einem Japaner, dessen Spielbetriebe geschluckt werden sollen. Da die Spielbetriebe eine Hinterlassenschaft von dessen Mutter waren, bekommt der Japaner einen Durchdreher und wird handgreiflich. Blut fließt. Emmenthal ist weniger entsetzt als verwirrt und fasziniert: Solch eine direkte, leidenschaftliche Zurschaustellung von körperlich ausgetragenen Emotionen hat er, wie er bemerkt, seit seinen Jugendjahren nicht mehr erlebt. Er merkt erst nach dem Tode seiner Frau, wie weit er sich von seinem Körper (der ihm durch seine Alterung fremd geworden ist) entfernt hat. Das Sexualleben mit seiner Frau beschränkte sich auf harmlose Nichtigkeiten und führte meistens lediglich zur wohligen Erschlaffung und zur Beseitigung eines störenden Bedürfnisses. Durch seinen Sohn holt er Versäumtes nach. Dabei werden die Bedürfnisse der hierfür benötigten Frauen allerdings ignoriert oder, schlimmer noch, instrumentalisiert. Daß die Frauen hierdurch zerstört werden, kratzt die beiden Herren der Schöpfung nicht wirklich. Der Junior hält sich an einem litaneimäßig hervorgedroschenen Körper-Mantra fest, das nur seine Verzweiflung ausdrückt, der eigenen Natur nicht mehr Herr werden zu können, während dem Vater ein besseres (wenn auch sehr finales) Schicksal beschieden ist...

Insgesamt knüpft 8 ½ WOMEN also da an, wo BETTLEKTÜRE (einer von Greenaways schönsten Filmen) aufhörte, und führt verschiedene Kulturen, Geschlechter und Lebenseinstellungen zusammen – nicht zu jedermanns Gewinn, das ist mal sicher. Das Körperliche trägt den Sieg über das Geistige davon, doch es ist ein schaler Sieg, denn die Charaktere sperren sich nach besten Kräften gegen die Erkenntnis. Der Film ist optisch erneut ein Erlebnis und macht, in der richtigen Gemütsverfassung genossen, durchaus Spaß. Doch wenn man in der falschen Verfassung ist...

Text 2:

...dann langweilt man sich den Arsch ab! Meine Güte, Greenaway – ich ertrage dieses ganze schöngeistige Genudel einfach nicht mehr. Diese elitäre Manier, jeden, aber auch wirklich jeden Dialogsatz mit irgendwelchen pointierten Schlaumeiereien anfüllen zu müssen. Das ist alles so künstlich und so unerträglich gestelzt, daß man, wenn man so einen Film sieht, einfach mal geräuschvoll furzen möchte! Das ist Körperlichkeit, Greenaway, haha, nimm´ auch noch diesen hier... Kann es sein, daß man sich als Greenaway-Fan mit Duldermiene immer wieder denselben Schnokes reinzieht? Na klar, bei vielen Regisseuren ist das der Fall. Woody Allen etwa gibt seinem Stammpublikum mit schöner Regelmäßigkeit genau das, was es haben möchte, in hoher Qualität und erwartungsgemäß. Aber Allen-Filme sind lustig und atmen, neben den vielen intellektuellen Beigaben, auch jene Bodenständigkeit und Erdnähe, die man gemeinhin mit dem jiddischen Humor verknüpft. Greenaway hingegen versprüht für mich allmählich eine ähnliche abgehobene Verbohrtheit, die man bei Leuten wie etwa Erd-Jüngern, die Bäume umarmen und manisch mit den Händen im Erdboden herumwühlen und Sachen sagen wie „Du mußt das mal fühlen, das ist Schönheit!“, zu Recht belächelt. Diese andauernde ironische Distanziertheit! Kann man es Menschen zum Vorwurf machen, wenn sie bei dieser ganzen Schöngeisterei irgendwann anfangen, ungemütlich auf dem Stuhl herumzurutschen? Zum Glück hat er ja endlich den ganzen Barock-Kram hinter sich gelassen, aber das spielerische Element, das ich einstmals bei seinen Filmen so bewundert habe, weicht doch allmählich der Überzeugung, daß Greenaway sich selbst mittlerweile eine Nummer zu ernst nimmt. Kann es sein, daß ihm das ganze Bohei, das von der Kulturmafia um seine Filme veranstaltet wird, ein wenig den Kopf verdreht hat? Es gab ja schon zu meiner Jugendzeit diese Tendenz, alles, aber auch wirklich alles, was von Greenaway kam, sofort als genial und visionär abzufeiern. Es gab auch immer wieder das typische Greenaway-Publikum – dieses Publikum mit dem eingebauten Geschmack für Stil und Kleidungsfragen, dieses Theaterpausen-Sektschwenker-Publikum. Da wurde sattsam das nachgebetet, was im Kulturteil des jeweiligen Stadtmagazins stand, und Menschen ohne Humor lächelten einander wissend zu... Brrr!!! Ich hatte das große Glück, Greenaway mit Leuten entdecken zu dürfen, denen solch eine Art von elitärem Mitnick-Kulturverständnis zur Gänze abhold war und die sich die Bilder auf ihre ganz eigene Weise erschlossen. Anders aber als Nyman (den ich auch schon des öfteren als Muzak in Kneipen mit kulturellem Anspruch hören mußte) bewegt sich Greenaway mit seinen diversen Projekten leider auf dem hohen Roß, auf das ihn seine Bewunderer gehievt haben. Mir ist der Mann mittlerweile ziemlich unsympathisch geworden. Zu groß ist die Kluft zwischen der unterstellten kulturellen Bedeutsamkeit und dem netten, aber alles andere als revolutionär neuen Gebotenen. Das Körperliche, die Lust, das sinnliche Erleben – alles wird bei Greenaway so peinsam „geschmackvoll“ präsentiert, so intellektualisiert, daß es zumindest bei mir nicht mehr zündet. Tja – vor fünf Jahren hätte ich über Greenaway nur eine reine Laudatio verfassen können. Bei 8 ½ WOMEN brauchte ich zwei Anläufe, um den Film überhaupt zu schaffen. Insgesamt...

Fazit:

...bin ich dann doch noch gut durchgekommen, aber der Eindruck von nackten Männern, die sich gegenseitig begrabbeln und dabei über die Heldinnen der Romane Thomas Hardys philosophieren, hinterläßt auch beim zweiten Betrachten einen schalen Beigeschmack. Greenaway ist sicherlich ein beachtlicher Regisseur, aber – wie klargeworden sein sollte – ich gewinne zunehmend Distanz zu ihm. EIN Z UND ZWEI NULLEN, DER BAUCH DES ARCHITEKTEN oder VERSCHWÖRUNG DER FRAUEN halte ich immer noch für prachtvolle Kunstwerke. Auch DER KOCH oder BETTLEKTÜRE sind toll. Aber manchmal möchte ich den Mann nur noch unter einem Haufen flämischer Gemälde begraben und darum herumtanzen. Aber das sagt vielleicht mehr über mich aus als über ihn... :)
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#72 Cjamango

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Geschrieben 09. Mai 2004, 03:20

Below (DVD)

Na, da hätte ich jetzt aber etwas weit Schwächeres erwartet!

1943: Ein amerikanisches U-Boot wird dazu aufgefordert, die Überlebenden eines Lazarettschiffes aufzufischen, das von Deutschen versenkt worden ist. Drei von insgesamt zweihundert Leuten schaffen es an Bord. Eine davon ist eine schöne Frau. Wie sich alsbald herausstellt, ist es nicht nur der übliche Tiefenkoller, mit dem die Soldaten zu kämpfen haben. Auch eine Bedrohung übernatürlicher Art macht sich bemerkbar, die viel mit einem zurückliegenden Todesfall zu tun hat, der im Rahmen des 2. Weltkrieges natürlich unbedeutend scheint, für die Bordbesatzung aber bald zu einer Frage des Überlebens wird...

Ein sauberer, streckenweise sehr spannender Film, der für einen Hollywood-Reißer der niedrigeren Preisklasse beeindruckend frei von Peinlichkeiten bleibt. Die mittlerweile leider üblichen Computereffekte (ich erinnere nur an DEEP BLUE SEA, johoho!) bleiben nicht aus, aber ansonsten gefällt der Film durch seinen Verzicht auf überflüssigen Firlefanz. Ich habe zuerst arg geschluckt, als ich sah, daß das Drehbuch zumindest anteilig von Darren Aronofsky stammt, der uns die wundervollen Filme PI und REQUIEM FOR A DREAM geschenkt hat. Tatsächlich versieht der anspruchslose Film seine einfache Story mit einer klaustrophobischen Atmosphäre, die mehr für seine Spannung tut als die gelegentlich aufkeimenden Actionakzente. Wer einen "all-out"-Schocker erwartet, wird möglicherweise enttäuscht werden. Die meisten der Gruselszenen verlassen sich auf Beiwerk, das bei Lichte betrachtet auch eine rationale Erklärung haben könnte, die in Schuld und Eingesperrtsein ihren Ursprung hat. Die einzigen auffälligen Schwächen, die mir aufgefallen sind, liegen in dem Bestreben der Macher, das Augenscheinliche zu sehr zu explizieren. So wird der Zuschauer völlig überflüssigerweise in der Epilogszene noch einmal darauf gestoßen, daß es sich möglicherweise um Einbildung gehandelt haben könnte. Auch gibt es einigen abergläubischen Quatschkram in Gestalt des zauselbärtigen Wallace, der schon auffallend früh übernatürliche Ideen etabliert - Soldaten haben ein dickes Fell und glauben nicht an Geister. Das war im 2. Weltkrieg so - das ist auch heute noch so!

Davon abgesehen ist der Film ein intensives Psychodrama, dessen Dialoge zwar viel nautisches Tanteratei enthalten, aber weitgehend frei sind von den mittlerweile zu gewärtigenden Peinlichkeiten. Mir gefiel der Film deutlich besser als der britische DEATHWATCH, der seine an sich interessante Schützengrabengeschichte mit allerlei phantastischen Ingredienzien würzte, die zu sehr nach dem aussahen, was sie waren - Spezialeffektebohei! BELOW bleibt sehr vage und mysteriös. Langweilig fand ich den Film an keiner Stelle. Wer keine hohen Ansprüche hat, kann bei dem Film eigentlich nur gewinnen.

Hier ein Interview mit dem Regisseur David Twohy, der zuvor den SF-Horror-Action-Film PITCH BLACK gemacht hat, der nicht nur schwächer war, sondern obendrein mit dem Diesel-Problem zu kämpfen hatte.
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#73 Cjamango

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Geschrieben 09. Mai 2004, 03:50

Wendigo (DVD)

Das Cover der DVD war recht irreführend - wer einen Horrorfilm erwartet, hat hier vermutlich nicht sein Auskommen. Genaugenommen fällt es schwer, den Film als Genrefilm zu bewerten, denn er zieht so eigenwillige Kreise, wie sie sich nur noch der Low-Low-Budget-Film erlauben kann...

Eine junge Familie - Vater, Mutter, Sohnematz - begibt sich ins verschneite Hinterland. Dort nimmt Papi erst einmal einen Hirsch auf den Kühler, der von einigen Rednecks gejagt wurde. Aha, sagt der erfahrene Genrefan - ein "Backwoods"-Film kündigt sich an! Die nächsten 30 Minuten schildern das Bemühen der Familie, sich in ihren Urlaubsbereich einzufühlen. Der übliche Konflikt Stadtmensch vs. Natur wird spürbar. Auch wird das Elend der indianischen Ureinwohner des Kontinents gestreift, da der Sohnematz in einem Laden eine Statue kauft. Der Indianer, der sie ihm angeboten hat, erweist sich als Phantom. Die Statue stellt einen Wendigo dar, einen indianischen Geist, der das gestörte Gleichgewicht der Natur richten soll. Nachdem man in den ruralen Frieden eingefunden hat, erwischt es Vater breitseits - eine zufällig (?) abgefeuerte Gewehrsalve fetzt in seine Hüfte. Ist die Familie damit zerstört?

Verrate ich jetzt mal nicht! Der mystisch akzentuierte Genrefilm hatte in den 70er Jahren seinen Höhepunkt. Damals konnte man in Hollywood wie anderswo Filme drehen, die sich einem konventionellen Handlungsgerüst verweigerten und stattdessen mit den Mitteln des Genrekinos die Botschaften der Macher unter das Volk streuten. Vor kurzem habe ich gerade PHASE IV gesehen - das war so ein Teil. Auch diverse australische Filme (z.B. PICKNICK AM VALENTINSTAG oder LONG WEEKEND) fallen mir da ein. Im gegenwärtigen Filmspektrum stellt WENDIGO ein ziemliches Unikum dar. Schwer zu sagen, wem's gefällt und wem nicht. Ich fand den Film grundsympathisch, schon wegen seines Beharrens auf realistischen Charakteren, die zudem von guten Schauspielern getragen werden - ich empfehle hier die englische Tonspur, wenngleich die Synchro beim Reinhören zumindest okay klang. Das Kind entstammt ausnahmsweise mal nicht der Reihe "Kinder sind zum Verbrennen da" (Copyright: Hahn/Jansen), sondern wirkt überzeugend. Die verschneiten Settings erinnerten mich zudem an meinen Aufenthalt in Maine, und sowas stimmt mich immer milde. Der Regisseur Larry Fessenden scheint dem New Yorker Underground entsprungen zu sein und hat in seinem Back-Katalog eine ganze Reihe von Kurzfilmen, darunter einen namens WHITE TRASH. Das Land birgt, scheint's, für ihn viel Faszination, aber auch viel menschliche Niedertracht. Sein WENDIGO dürfte so manchen unterhaltungssüchtigen Videothekenkunden verprellen, aber wer Geschmack an einem sehr merkwürdigen Psychodrama mit Horrorakzenten finden kann, könnte hier richtig liegen. Der Hirschmensch am Schluß ist der einzige Schwachpunkt des hübschen Filmes, aber da mußte man dem Affen vermutlich noch einmal Zucker geben. Ich war jedenfalls recht angetan.

Ein Interview mit Fessenden findet man hier und ein weiteres hier. Des Regisseurs eigene Öko-Homepage ist auch im Netz.
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#74 Cjamango

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Geschrieben 10. Mai 2004, 21:37

Pakt der Druiden (DVD)

Es gab eine Zeit, in der die Franzosen im Rahmen des Horrorkinos fantasievolle und eigenständige Filme hervorbrachten. Diese Zeit ist lang vorbei. Als ich vor einiger Zeit ein Werk namens DEEP IN THE WOODS zu sehen bekam, kamen mir fast die Tränen: Ein vorzüglich fotografiertes und zumindest ordentlich gespieltes Abziehbild von amerikanischen Slashern – was für eine Verschwendung! Ich bin ja ohnehin der Meinung, daß Slasher schmutzig, spekulativ und blutig zu sein haben, weswegen mir die verzogene Hochglanzbrut im Gefolge von SCREAM auch ziemlich am Po vorbeigeht. Hockeymaske auf, Machete einölen, Titten raus und ab geht die wilde Luzie, das ist der wahre Sportsgeist...

PACK DER DRUIDEN stammt von einem Mann mit dem merkwürdigen Namen Doug Headline und schlägt zu Beginn einen ähnlichen Weg ein wie Cravens Klone: Eine junge Studentin (die freizeits in einer jämmerlichen Disco den Tresen poliert) nimmt an einem Ausgrabungsprojekt teil an einem Ort, wo angeblich Merlins Grab und ähnliche Leckerli verbuddelt sein sollen. Es gibt einen guten Professor und einen Arsch-Professor. Schon bald geht obendrein ein geheimnisvoller Mörder um und fordert (unblutig) seine Opfer. Für etwa fünf Minuten dachte ich, das könne etwas werden, aber dann gingen mir die Pappkameraden, die hier als Charaktere aufgefahren werden, unglaublich auf die Nerven – das Drehbuch strotzt vor Klischees und dummen Dialogen. Schließlich geht es unter Tage, wo man sich um eine PAKT DER WÖLFE-Atmo bemüht. Ein paar selten unglaubwürdige Druiden-Jünger verzapfen Kokolores. Schließlich steigt einer in einen Zauberkessel mit Leuchtsuppe drin und verwandelt sich in den Keltengott Morigan, der aussieht wie ein abgemagerter Päderator mit Faschingsmaske. Es setzt einige extrem hanebüchene Actionszenen, die ich insgesamt weit weniger spannend fand als den ebenfalls höhlenlastigen ALIEN – DIE SAAT DES GRAUENS KEHRT ZURÜCK, und wer jenen Film gesehen hat, weiß, was das heißt!

Zwar kann man auch PAKT DER WÖLFE vorwerfen, daß seine Story nicht pulitzerpreisverdächtig und sein Hauptmonster ziemlich banane war, aber er verfügte zumindest über großen Reiz als Spektakel und war handwerklich sauber. Nicht so PACK DER DRUIDEN: Ein selten dummes Drehbuch, schlechte Schauspieler, eine effekthascherische Inszenierung – Mummenschanz par excellence! Im Grunde genommen ein echter Bäddie also. Wenn man darauf aus ist, bei einem Film andauernd aufzujaulen, liegt man hier goldrichtig. Ansonsten sorgt der Film für die komplette Spinatmaske.

Mumpitz!
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#75 Cjamango

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Geschrieben 11. Mai 2004, 13:05

Gestern gleich zwei neue Horrorfilm-DVDs ausgeliehen. Da sich eine längere Review nicht lohnt, gibt es heute zum selben Preis zwei kurze!

Slash (DVD)

Eine schlechte Rockband, die kurz vor ihrem ersten Plattenvertrag steht, begibt sich mit ihrem Bandbus in die abgasfreie Landluft von Texas, wo die Tante des Sängers gestorben ist. Dort treffen die Musiker auf die üblichen debilen Hillbillys, und da der Großpapa ein geisteskranker Mörder war, kreist alsbald die Sense...

Zu Anfang denkt man, man habe es mit einem authentischen Slasher der alten Schule zu tun - ein riemiges Teenie-Pärchen in Kasperklamotten, ein Auto bleibt liegen, Sense durch den Bauch. Leider fällt dem Regisseur im folgenden rein gar nichts mehr ein. SLASH bietet ein Zuviel als ziemlich unlustigen Füllszenen. So ab Minute 70 wird's dann wieder milde spannend, aber eine Offenbarung ist die Auflösung auch nicht gerade. Einziger Lichtblick des Ganzen (und das auch nur auf der englischen Tonspur) ist Steve Railsback, der nach seiner Teilnahme an dem guten ED GEIN einen weiteren Psycho-Hillbilly markiert. Davon abgesehen gibt es weder darstellerisch noch inszenatorisch Beeindruckendes zu sichten. Ich hatte ja gehofft, es würde sich bei dem Ding um richtigen Dreck handeln, wie ROCKTOBER BLOOD oder TERROR ON TAPE. Dazu ist der Film aber viel zu zahm und handwerklich schon zu ausgereift. (Ist schließlich eine "Universal"-Veröffentlichung...) Die Rockband hätte in meiner Fassung des Filmes eher wie eine Mongo-Version von "Twisted Sister" aussehen müssen, falls das überhaupt möglich ist. In SLASH ist sie aber einfach nur nichtssagend und blah, und der Schlußsong (der eine Rockversion von "Old McDonald had a farm" bietet) ist schon ein ziemlicher Tritt in die Zwölf...

Zweiter Film!

Hellborn (DVD)

Ein junger Mediziner möchte Assistenzarzt in einem abseits gelegenen Irrenhaus werden. Dazu meldet er sich bei Dr. Cord, der bereits ein bekanntes Buch geschrieben hat, aber man fragt sich, wie er das gemacht hat, denn er wirkt nur wie eine zynische arrogante Tucke, den seine Patienten einen feuchten Dreck scheren. Dem Neuling fallen einige Merkwürdigkeiten auf, die ihn zum Amateurdetektiv heranreifen lassen. Am Schluß kommt dann heraus, daß dem Satan gehuldigt wird, feat. Menschenopfer mit Kutten und Gruseldämon...

...und der Dämon ist vielleicht eine Gurke, mein lieber Scholli! Ein brauner Riesengremlin mit Pappschädel und reinkopierten Leuchteaugen, zwei Flügel, die aus weinrotem Stoff bestehen und eine Ritterrüstung um den brüchig aussehenden Torso - fehlt nur noch ein Partyhütchen! Der Film hätte was werden können, wenn man diesen maroden Flattermann schön häufig zu sehen bekommen würde. Tatsächlich hat er aber nur ganz zu Anfang und am Schluß zwei verschämte Auftritte, die durchaus Lachsalven hervorrufen können, aber der Rest des Filmes ist einfach nur langweilig und schleeecht... Der Held ist völlig farblos, der Oberschurke aufgesetzt und affektiert, und die Irren schmieren und chargieren, daß es einfach nur erbärmlich ist. (Die meisten machen nur debile Grimassen, zappeln herum und machen "Allrfffglll!") Der Schluß ist eine komplette Frechheit. Ich habe den Film überhaupt nur durchbekommen, weil ich die Fernbedienung verloren hatte und zu müde war, eine Suchaktion zu starten. Ab morgen werde ich erst mal wieder Qualitätsware sichten, denn meine Augen sind braungerändert von den letzten Tagen...
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#76 Cjamango

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Geschrieben 12. Mai 2004, 18:18

Identity (DVD)

Während eines verheerenden Unwetters treffen einige Menschen in einem abgelegenen Hotel aufeinander. Darunter befindet sich auch ein Cop, der einen gemeingefährlichen Irren überführen soll. Sehr bald schon gelingt dem Geisteskranken die Flucht, und los geht die wilde Hatz...

Trotz dieser sehr banal klingenden Inhaltsangabe war ich von dem Film nicht wirklich enttäuscht, da er insbesondere während der ersten Hälfte beachtlich spannend ist. Außerdem ist Tante Meta mit ihrer Ebene wieder anwesend: Die Erzählstruktur wird häufiger gebrochen als die Treuegelübde eines Hollywood-Stars. Bei aller selbstbewußten Gewieftheit des Drehbuches wird das "Bäumchen, wechsle dich"-Spiel aber irgendwann ermüdend, zumal sich der Effekt einstellt, den ich bei vielen dieser autoreflexiven Thriller jüngeren Datums habe: Ohne die Schlaumeiereien wäre der Film vermutlich viel spannender gewesen. Besonders im letzten Drittel, wenn man einigermaßen über die Spielregeln instruiert ist (die ich hier natürlich nicht verrate!), geht das Interesse des Zuschauers manchmal flöten. Zudem ist die Auflösung nicht wirklich die große Überraschung des Theatersommers, und die Wendung ganz am Schluß hätte man sich wirklich schenken können...

Aber man sollte nicht zu sehr meckern: Wenn man kein Meisterwerk erwartet, wird man sehr angenehm unterhalten. James Mangold ist mittlerweile ja kein heuriger Hase mehr und weiß, was er macht, wenngleich mir sein COPLAND um Klassen besser gefallen hat. Die Schauspieler verdienen wirklich diesen Namen (nach den Filmen der letzten Tage weiß ich das wirklich zu schätzen!), und John Cusack und Ray Liotta sind ja ein Pfund, mit dem man durchaus wuchern kann. Für ein "Ab 12" ist IDENTITY teilweise recht heftig und leistet sich sogar deutliche Horror-Anleihen. (Wobei man auch hier den alten Indianerfriedhof getrost hätte knicken können...)

Fazit: Solide Unterhaltung für einen verregneten Abend, den man sich nicht durch allzu Tiefschürfendes verderben möchte.
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#77 Cjamango

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Geschrieben 14. Mai 2004, 15:22

Living Nightmare (DVD)

Einen richtig ordentlichen Bäddie zu machen, will gelernt sein. Man kann nicht einfach schlechte Schauspieler nehmen, sie mit einem unmöglichen Drehbuch konfrontieren und dann erwarten, daß automatisch der besondere Charme einsetzt, den man gelegentlich mit filmischem Trash verbindet. Dem großen Harry Alan Towers gelang es in seiner Karriere mehrfach, das Kunststück zu meistern, und auch in den späten 80ern und frühen 90ern erreichte er in dieser Hinsicht Beachtenswertes.

Man denke nur an seine Edgar-Allen-Poe-Filme! In HOUSE OF USHER haben wir Oliver Reed, den dröhnenden Bär des britischen Kinos, in der Rolle des krankhaft empfindsamen Roderick Usher. (Seine Hyperästhesis wird immerhin von einem gelegentlich einsetzenden Röchelhusten angedeutet.) In der Rolle von Rodericks Bruder (!) Walter Usher (genialer Schachzug!) glänzt Donald Pleasance, der im Keller sitzt und Drillbohrerhandschuhe bastelt... RIPTIDE ist ein Attentat auf „Die Maske des roten Todes“, und die Maske ist in der Tat rot, wenn auch vor Scham: Herbert Lom leitet die Festivitäten und hat einige der erbärmlichsten Dialogsätze seiner Karriere. („Herzlich willkommen zu König Ludwigs großem Ostereiersuchen!“) Die Besetzungsliste teilt er sich in dieser Abomination mit Frank Stallone und einem debil dreinblickenden Blasluder namens Christine Lundé. Und wie war das bei „Edgar Allen Poes“ LOST GIRLS, der in einem Mädcheninternat spielt, das mit Pornodarstellern, Donald Pleasance, Robert Vaughn UND John Carradine bevölkert ist?

Was passiert, wenn Harry Alan Towers sich mit Yoram Globus zusammentut, der Hälfte der israelischen Produktionsfirma „Cannon“? Tobe Hoopers LIVING NIGHTMARE passiert da! Und auch wenn der Film die deliriösen Untiefen des wahrhaften Bäddietums (wie auch alles andere) tragisch verfehlt, gibt es immerhin einige Elemente, die ihn trashtechnisch bemerkenswert erscheinen lassen.

Da wäre zum einen das Setting. Der Film spielt in Alexandria. Hm. Also, ein israelischer Produzent, der nach Ägypten fährt, um einen anti-arabischen Film zu drehen, an dem fast nur Israelis mitgewirkt haben? LIVING NIGHTMARE könnte ebensogut in einem Kibbuz abgedreht worden sein – jedenfalls sieht er so aus. Die Handlung dreht sich um Genie (die heißt wirklich so!), die junge Tochter eines frommen Christen und Archäologen, der nach Artefakten des Urchristentums buddelt. Genie ist ein blonder Bimbo mit dicken Möpsen und einem gepunktetem Oberteil, das man nicht einmal in einem 80er-Jahre-Eissalon hätte tragen dürfen, ohne ausgelacht zu werden. Ihr Papa sieht genau so aus wie Papa Tanner aus der Serie ALF! Das trifft sich gut, denn Robert Englund ähnelt in seiner Rolle als Marquis de Sade (Genie: „Da kommt das Wort Sadist her, nicht?“) dem außerirdischen Knuddel stark, allerdings tuckig geschminkt und mit einer milchigen Kontaktlinse.

Genie läßt auf dem Marktplatz von Alexandria die Titten raushängen und wird sofort fast von vier räudigen Wüstenhunden vergewaltigt. Zum Glück kommt die angelesbelte Lebedame Sabina vorbei und boxt sie raus. Dafür führt sie Genie in die Freuden der Ausschweifungen ein, z.B. in einer original arabischen Lasterhöhle, feat. lauter dunkelhäutige Hengste und diverse Nackttänzerinnen. Bei einem Ausflug lernt Genie dann den Edel-Beduinen Mahmoud kennen, der aussieht wie ein arabischer Chippendale-Tänzer. (Auch dieser Schauspieler hat sonst nur in israelischen Produktionen mitgespielt – hm.) Dann gibt es eine Party mit einem Kasperletheater, dessen Akteure deutlich besser spielen als jene des richtigen Films. Dort wird ihr u.a. der Vater des Stechers ihrer besten Freundin vorgestellt – Zachi Noy! (Stöhn.) Freundin Beth läuft schließlich angewidert fort, da ihr Stecher von ihr widernatürliche Praktiken verlangt habe. (Als hätte da die Vorstellung des Vaters nicht schon gelangt...) Und zu guter Letzt trifft sie auch auf einen gewissen Paul Chevalier – Englund ohne Maske. Daß dieser sich als Nachfahre des Marquis de Sade entpuppt, auf einmal eine Perücke trägt und tuckig gestelzte Dialoge aufsagt, kann man auch nicht als große Überraschung werten...

Ich gelange immer mehr zu der Überzeugung, daß ich John Carpenter bitter unrecht tat, wann immer ich ihn für seine Geschmacklosigkeit scholt – Tobe Hooper hat diesbezüglich eindeutig mehr auf dem Kasten. Auch er hat freilich gute Filme gemacht, doch lassen die sich an der Hand eines ungeschickten Heimwerkers abzählen. Während er später mit THE MANGLER (ebenfalls von Towers produziert und mit Englund) noch eine der größten Horror-Granaten drehen sollte, die ich jemals gesehen habe, wirkt LIVING NIGHTMARE wie eine Vorskizze für das ganz große Versagen. Was sich die Schauspieler da leisten, ist größtenteils langweilig und hölzern. Die große Ausnahme bildet natürlich Englund, der aufdreht, als gäbe es kein Morgen, ein lausiges Make-Up zur Schau trägt und grausige Dialogsätze hat, z.B.: „Genieß´ den üppigen Duft der Schlammspuren, Eugenie!“ (Ach ja: Das eugenisch erzeugte Genie wird natürlich „Judschinie“ ausgesprochen...) Den üppigen Duft der Schlammspuren genießt die Hauptdarstellerin – die irgendwann einem Bundeswehrkoch eine gute Frau sein wird – in der deutschen Fassung natürlich nicht so ausführlich, denn die ist ziemlich zersäbelt.

Man sollte noch erwähnen, daß Englund auch ein paar ganz peinliche Freddy-Bezugnahmen geschenkt bekommt, etwa das lächerliche Teleskopmesser, mit dem er nicht nur in den Alptraumszenen herumfächert.

Fazit: Diese seltene Mischung aus Marquis de Sade und anti-arabischem Propaganda-Kino ist ein ziemliches Kuriosum, und während THE MANGLER wohl den Tiefpunkt im Hooper'schen Schaffen darstellte, war er doch deutlich unterhaltsamer als dieses wüste Wüstengemisch. Wer Lust hat, kann sich das Teil auf Premiere World anschauen, wo es derzeit läuft...

Zitat Sabina: „Diese Augen... Du hast ja keine Ahnung, zu welcher Dummheit ich sie verführt habe!“
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#78 Cjamango

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Geschrieben 14. Mai 2004, 23:49

Der rote Korsar (Video)

Burt Lancaster, strahlend in der Streifenhose, wendet sich an das Publikum und verkündet markige Worte...

Wohlan, Piratenfilme habe ich in meiner Kindheit für mein Leben gern gesehen! Und das ist auch kein Wunder, denn der Reiz des Desperadotums erschließt sich dem kindlichen Gemüt am trefflichsten in bunten Pluderhosen. Und wenn dann die Säbel noch richtig schön fliegen, und die Enterhaken ihr altes Lied singen, wie Helge Schneider das ausdrücken würde - dann geht in mir eine Sonne auf!

Erst beim nochmaligen Betrachten dieses Juwels fiel mir auf, wie uncharmant im Vergleich dazu FLUCH DER KARIBIK war - der hatte eigentlich nur Johnny Depp, und dessen Darstellung war wohl auch eher ein disparates Element in einem auf bloße Hardware reduzierten Film. DER ROTE KORSAR flippt locker durch seine 95 Minuten, und ich und meine Angetraute schwonken fröhlich die Piratenflagge!

Burt Lancaster ist natürlich ein Edel-Pirat. In Wirklichkeit waren die gar nicht so. Die echten Piraten - William Kidd, Edward "Blackbeard" Teach, Mary Read oder wie auch immer - waren meistens abscheuliche Gesellen mit einem lamentablen Mangel an Etikette und einer garstigen Vorliebe dafür, in den Eingeweiden ihrer Mitmenschen zu wühlen. Außerdem rochen sie streng. Sie durchwühlten mit ihren kessen Kielen die Gewässer der Freiheit, und dafür gebührt ihnen auch heute noch die Bewunderung vieler. Wenn der Schotmast knirscht und der Klüwerbaum auf achtern geht, da lacht das Herz so manches unscheinbaren Sparkassenbeamten, der für sein Leben gern seinem Boß voll eine auf's Maul zimmern würde.

Wo echte Piraten grimmige Direktheit hätten walten lassen, da erfreut Lancaster sein Publikum mit hehren Posen und einem Lächeln, das an Zahnvollzähligkeit selbst Ralf Möller in den Schatten stellt. Er erklärt sich zu einem Ränkespiel zwischen Regierung und Rebellentum bereit und muß beständig die einen gegen die anderen ausspielen. Während anfänglich die Loyalität zu seiner Piratenbesatzung im Vordergrund steht, gerät diese Maxime ins Wanken, als er die schöne Eva Bartok kennenlernt. Durch zahlreiche Wirrnisse gerät er aber ins wahre Piratenleben zurück und somit zum Happy End...

Die Story ist komplett nebensächlich. Im Vordergrund stehen die unzähligen Scharmützel, die sich Lancaster und sein stummer Kollege Nick Cravat, der einst im Zirkus sein Partner war, mit den bösen Regierungstruppen liefern. Im besten Slapstick-Stil führen die beiden die Autorität (Soldaten etc.) fortwährend an der Nase herum und geben sie der Lächerlichkeit preis - Punks mit Humor lieben diesen Film, jede Wette! Der Spektakel-Wert des Filmes leidet keineswegs darunter, daß Lancaster - aufgrund seiner zirzensischen Vergangenheit - die meisten Stunts selber abliefert. Das ist streckenweise atemberaubend - heutzutage wäre kein Hollywood-Star dazu in der Lage. (Schon, weil die Versicherungen da nicht mitspielen würden...)

Was Robert Siodmak hier abgeliefert hat, ist mein persönlicher Lieblings-Piratenfilm - Spaß von Minute Eins bis Minute Ultimo! Cora & ich haben noch Errol Flynn in dem Klassiker CAPTAIN BLOOD (1935) von Michael Curtiz nachgelegt, der ebenfalls extrem rockt und davon Zeugnis ablegt, daß die romantisierte Darstellung von Piratenhistorie eine ausgeprochen subversive Angelegenheit war, die zu einer Zeit in Hollywood Gesellschaftkritik formulierte, als das auf direkte Weise kaum möglich war. Und das mit Spaß, Stil und Spannung - was will man mehr?
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#79 Cjamango

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Geschrieben 18. Mai 2004, 02:00

Door Into Darkness (DVD)

Mit TV-Horrorfilmen ist das so eine Sache. Bedingt durch das magere Budget, die genormten Sehgewohnheiten des Publikums und die kurze Drehzeit, die den Regisseuren auferlegt ist, gibt es nur ausgesprochen wenig Sehenswertes auf diesem Gebiet.

Auch bei den Italienern verhielt es sich nicht wesentlich anders. Neben gelungenen (und bei uns nie veröffentlichten) Serien wie dem Klassiker "Il segno del comando" oder Lamberto Bavas "Alta tensione" gab es eine ganze Menge Schrott. Da die italienische Fernsehzensur es gerade in jüngerer Zeit gut gemeint hat, sind neuere Beispiele zumindest für Splatter-Fans manchmal von Interesse, aber Qualität macht sich nach wie vor rar.

Eine der berühmtesten Thriller-Serien der italienischen TV-Geschichte war LA PORTA SUL BUIO, ein eminent erfolgreicher 4-Teiler, mit dem der Sender RAI (der damals der einzige TV-Kanal war, der in der gesamten Republik empfangen wurde) sein Image etwas aufpeppen wollte. Für die Gestaltung versicherte man sich der Dienste des durch seine grellen und pittoresken Gialli auffällig gewordenen Dario Argento. Ausgestrahlt wurde die Serie erst 1973, aber ihre Vorproduktion geht bis ins Jahr 1971 zurück. Obwohl meines Wissens vor Jahresfrist eine japanische Laserdisc erschien, war mit einer DVD-Veröffentlichung nicht zu rechnen. Diese ist nun erfolgt, und ich habe mir die Folgen in einem Rutsch angesehen...

Episode 1 (Regie: Luigi Cozzi): Ein junges Paar bezieht sein neues Zuhause, das am Anus der Welt gelegen ist. Unglücklicherweise hat der Nachbar gerade seine Frau umgebracht, was zu diversen Verwicklungen führt...

Episode 2 (Regie: Dario Argento): In einer Straßenbahn wird eine tote Frau entdeckt. Obwohl sie ein Messer in den Hals bekommen hat, will keiner der anderen Fahrgäste etwas bemerkt haben. Der junge Kommissar hat einige Müh mit der Lösung dieses kniffligen Falles...

Episode 3 (Regie: Dario Argento + Luigi Cozzi): Auf dem Nachhauseweg läuft einer Autofahrerin eine junge Frau vor den Kühler. Bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, daß sie an einer Revolverkugel starb. Zwar entkommt die Augenzeugin dem Mörder, aber als sie mit der Polizei aufkreuzt, sind Leiche und Mörder verschwunden. Aber aus den Augen ist bekanntlich noch lange nicht aus dem Sinn...

Episode 4 (Regie: Mario Foglietti): In einer Nervenklinik gelingt einem gemeingefährlichen Psychopathen die Flucht. Sofort geschieht ein Mord. Auch die hübsche Protagonistin gerät in Gefahr, als sie sich in einen allzu strahlend aussehenden Mann verliebt, der sich schon bald als Faß ohne Boden erweist...

Wer blutige Gialli im Stil von Dario Argentos späteren Filmen erwartet, wird möglicherweise enttäuscht werden, denn die vier Folgen der Serie bemühen sich um gepflegten Suspense der subtilen Schule. Insbesondere die ersten drei Episoden sind dabei recht erfolgreich und für Fernsehfilme in der Tat beeindruckend spannend. Cozzi orientierte sich für seine Geschichte um den Gattinnenmörder in Not an den Erzählungen von Cornel Woolrich und speziell an Hitchcocks DAS FENSTER ZUM HOF. Dario Argento (der ein Pseudonym verwendete, da er die TV-Aktivität damals als abträglich für seine Filmkarriere bewertete) modifizierte ein Szenario, das er eigentlich für seinen ersten Film, DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE, entwickelt hatte. Speziell die letzten 10 Minuten sind unverkennbar Argento. Episode 3 sollte eigentlich von Argentos früherem Regie-Assi Roberto Pariante gedreht werden, dessen Resultate aber nicht Argentos Plazet fanden. Die letztendliche Geschichte ist nicht gerade überbordend originell, produziert aber auch reichlich Geknister und hat die schöne Marilù Tolo, die danach für einige Jahre Argentos Lebensgefährtin wurde. Den Abschluß macht ein Segment des RAI-Drehbuchautors Foglietti, das exzellent anfängt (mit sehr bizarren Kameraeinfällen), dann aber eher zu einem Psychodrama mit überraschendem Ende wird, in dem neben Robert Hoffmann auch Erika Blanc auftaucht.

Argento machte nach dieser TV-Serie den Historienfilm DIE HALUNKEN (mit Adriano Celentano), bevor er dann mit PROFONDO ROSSO den Weg einschlug, für den man ihn heutzutage entweder verehrt oder ablehnt. LA PORTA SUL BUIO ist ein durchaus lohnender Rückblick auf eine frühe Phase des italienischen Fernsehens, in der die aus dem Kino vertrauten Genremuster in ein strenges Korsett gezwängt wurden. Während die den Regisseuren auferlegten Zwänge mit den Jahren eher rigider wurden und zu immer banaleren Resultaten führten, findet man hier noch frischen Erfindergeist und Experimentierwut, sowohl in formaler wie in inhaltlicher Hinsicht. Alle Episoden haben kurze Intros, in denen Dario sich direkt an das Publikum wendet. (Dieser Umstand machte ihn übrigens quasi über Nacht zu einer populären Medienfigur!) Ein weiteres Plus ist die jazzlastige, stimmungsvolle Musik von Giorgio Gaslini.

Die Doppel-DVD enthält alle vier Folgen, wobei man aufgrund des miesen Grundmaterials, das zur Verfügung stand, eine recht schwache Bildqualität und diverse Tonstörungen in Kauf nehmen muß. Aber - entweder so oder gar nicht! Als Zeitdokument ist die Box unschätzbar und mit informativen, plauderfreudigen Einführungen von Luigi Cozzi versehen. Die Untertitel sind nicht gerade brillant, aber immerhin akzeptabel.

Argento-Fans sollten keine verlorengegangenen SUSPIRIA-Vorläufer erwarten. Stattdessen bekommen sie eine ausgesprochen spannende Kollektion von TV-Gialli geboten, bei der Italoploitation-Fans ein Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern feiern dürfen. In Anbetracht der lausigen Synchros, die man bei Kleinanbietern häufig verpaßt bekommt, bewerte ich die Tatsache, daß es sich hier "nur" um das Original mit Untertiteln handelt, als positiv.

P.S.: Cozzi bittet die Zuschauer in der Einführung mehrmals, die Folgen in schwarzweiß zu kucken, da sie für eine ebensolche Ausstrahlung konzipiert worden seien. Der Käufer des Silberlings kann seine eigene Wahl treffen, denn es ist natürlich die Farbfassung enthalten, aber ich habe den Weg der farblichen Selbstkastration beschritten und es nicht bereut... ;)
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Geschrieben 18. Mai 2004, 17:29

Bewegliche Ziele (DVD)

Einer der Regisseure, denen Roger Corman seine ersten Gehschritte im Filmgeschäft ermöglichte, war Peter Bogdanovich. Nachdem er bei THE WILD ANGELS und THE TRIP bereits Gelegenheit gehabt hatte, aktiv am Exploitation-Zirkus Cormans teilzunehmen, erreichte ihn eines Tages ein Anruf - ob er Lust habe, sein eigenes Filmprojekt zu realisieren. Boris Karloff stünde noch für zwei Drehtage unter Vertrag. Da müsse sich doch etwas herausschlagen lassen...

Bogdanovich sagte nicht etwa ab, sondern ergriff die sich ihm bietende Chance beim Schopfe. Das Ergebnis war TARGETS, einer der ungeschlagenen Low-Budget-Klassiker. Im Rahmen eines Thrillers konfrontiert Bogdanovich die imaginären Schrecken des klassischen Horrorkinos mit dem realen Grauen, das auf der Straße lauert, jederzeit bereit, zuzuschlagen und das Leben von Unbeteiligten zu verwüsten.

Die Story: Der legendäre Horrorschauspieler Byron Orlok (Karloff) will sich aus dem Geschäft zurückziehen. Er hat bemerkt, daß seine alten Gruselstücke von jungen Menschen eher belacht werden denn als schaurig empfunden. Auch geht ihm das heuchlerische Getue der Produktionskräfte auf den Geist. Er will seine Freiheit.

Damit entgeht auch dem Fernseh-Drehbuch-Mokel Sammy (Bogdanovich) seine erste Chance, einen ernsthaften Film zu drehen. Nach Kräften versucht er, den Horrorstar umzustimmen und ihm sein Herzensprojekt zu ermöglichen.

Gleichzeitig entschließt sich ein bislang unauffällig gebliebener Normalbürger namens Bobby Thompson dazu, seinem Leben eine dramatische Wende zu verleihen: Er erschießt seine Mutter, seine Frau und einen Dienstboten. Danach greift er sich das Waffenarsenal des Vaters und betätigt sich als Heckenschütze. Nach zahlreichen Morden verschanzt er sich in einem Autokino, wo Byron Orlok einen letzten großen Auftritt absolvieren will...

Das Budget muß ein flotter Witz gewesen sein. Was Bogdanovich aus seinem Konzept herausholt, ist wirklich Zauberwerk und liefert unter Vermeidung der meisten Thrillerklischees absolute Hochspannung. Das Drehbuch geht (auch schon bedingt durch die schmalen Produktionsumstände) extrem ökonomisch mit der Handlungsführung um und montiert die Insider-Filmstory parallel zu dem Amoklauf des Otto Normalverbrauchers. Die Bilder von Laszlo Kovacs sind dabei nüchtern, ohne überflüssigen Firlefanz und schaffen gerade in den Szenen des Heckenschützen eine klirrende Wirklichkeitsnähe. Der Psychopath (dessen Charakterisierung an die authentische Figur von Charles Whitman angelehnt ist) hat ein nettes Bubigesicht und agiert seine familiären Engpässe auf sozial abträgliche Weise aus. Besonders das brillante Finale - das Orlok mit dem Attentäter zusammenbringt - stellt diesen Zusammenhang klar.

Es ist ausgesprochen rührend, Karloff am Ende seiner Karriere noch einmal in einem richtig guten Film zu sehen. Der große Mime, der zu dieser Zeit bereits mit starken gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen hatte, war in den Vorjahren hauptsächlich in zweit- bis drittklassigen Horrorgraupen verwurstet worden. Insofern entsprechen die Ressentiments des Orlok in bezug auf das Filmgeschäft vermutlich auch seiner eigenen Gemütsverfassung. Der junge Bogdanovich (dem Chefzyniker Samuel Fuller beim Verfassen des Drehbuchs erhebliche Schützenhilfe leistete) konnte es sich leisten, in dieses Billigprojekt viel von seinen eigenen ätzenden Beobachtungen einzufügen, läßt aber den Film niemals zu einer matten "Seht, so schaurig ist Hollywood!"-Nabelschau verkommen. Im Vordergrund steht das vorzüglich erzählte Drama. Der Film wurde leider nur unter erschwerten Bedingungen ins Rennen geschickt, da die "Paramount" Angst hatte, die gewalttätige Geschichte könne unvorteilhaft mit den Ermordungen von Martin Luther King und Bobby Kennedy assoziiert werden. Trotzdem stellte der Film das Sprungbrett dar für die nachfolgende Karriere Bogdanovichs. TARGETS ist und bleibt aber - wie ich finde - einer seiner eindrucksvollsten Filme. Die DVD bietet den Film in überlegener Qualität und enthält einen Audiokommentar des Regisseurs sowie eine informative Einführung, in der P.B. einiges zu den Hintergründen erläutert. Toll!!!
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#81 Cjamango

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Geschrieben 19. Mai 2004, 17:45

Geständnis einer Nonne (Video)

Giulio Berrutis Gassenhauer GESTÄNDNIS EINER NONNE alias KILLER NUN ist schon lange nicht mehr über meinen Fernsehschirm geflimmert. Daß ich ihn heute mal wieder hervorkramte, ist einer Anfrage von Groucho zu verdanken, und das Wiedersehen war eine fast reine Freude!

Es geht um die wirklich unerhörten Zustände in einem von Nonnen geleiteten Seniorenstift, der unter der sachkundigen Fuchtel einer gewissen Schwester Gertrud (Anita Ekberg) steht. Dieser Alptraum in weiß hat eine schwere Hirnoperation über sich ergehen lassen müssen, in der ihr „das Böse aus dem Kopf geschnitten“ wurde. Die Trudl ist aber überzeugt davon, daß es immer noch spukt in ihrem Oberstübchen, nur daß der behandelnde Chefarzt (Massimo Serato) nichts davon wissen will. Um ihre Argumentation zu erhärten, leistet sich Schwester Gertrud einige Ausfälle: In einer wirklich großartigen Szene greift sie sich die dritten Zähne einer steinalten Frau und zertritt sie hysterisch keifend auf dem Boden des Eßsaals! (Die alte Frau stirbt daraufhin an einem Herzkasper...) Auch zumindest grenzwertig ist ihr Herumgespiele am Tropf einer Schwerkranken. Man bekommt das Gefühl, daß es sich bei Schwester Gertrud um eine tickende Zeitbombe handele. Schwer verständlich eigentlich, warum sich der Chefarzt so sträubt – ich würde das olle Schrapnell sofort einweisen lassen!

Die Scheiße trifft den Fächer (wie man in England sagt), als auf Geheiß der mörderischen Nonne der Chefarzt abkommandiert wird und stattdessen Joe Dallesandro erscheint, der nicht etwa einen Gärtner spielt, sondern einen weiteren Chefarzt. Schon bald sterben die Senioren wie die Fliegen. Hat Schwester Gertrud etwas damit zu tun?

Zeitweise hat man das Gefühl, es hier mit einem klerikalen Vorläufer von BAD LIEUTENANT zu tun zu haben, denn Schwester Gertrud tut wirklich alles, was sich für gute Nonnen kaum geziemt: Sie stiehlt, mordet, drückt sich Drogen, setzt sich nuttig aufgebrezelt in Aufreißlokale, und, am schlimmsten, hält üble Nachrede! Was mich an italienischen Sexploitation-Filmen immer wieder begeistert, ist der Umstand, daß die Filmemacher meist eindeutig linke Sympathien pflegten. In Deutschland war das immer anders. Man denke z.B. an Veit Harlans unglaublichen Homosexuellen-Film ANDERS ALS DU UND ICH oder die später auftretenden Almöhi-Sex-Schmonzetten, die sich weiß Gott nicht die sexuelle Befreiung aufs Wappen geschrieben hatten, sondern eher verschämte Schenkelschauen mit eingebautem Lustigmach-Faktor präsentierten. Französische Sexfilme gaben sich gelegentlich kämpferisch, erzählten aber meist sehr geradlinig von der entweder idyllisch verkitschten oder aber hemmungslos destruktiven Kraft der Libido. Im katholischen Italien war Sex im Film immer mit einer Decouvrierung der heuchlerischen Moral verbunden, und zwar ungeachtet der Tatsache, ob dies im Rahmen einigermaßen anspruchsvoller Ware geschah oder in letztklassigen Sex-Possen.

GESTÄNDNIS EINER NONNE ist ein filmischer Groschenroman, dessen Melodram so dick aufgetragen ist, daß sich die Balken biegen. Dabei wird dem Zuschauer nachdrücklich eingehämmert, daß das sexuell repressive Umfeld die Monster gebiert, die da ihr häßlich Haupt emporrecken. Berruti hat große Freude daran, liebgewonnene katholische Motive mit hemmungslosem Schmutz zu konfrontieren. Vgl. etwa jene Szene, wo eine Nonne dem flotten Dr. Dallesandro den Prengel polieren will zu den Klängen des „Dies Irae“ aus der Totenmesse.

Die Holzhammer-Strategien des Filmes werden aber noch übertroffen durch die Besetzung der Hauptrolle: 20 Jahre zuvor war Anita Ekberg in den Trevi-Brunnen geklettert. Eine Schauspielerin war sie damals nicht und sollte sie auch niemals werden, aber diese immerhin filmhistorisch heiliggesprochene Blondine in Sleazern wie DAS AUGE DES BÖSEN, DIE SÜSSE HAUT DER ANGELA oder eben diesem Hokomoko zu sehen, ist schon ein Erlebnis der besonderen Art. Und hier trifft es sie mit Abstand am derbsten: Als geiler Straps-Wal von Sankt Zellulitis läßt sie sich zu übelster Muzak aufreißen und in einem Treppenhaus verzuppeln. Das Drehbuch mutet ihr einige ähnlich gelagerte peinliche Auftritte zu, etwa den ersten Mord, bei dem sie in einer Fantasie (hoffentlich!) eine nackte Männerleiche begrabbeln darf, während parallel dazu ihre Gehirnoperation gezeigt wird... Das ist richtig gaga. Es gibt einen herzigen Subplot mit einer mädchenhaften Nonne, die Gertruds matronenhaften Reizen erlegen ist und sich gerne etwas an ihr schubbern würde. Anita/Gertrud verkündet aber, daß sie auf Männer stehe und demütigt die Kindfrau, indem sie ihre „schwabbligen, großen Brüste“ verhöhnt! Die Ekberg – um es jetzt mal ganz uncharmant zu sagen – war zu diesem Zeitpunkt bereits sehr dick. Die im Trevi-Brunnen, und der ganze Platz schwimmt! Da kann man schon nicht mehr von Steinen sprechen, die auf Glashäuser geworfen werden – das ist exakt das hier...

Die „tour de farce“ von Frau Ekberg wird gnadenlos durchgezogen bis zum Schluß, bis sie endlich ihren Captain Ahab gefunden hat. Neben Serato und einem herrlich deplazierten Dallesandro gibt es noch ein Wiedersehen mit der großen Alida Valli, und auch Lou Castel kraucht an Krücken umher. Die Musik stammt von Alessandro Alessandroni, der u.a. ein Spannungsthema serviert, das seine Gitarren-Riffs zu Morricones AUTOSTOP ROSSO SANGUE variiert.

Insgesamt hat mir das Wiedersehen mit GESTÄNDNIS EINER NONNE also durchaus Spaß gemacht. Wer deftigen Sex erwartet, sollte womöglich weitersuchen. Auch die Blutrunst (auf der alten Bavaria-Kassette geschnitten, im TV komplett) hält sich in Grenzen. Aber was schreckliche Zurschaustellungen alternder Diven angeht, so habe ich dieses Werk im lustigen Buch von Christoph Dompke eindeutig vermißt. Un-glaub-lich!
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#82 Cjamango

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Geschrieben 28. Mai 2004, 23:41

Im Vorhof zur Hölle (DVD)

STATE OF GRACE von Phil Joanou ist ein sträflich vernachlässigtes Juwel des neuen Gangsterfilmes, wie ich bei der heutigen Wiederbetrachtung erneut feststellen durfte. Angesichts des heutigen Überschusses an Hollywood-Generalverdummungs-Mobilmachung ist solch ein intimer, charakterzentrierter und stimmungsvoller Film ein gehöriger Mutmacher. Sieht man einmal von ROAD TO PERDITION ab, kann ich mich an keinen ähnlich gelungenen Film dieses Sujets aus jüngerer Zeit erinnern...

Terry Noonan (Sean Penn) ist einst in Hell's Kitchen, einem besonders ruppigen Viertel der Bronx, aufgewachsen, inmitten des irischen Einwanderergewimmels. Der harten Schule von damals ist er entflohen und hat sein Heil in zahllosen Regionen der USA gesucht, in denen er aber auch nicht glücklich geworden ist. Schließlich kehrt er zurück, als kleiner Glücksucher und Gelegenheitsganove. Bei einem Zwischenfall mit Drogendealern kommt es zu einer Schießerei, bei der zwei Menschen den Tod finden. Dieser Umstand ist seine Visitenkarte in den Flannery-Clan, der von dem extrem toughen Frankie (Ed Harris) geleitet wird. Dessen kleiner Bruder Jack (Gary Oldman), Terrys bester Freund aus Jugendtagen, ist begeistert, den verlorenen Kumpel wiederzutreffen. Schon bald kristallisiert sich allerdings heraus, daß die Gangsteraktivitäten der Flannerys eine zu harte Nuß darstellen für Terry, denn...

SPOILERWARNUNG

...er ist in Wirklichkeit als Undercover-Ermittler für die Polizei tätig und soll den Iren-Mob auskundschaften. Dieser Umstand wird allerdings schon nach etwa 40 Minuten klar, weswegen das jetzt auch nicht wirklich ein echter Spoiler ist – steht auch fett auf dem Klappentext druff! Aber mich hat's halt überrascht, denn ich lese keine Klappentexte, und mein Gedächtnis ist auch nicht mehr das, was es mal vor dem Krieg war...

SPOILERENDE

... und so wird Terry alsbald von Gewissensbissen gepeinigt: Durch die Wiederbegegnung mit den Freunden von einst werden ihm die Gemeinsamkeiten wieder deutlich, die er längst vergessen zu haben glaubte. Gleichzeitig sieht er aber auch, was für eine Gefahr die Verbrecher darstellen. Jack etwa – obwohl Terrys bester Freund – ist ein wesentlich schwächerer Mensch als der diamantharte Frankie und überspielt seine unterliegende Unsicherheit mit coolem Gehabe und cholerischen Ausbrüchen, die schon mal unschuldigen Außenstehenden ein paar Zähne oder sogar das Leben kosten können. Auch die Beziehung zu Terrys Jugendliebe Caitlin, die wieder aufgeflammt ist, macht die Sache nicht einfacher. Für sie liegt der Fall ähnlich wie für Terry: Obwohl sie sich von ihren Ursprüngen entfernt hat und ihren Bruder Frankie und seine Spießgesellen verachtet, sind sie eben doch letzten Endes ihre Familie. Diese Verzahnung von moralischen Fallstricken und unmittelbarer Bedrohung von Leib & Leben wird schließlich gruppendynamisch ausagiert vor dem Hintergrund des Umzuges am St. Patrick's Day...

Ethnische Minderheiten waren auch das Thema von Michael Ciminos hervorragendem Polizistendrama YEAR OF THE DRAGON, und auch wenn STATE OF GRACE an das emotionale Wechselbad jenes „Ein rassistischer Polackenbulle räumt in Chinatown auf“-Filmes nicht ganz heranreicht, so bilden doch ähnlich intensive moralische Grundfragen sein Rückgrat. Die Welt von STATE OF GRACE ist eine Welt harter Männer, die nach streng kodifizierten Verhaltensweisen leben. Die Welt der Gefühle ist den meisten Protagonisten vollkommen fremd. Sie haben sich durch ihre Erziehung einer Umgebung angepaßt, die von ihnen ein striktes Funktionieren erfordert. Wer aus der Reihe tanzt, wird ausgeschaltet. Selbst die Blutsbande treten gegenüber diesen Kodices in den Hintergrund, wie an verschiedenen Stellen des Films deutlich wird. Frankie ist dabei der härtere der beiden Brüder: Er weiß um die geheime Welt und klammert sie bewußt aus (was u.a. die Beziehung zu seiner Schwester dokumentiert) – er hat seine Prioritäten gesetzt. Jack hingegen (Paraderolle für Oldman!) weiß nichts von den Komplikationen. Er spürt sie nur manchmal schmerzhaft, wenn er an seine Grenzen stößt – dann keilt er brutal aus. Er ist an keiner Stelle des Films so ehrlich wie in jener Szene, wenn er aus Trauer über den Mord an einem Freund zuerst einen komplett Unschuldigen vermöbelt, sich dann besäuft und in einer Kirche randaliert. Vor einer Heiligenstatue klappt er dann zusammen und beginnt haltlos zu schluchzen und für seinen Freund zu betteln – Parallelen zu BAD LIEUTENANT sind da durchaus nicht von der Hand zu weisen... Terry Noonan schließlich ist sich seiner Judasrolle voll bewußt und leidet darunter, daß er – egal, was er tut – nur das Falsche tun kann. Er vernichtet mit dem nach Gesellschaftsmoral Bösen auch eine wichtige Seite seiner selbst. Alle Entschuldigungen und Alibis für seine Position verliert er im Laufe des Films. Am Schluß kann es da nur eine Rückkehr zum atavistischen Racheprinzip geben, die ihm auch seine Erziehung vorgibt – das irische Blut hat gesiegt...

STATE OF GRACE ist vor allem einmal imposant gespielt. Sean Penn habe ich selten so brillant gesehen wie in diesem Teil, Gary Oldman garyoldmant in gewohntem Stil alles an die Wand, und Ed Harris paßt sich dem hohen Qualitätsstandard mühelos an. Robin Wright (Sean Penns Ehefrau) ist „too beautiful for words“ und verkörpert das Ideal der irischen Schönheit mit Querkopf. James Russo (einer meiner New Yorker Lieblingsschauspieler) hat einen guten Gastauftritt, John Turturro glänzt als Bulle, und selbst der gute alte Burgess Meredith taucht kurz auf, als seniler Alkoholiker, der nur in Ruhe in seiner Angst leben möchte... Daß ausgerechnet U2-RATTLE AND HUM-Regisseur Phil Joanou diesen Film so ruhig und unspektakulär gedreht hat, hat mich sehr gewundert, aber die gewalttätigen Eruptionen sind in der Tat die Ausnahme. Am Schluß gehen ihm allerdings alle Gäule durch, wenn auch zum Vorteil des Resultats: Der „St. Patrick's Day“ wird in all seiner pittoresken Pracht gezeigt, während sich anderswo ein zeitlupiges Blutbad zuträgt, daß dem Film seine wohlverdiente 18er-Freigabe gesichert hat – da fliegt die Suppe quer durch die Küche! Ennio Morricones Soundtrack unterstreicht den schicksalshaften Charakter der ablaufenden Tragödie und versieht seine moll-lastigen romantischen Motive mit vielen schrägen Brechungen – eine weitere CD des Maestros, nach der ich mal Ausschau halten werde!

Unterm Strich handelt es sich bei STATE OF GRACE um einen zwar altmodischen, aber emotional ungemein intensiven Gangsterfilm, hinter dem sich viele moderne Starkmännereien getrost verstecken können! Die DVD von MGM präsentiert den Film in hervorragender Qualität. Zwar wird der Verzicht auf Extras viele Kunden etwas vergrellen, aber ich gehöre ja noch zu jenen Film-Fans, für die in erster Linie der Film als solcher von Interesse ist und die sich darüber freuen, wenn solche schönen Straßenfetzer für 9 Euro 99 im Kaufhaus-Regal auftauchen!
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#83 Cjamango

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Geschrieben 29. Mai 2004, 06:03

Reise ins Glück (Nabelpiercing)

Der Text zu Wenzel Storchs neuem Film hier!
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#84 Cjamango

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Geschrieben 01. Juni 2004, 12:32

Twister (Video)

In den fünfziger Jahren hatten die Katastrophen-Filme eine Laufzeit von etwa 75 oder 80 Minuten und waren strikte B-Ware. Seitdem Irwin Allen mit seinen Monumentalfilmen (FLAMMENDES INFERNO et al) die Dauer solcher Unterhaltungen deutlich hochgeschraubt hat, ist das Gardemaß für zünftige Weltuntergangs-Szenarien ein anderes – unter 50 bis 60 Millionen Öcken macht das heute kein Produzent mehr. Steven Spielberg schon gar nicht: Nach langen Jahren des strammen Ignorierens habe ich mir jetzt endlich einmal TWISTER angesehen, von dem ich bislang immer dachte, er handele von dem gleichnamigen Speiseeis. Cora hatte aber Bock auf Katastrophen, und so durfte ich denn feststellen: Der Film HANDELT vom gleichnamigen Speiseeis!

Muaaaah, was 'ne Graupe! Kommen wir erst einmal zu den Wissenschaftlern: Natürlich darf man nicht erwarten, daß die Drehbuchautoren auch nur im mindesten über meteorologische Kenntnisse verfügen, doch kann man dann nicht wenigstens Knallchargen besetzen, die einigermaßen glaubhaft Heldentugenden verkörpern? John Agar oder Peter Graves vielleicht? Die Wissenschaftler aus TWISTER erinnern jedenfalls an eine Horde geistig zurückgebliebener Trekkies mit schweren Beziehungsproblemen. Und die Beziehungsprobleme sind sooo unbrisant. Abgesehen davon, daß Bill Paxton in diesem Film stark an Fernseh-Kanonen wie Marc Singer erinnert und seine Besessenheit mit Wirbelstürmen (die im wirklichen Leben zumindest kommentarintensiv, wenn nicht sogar Grund zur Einweisung in eine Geschlossene wäre!) in seinen glatten Zügen nicht wirklich aufschimmert, sind seine zwei Frauen so uninteressant charakterisiert, daß selbst der durchschnittliche Event-Movie-Fan eigentlich jaulen müßte. Helen Hunt ist die burschikose Ex-Kumpelette, der jegliche sexuelle Ausstrahlung völlig abgeht und der deshalb im Rahmen dieses Spektakels das „Sie finden eh wieder zusammen“ geradezu auf die Stirn tätowiert ist. Vom Zielpublikum wird ja auch nicht erwartet, daß es heftig masturbierend auf den Kinosesseln herumbubbert, während Anna Falchi den Wetterfrosch quaken läßt... Auch sie ist dem diskreten Charme der Wirbelstürme verfallen und setzt ungehemmt nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das von komplett Unbeteiligten aufs Spiel. Yippie! Die Alternative zur geschlechtsneutralen Nerd-Frau ist ein ebenfalls farbloses Zierpüppchen, gespielt von Jamie Gertz, die es sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund in den Kopf gesetzt hat, aus dem Fachidioten Paxton einen braven Hausmann zu machen. Das Zielpublikum der 12-Jährigen jeden Alters hat da natürlich etwas gegen, denn „boys will be boys“, und wir lassen uns das Singen nicht verbieten. Vernunft hat in diesem tobenden Inferno nichts verloren. Schade nur, daß der Beziehungskonflikt so vorhersehbar und so uninteressant ist. Man wünscht den Wirbelstürmen, die in dieser Region der USA (=Oklahoma) anscheind im 5-Minuten-Takt durch die Gegend ziehen, bei der Verrichtung ihrer sinnvollen Tätigkeit alles Gute!

Es gibt einen bösen Wissenschaftler, der von Cary Elwes gespielt wird und ähnlich langweilig konzipiert ist. Merke: Wenn etwas schon nach Schema F verläuft (und das ist bei Unterhaltungsware in der Regel der Fall), dann sind wenigstens die Schurken markig zu gestalten und mit dem Reiz der Schlangengrube zu versehen. Hier wird das komplett verschenkt – der Böse ist lediglich ein Negativ-Nerd, der tatsächlich geistig noch umnachteter erscheint als seine Kollegen. Die übelste Rolle hat der eigentlich hochbegabte Philip Seymour Hoffman erwischt, dessen Gehampel als „lustiges Element“ so auch von Daniel Küblböck hätte übernommen werden können. Toll auch die Einführung einer Eso-Omi, der lauter klingelndes Gepömpel vor dem Haus aufgehängt hat, bis zum Brechreiz mutig und gefaßt ist und ansonsten mit dem Charme der frohgewordenen Vettel verbissen in die Kamera grient. („Rettet Tante Meg!“)

Das Einzige, was mir an dem Film gefallen hat, war die herumfliegende Kuh, die „Muuuuh!“ macht – die hatte was und strahlte eine Würde aus, die den meisten Beteiligten ziemlich abging. Damit wir uns recht verstehen: Gelacht haben ich und meine Mitzuschauerin eine ganze Menge, aber hauptsächlich aus den falschen Gründen! Als einer der „Wissenschaftler“ die Erscheinung eines Wirbelsturms ernsthaft mit den Worten kommentiert: „Der Finger Gottes!“, johlten wir beide fröhlich los und hielten den Stinkefinger gen Fernseher... Auch interessant die ewige Grundfrage, warum die Amis in solch einer krisengeschüttelten Region ihre Häuser offensichtlich aus Pappe basteln und die Schutzräume irgendwo 50 Meter vom Wohnraum entfernt anlegen, wo man im Bedarfsfall eh nicht mehr rechtzeitig hinkommt...

Jetzt wünsche ich mir einen Film über eine wildgewordene Springflut. Den kann man dann „Ed von Schleck“ nennen. Der sieht auch so „nerdy“ aus.
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#85 Cjamango

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Geschrieben 01. Juni 2004, 13:23

Lake Placid (Video)

So, und in einem Rutsch haben wir uns dann noch den Kroko-Krauler LAKE PLACID angesehen, der von manchen als LAKE RANCID verunglimpft wird... Und was soll ich sagen? Verglichen mit TWISTER war das ein Musterbeispiel für einen kleinen, bescheidenen Monsterfilm, dessen Drehbuch die meisten Klippen wesentlich eleganter meisterte, als das bei der wurmstichigen Windhosenaffäre der Fall gewesen war!

Steve Miner (UND WIEDER IST FREITAG DER 13.) beginnt seinen Film mit einem Tierforscher, der im titelgebenden See Biber studieren will. Dabei beleidigt er sofort den dicklichen Stadtsheriff (Brendan Gleeson) und trägt städtische Borniertheit zur Schau. Unter Wasser setzt es dann natürlich sofort die seit JAWS obligatorischen subjektiven Aufnahmen aus der Sicht eines Haies, eines Bibers, einer Seegurke, was immer. Die Kamera fährt langsam von hinten an ihn ran, während er einen Biberbau bestaunt. (Cora: „Jetzt fickt der Biber ihn gleich in den Arsch!“) Dann gluckert es unschön im Wasser, der Taucher erscheint an der Wasseroberfläche, wird von unbekannter Hand (?) einige Meter hin und her geschleudert und dann als eingeweideschlackernder Torso geborgen.

Zu diesem Zeitpunkt freuten ich und Cora uns nicht nur über das Auftauchen von Schpledder, sondern stellten Mutmaßungen an über den gewaltigen mutierten Biber, der zweifelsohne das Monster des Filmes stellen würde. Da es eine ganze Zeit dauert, bis man das Monster tatsächlich zu sehen bekommt, biberten wir fleißig vor dem Bildschirm mit!

Leider erweist sich das Monster als riesiges Krokodil, aber während in TWISTER langweiliges Familien-Gedöhns in epischer Länge abgehandelt wird, gibt es hier die Tröstungen von zum Teil sogar ganz lustiger Komödie. Am besten gefällt mir dabei der Sheriff, der sich von nahezu allen anderen Protagonisten kiebige Bemerkungen in Richtung Landeiertum gefallen lassen muß. Zu Anfang beweist er dabei noch Sportsgeist und ein dickes (Biber-)Fell, aber im weiteren Verlauf der Handlung platzt ihm der Kragen... Die Helden sind diesmal Bill Pullman und Bridget Fonda. Na ja. Hätte schlimmer kommen können. Pullman verbinde ich leider immer mit seinem Präsidenten aus INDEPENDENCE DAY, aber mit LOST HIGHWAY erreichte ihn der Adelsschlag. Den muß Bridget bis heute noch vermissen, aber immerhin ist ihre Wissenschaftler-Schnepfe um einen Tacken besser als ihr Gegenstück aus dem Windbeutel-Film, und herzzerreißend ist ihre Vorgeschichte, da ihr der Beziehungspartner von einem brünetten Bimbo (der Tochter von Mickey Hargitay!) ausgespannt wurde. Ernst nehmen soll man bei diesem Film gar nichts, und so kommt dann irgendwann Oliver Platt dazu, der den zynischen „Wissenschaftler ohne soziale Fertigkeiten“ spielt. Der hat allerdings einige Male die Lacher auf seiner Seite, und man fragt sich sehr bald, wann der Sheriff ihm endlich eine aufs Maul haut! (Geschieht mehrmals.)

Insgesamt ist LAKE PLACID natürlich eine durchweg unoriginelle Geschichte, aber das Drehbuch ist immerhin recht fair und serviert dem Zuschauer neben den parodistisch angelegten Charakteren genügend appe Köpfe und Kroko-Gewimmel, um anmutig über die Runden zu kommen. Mehr als 5 Millionen hat der Film eh nicht gekostet, und dafür finde ich das Resultat mundgerecht. (Man vergleiche ihn etwa mit Tobe Hoopers CROCODILE...)

Mit Bibern wäre der Film aber besser gewesen!

P.S.: Ich verweise da aus meiner Lieblingsszene in DIE NACKTE KANONE, in der Priscilla Presley auf eine Leiter steigt, um ein Buch aus dem Regal zu holen. Leslie Nielsen schaut unter ihren Rock und sagt: „Nice beaver!“, woraufhin sie ihm einen ausgestopften Biber herunterreicht... 
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Geschrieben 01. Juni 2004, 14:22

Five Dolls For An August Moon (US-DVD)

Die DVDs aus der Mario-Bava-Reihe von „Image“ haben ja insgesamt eine durchaus durchwachsene Qualität, die in keinem Verhältnis zum Anschaffungspreis steht. TWITCH OF THE DEATH NERVE etwa hat ein okaynes Bild, aber der Ton ist einfach grausig. BARON BLOOD ist auch ziemlich mau.

FIVE DOLLS hingegen ist wirklich ganz ordentlich. Der englische Sound könnte natürlich besser sein, aber ehrlich gesagt stehe ich eh nicht so auf die Export-Synchros bei italienischen Filmen – die sind selbst bei Argento lausig! Am liebsten habe ich ja die vielgescholtenen deutschen Kino-Synchros alter Tage. Wenn jene aber nicht zur Verfügung stehen – wie bei CINQUE BAMBOLE -, dann weiche ich meistens auf die Option „OmU“ aus.

Zum Film selbst ist zu bemerken, daß er gegen den gerade vorher entstandenen DIABOLIK natürlich etwas abstinkt, aber in formaler Hinsicht bekommt man einiges geboten. Die Story ist sehr dünn, zugegeben, aber das war bei Gialli ja immer so. Es geht um einen Professor (William Berger), der eine mysteriöse Formel erfunden hat, die das geballte Interesse einiger Finanzhaie erregt. Im auf einer abgelegenen Insel situierten Strandhaus des Wissenschaftlers kommt ein buntes Grüppchen zusammen, das vollständig aus halbseidenen Geschäftemachern und ihren schmuckbehangenen Schlampen besteht. Schon bald hält Freund Heiner Einkehr, und im Kühlraum stapeln sich die Leichen...

Fotografiert ist diese „Zehn kleine Negerlein“-Geschichte mit der von Bava gewohnten Sorgfalt und Primärfarbenlastigkeit. Der Umstand, daß der Film zur absoluten Hohezeit des bunten Beat-Schnickschacks (inklusive der zeittypischen Mode-Narreteien und Frisuren-Verbrechen) entstand, sichert ihm ebenso Schauwerte wie die Anwesenheit von Hübschinen à la Edwige Fenech (die zu Beginn einen tollen Tanz aufführt) oder Ira von Fürstenberg. Im Vergleich zu Bavas Ur-Giallo BLUTIGE SEIDE ist festzustellen, daß die Spannung des Filmes erst relativ spät einsetzt. Auch so werden Auge und Ohr aber angemessen umkuschelt, und für das Ohr ist die Easy-Listening-Mucke von „Manna Manna“-Schöpfer Piero Umiliani zuständig – eine Bank!

Insgesamt war ich auch beim nochmaligen Ansehen des Filmes sehr zufrieden. Böse Menschen, die sich gegenseitig dezimieren, sind immer eine sichere Miete, finde ich. TWITCH OF THE DEATH NERVE – der in mancherlei Hinsicht vorskizziert wird – gefällt mir noch eine Nummer besser, aber man soll nicht mosern...
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Geschrieben 02. Juni 2004, 02:01

Collateral Damage (Video)

Mit Arnold Schwarzenegger ist das so eine Sache. An und für sich finde ich viele seiner Filme sehr unterhaltsam, und ihn selbst, bevor er in die Politik einstieg, sogar nachgerade sympathisch. Ein Schauspieler – das kann nicht verschwiegen werden – isser aber nicht! Schwierig wurde der Fall ab einem gewissen Zeitpunkt in seiner Karriere, wo dem kräftigen Herrn aus der Steiermark auch Rollen zugedacht wurden, die im Verlaufe der Handlung eine Entwicklung durchlaufen, was ja schon eine gewisse mimische Expertise erfordert. Während sein langjähriger Muskel-Mitstreiter Sylvester Stallone diesbezüglich zumindest auf dezente Meriten verweisen kann – gekürt von seiner hervorragenden Leistung in COPLAND -, sah es bei Arnie immer etwas duster aus. Ich kann mir nicht helfen – ich muß immer daran denken, was wohl wäre, wenn man an seiner statt Olli Kahn in den Dschungel geschickt hätte, um den Päderator rauszuboxen... Mein Lieblingsfilm mit ihm bleibt – neben den ersten beiden Terminatoren – vermutlich der strunzblöde COMMANDO, der in seiner Tumbheit aber richtig großes Kino darstellt, da gibt es nix...

COLLATERAL DAMAGE nun wurde vor 9/11 gedreht, kam aber erst nach dem schicksalsträchtigen Tag heraus. Als ich den Film das erste Mal zu kucken versuchte, schaffte ich gerade mal eine halbe Stunde. Beim zweiten Anlauf kam ich durch, und gar so schlimm ist der Film eigentlich doch nicht, wenngleich ihm der Trash Appeal vergleichbarer Filme dramatisch abgeht. Die unschuldige Doofheit etwa der Dudikoff-Epen besitzt er an keiner Stelle. Stattdessen setzt er hier und da kritische Akzente, die aber im weiteren Verlauf der Handlung völlig fallengelassen oder sogar negiert werden. Das wirkt dann schon eher ärgerlich als unfreiwillig belustigend.

Aber langsam: Arnold spielt einen Feuerwehrmann namens Corky oder Corny Brewer, der bei einem Terroranschlag auf das kolumbianische Generalkonsulat seine Frau und seinen Sohn verliert. Es wird vom Drehbuch immerhin dezent angedeutet, daß persönliche Schuldgefühle ihn zwacken, aber im Groben & Ganzen ist es die Lust nach der Blutwurst, die ihn antreibt. Nachdem die Versteinerung des ersten Moments verflogen ist, haut er eine politische Gruppierung von linken Zecken zu Klump und reist dann inkognito über Panama nach Kolumbien, um dem Top-Terroristen „El Lobo“ die Lichter rauszuhauen. Bis hierhin könnte der Film noch eine gute unfreiwillige Komödie werden. Schon komisch: Da kommt der dicke Österreicher, dringt ohne Visum in ein kriegsumwittertes Land ein und läuft dann einfach so durch die Gegend, ohne daß groß was geschieht. Da ihn ein hinterhältiger Uhrenhändler verpfeift, wird er von der Staatspolizei gekascht. Durch Mithilfe eines kanadischen Notzuchtverbrechers mit direktem Draht zu den Guerilleros gelingt ihm das Vordringen in den Sektor, der von den Rebellen kontrolliert wird. Da trifft er den nächsten pittoresken Charakter – einen ein „Metallica“-Shirt tragenden Pachuco, der gerne in den USA schlechten Anti-CIA-HipHop machen möchte und so lange für die Rebellen Kokain anbaut...

Merkt Ihr was? Der Dünnpfiff fließt in Strömen! Rein dramaturgisch ist festzuhalten, daß der Film mit einem komplett verschenkten Feuerwehr-Einsatz beginnt, bei dem noch rein gar nichts etabliert ist und der somit wirkungslos verpufft. Der Terror-Anschlag macht gut rabumm, aber nach dem müßigen Gehampel in Brewers Heimat (feat. the always obnoxious sunglasses-wearing CIA goons) kommt es in Kolumbien nur zu einigen viel zu schnell (=unübersichtlich) geschnittenen Actionszenen, namentlich dem Angriff der Guerilleros auf die Staatspolizei und Arnies Massaker im Kokain-Camp der hampelnden HipHop-Gangster.

Nachdem dann der Ober-CIA-Motz eine ganze Wagenladung unschuldiger Zivilisten niedermetzelt und einiger pathetischer Moraltönjes abgesondert wird (auch „El Lobo“ hat seine Tochter verloren!), wechselt die Handlung wieder zurück in die Vereinigten Staaten: Auch in Washington DC soll eine Bombe versteckt sein. Ab dort wird der Film fast gut, aber die Kaltschnäuzigkeit, mit der die aufgeworfenen moralischen Fragen von der Oberflächenspannung, die auf einmal losbricht, beiseite gefegt werden, hätte schon vor den „Twin Towers“ einen ranzigen Nachgeschmack hinterlassen...

Regisseur Andrew Davis verdiente sich sein Lehrgeld als Kameramann. Einen frühen Glanzpunkt setzte er mit dem zumindest okaynen Backwoods-Slasher THE FINAL TERROR (ANGST/TODESFALLE AM MILL CREEK), der u.a. Daryl Hannahs Karriere lancierte. Er selber machte sich einen Namen als Actionregisseur, zuerst mit Chuck Norris in CUSACK DER SCHWEIGSAME und dann mit Steven Seagal, mit dem er auch seinen besten Film, den bombigen ALARMSTUFE ROT, drehen sollte. Seine sonstigen Arbeiten zeichnen sich durch die komplette Vermeidung eines eigenen Stils bei gleichbleibender technischer Kompetenz aus. Allerdings benötigt man auch bei Haudrauf-Actionfilmen ein Drehbuch mit guter Grundsubstanz und Sinn für Dramaturgie, und mit beidem ist das Skript der Griffiths-Brüder (die bei Friedkins Männlichkeits-Epos THE HUNTED bessere Arbeit leisteten) nicht überreich gesegnet.

Wäre der Film einfach nur ein duller Hochglanz-Actionfilm (oder gar eine komplette Granate wie RAMBO 2 oder DIE CITY-COBRA!), dann wöge das nicht schwer. Bei COLLATERAL BLADDER DAMAGE bemüht man sich leider um Schattierungen, und das geht komplett in die Hose. Es wird angedeutet, daß Arnies Charakter Brewer sein Menschsein verliert, da er von Rache aufgefressen wird. Durch den Sermon von der Terroristen-Gattin Selena, die Arnold pflegt, da er ihren Jungen gerettet hat, erfährt Arnold, daß „El Lobo“ mal ein netter Lehrer war, bevor man sein eigenes Kind tötete und er dem Haß verfiel. Die Enttarnung der Sinnlosigkeit des „Gewalt/Gegengewalt“-Schemas (wie sie derzeit sehr anschaulich im „Off-Topic“ von DVD-Inside demonstriert wird) erfährt im Schlußteil ihre komplette Negierung, und das nicht auf der Grundlage von guten Argumenten, sondern weil es eben ein paar dramatische Holzhämmer sichert, die die gähnenden Löcher in der Charakterkonstruktion kitten sollen. Auch der CIA-TopGoon Peter Brandt (Elias Koteas) wird als ziemliche Supersau dargestellt, die nicht davor zurückschreckt, kistenweise Menschen zu verheizen, nur um im Finale dann doch irgendwie Recht zu haben...

Elias Koteas gehört übrigens zu den wirklich hervorragenden Schauspielern, die derzeit von Hollywood in solchen Dummquatsch-Rollen verheizt werden. Cronenberg-Fans werden ihn als Autoshow-Aficionado aus CRASH kennen, aus GOD'S ARMY oder vielleicht auch den Filmen von Atom Egoyan (z.B. DER SCHÄTZER oder EXOTICA). Die Rolle des „Lobo“-Liebchens Selena wird von Rosalba Neris Tochter (!) Francesca gespielt, deren Muschi man aus Bigas Lunas Geht-so-Verfilmung von Almudena Grandés´ LULU kennen mag. Was John Turturro angeht (einem anbetungswürdigen Schauspieler, dessen Regiearbeiten MAC und ILLUMINATA beide große Klasse sind!), so wird er hier wieder auf seine früheren Rollen als feiges Wiesel reduziert und somit ebenfalls verheizt.

Sieht man COLLATERAL DAMAGE vor dem Hintergrund des 11. September und der nachfolgenden Ereignisse, stellt sich der Kotzreiz ein, denn es wird (nicht zuletzt durch den Titel) der Eindruck erweckt, als ginge es den Machern wirklich um eine Ächtung der sogenannten Kollateralschäden, die sowohl auf amerikanischer wie auch auf afghanischer/irakischer Seite reichlich angefallen sind. Die differenzierenden Töne stellen sich aber bald als Mogelpackung heraus, da es letzten Endes nur um die „Rache ist Blutwurst“-Thematik geht, und der Arnold hat Recht, wenn er als „Ein Mann allein“ in das fremde Land eindringt und Gerechtigkeit schaffen will, die letztendlich nur auf seiner persönlichen Tragödie begründet ist. Klügere Menschen als ich können den Film gerne als sinnfällige Allegorie auf die politischen Ereignisse der letzten Jahre deuten und ausanalysieren – es träfe mit Sicherheit zu. Als reiner Actionfilm ist der Film so lala, nicht sonderlich schlau konstruiert, aber auch nicht sonderlich schlecht, und die letzten 25 Minuten sind sogar ziemlich spannend. Insgesamt aber – meine Privatmeinung – lutscht der Film massiv, denn die wirkliche Welt kann ich aus meinem Sehgenuß nicht wirklich ausklammern.

„Hello, my friends! Sis is `Pumping Up With Hans And Franz' and ve vant to pomp – yo up! Hear me now and b'lieve me lader, mein Liebchen...“ (Saturday Night Live)

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#88 Cjamango

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Geschrieben 04. Juni 2004, 11:41

A Snake Of June (Endstation, Bochum-Langendreer)

Mit seiner Freundin in einen Film wie A SNAKE OF JUNE gehen zu können, ohne daß diese meutert, ist wohl schon ein Beweis dafür, daß die Feen sich über die Verbindung gebeugt haben!

Was ich von Shinya Tsukamoto zu halten habe, ist mir bis heute nicht wirklich klar. TETSUO gehört nach wie vor zu den unangenehmsten, aber eindrucksvollsten Filmen, die ich jemals gesehen habe. Manche seiner Bilder werden wohl auf ewig Bestandteil meiner Gefühlswelt bleiben. Woran das liegt, ist mir eigentlich schleierhaft, denn von meiner persönlichen Geschichte her bin ich eher dem Lichten und Schönen zugewandt und hasse nichts mehr als das depressive Schwelgen in Negativem, das ja häufig in für die Außenwelt schwer zu ertragendem Selbstmitleidskäse resultiert. In gewisser Weise ist der Schluß von TETSUO ja auch durchaus positiv: Wenn die schmerzhafte Metamorphose des Lebewesens zu einem Mensch-Maschine-Hybriden abgeschlossen ist, der andere Lebewesen absorbiert und in seinen Organismus aufnimmt, rattert das Konglomerat wütend und lebendig durch die Straßen und ruft den Frühling herbei. Das ist nicht notwendigerweise licht und schön, aber gemessen an dem qualvollen Vorzustand des Ringens mit der Veränderung – den eher Stillstand und Regression charakterisiert – verspricht die Geburt des neuen Wesens Zerstörung und Erneuerung. In jedem Fall hat da etwas zu sich selbst gefunden und formt die Welt nach seinem Bilde um. Neben den beängstigenden Aspekten ist der vorherrschende Eindruck jener der Befreiung von den Fesseln. Mit Cronenberg verbindet Tsukamoto auf jeden Fall so manches.

BODY HAMMER und HIROKU (THE GOBLIN) fand ich dann eher etwas konventioneller, wenngleich ich sie mir vielleicht demnächst noch einmal zu Gemüte führen sollte. GEMINI verwirrte mich maßlos, aber auch er lohnt wohl das mehrmalige Betrachten.

A SNAKE OF JUNE erinnert nicht nur ästhetisch an Tsukamotos Erstling, wenngleich die Story diesmal von einer Metamorphose handelt, die in der realen Gegenwart stattfindet. Die Hauptfigur ist eine Telefonseelsorgerin, Rinko, die sich Tag für Tag den inneren Konflikten von Unbekannten widmet. Darüber vergißt sie ihren Haussegen, der auf tönernen Füßen begründet ist: Ihr Mann ist ein biederer, von gelegentlichem Putzzwang befallener Hanswurst, der seine Frau nicht nur in sexueller Hinsicht vernachlässigt. Als sie von Brustkrebs befallen wird, ist er nicht einmal ansatzweise dazu in der Lage, mit der Situation umzugehen, sondern verdrängt brav und putzt weiter seine Abflüsse. Ein ehemaliger Problemfall von Rinkos Arbeitsstelle kontaktiert sie bei sich zu Hause und schickt ihr Fotos, auf denen ihr „geheimes Leben“ abgebildet ist. Dieses geheime Leben ist pillepalle, vergleicht man es mit den Deviationen, die tagtäglich auf unseren Bildschirmen abgebildet werden, um eine Welt der Sinnlichkeit vorzugaukeln, aber für Rinkos repressives Gemüt ist der Umstand, daß ihre unterdrückte Sinnlichkeit von jemandem an die Oberfläche gezerrt wird, fast unerträglich. Aber damit nicht genug: Per Handy zwingt sie der Unbekannte dazu, im Minirock durch die Innenstadt zu flanieren und herauszulassen, was sie wohl herauslassen möchte. Das führt dann zu einer schmerzhaften Metamorphose der Frau zu einem aggressiven, selbstbestimmten Wesen. Ihr Mann wird später ebenfalls in das Spiel mit einbezogen...

Cora meinte, der Film sei einer der Höhepunkte des „Regen-Kinos“. Tatsächlich regnet es ohne Unterlaß, und damit wären wir auch schon bei dem Punkt angelangt, wo ich den Film (bei aller optischen Raffinesse und allen Scham-Wackeleien der Kamera) etwas ermüdend fand. Die Einsicht, daß sexuelle Repression Ungeheuer gebiert, ist ja mitnichten neu und eigentlich ein fester Bestandteil auch geradliniger Sexploitation-Ware. Der Sturm der Körpersäfte in der farblosen (=schwarzweißen) Welt von Tsukamotos Junischlange wird weitgehend mit Flüssigkeiten sehr unterschiedlicher Art konnotiert. Da gibt es dieses monströse „Mörder-Haus“, in dem Entartete dabei zuschauen, wie nackte Menschen in einer Art Taucherglocke ersäuft werden. Da spritzt der Regen wie einst im Mai, wenn die „mutierte“ Rinko ihr laszives Foto-Shooting für den anonymen Anrufer durchzieht. Ihre anfänglichen, von Scham geprägten Exhibitions-Gänge enden in einer öffentlichen Toilette. Wenn Rinkos Ehemann vom Anrufer zusammengestiefelt wird, bekommt er einen Eimer dunkle Suppe (Blut?) über den Kopf gegossen. Und am Schluß – wenn der Haussegen in gewisser Weise wiederhergestellt ist – planschen die Eheleute fickenderweise in einer Badewanne, wenn ich mich recht entsinne. Zu seiner wahren Natur zu finden, ist also eine nasse Angelegenheit!

Der sexuellen Metamorphose wird noch die Revolte des Körpers gegenübergestellt, die vom Krebs gestellt wird. In einer Szene wird explizit klargemacht, daß es die Abfluß-Putzerei des Mannes ist, die zu Rinkos Erkrankung geführt hat. Auch der mysteriöse Anrufer siecht am Krebs dahin und versucht, aus dem masturbatorischen Macht-Verhältnis zu seiner „Patientin“ Heilung zu erfahren. Am Schluß kommt es dann zu einer zumindest partiellen Heilung des kaputten Dreiergespanns. Schön, wenn's mal klappt.

Na ja, umgeworfen hat mich det Janze nicht wirklich. Vielleicht habe ich zu sehr auf die grotesken Einfälle gewartet, die man aus älteren Tsukamotos kennt. Abgesehen von dem erwähnten „Mörder-Haus“ und dem lustigen Staubsauger-Schwanz-Korsett, das der Anrufer in einer Szene trägt, orientieren sich die Bilder aber weitgehend am Alltäglichen. Die Feststellung, daß es mit der sexuellen Freiheit bei den Söhnen und Töchtern Nippons nicht so weit her ist, finde ich nicht wirklich abendfüllend. Schon in den 70ern galt es ja als Gemeinplatz, daß man in japanischen Filmen nur eine nackte Frau zeigen dürfe, wenn sie gleichzeitig geschlagen werde. Die zerstörerische Kraft, die solch eine Unterdrückung der Libido mit sich bringt, kann man in den Filmen von Wakamatsu oder Nagisa Oshima überprüfen. In der Fetisch-Macht-Variante fallen einem natürlich Takechis DAYDREAM-Filme ein. („Er hat überhaupt nicht gebohrt!“) Die Sache mit dem Spatz in der Hand und der Möse auf dem Dach ist wohlbekannt und häufig abgegrast. Tsukamotos Film behandelt das Thema in einer formal sehr strengen Art, die Sinnlichkeit über lauter Surrogate ausdrückt, selten direkt. Das ist recht hübsch mit anzusehen, aber in letzter Instanz hat mich der Film nicht umgehauen, leider. Vielleicht stehe ich auch zu wenig auf Fetisch-Kram oder sollte mal mit einem Tamagotchi wixen... :)

P.S.: Einer der ersten Kommentare von Cora nach der Vorstellung lautete, daß der Ehemann genauso aussähe wie Heinz Erhardt! Das finde ich jetzt doch dokumentierenswert... :D
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#89 Cjamango

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Geschrieben 04. Juni 2004, 12:35

König der Freibeuter (Video)

Nach dem intellektuell herausfordernden A SNAKE OF JUNE war aber noch Zeit für einen alten Piratenfilm – hossa!

In THE BUCCANEER geht es um den berühmten Piraten Jean Lafitte (fittfittfitt!), der den Amerikanern Anfang des 19. Jahrhunderts gegen die verdammten Briten aushalf. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, daß sich Regierungen der Hilfe von Piraten versicherten, wenn es darum ging, den jeweiligen Gegner kampfunfähig zu machen. Im Falle der Vereinigten Staaten ist dies natürlich doppelt sinnfällig, da es sich ohnehin um ein Land handelt, dessen Entstehung darauf beruhte, daß Piraten aus Übersee kamen und die Urbevölkerung massakrierten...

Filme, die solche moralischen Ambivalenzen aufzeigen, sind immer lohnend. Gerade das Piratenfilm-Genre zeichnet sich ja durch eine unleugbar subversive Komponente aus, da es eben der Reiz des Desperadotums war, der den Swaschbucklern ihre Einspielergebnisse garantierte. Diese subversive Komponente ist aber dramatisch abwesend bei dem Hochglanzprodukt THE BUCCANEER, der es irgendwie hinbekommt, aus dem unübersichtlichen Gemengsel einen Lobgesang auf die werdenden USA zu formen! Als Regisseur zeichnete der großartige Schauspieler Anthony Quinn verantwortlich, wobei die künstlerische Leitung wohl eher dem Veteranen Cecil B. DeMille oblag, der als ausführender Produzent vermerkt ist.

Zuerst einmal: Yul Brynner mit blondem Toupet ist eine ausgesprochen unglückliche Wahl als Jean Lafitte! Während Tyrone Power in dem großartigen THE BLACK SWAN (neben DER ROTE KORSAR der beste Piratenfilm, den ich bisher gesehen habe) eine gehörige Portion glaubhafte Ruppigkeit mit einbringt, posiert Brynner lediglich gelackt in der Gegend herum und versucht, gut auszusehen. Klappt nicht. Aber er ist mitnichten die größte Fehlbesetzung in dem Unternehmen. Wie Cora es so schön ausdrückte: „Pack´ Charlton Heston in einen Piratenfilm, und der wird langweilig...“ Ja, Mr. Heston mochte als Moses noch einigermaßen der glattgebürsteten Idealvorstellung des gewöhnlichen Kirchenkunden entsprochen haben, aber als Andrew Jackson (=legendärer Befehlshaber der amerikanischen Armee und späterer Präsident der Vereinigten Staaten) ist er eine komplette Katastrophe! Mit sorgsam eingegrauten Haaren stalkst er durch die Kampfreihen, kuckt grimmig in dieser „Alle Feiglinge an die Wand“-Manier, die er später in der N.R.A. mit menschlichem Antlitz versehen durfte, und verbreitet ungebrochenen Patriotismus. Nun ist es ja so, daß Geschichtsklitterei an sich nichts Schlimmes ist. Tatsächlich fällt es schwer, sich einen marktwirksamen Film vorzustellen, der auch nur ansatzweise authentisch mit dem Material umginge. Dumm nur, wenn man den Schwund dann auch noch glaubt! Ich als ehemaliger Amerikanistikstudent habe immer wieder gehört und gelesen, daß das Selbstbild der Amerikaner von dem „frontier experience“ herrühre, von dem Entstehungsprozeß ihrer jungen Nation. Tatsächlich aber ist es wohl eher die kulturelle Repräsentation dieses Entstehungsprozesses, die dafür verantwortlich zu machen ist. So wurden aus ruppigen, ungeschlachten Mannsbildern wie Davy Crockett, Mike Fink etc. glattrasierte Heldenfiguren vom Schlage eines John Wayne, Gary Cooper oder James Stewart. Die Pioniertage zeichneten sich vorwiegend durch edelmütiges, hochmoralisches Verhalten der Befehlshaber aus, und genau in diese Kerbe schlägt auch THE BUCCANEER, der eigentlich mehr ein reichlich steifer Geschichtsfilm als ein Piratenfilm ist. Andrew Jackson wirkt über die gesamte Laufzeit wie sein eigenes Standbild aus Bronze, und das liegt nicht nur an den festgefügten Idealen seines Darstellers, sondern an der rein auf das dekorative Element hin ausgerichteten Natur des ganzen Films. Drehbuchmäßig macht da vieles nicht viel Sinn: Da haben Jacksons Schergen gerade die gesamte Piratenbrut von Lafitte ausgerottet, und nahtlos erklärt der sich dazu bereit, dem großen Kriegsherrn bei seinen Unternehmungen zu helfen! Das wäre ja gut und schön, wenn Lafitte als eine miese Kameradensau dargestellt würde, als verkommenes Subjekt, aber tatsächlich ist er ja der schöne Yul Brynner, der in der Hauptsache fesch gegen den Abendhimmel posiert, wenn er nicht gerade dem Gouverneurs-Goldilock schöne Augen macht. Das gibt alles gar keinen Sinn! Dann sprechen die Kanonen (was sie während der beträchtlichen Laufzeit des Filmes viel zu selten tun!), und lauter farbenprächtige und erneut nicht sonderlich authentisch dargestellte Soldaten marschieren todesmutig ihrem Untergang entgegen. Da kämpfen wackere Amerikaner mit Piraten und anderen Glücksrittern zusammen, Neger packen mit an, ein Indianer ist kurz zu sehen, und von fern erschallen die Dudelsackpfeifer der Schotten, die mit gerader Miene weitermarschieren, obwohl neben ihnen die Kanonenkugeln detonieren... Selbst herkömmliche Kriegsfilme hatten zu jenem Zeitpunkt eine gewisse kritische Distanz zum massenmörderischen Geschehen, aber hier quillt der Schwachsinn, daß es nur so eine Art hat.

Bei den „Negern“ fällt mir gerade auf, daß es dafür, daß der Film ja in New Orleans spielt, bemerkenswert wenige Schwarze zu sehen gibt. Die einzige größere Rolle bekommt ein noch sehr junger Woody Strode als Togo, der in einer Szene ungelenk an einer Liane auf ein Kampfschiff setzen darf und dafür sofort zusammengeschnauzt wird...

Als Piratenfilm ist der Film ein ziemlicher Langeweiler, der kaum interessante Piratenaktivität anzubieten hat. Das hat selbst FLUCH DER KARIBIK wesentlich besser im Griff gehabt. Was die unterliegende Liebesgeschichte angeht, so ist sie wirklich von der Stange (no pun intended!) und kann sich in keiner Sekunde mit jener zwischen Tyrone Power und Maureen O'Hara aus dem tollen THE BLACK SWAN messen, der allerdings auch ein Drehbuch des legendären Ben Hecht zu seinen Vorzügen zählte. Die Goldilock, in die sich Perückenträger Brynner verkuckt, ist fade und wirklich voll für'n Arsch. Der quasi-lesbische Tomboy, der von Claire Bloom gespielt wird (die in THE HAUNTING sogar ganz explizit eine Lepse spielen durfte), ist wesentlich reizvoller und kann wenigstens gut raufen. Als Historienspektakel kann man den Film ebenfalls getrost in die Tonne kloppen. Was Cecil M. DeBil mit DIE 10 GEBOTE abgeliefert hatte, war wenigstens prachtvoll anzuschauen und mischte sich nicht gar zu penetrant in die Geschichtsschreibung ein, aber bei THE BUCCANEER ist wirklich Fassenacht! „Johoho, und 'ne Buddel voll Rum!“ – jau, in den Po...

P.S.: Wer sich über Jean Lafitte weiterinformieren möchte, kann dies hier tun, wobei man sich von dem Umstand, daß das Todesdatum zu früh angegeben ist und Lafitte somit zum einzigen Piraten-Zombie jenseits von FLUCH DER KARIBIK gemacht wird, nicht abschrecken lassen sollte...
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Geschrieben 06. Juni 2004, 15:32

Ratten - Sie sind überall! (DVD)

Und noch ein Rattenfilm: In einem Kaufhaus in Manhattan machen einige Nager auf sich aufmerksam. Was zu Anfang noch wie eine Häufung harmloser Einzelfälle ausschaut, erweist sich recht bald als handfeste Katastrophe, da es sich um mutierte Laborratten handelt, die sich unbemerkt zu wahren Heerscharen vermehrt haben. Eine todesmutige Managerin und ein wettergegerbter Kammerjäger nehmen den Kampf gegen die borstigen Lieblinge auf...

Nichts besonderes, na klar, aber für eine TV-Produktion immerhin eine faire Packung. Das Drehbuch präsentiert computergenerierte Ratten im Tausenderpack und läßt die Charaktere ständig durch Abwasserkanäle und andere Ratten-Highways krabbeln, was man zwar gewissermaßen schon zwei- oder dreimal gesehen hat, aber Langeweile kommt für Fans dieser Filme kaum auf. Natürlich ist die Figurenkonstellation komplett von der Stange, und wer Vincent Spano einen Kammerjäger abnimmt, der wird mit TWIN PEAKS´ Madchen Amick als Kaufhausmanagerin noch weniger Probleme haben, aber schließlich geht es ja auch in erster Linie um die Ratten, und die kommen intim zum Zuge. Regisseur John Lafia (BLUE IGUANA, CHILD'S PLAY 2) serviert sogar zwei sehr akzeptable Terrorszenen. In der einen werden Kinder im Schwimmbad von Rattenrudeln angegriffen, und später bekommen die Insassen eines U-Bahn-Zuges geharnischte Schwierigkeiten. Insgesamt fand ich den Film deutlich erträglicher als etwa Tibor Takacs´ nicht für das Fernsehen produzierten RATS, der zwar den eigenwilligen Einfall hatte, GIRL INTERRUPTED mit Rattenhorror zu paaren, aber ansonsten vor Schwachfug nur so strotzte. Lafias Rattenplage hingegen ist geradliniges, risikoloses Reißer-Material, technisch kompetent, und Ratten sehe ich mir ohnehin immer gerne an... Beeindruckt war ich davon, wie weit man in punkto Geschmacklosigkeiten auch im amerikanischen TV mittlerweile gehen kann, denn der Film klotzt beizeiten gut ran. (Dem Hausmeister etwa wird von einer besonders dreisten Ratte ein Ohr abgerissen!) Also: Wie gehabt, nichts Überraschendes - kann man gut nach stricken, wie meine Mutter sagen würde.
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