Die Passion Christi (USA 2004) von Mel Gibson, ca. 126 Minuten
(Interessant
James
Caviezel spielt
Jesus
Christus und dann da noch diese andere Übereinstimmung)
Vorab: Dieser Film machte mir in vielerlei Hinsicht Schwierigkeiten, Probleme, vielleicht hast Du die auch bei meinen vielen Zeilen...
Ich befolgte den Rat von Schorlemmer und las als Vorbereitungsmaßnahme Lukas 22-24. Danach wollte Pilatus Jesus nicht töten, die Hohepriester wollten seinen Tod, ebenso DAS VOLK (ja so undifferenziert steht es da in meiner Lutherbibel).
Der Teufel kommt in der Bibel in der
Kelchszene nicht vor, folglich führt er ihn auch nicht in Versuchung und das der in der Bibel erwähnte Engel ihn in Versuchung führen würde auch nicht, er bestärkt ihn. Die hier gezeigte und sinnblidlich hinlänglich bekannte Schlange wird auch nicht erwähnt. Gut, man kann den Satan als Sinnbild für die Versuchung sehen, Gibson wollte sie womöglich personalisieren. (Aber vielleicht ist dieses einige Male im Film auftauchende, fast androgyn anmutende Wesen, ja dann doch nicht Satan, sondern ein Engel, vielleicht ein gefallener Engel. Über diese Figur bin ich mir nicht im klaren)
Das Judas Jesus für 30 Goldstücke
verkauft war mir zwar neu, von dieser Zahl wurde auch nicht in Lukas 22-24 geschrieben, aber vom neuen Testament, den Evangelien und all den christlichen Schriften, habe ich eh keine Ahnung. Judas war für mich immer eine der wichtigsten Schachfiguren in Gottes Spiel, das Zünglein an der Waage. Ohne Judas keine Kreuzigung, keine Himmelfahrt usw. Judas ist der Katalysator der Geschichte, er ist sich seiner Aufgabe bewußt (in diesem Sinne fand ich Harvey Keitel's Darstellung bei Scorsese authentischer - allerdings worauf beruht meine törichte Annahme auf
Authentizität?). Erst die Tragödie, der Tod, das Opfer für die Menschheit macht Jesus auf eine gewisse Art unvergeßlich für die Nachwelt und für diese wurde die Geschichte ja wohl auch
inszeniert (das soll bitte nicht despektierlich klingen).
Hier ist Judas nur ein Schuldiger ohne Grund, ist er geldgierig?, seine Motivation ist unwichtig bzw. mir nicht ersichtlich, gut später empfindet er Scham und Reue, will es rückgängig machen.
Die Soldaten der Hohepriester, die Jesus gefangen genommen haben, schlagen ihn auf dem Weg - in Lukas 22-24 findet das keine Erwähnung - und da dem so ist, was soll dieses Bild dann, wieso wird es so gezeigt? Dieses Verhalten ist doch reine Interpretation, zumal er einen von ihnen das abgeschlagene Ohr wieder hergestellt hat? Erstmals habe ich das Gefühl Gibson stereotypisiert. Die Besatzer oder deren Handlanger müssen sich so verhalten, es ist eben ein Klischee, die Story muß so sein. Da ich aber nun mal der Meinung bin, daß dies keine Standardhollywood-Geschichte ist, sondern viel viel mehr, kann ich bei
PASSION auch nicht nach Hollywood-schwarzweiß-Mustern gehen, sondern mir nach ethisch-authentischen Gesichtspunkten eine Meinung bilden. Und die Dinge, die unzähligen Szenen, die aus bestimmten Gründen in die Geschichte hereingepackt wurden, die nicht im
Original enthalten sind, geben mir dann doch in ihrer Aussage sehr zu denken, weil sie den Film, die Aussage in eine ganz bestimmte Ecke drängen. Das mag einem ja durch das simple und typische Hollywood-Wertesystem einem so bekannt und selbstverständlich vorkommen, aber hier empfinde ich solch eine Vereinfachung mehr als gefährlich und auch dumm.
Ich werde zunehmend innerlich unruhiger, weil etwas in mir immer mehr nagt.
Zwar schon oft aber noch nie in dieser schwerwiegenden Tragweite empfunden (also hinsichtlich der Meinungsbildung zu einem Film), wird mir bewußt, wie schwer es mir doch fällt, Dinge einzuschätzen. Bin mir einfach nicht darüber im Klaren, was wahr und unwahr ist. (Pilatus spricht mir aus der Seele) Wieviel man sich ein- oder ausredet. Ich drehe mich ständig im Kreis und bin dann noch verwirrter als zuvor. In diesem Fall frage ich mich die ganze Zeit, wie (un)fair man doch ist, sein kann, man unterstellt Gibson etwas, interpretiert Bilder, läßt sich womöglich durch zusätzlich dumme Vorurteile,
Hirngespinste zu Aussagen hinreißen. Das ist der subjektive Teufelskreislauf meines Lebens, keine bzw. wenig Gewißheit und viel Zweifel. Ich bin allein und diese Einsamkeit werde ich nie verlieren.
Eigentlich war ich ja immer ein Fan von Filmen, die mich alleine lassen, wo mir die Moral, die Aussage des Films nicht aufgepresst wird und ich mir selbst die Meinung bilden muß. Ich werde auf eine gewisse Art ernst genommen. Aber hier bei diesem Film komme ich mir wie ein schiffbrüchiger Tor auf einem insellosen Ozean vor. Richter möchte ich nie sein. Ich möchte am liebsten wegrennen, das Kino verlassen.
Szenen regen mich auf:
Jesus wird abgeführt und an der Kette eine Brücke heruntergeschmissen, darunter hat sich Judas versteckt - ein feiger Arsch denke ich mir da. Der leidende Christus - ja das Weiden im Leiden wird hier wirklich ausgeweidet, ausgeschlachtet - erblickt ihn. Ein tête-à-tête des Vorwurfs, der Schuldzuweisung? Was soll ich von solch einer
wohl-nicht-in-der-Bibel-Szene halten.
Judas auf der Flucht vor
bösen Geistern, Kindern, sieht sich am Ende dann doch allein und erblickt einen verendeten Esel, einen von Maden duchsetzten Kadaver, am danebenliegenden Baum erhängt er sich. Ist davon in der Bibel überhaupt die Rede?
Wieder Fragen. Der Feige, seelischen Schmerz der Reue, Selbtvorwürfe Durchlebende begeht Selbstmord, kommt wohl im biblischen Sinne ins Fegefeuer, der Mutige erleidet körperlichen Schmerz, wird ermordet und kommt in den Himmel.
Die Hohepriester (ist es falsch und dumm, wenn ich schreibe: die Verfechter und Bewahrer des jüdischen Glaubens?) und ihre Gefolgsleute machen auf mich den Eindruck einer konspirativen Gruppe, die ein ganz bestimmtes Ziel verfolgen, den Tod Jesu. Aus ihrer (egozentrischen) Sicht wagt er es ihre Religion zu hinterfragen, schreibt auf seine Art die Bibel neu: Ein Revoluzzer, er will eine neue Weltordnung und von daher kann ich die Hohepriester in ihrer Motivation (Selbsterhalt) verstehen.
(Egozentrisch ist bitte nicht als antisemitisch zu verstehen, sondern als eine der typischsten negativen Eigenschaften des Menschen, die für mich andererseits aber so
selbstverständlich ist, weil der Mensch nunmal durch seine Sinne, sein autonomes Bewußtsein zwangsläufig egozentrisch ist und die Welt nun mal nur durch sich
wahrnehmen kann. Aber deswegen nenne ich diese Art von Egozentrik dann doch lieber Egoismus. Die
richtige Form von Egozentrik ist für mich erst dann der Fall, wenn A die eigene Weltanschauung nicht nur auf B projiziert, sondern auch noch A von B verlangt von jetzt ab die Welt von A zu sehen, ja dann fängt meistens die Kacke an zu dampfen und leider passiert das jeden Tag unzählige Male)
Ich meine einfach nur, daß wenn jemand fest an etwas glaubt und auf diesem Glauben seine Welt fußt, er zwangsläufig Opfer seiner Fixierungen wird. So werden dann von anderen auf einen
projizierte Fixierungen schnell als Blasphemie empfunden. Da wagt jemand an seinem geliebten Bild herumzukratzen.
Steht da irgendwo geschrieben, daß Hohepriester und wer sonst noch Jesus mehrmals ins Gesicht gespuckt, ihn geschlagen haben? Meines Wissens nicht, aber hier wird es gezeigt.
Das Volk will auch hier eindeutig seinen Tod. Als Jesus auf Wunsch von Pilatus gezüchtigt wird und er trotz der starken Schläge nicht schreit, da hätte es mich nicht gewundert, wenn er ein
Braveheart-
FREIHEIT geschrien hätte. Vielleicht ist sowas unfair, aber derlei Assoziation hatte ich, genauso wie ich in der Rückblicksszene, wo Jesus einen Tisch gezimmert hatte, an
DER PATRIOT erinnert wurde, wo sich Mel Gibson ebenfalls als Zimmermann betätigte.
Das Volk ist untätig, selbst seine Freunde gucken dem sadistischen Treiben zwar tränengerührt aber passiv zu. Irgendetwas scheint seine Mutter oder Magdalena daran zu hindern, akkustisch auf dieses Sadamasospiel zu reagieren. Niemand reagiert im positiven Sinne. Aufgrund dessen kommt mir gerade diese Passage so dermaßen künstlich vor, so inszeniert, ich will einfach nicht glauben, daß bei solch einer
Schlachterei niemand irgendetwas tun würde. Warum sind die vielen Leute denn überhaupt da, wenn sie nicht reagieren, sie stehen - bis auf die von mir geschilderten Ausnahmen - fast wie eine starre Staffage da. Konsterniert, paralysiert? Da drängt sich mir wieder ein Bild auf: Ich leide für euch alle und was macht ihr (für mich)? Der Prophet gilt eben nichts im eigenen Land.
Den Sinn dieser Folterszene meinte ich eigentlich schon nach wenigen Sekunden ausgemacht zu haben, aber nach immer länger werdenden Minuten (nach meinem subjektiven Empfinden über 10 Minuten) wird es penetrant-monoton, erstmals kommt mir
EXPLOITATION in den Sinn.
Die Leiden Christi - THE Snuff-Movie, hier wird das Leiden Christi wörtlich genommen. Unbeugsamkeit, unerschütterlicher Glaube, Heldentum wird glorifiziert, hier wird ein Denkmal errichtet, das scheint der einzige Zweck zu sein.
Aber je länger es dauert, desto stärker wird der Verdacht, die Masse, die Mehrheit der Juden würde sich durch ihre Passivität selbst mit Schuld beflecken, es gutheißen, unterstützen. So kann man dieses meiner Meinung nach ganz bewußt so
gezeichnete Bild interpretieren und wenn etwas bewußt getan wird, dann soll das auch einen Sinn machen, eine Botschaft haben. Ich habe mich jetzt schon oft gefragt wieso so lange immer wieder das Foltern, das Leiden, die gaffenden Zuschauer, fast schon eine ständige Wiederholung, gezeigt wird. Da soll eine Botschaft eingebrannt werden. Nach dem simplen Motto, das aus einer einfachen schwarz-weiß-Welt stammt: Sie sind nicht für ihn, also sind sie gegen ihn. Vielleicht sogar nicht nur Jesus, sondern auch gegen den christlichen Gott, aber das geht glaube ich mehr als zu weit.
Ich kann verstehen, wenn ein durch die Historie und ganz besonders den Holocaust gebranntes und verständlicherweise deswegen übersensibilisiertes (das ist für mich übrigens auch wieder eine Form von Egozentrik, aber bitte nicht als negativ gemeint zu verstehen) Kind dies als antisemitisch ansieht. Wenn dem wirklich so ist, ist dies dem Film klar vorzuwerfen und Gibson verspielt bei mir mächtig Kredit, auch wenn ich mir dann noch seine diversen Äußerungen zu den Juden oder folgendes Zitat aus
TV Movie vergegenwärtige:
"Der Katholik verdient kräftig am Verkauf von modischen Jesus-Nägeln, Kaffeetassen und T-Shirts mit Caviezels Christus Konterfei."
Da wird mir schlecht. So etwas finde ich geschmack- und pietätlos, genauso sehe ich den Film. Tut sowas ein Mann der wirklich glaubt?
Auf seinem Marathonmarsch nach Golgatha mit dem schweren Kreuz hilft ihm auch wieder keiner, keiner spricht ihm gut zu. Soll ihm keiner davon bei der Bergpredigt zugehört und Sympathien für Jesus, seine Lehre entwickelt haben? Wieder ist mir das zu künstlich-einseitig, alles, eigentlich jede Figur ist eine Schablone, ein oberflächlicher Holzschnitt. Ja, diesem Film fehlt in seiner Undifferenziertheit Tiefe, Substanz. Diese Bilder kann ich einfach nicht glauben.
Irgendwann ist es dann auch nur noch langweilig, 1000 mal wird einem ein und dasselbe Bild gezeigt, der Film scheint an ständigen, fast schon gebetsmühlenartig eingetrichterten Wiederholungen Gefallen gefunden zu haben. Jesus leidet, das Volk will es, die 2 Frauen
gaffen weinend. Selbst das bislang durch und durch positiv von mir belegte Märthyrium Jesu bekommt seine Risse. Die Darstellung Jesu umgibt eine Aura von Arroganz, als ob er der einzige Mensch auf Erden wäre, der für die richtige Sache leidet und es allen unter die Augen reibt, schämt euch alle. Aber vielleicht projiziere ich da auch viel von meiner immer stärker werden Aversion gegen diesen Film hinein. Aber Bibelsprüche wie
Nur wer mir folgt, wird das Licht des Lebens sehen stammen von jemanden der ziemlich von sich überzeugt ist, solche Sprüche kommen auch aus der egozentrischen Ecke.
Dann endlich gibt sich die Mutter endlich einen Ruck und bricht aus ihrer Passivität heraus, eilt ihrem zum zigsten Mal auf dem Boden liegenden Sohn zu. Kurz darauf reicht ihm eine fremde Frau ein Tuch zum Abwischen, ihr Becher Wasser wird von einem Römer weggestoßen.
Frauen kommen hier auffallend gut weg. Jetzt fängt der Film an halbwegs erträglich zu werden, weil jetzt mit den zuvor aufgebauten Klischees gebrochen wird. Der Weg zur Kreuzigung war dann wohl doch zu lang, daß sich nicht jemand für Jesus einsetzen würde.
Die
langweilige Inszenierung kann man aber auch als Versuch ansehen, den letzten Stunden, Minuten Jesu mit Authentizität Tribut zu zollen, im semidokumentarischen Sinne. So machen die eindringlichen Bilder den immer näherkommenden Tod für den Zuschauer in ihrer Tragweite viel nachvollziehbar.
Es ist nicht mehr weit (bis zum Berg) sagte ihm ein Jude, damit könnte auch das Ende des Leidens gemeint sein.
Etwas masochistisch veranlagt finde ich die 2 Frauen (sie sehen sich sogar ähnlich) dann doch schon, sie wissen er wird sterben, aber sie wollen es sehen. In meinen Augen sehr seltsam, ich würde eher bei solch zarten Geschöpfen vermuten, daß sie es nicht ertragen können und irgendwo in einem geschlossenen Haus abwarten bis es vorbei ist. Hier habe ich den Eindruck, sie erfüllen eine Fixpunktfunktion des Regisseurs, sie kann man immer mit der Kamera einfangen, ihr Gesichtsausdruck scheint ihm wichtig zu sein. Na ja, vielleicht symbolisieren sie Jesus´ Beistand und wollen ihm sagen:
wir wissen, daß du den Weg bis zum bitteren Ende gehen willst, auch wenn es für uns unerträglich ist, wir geben dir Kraft, in deiner schlimmsten Stunde sind wir bei dir
Das die Hohepriester dann auch noch auf Eseln reiten, gibt mir auch zu denken...
Das kurze Erdbeben nach Jesus Tod war mir neu.
Aber egal, der Film ist endlich zu Ende. Gefallen hat er mir nicht, Tage lang habe ich mich mit ihm auseinandergesetzt, besser wurde er im Nachhinein auch nicht, unbefriedigend, zwiespältig, allerdings handwerklich gut gemacht.
Habe ihn gesehen und mir meine Meinung
gebildet.
Vom Geist des Christentums ist nicht viel rübergekommen, das ist vielleicht neben den bereits erwähnten Negativfaktoren am meisten zu bemängeln. Das Christentum bekommt ein paar
Postkartensprüche, mehr nicht. Das finde ich armselig, nach dem Motto alles verraten und verkauft.
PASSION ist für mich eher ein
blutleerer Personenkultfilm, wo die Hülle viel wichtiger als der Inhalt ist. Gibson mag vieles sein, aber ein Christ ist er in meinen Augen nicht, da mag er sich in seinem reaktionär-konservativen Fanatismus diese Schizophrenie an sich gerne ausreden. Der ist erst mal bei mir unten durch. Ich frage mich oft wie blind Leute sein können und dann noch behaupten etwas gestochen scharf sehen zu können. Ein Film wie aus dem Mittelalter...