das ist jetzt mal wieder ein fall komplett für sich - GOOD ADVICE ist mit jeder einstellung kulturindustrie pur, banalstes unterhaltungskino ohne künstlerisches projekt dahinter, ein film bar jeglicher filmhistorischer relevanz - das kann man dem film ohne wenn und aber vorwerfen. genausogut kann man aber auch sagen, dass dem film sein job vortrefflich gelingt - ja, das ist film gewordene banalität, dafür aber von der unterhaltsamen sorte. denn die story ist durchaus nett und mit charme erzählt: ein karrieregeiler broker, so eine art mainstream-version von pat bateman, fliegt aufgrund eines rachekomplotts eines "freundes" brachial auf die nase, verliert - in dieser reihenfolge - geld, job, wohnung, freundin. diese hat wiederum eine partnerschaftsberatungskolumne in einer eher schlecht als recht laufenden zeitung betreut, ein job, der ihr nicht sonderlich gefällt, also, wenn man eh schon sein ganzes leben umkrempelt, einfach weg damit und mit dem ersten typen, der genug knete auf dem konto hat, ab nach brasilien. da sitzt der broker also nun, wittert seine chance auf ein paar penunzen und übernimmt heimlich den job seiner freundin in heimarbeit, der herausgeberin der zeitung verklickert er, dass seine Freundin krank sei und nur noch vom bett aus schreiben könne. das sorgt natürlich im weiteren verlauf für nette verwechslungen, den obligatorischen hollywood-schmonz a la "macho wird zum frauenversteher" und die eine oder andere liebes- und rachegeschichte wird auch noch mit verbraten.
mein fazit: ein film, der keinem weh tut, ein film, den man nicht empfehlen muss, ein film, den man ohne gewissensbisse nach zwei tagen vergessen haben darf, ein film, den man nicht gesehen haben muss, um eines tages würdevoll sterben zu können. aber eben auch ein film, der knapp 90 minuten lang für nette, stumpfe kurzweil gesorgt hat. hirn ausschalten, sich aufs sofa fläzen, ungesundes essen zu sich nehmen - ja, manchmal mach ich das sehr gern.
With Immo at the movies...
#31
Geschrieben 20. Februar 2003, 12:21
#32
Geschrieben 20. Februar 2003, 12:35
endlich ist der film, dem us-remake sei's gedankt, nun auch in deutschland regulär erhältlich. das ist sehr schön, denn nun können sich auch des japanischen oder englischen nicht ganz so mächtigen - meine liebste, etwa - bei diesem film zu tode gruseln. und trotz bereits mehrmaliger sichtungen kann der film noch immer überzeugen - hier wird man nicht erschlagen, nein, hier wird dezent atmosphäre aufgebaut. dies geschieht zwar mit klassischen, stellenweise auch einfachsten mitteln, ist aber, im wahrsten sinne des wortes, unheimlich effektiv. und die geistergeschichte, angesiedelt in "unseren" modern-medialen lebenswelten, hat ihre ganz eigenen qualitäten, wenn man die gedanken vom film inspiriert etwas treiben lässt. ferner ist das ende - auch hier: wenn man kurz drüber nachdenkt - ein unheimlich bitteres und pessimistisches. so muss das sein, im horrorfilm, und in den letzten jahren kriegen das die japaner mit am besten hin!
#33
Geschrieben 20. Februar 2003, 20:45
gewiss, der film hat seine momente, seine sehr guten sogar, zum beispiel die erste begegnung zwischen carl und frank. doch was nutzen diese momente, wenn man sie bereits alle aus dem trailer oder diversen tv-beiträgen kennt, der rest des filmes, das drumherum, aber eher weniger inspiriertes kino darstellt? nein, das heißt jetzt nicht etwa, dass mir der film nicht gefallen habe - wohl aber heißt es, dass ich das kino mit dem äußerst unbefriedigendem gefühl verlassen habe, eine großzügig ausformulierte version des trailers gesehen zu haben. das war ja schon nicht schlecht, was spielberg uns da präsentiert hat, klar, aber da man sich eh sehr schnell im klaren darüber war, dass der film das in aussicht gestellten tempo und den witz beileibe nicht einzulösen vermag, saß man dann doch beinahe schon gelangweilt im kinosessel, wartete darauf, dass sich bald die nächste episode im dramaturgisch stellenweise verdächtig lahm inszenierten katz- und mausspiel einstellen möge. schade, denn genügend potential sowie ein blick fürs detail was die stimmungsvollen interieurs und die zeitgenössische kleidung waren ohne zweifel vorhanden. letzten endes ist das ergebnis vor allem lauwarm - nichts halbes und nichts ganzes. man könnte noch nicht mal einen deftigen verriss schreiben und wenn noch nicht mal mehr das möglich erscheint, dann ist das ein denkbar schlimmes zeichen für einen film.
#34
Geschrieben 21. Februar 2003, 22:10
"die europäische antwort auf SCREAM" und "aus der offiziellen selektion des fantasy filmfests" steht auf dem cover, doch bei solchen werbehinweisen ist vorsicht geboten. diese darf auch bald schon als berechtigt angesehen werden, denn BLACK SERENADE ist ein nur leidlich gelungener slasher, eigentlich ja nur ein x-ter aufguss des genres, der mangelnde spannung durch unmoralische assoziationen evozierende parallel-montagen (während eine studentin in der kathedrale aufgeschlitzt wird, feiern nonnen auf dem stadtplatz ein dorffest und applaudieren kräftig) und nur bedingt vorhandene atmosphärische dichte durch gothische locations wie kathedralen, katakomben, etc. wettzumachen versucht. nun, schlecht ist er ja nicht, aber halt auch nicht sonderlich gut. irgendwo dazwischen halt, im nirgendwo der beliebigkeit.
#35
Geschrieben 21. Februar 2003, 22:30
vorab fürs protokoll: HEAVEN ist vor allem ein schön anzusehender film. die landschaftsaufnahmen gehören mit zum schönsten, was die filmgeschichte an eben solchen hervorgebracht hat, die bildkompositionen sind traumhaft, ganz überhaupt offenbart sich einem der film am prägnantesten in seiner angenehm unpathetischen bildgewalt. doch doch, hier kann man sich entspannt zurücklehnen und dem kameramann fasziniert beim zaubern zusehen. belohnt wird man vom film dafür fürstlich und das von anfang an.
woran der film aber leider krankt, ist, dass er seine zugrunde liegende geschichte auf eine art und weise erzählt, dass sie nur an den haaren herbeigezogen wirken kann und das nach strich und faden. hier wäre eben noch etwas mehr geschick nötig gewesen, hier hätte man den film nicht nur gut aussehen, sondern ihn vor allem auch anhand dieser optik erzählen lassen müssen, hätte die technische wie ästhetische perfektion in den dienst der geschichte stellen, gleichsam als teil des narrativen ganzen etablieren müssen. an manchen stellen macht HEAVEN dies sogar, unwidersprochen, an den meisten aber ist er indes zu selbstverliebt und begnügt sich damit, lediglich vom ohne zweifel vorhandenen handwerklichen geschick seiner macher zu erzählen. das haben die toll agierenden schauspieler, genau wie die wunderbare drehbuchvorlage von kieslowski, nicht verdient, dass die technik sie einfach so im stich lässt, sich lieber um sich selbst kümmert.
#36
Geschrieben 25. Februar 2003, 12:54
dogma '95 ist geschichte und irgendwie ist das auch ganz gut so. war das konzept zu beginn noch eine erfrischende bereicherung im kulturbetrieb, hat sich das eigentliche anliegen - kraftvolles, überwältigendes kino jenseits des technik-overkills - doch mittlerweile stark verwässert und darf mitunter auch vollkommen zurecht in zweifel gezogen werden. mittlerweile gilt - im volksmund - alles und jedes, was digital gedreht wurde und etwas verwackelt ist, als "dogma-film", was natürlich hanebüchener quatsch ist. also das ganze lieber gleich sein lassen, auf zu neuen ufern!
MIFUNE war einer der ersten dogma-filme, doch nach den beiden initial-filmen DAS FEST und IDIOTEN hatte er es sichtlich schwer, zumindest wäre mir nicht bekannt, dass der film - im gegensatz zu den beiden vorläufern - großartig in die filmgeschichte eingegangen wäre, womit sich das dilemma der dogmafilme - sie verlieren sich und ihre eigentlich ja kraftvollen statements eben doch in der beliebigkeit der aneinanderreihung, so wie das dogmen eben meist zur folge haben - auch schon kurz umrissen wäre: irgendwann, erschreckenderweise schon beim 3. vertreter seiner art, wurde halt einfach ein stil draus, so aussagekräftig oder -schwach wie jeder andere auch, ganz wie man's nimmt.
dabei ist MIFUNE gar kein schlechter film, beileibe nicht! er gefällt mir sogar ausgesprochen gut, da er, im gegensatz zu den beiden ersten dogmafilmen, vor allem eine interessante geschichte erzählt, der man gerne folgen möchte, ohne dabei von brachialem sozial-dressing ersäuft zu werden. MIFUNE könnte man vielleicht sogar im sinne der dogma-reihe als subversiv bezeichnen - beinahe schon unbemerkt, immerhin steht ihm die altbekannte dogme-urkunde vorne an, entwickelt er sich innerhalb des formal-ästhetischem brachial-realismus des regelkorsetts zu einem beinahe schon surrealen Film, in dem die groteske, das nahezu nicht erklärbare, das abstreifen sozialer konventionen feste plätze haben. das ist nicht nur erfrischend und über weite Strecken unterhaltsam, sondern bricht sich auch angenehm mit dem regelkorsett. auch wenn kommentare zum sozialen - natürlich - nicht zur gänze außen vor bleiben. aber eine gewisse mimikri wohnt dem subversiven ja immer bei!
#38
Geschrieben 26. Februar 2003, 20:51
sex und erotik, das bedeutet immer auch geschichten-erzählen, in rollen schlüpfen, rollen spielen, sich inszenieren, situationen inszenieren. sex und erotik, kunst - beides dasselbe. LUCÍA UND DER SEX handelt von der kunst des bücherschreibens und von der kunst des sexes, verbindet beides und packt es in wilde, bald hypnotisch-suggestive, bald spielerisch-naive bilder, lädt ein zum tiefenrausch. in die tiefe, sich an deren rausch ergötzen, wollen auch die menschen in diesem film, manche tauchen unter inseln, die eigentlich nur schwimmende teller auf dem meer sind, ohne verbindung zum grund, manche tauchen ein in die welt des internets (gänzlich ohne obligatorische pomo-cyber-technopunk-ästhetik, sehr gut!), manche springen in das abenteuer liebe und so weiter. doch alle sind sie verbunden miteinander, alle geschichten, alle sehnsüchte und traumata, alle wünsche und lüste drehen sich, wirbeln um das epizentrum, das alle geschichten in sich vereint: der schriftsteller. ist alles nur fiktion, alles literatur? vielleicht, vielleicht nicht, dafür interessiert sich der film nicht.
zum glück. LUCÍA UND DER SEX ist hypnotisch, wild, süchtig nach dem leben und nach den widerhaken, die dieses bietet. LUCÍA UND DER SEX ist großes inspirierendes kino, das nur zu gerne risiken eingeht, vieles wagt, alles und sich selbst dazu auf's spiel setzt und doch als gewinner den tisch verlässt. bitte mehr davon.
#39
Geschrieben 01. März 2003, 12:18
ABOUT SCHMIDT macht unumwunden spaß, soviel ist sicher, und nicholson fährt alle register seines könnens auf, legt eine one-man-show hin, die einmal mehr seinen ruf als einen der größten schauspieler unserer zeit zementieren wird. schön, dass nicht alle ikonen der zunft, im gegensatz zu robert de niro etwa, ihre reputationen im fortgeschrittenen alter zusehends verspielen.
der film arbeitet mit der lakonischen groteske, der bewussten überzeichnung sozialer entfremdung und zaubert damit an nicht wenigen, wenn auch zugegebenermaßen nicht an allen stellen grandiosen witz auf die leinwand. warren schmidt geht mit 66 jahren in die pension, zieht bilanz, betrachtet die welt im globalen wie im privaten und vor allem sich selbst darin, erwacht wie aus einem traum: was ist da draußen eigentlich? und was ist er da draußen? ein geflecht sieht er vor sich, ein geflecht aus sozialen ritualen und konventionen, nach gewohntem und gewöhnlichen, ein geflecht, das schal nach leere schmeckt, fassaden allenorten, die krampfhaft aufrecht erhalten werden und dennoch nur ein nichts dahinter zu verbergen wissen.
nun könnte man meinen, und zahlreiche schmonzetten der filmgeschichte begründen diese erwartungshaltung mit recht, der film würde dazu einen gegenentwurf erarbeiten, einen ausbruch daraus artikulieren, zumindest aber zeigen, und so erwartet man dies mit jeder episode - und liegt falsch. denn darin liegt die besondere tragik schmidts, des filmes überhaupt: sich der fassaden bewusst werden, dem dennoch eichts entgegenzustellen können. außer der platten menschlichkeit, dem sich gegenseitig die hand reichen vielleicht, doch dies verkauft der film nicht als als süßlichen, sozialen appell, der den film durchdringt, nein, es steht als schlußbild, ganz am ende, noch nicht mal sonderlich optimistisch gezeichnet: das bild, im wortwörtlichen sinne, ist einfach da, mahnt jedoch nicht, ist weder spektakulär noch bedeutungsschwanger, liegt eben vor einem.
wie überhaupt der ganze film die vielen, vielen zeichen, die der mensch gerne als wichtig empfindet, als belanglos, nebensächlich, nur von außen mit relevanz aufgeladen zeigt: der übergang zum "neuen lebensabschnitt", wie seine gattin den ruhestand aufgeregt und voller erwartung nennt, wird äußerst reduziert dargestellt: ein sekundenanzeiger, der stoisch die 12 passiert, ein schmidt, der vom arbeitsplatz aufsteht. die eheschließung seiner tochter ist ein bloßes inszeniertes ritual von hohlen phrasen, eher peinlichen sprüchen und diversem kerzenanzünden, der tod findet in der küche würdelos beim staubsaugen statt, so banal eigentlich, das wir ihn noch nichtmal zu sehen bekommen, auf der folgenden beerdigung konzentriert sich schmidt, somit auch die kamera, auf jedes nebensächliche detail in der umgebung - solche noch dazu, die ansonsten nur zu gerne als sinnbild für trauer verwendet werden, kahle baumwipfel etwa, allein sie wollen nicht so recht im sinne des sinnbilds sprechen - nur nicht für den in in der erde herabsinkenden sarg.
der film zieht also ebenfalls bilanz, analysiert mit kaltem blick, gibt unzählige lebensentwürfe und -stile der lächerlichkeit preis, ohne dabei hierarchien aufzubauen. es gibt da nichts, was bestand vor der ewigkeit hat, es gibt nur ein verzweifeltes ringen mit und nach dem sinn. und wer diesen für sich gefunden zu haben behauptet, der ist in der logik des filmes meist sogar noch dümmer und grotesker als der große zweifler schmidt, der nach 42 jahren ehe seine frau noch immer nicht zu kennen glaubt, nach 66 jahren noch immer nicht weiß, was leben, vor allem sein eigenes, eigentlich ist.
doch dabei ist ABOUT SCHMIDT, wie man vielleicht meinen könnte, nicht etwa zynisch oder boshaft. nein, gewiß nicht, aber es menschelt darin eben auch nicht süßlich. ein mittelweg, der viel verspricht
#40
Geschrieben 02. März 2003, 15:48
ein etwas untergegangener film aus der glorreichen zeit des russischen kinos, den das arsenal da letzten abend in der (im übrigen sehr empfehlenswerten) reihe "magic history tour in 365 tagen" gewürdigt hat. interessant ist der film, auch trotz seines mangelndem bekanntheitsgrads, dennoch: so kann man davon ausgehen, dass es sich bei AELITA um den ersten science-fiction-film der udssr handelt, der zudem für's auge ein paar wunderschön und liebevoll gestaltete expressionistische und konstruktivistische dekors und schattenspiele bietet und seine eigentlich doch recht irdische geschichte über liebe und eifersucht letzten endes recht "tricky" mit einem zwar leicht durchschaubaren (klar, die texttafel weisen ja auch dauernd drauf hin) spiel mit den realitätsebenen erzählt, das das geschehen aber dennoch elegant zu vermitteln weiß. natürlich ist das auch ein propagandafilm aus der parteizentrale, logisch, und gerade gegen ende kann man auch gar nicht mehr anders als dem gezeigten in sich hinein lachend zu begegnen: wenn etwa auf dem mars von den erdlingen die revolution nach sowjetischem vorbild angezettelt wird, nachdem als metapher für die glorreiche, russische revolution ein hünenhafter schmied sich nicht nur von den ihm angelegten ketten befreit, sondern anschließend auch noch grimmig hammer und sichel schmiedet. ja, das ist, zumindest gegen ende, "camp" erster kajüte, ansonsten ist der film ein über weite strecken spannender, visuell sehr elegant inszenierter "genre-film", der sicherlich vollkommen zurecht nicht in einem atemzug mit anderen klassikern dieser tage genannt wird, seinen verlorenen posten in der lumière-galaxis aber auch nicht so recht verdient hat.
Weblog
- analytischer artikel von andrew j. horton
#41
Geschrieben 03. März 2003, 21:21
in einer greenaway ganz und gar nicht unähnlichen ästhetik (auch wenn sie im falle von TITUS nicht ganz so verkopft daherkommt) wird einem hier ein opulentes mahl serviert, ein postmodernes buffet, in dem sich gegenwärtiges mit historischem in unheiligen allianzen vereint, geboren aus der reinen lust am visuellen, an der kunst. das ist, zugegeben, l'art pour l'art, in seiner schönsten form aber und wer auch nur für 5 cent genußmensch ist, setzt sich dieser opulenz wohl nur zu gerne aus. dass der zugrundeliegende stoff nicht shakespeares beste arbeit ist, es ganz überhaupt wohl auch zweifel daran gibt, ob der stoff denn überhaupt von william sei, dass die schauspielerischen leistung von den bildern erdrückt, gleichsam negiert werden, dass es vor allem nur ums intrigieren, morden, vergewaltigen, vierteilen, sich gegenseitig zubereiten und verspachteln - um das ultrabrutale also, aber so richtig horrorshow - geht, nun ja, ... - was soll's? ich sag ja zu TITUS, nur zu gerne sogar, ergötze mich an seiner pracht, schwelge lustvoll in diesem sumpf.
#42
Geschrieben 04. März 2003, 00:45
uninspirierter, langweiliger, vollkommen spannungsarmer pseudo-politthriller mit selbstjustiz-tendenzen. ich frage mich ernsthaft, wer sich diesen film ansehen soll und warum im abspann nicht der name alan smithee zu lesen ist. john irvin hat sich damit jedenfalls keine freude gemacht, von freunden mal ganz zu schweigen. einer der ganz seltenen fälle, in denen mir die abstrafende "1" im imdb-vote denkbar leicht gefallen ist.
#43
Geschrieben 07. März 2003, 14:07
was soll ich noch groß schreiben über einen film, zu dem doch schon alles geschrieben wurde, eines filmemachers zudem, dessen ansätze und theoreme bis ins kleinste detail ausgeleuchtet und analysiert wurden? ich könnte mich nur wiederholen, deswegen lasse ich das auch gleich und beschränke mich auf die emphatische ebene. für einen film dieses alters ist er auch heute noch ausgesprochen "sehbar", will meinen, er stößt heutige sehgewohnheiten nicht allzu sehr vor den kopf (sieht man mal davon ab, dass es sich um einen stumm- und schwarzweißfilm handelt). es ist zwar oft etwas schwierig, dem geschehen zu folgen, da es keine im eigentlichen sinne identifikationsfigur gibt, sondern man im wesentlichen einen kollektiv - die streikenden - agieren sieht, doch man gewöhnt sich schnell daran. der film ist stellenweise sogar recht rasant, was die "action" angeht, von den zahlreichen bild- und montagespielereien, die das auge erfreuen, den zuschauer bei laune halten, mal ganz abgesehen, die zwar - aus heutiger sicht - banal wirken könnten, da sie doch längst schon im wörterbuch moderner filmsprache verankert sind, aber, mit etwas historischem wissen betrachtet, die kinnlade an nicht wenigen stellen auf den brustkorb sinken lassen. man stelle sich vor, da schafft jemand einfach mal so aus dem nichts das, was heute längst schon obligatorisch geworden ist. kein wunder, dass kracauer und co. weiland euphorisiert den saal verliesen!
...jetzt habe ich doch wieder über das geschrieben, was jeder über diesen film, über eisenstein im allgemeinen spricht. vielleicht kann man auch einfach nicht anders.
- russisches kino bei subcin.com
#44
Geschrieben 09. März 2003, 01:07
da gehen diese beiden, ein stockgestützter mann und eine durch einen unfall verkrüppelte frau, die mexikanische pyramide hinauf. "da oben gibt es sicher keine attentäter!" ruft er dabei fröhlich zu seinen leibwächtern hinunter, gebietet ihnen, sie nicht zu begleiten.
die beiden, die da mit jeder stufe kämpfen, das sind trotzki im mexikanischen exil und frida, die malerin. oben angekommen - ja, sie kommen an, wenn auch sichtlich erschöpft - blicken sie über die landschaft, blicken und leben. in diesem moment gehört diesen beiden kämpferseelen, diesen lebenshungrigen die ganze welt, allen schicksalswidrigkeiten zum trotz. dass sich die beiden nur ein paar schnitte später kurz, doch innig lieben werden, wenn auch nur körperlich, scheint unvermeidbar. dass ihnen keine zukunft beschert sein wird, ebenso. große geister können sich nur streifen, schmecken, doch nicht besitzen.
frida ist ein film der fragilen momente. ein film, der jene momente, die frida schließlich zu ihrer kunst gerinnen lässt, selbst nur in begriffen der kunst, der künstlichkeit zelebrieren kann. viele momente sind das, einzelne, weit verstreut über das schöne ganze - so bittere, wie tragische, immer mit diesem grimmigen stolz ertragen, der sich in salma hayeks trotzig nach vorne gestrecktem kinn, den entschlossen nach unten gezogenen lippenwinkeln mehr als nur einmal bildlich manifestiert. der tragische unfall gleich zu beginn zum beispiel, im eigentlich doch schon verpassten bus - wäre frida nicht ganz so lebenslustig und spontan, sie hätte auf den nächsten gewartet, statt dem unheilbringenden hinterherzurennen, ihn einzuholen -, nach dem, denkbar theatralisch, am ende ein ornament im zerschmetterten boden zu sehen sein wird: frida, übersät mit klaffenden blutblumen, komplett in goldstaub eingehüllt, eine eisenstange quer durch ihren körper. das bittere schöne, ihre kunst, für die man sich auf ewig an sie erinnern wird, wurde im moment des größten schmerzes, der körperlichen auflösungm, geboren - gold und blut. die eisenstange trat aus ihrer vagina aus - lust und schmerz.
doch frida stellt sich dem steten körperlichen schmerz, wird zwar grimmig, aber nie verbittert. sie trinkt, viel und regelmäßig, aber nicht ohne würde. sie malt, aber nie eitel und narzistisch. sie singt, laut und leidenschaftlich, aber nicht peinlich. frida lebt, trotz aller schicksalshaften widrigkeiten (noch weitere werden folgen), und das weit intensiver als ihr ganzes umfeld zusammen. ihr dicker gatte etwa, selbst ein maler, ein bedeutender wohl sogar, der keinen sich anbietenden frauenhintern unbesprungen sein lassen kann, sich selbst gerne mit kommunistischer phrasendrescherei verziert, doch lediglich salonmarxist im schlechtesten sinne ist. den sie jedoch auch innig liebt, wegen seiner augen, seinem künstlerischen geschick, auch obwohl, vielleicht aber auch gerade weil, das oft wehtut, bitter schmerzt. frida gießt den schmerz in bilder, selbstbildnisse meist.
eine wunderbare, starke frau. in ihren augen liegt weisheit und größe.
#45
Geschrieben 09. März 2003, 17:03
japanische monsterfilme, kaiju eiga, sind ja so eine sache für sich: in ihrem charmantesten momenten - dann, wenn die monster in aktion treten, zumindest aber zu sehen sind - können sie einen ja ungemein bezaubern, zwischen diesen sequenzen herrscht aber, ein paar ausnahmen bestätigen die regel, eitel langeweile. so sehr ich den charme der action-sequenzen mag, so nahezu unansehbar gestaltet das füllmaterial dazwischen die filme für mich.
also, dann lieber gleich ein destillat: jörg buttgereits ebenso liebevolle wie kompetente dokumentation DIE MONSTERINSEL für den wdr. diese beleuchtet das phänomen "kaiju eiga" nicht nur von verschiedenen warten aus, sie fasst auch die besten momente der japanischen monsterfilme zusammen, würzt das ganze mit einer netten liebhaber-patina auf, das man sich gleich selber wie der junge jörg fühlt, damals, anfang der 70er, den mund offen vor staunen angesichts der aushangfotos an einem bezirkskino in schöneberg.
man spart sich das spulen im "ausgangsmaterial", erfährt wissenswertes wie interessantes und nach 40 minuten ist das ganze auch schon wieder vorbei. ideal fürs sonntagfrühstück.
#46
Geschrieben 09. März 2003, 17:22
der frankenstein kam erst in der deutschen übersetzung in diesen britischen film aus den 60ern, eigentlich ist der film ja eher so eine art neuinterpretation des "fliegenthemas": wissenschaftler experimentiert mit dem immateriellen materie-transport, sieht sich ihm mißgünstigen geldgebern gegenüber, wagt letzten endes den selbstversuch, was gepflegt in die binsen geht: ordentlich entstellt und mit einer seltsam mumifizierten hand, die nun tödliche elektroshocks verteilt, geht es auf rachefeldzug.
warum auch immer, fragt man sich, denn plausibel erklärt wird eigentlich nix in dem film. weder die seltsamen theoreme des doktors, noch, warum die institutsleitung dem dr. stein jeden nur denkbaren stein in den weg legt, oder warum dr. stein nach dem selbversuch mordend und meuchelnd durch's nächtliche london zieht und warum sich seine assistentin plötzlich in den assistenten verliebt, was - ebenfalls unerklärt - dr. steins wut nur noch mehr entfacht. auch das ende wird nicht erklärt - warum, wieso? vollkommen egal.
nun denn, mir soll's recht sein, denn PROJECTED MAN ist sicher kein film, den man ernstnehmen braucht. er macht keine gefangenen, legt sofort los und hält das tempo, bietet billigen kitzel, wie man ihn sich, mit einem leichten hang zum sleaze, gerne eingehen lässt. das labor sieht super aus, der entstellte dr. stein ist schön schräg und wird auch nicht nervig lange im dunkel versteckt. klar ist der film blöd und unlogisch, keine frage, aber man kann ihn nett nebenher laufen lassen, wenn es sonntag ist, es draußen nieselt wie im november, der kaffee warm ist und man eigentlich eh nix vorhat. man muss auch nicht aufpassen oder sich dauernd konzentrieren - dann fallen die logiklöcher auch gar nicht mehr ins gewicht!
#47
Geschrieben 09. März 2003, 23:14
das ist jetzt nun ca. das sechste mal, das ich den film gesehen habe - angesichts seines doch noch immer recht geringen alters enorm! und er fasziniert mich noch immer, und das nicht nur aufgrund seiner kontrastreichen schwarz-weiß-ästhetik, noch immer sind in PI neue nuancen zu finden, jedes mal liegt der persönliche focus auf etwas anderem - diesmal war es vor allem der dualismus "pralles, saftiges, organisches leben" - "introvertierte, kalte wissenschaft", dem ich etwas auf die spur ging.
PI ist einer jener ganz selten glücksgriffe in der filmgeschichte, die nur im independentkino möglich scheinen. ein film, den man entdecken muss, den man immer wieder neu entdecken kann.
#48
Geschrieben 09. März 2003, 23:46
die chronologische bond-retro geht weiter, diesmal also jener "beste bond", wie ihn nicht nur viele bondkenner, sondern leider auch viele dummschwätzer nennen, die zwar keinen raff von bond haben, sich aber gerne mal im kult sonnen und dementsprechend die auswendig gelernten "key words" nachplappern... man erkennt solche leute meist an sprüchen wie "der einzig wahre bond ist immer noch sean connery", "also in godzilla, da MUSS ein japaner im gummikostüm stecken, sonst ist es nicht godzilla, und den reißverschluss, ja genau, den muss man auch sehen können!" und ähnlichen allgemeinplätzen. gerne machen sie auch helge schneider nach. furchtbares volk.
aber ich schweife ab. ja, GOLDFINGER ist, ganz im gegensatz zu den fürchterlich faden liebesgrüßen aus moskau, tolles popcorn-entertainment mit elegantem retro-charme, auch wenn für meinen geschmack die bauten von ken adam viel zu kurz kommen. wirkliche spannung ist natürlich nicht vorhanden, auch die handlung ist über weite strecken so unplausibel wie leni riefenstahls ausflüchte vor der eigenen historischen verantwortung, aber das tut dem spaß keinen abbruch.
ob er nun der beste bond sei - ich weiß es nicht, ein urteil fällt mir auch schwer, weil ich solche "kult-reflexe" eh nicht sonderlich mag. sicher aber ist er spaßiges entertainment mit ordentlich schauwerten, das ist sicher. und GOLDFINGER dürfte wohl auch der erste bond sein, der die serialität der reihe thematisiert und für den kenner der vorgänger einen "mehrwert" in peto hat! good clean fun - sonntagnachmittagskost eben!
#49
Geschrieben 10. März 2003, 00:08
nein, ich war keiner von jenen unkenrufern, die damals von sakrileg sprachen, die den film nach der sichtung mit leidenschaftlicher lust madig redeten oder gar schon im vorfeld glaubhaft versichern wollten, dass spielbergs adaption eines kubrickstoffes nur nach hinten los gehen kann. von solchen hysterien halte ich nur sehr wenig.
und ja, nachdem ich mir A.I. dann zum ersten mal auf dvd angesehen hatte, war ich zwar nun nicht begeistert, konnte mich mit dem film aber anfreunden - grundsolide, unterhaltend, viel fürs auge und ein wirklich schon kubrick'ianisches letztes drittel. doch, A.I., der ging okay für mich.
was war ich also heute nach der zweiten sichtung umso mehr enttäuscht. das ist so ein film, den man sich wohl wirklich nur einmal im leben anschauen kann, bereits beim zweiten mal ist er einfach nur sensationell fade und gehalt- wie belanglos. die einführung von david ist uninspiriert und unheimlich plump, der bonbon-charme der metropole, in die sich david versetzt fühlt, vermag es nicht ein dasein jenseits der kulissenhaftigkeit zu entfalten und das, was ich oben auf den ersten Blick "kubrick'ianisch" nannte, entpuppt sich höchstens noch als geschickte aneignung eines filmstils, die jedoch auf der reinen äußerlichkeit verharrt und es zu keinem moment schafft, wirklich zu erzählen. das sieht also zwar nach kubrick aus, erzählt aber eben nicht so, wie kubrick es allein mit den spezifischen mitteln des filmes vermochte - gut abgekuckt also, mehr nicht.
nein, das heißt jetzt nicht, dass ich in den allgemeinen kanon miteinstimmen werde. eitle heulerei und überkommenes koryphäendenken finden auch, bis auf weiteres, nicht statt. es bleibt einmal mehr die erkenntnis, dass man nie zweimal den selben film sieht. vielleicht auch, dass sich ein wirklich guter film erst nach dem zweiten mal sehen erst als ein solcher bewahrheitet. oder eben nicht.
#50
Geschrieben 12. März 2003, 00:53
So, heute abend nochmal SOLARIS gesehen. Und zum allerersten Mal das CUBIX am Alexanderplatz. Dieses ist nicht nur ein Scheißkino mit einer Scheißinnenarchitektur, es hat auch Scheißpersonal, Scheißpublikum und offenbar auch nur Scheißkopien! Soviel erstmal dazu!
Der Film an sich gefiel beim zweiten Mal sogar noch besser als beim ersten Mal! Auch wenn's bereits oft geschrieben wurde, aber wer sich diesen Film unter stetem Vergleich mit der vorherigen Adaption oder der literarischen Vorlage ansieht, der bringt sich selbst um eine melancholische, zarte, vor allem aber überaus reizvolle Meditation über die Liebe, deren Tiefe erst in der Ausformulierung der ästhetischen Reize durch den Betrachter für denselben (er)fassbar wird. Und nein, es ist nicht banalerweise eine "Love Story in outer space", wie Lem, der eitle Pfau, das ganze ungesehen von sich weist, nein, SOLARIS nähert sich der Liebe vor allem in Begriffen des Verlustes und der verzweifelten Obsession am anderen, die an Selbstaufgabe grenzt: "...denn alle Lust will Ewigkeit". Den Descartes mit seinen Traumhypothesen gibt es dann auch noch dazu, an die (naheliegende) Höhle Platons scheint Soderbergh mit dem ungewöhnlich schmalen und streng definierten Schärfebereich erinnern zu wollen, der den Großteil des Bildgeschehens im Schemenhaften, Undeutlichen, Verschwommenen lässt. Und die "Besucher", Abbild der eigenen Vorstellungen - sind das nicht vielleicht sogar die Baudrillard'schen Simulakren? Waren sie das schon immer? Und wenn ja, haben sich diese - der Schluß des Filmes legt es ja nahe - nicht längst schon verselbständigt?
Vorgekaut, ausformuliert wird nur wenig, der Film ist bemerkenswert "un-talky", ganz im Gegenteil ist der Dialog auf nicht selten geradezu unwesentliches reduziert, das Eigentliche des Filmes wird nur angedeutet. Lässt man sich aber von der Ästhetik und dem meditativen Score, oder ganz überhaupt von der enigmatischen Solaris hypnotisieren, in den Film hinein saugen, dann bekommt man eine leichte Ahnung von den Prozessen, die in Kelvin arbeiten, die nie beim Namen genannt werden. Dass sich diese Dimensionen dem stets vergleichenden Zuschauer nicht erschließen wollen, wundert nicht im geringsten, etwas Aufnahmebereitschaft ist da schon vonnöten.
Überhaupt der Planet an sich: Dass der Forschungszweig der Solaristik nicht ausformuliert wird - angeblich ja ein großes Manko - ist in der Logik des Filmes nur konsequent, seiner Wirkungsweise dienlich. So funktioniert der Planet, auch in seiner ästhetischen Darstellung, vor allem als enigmatisches Symbol des Begehrens und Wünschens. Alles in allem faszinierend und überaus autonom - wer sich dieses Erlebnis bornierterweise selber madig redet, hat mein (nicht sonderlich großes) Mitleid. Ich persönlich gehe unverschämterweise sogar soweit zu sagen, dass der Film der Annäherung Tarkowskijs an manchen Stellen überlegen ist.
In diesem Sinne: "Jehova, Jehova!"
#51
Geschrieben 13. März 2003, 13:06
wirklich gute filme sind auch beim 2. mal sehen (und natürlich darüber hinaus) interessant, spannend, atemberaubend oder beklemmend, am besten alles zusammen. gestern also zum 2. mal DIE KLAVIERSPIELERIN von obermoralist haneke, zu dem ich ja ein äußerst ambivalentes verhältnis pflege, und auch beim 2. mal wusste mich der film zu beeindrucken. trotz haneke. vielleicht aber auch gerade wegen ihm, was weiß ich...
hier wird ein geflecht aus sozialen konventionen und rigider lustverneinung ausgebreitet, ein portrait bildungsbürgerlicher zusammenhänge, in denen radikale zugeknöpftheit das leben sublim zur hölle macht. täter und opfer werden dabei, und das ist doch recht frisch, kaum gegenübergestellt - jeder strickt seinen teil am netz des ganzen, ein ganzes, das nur in gewalt, sei sie physisch oder strukturell, münden kann. kultivierten anstrich haben die leute hier, in diesem milieu, sprache, habitus, interesse - äußerst zivilisiert ausformuliert. doch jenseits dessen brodelt die hölle, diese scheint immer wieder in rissen durch und damit meine ich noch nichtmal erikas an selbstverneinung grenzende masochistische neigungen. die sind bloß folge dieser hölle, dabei noch nicht einmal wertend inszeniert, eben einfach nur vorhanden. es geht hier um menschen, die nicht mehr organisch, sondern nur verhärtet, abgekapselt leben können, die alles daran legen, das organische zu verneinen, zu ersticken, abzutöten. die emotional ergreifensten szenen finden in den letzten refugien menschlicher privatsphäre statt - eine einzelne pornokabine eines sexshops (dort riecht erika, allerdings mit strengen lederhandschuhen, am organisch-flüssigen) und in badezimmern/toiletten - kacheln überall, selbst hier, im privatesten, sterilität. nur etwas blut in der wanne, nachdem erika sich mit der rasierklinge die scham zerschneidet - schnell wird es mit der dusche weggebraust. der harte kontrast ist erikas schülerin: sie weint viel unter der strengen hand der lehrerin, bekommt vor der generalprobe zum entscheidenden konzert durchfall, weint dann wieder, und schließlich auch hier blut - ein junges mädchen also, das noch flüssig ist, noch flüssig sein kann, also hat sie unter erika besonders viel, am meisten zu leiden.
isabelle hupperts spiel ist äußerst beeindruckend, eine der größten schauspielerinnen unserer zeit. und DIE KLAVIERSPIELERIN ist ein großer, in seiner reduktion äußerst spannender film. großartig.
#52
Geschrieben 14. März 2003, 23:31
euphemisch könnte man sagen: polanski war auch schon mal besser. mit mut zum harten wort und ohne falsch verstandenen respekt vor koryphäen könnte man aber auch sagen, polanski habe mit diesem machwerk einen unheimlich dämlichen, hochgradig lächerlichen, überaus spannungsarmen mysteryhorrorfilm abgeliefert, der sich nur im budget und der etwas versierteren regieleistung von vergleichbaren filmen etwa eines jess franco zu unterscheiden weiß. bedenkt man zudem, dass johnny depp normalerweise ein recht glückliches händchen hat, was seine rollenauswahl angeht, ist dieser film gleich doppelt ärgerlich. aufgeblasener eurotrash ohne charme und witz, somit eigentlich wirklich zu rein gar nichts zunutze. ich rate ab.
#53
Geschrieben 18. März 2003, 22:35
was für ein film, selten habe ich so euphorisiert einen kinosaal verlassen. musste den erstmal heftig wegblinzeln, den film, und das lag nicht allein daran, dass pressevorführungen vormittags stattfinden und es deswegen draußen vor dem kino ungewohnterweise noch blendend hell ist. komplett eingetaucht bin ich in diesen film und es war schwerlich, wieder rauszukommen. am liebsten gleich noch einmal sehen, aber der vorführer wird wohl kaum mit sich reden lassen.
CITY OF GOD entfaltet ein komplexes, doch nie unüberschaubares soziales geflecht in der "stadt der götter", einem ghetto von rio de janeiro, im spiegel eines ganzen jahrzehntes. banden bilden sich, drogenhandel, machtspiele, knochenharte gewalt, vendettas - das erste bild, das wir sehen: das schleifen von messern. doch der schein trügt: immer wieder bricht der film mit dem inhalt seiner bilder, immer wieder lässt er den zuschauer genüßlich auflaufen. die messer kommen nur bedingt zum einsatz: ein fröhliches fest wird gefeiert. oder ist es doch nicht so fröhlich, das fest? und kommen die messer doch noch zum menschenmordenden einsatz? die bilder brechen sich weiter, selbst im bruch noch. der anfang der filmes ist der anfang von seinem ende, wie wir nur wenig später sehen werden. solche spiele wird der film auch weiterhin mit uns spielen, wenn er in rashomon-manier ereignisse aus verschiedenen perspektiven wiederholt, wenn er durch den schnitt zusammenhänge bildet, die solche eigentlich gar nicht sind. das führt zur ständigen reflektion und die ist nötig, denn nur der aufmerksame wird den film mit seinen verzweigungen, nebengeschichten (die doch wieder hauptgeschichten werden), neben- und hauptcharakteren duchdringen können. aber CITY OF GOD stößt auch nicht vor den kopf, suhlt sich nicht im komplexen wie manch andere filme das machen. man bekommt alle chancen (oft ein wenig mehr sogar), um alles zu verstehen. ein geflecht, wie bereits gesagt.
die gewalt spielt in dem film eine große rolle, doch bei allen zynismen, die er zeigt (das geht bis hin zu hinrichtungen von kindern oder auch hinrichtungen durch kinder und ähnlichem), wird er selbst nicht zynisch. die gewalt ist bitter, oft kaum zu ertragen, sicher, aber dann gibt es da auch wieder momente der lebensfreude, komik, leidenschaft, etwas liebe, sehnsucht. und dann wieder der alte dämon, "locke" heißt er in diesem fall und zerstört, was er zerstören kann - ein machtmensch, der nicht an deren früchten, sondern allein an der macht selbst interessiert ist, mit gerade mal 18 schon der bandenboss der stadt. um ihn als epizentrum dreht sich der film, verliert ihn jedoch, nicht als einzigen, immer wieder lange zeit aus den augen, widmet sich anderem, formuliert aus, entwirft zusammenhänge, sozio-historische vor allem, kehrt aber doch immer wieder zurück.
und dann ist der film auch unbeschreiblich cool. nicht so gelackt wie das bei tarantino der fall ist, auf ganz eigene weise cool. man könnte sagen: er vermischt die besten momente aus der blaxploitation (jeder mit etwas stylebewusstsein wird diesen film lieben, selten in den letzten jahren sahen schwitzende gangster cooler aus und das gänzlich ohne affektierten appeal), die ästhethischen und narrativen spielereien eines tarantino, motive aus scorseses bandenfilmen und anderen ghettofilmen zu einem ganz eigenständigen cocktail (diese vergleiche sind sehr plump, ich geb es zu). ach, und garniert wird das ganze noch mit einer prise BLOOD IN BLOOD OUT, an dessen ganz eigenen epischen qualitäten CITY OF GOD ebenfalls zu erinnern weiß.
unterm strich: ein wunderbarer film, ein sehenswerter film. ein film voller momente, die sich auf ewig in die retina des geistigen auges einbrennen werden, großes kino also, deswegen: unbedingt anschauen!
#54
Geschrieben 18. März 2003, 22:51
aus heutiger sicht wirkt der film eigenartig brav, so richtig mit seinem ruf will sich das nicht vereinen. auch was die inszenierung angeht, die erzählung überhaupt, ihre ästhetische umsetzung.
trotzdem ist der film wichtig, hat der film doch schließlich das us-kino der neunziger gewissermaßen eingeläutet und wie kein zweiter geprägt. und das nicht allein aufgrund seiner entstehungszeit, nein, auch in seiner rigorosität. so sehr dem film seine dekade anzusehen ist, so sehr rechnet er damit ab, lässt nach sich gar keine andere möglichkeit mehr als eben die eines neuen jahrzehnts.
man sieht's schon an grahams frisur, einer ganz widerwärtigen, zurecht geföhnten version des vokuhila/mullets, dass grunge und techno, die beiden initiationsereignisse der 90er, noch nicht stattgefunden haben, sie schreit jedoch schon förmlich danach, endlich als ästhetische verwirrung abgelöst zu werden. dann zieht er sich auch noch in die künstliche welt des "videosex" zurück, demaskiert das die 80er beherrschende medium also als wixvorlage, deutet gleichzeitig die welten der 90er mit dem anonymen sex im internet an, mal ganz davon abgesehen, dass künstlichkeit und virtualität wohl die themen der 80er waren. so radikal (wie schlicht) ausformuliert wurde beides indes wohl nirgends anders. und die problemchen, die alle haben, wer hat die heute noch schon?
doch, der film hat nach wie vor klasse und potential. und ist ein zeitdokument wie kaum ein anderes.
#55
Geschrieben 20. März 2003, 00:28
der film ist witzig, spannend, fesselnd und atemberaubend inszeniert, ansonsten wurde in den letzten 50 jahren eigentlich schon so ziemlich jede mögliche lobeshymne auf diesen film geschrieben. für nicht gerade wenige hitchcocks bester - ich habe noch nicht alle gesehen (meine güte , 54 stück!), deswegen will ich das nicht unbedingt unterschreiben, kann dem aber auch nicht viel entgegen setzen.
schon allein für die eröffnungssequenz - wenige kameraschwenks, kein schnitt darinnen, versteht sich, erzählen schon mehr als manche filme in 100 minuten -, schon allein dafür muss man diesen film lieben. von den zahlreichen macguffins (man möchte meinen, vermutlich stimmt es sogar, hitch ging hier recht selbstreflexiv vor!), den momenten kitzelndster suspense (das nächtlich-heimliche beetjäten mit zwischenfällen etwa) und dem genialen dialogwitz, den die drei voyeuristischen paranoiker entwickeln, mal ganz abgesehen. vollkommen runde sache, das! 10 punkte auf der imdb? mit sicherheit!
#56
Geschrieben 20. März 2003, 13:13
trash, aber chamant. jungs mit zuviel zeit basteln spezialeffekte aus pappmaché und machen 'nen film. mit etwas glück darf man ein paar jahre später dann den HERR DER RINGE drehen - im falle buttgereit hat's nicht geklappt, egal. die idee, den säugling - das "instrument der rache" - zum militärischen marschthema aus GODZILLA mutieren zu lassen, ist saugeil und verfehlt seine wirkung nicht. schwachsinn im quadrat ist das alles, aber gerade deshalb so effektiv. manchmal wünscht man sich, mehr filmemacher hätten so angefangen.
#57
Geschrieben 26. März 2003, 18:46
auf den ersten blick scheint tarkowskijs diplomfilm beinahe etwas atypisch: mit 45 minuten recht kurz, in farbe gedreht (der film ist älter als IWANS KINDHEIT und ANDREJ RJUBLEW), ungewohnt modernistisch - in einer sequenz, man kann sie wohl als kompromiß an die politischen eliten im land verstehen, wird ein altes gemäuer bildgewaltig eingerissen, dahinter erstrahlt ein für die stalinära so typisches wie prächtiges hochhaus im zuckerbäckerstil - und lachende gesichter gibt es auch noch dann und wann.
auf den zweiten blick erkennt man dann aber doch recht viele motive des regisseurs, natürlich noch nicht so vollkommen ausformuliert: da ist zum beispiel das imaginieren einer traum- und kunstwelt jenseits der begrifflichkeiten der dinglichen realität, die nur in ästhetizistischen bildern angedeutet werden kann, beispielsweise wenn der kleine sascha verträumt in die kristallin gebrochenen spiegelbilder seiner umgebung in der auslage eines schaufensters blickt, wenn enigmatische lichtspiele - der ganze film eine studie über funkelndes, geheimnisvolles licht - die äußere wirklichkeit abzutasten scheinen, von einer welt künden, der man sich nur in begriffen transzendenter kunst nähern kann. dann ist da auch bereits tarkowskijs liebe zum saftig-organischen naturverbundener provinzialität zu spüren, symbolisiert in einem sorgfältig in szene gesetzten prallen apfel, der - auf recht elegante art und weise - den besitzer wechselt. und der kleine sascha lässt den für spätere tarkowskijfilme typischen wehmütig-melancholischen wanderer zwischen den ihm aufgelegten identitäten, den im selbst eingekerkerten sucher erahnen. auch die bewegung, die der kleine geigenspieler im film unternimmt - die widrigkeiten des eigenen daseins spüren, auf wanderschaft gehen, doch nur sich selbst und die eigene traumwelt finden, damit also eine kreisbewegung vollziehen, die immer nur wieder im eigenen selbst landet - ähnelt der der vergleichbaren reisenden späterer filme des russischen regisseurs. alles aber natürlich noch reißbrettartig entworfen, gleichsam skizziert, als notiz für späteres.
eine ahnung der formalen intelligenz, mit der tarkowskij seine zukünftigen großen klasser inszenieren werden würde, lässt sich auch in diesem hochschul-abschlußfilm erahnen, man wird gleichsam schon erschlagen damit: kaum eine einstellung, die nicht durch besonderes zu brillieren wüsste, keine kamerabewegung, kein bild, das nicht immer auch vor allem von den fähigkeiten des mannes hinter der kamera erzählt. dadurch tritt die eigentlich recht schöne, kleine geschichte vom kleinen geigenspieler, der mit einem straßenwalzenfahrer freundschaft schließt und essentielles für's leben (im sinne von tarkowskij heißt das natürlich männerbündelei, aber das war ja zu erwarten) lernt, etwas in den hintergrund. auch hier also tarkowskij: wer schaut sich seine filme schon wegen der grundlegenden narration an?
#58
Geschrieben 26. März 2003, 22:52
„Von Beginn an wollte ich eine kleine Geschichte erzählen, die sich in einer beschränkten Zeitspanne und auf beschränktem Raum entwickelt. Ich wollte auf keinen Fall ein Epos filmen, ich wollte keinen ‘klassischen’ Kriegsfilm machen, denn der Krieg ist weit entfernt von dem, was man in diesem Filmgenre sieht. Der Krieg, das ist eine Geistesverfassung. Es ist nicht der Lärm der feuernden Waffen oder die Propellerflügel eines elikopters direkt über den Köpfen, auch wenn das natürlich dazugehört [...].“
- Tanovic über seinen Film "No Man's Land"
beeindruckender als manch andere stahlgewitter-inszenierung der letzten jahre, wenn nicht sogar einer der besten antikriegsfilme der letzten jahre überhaupt. hier wird nicht über den umweg antiker zitate mit fadenscheiniger betroffenheit geheuchelt, am ende steht auch nicht die gewissheit, als zuschauer auf der richtigen seite zu stehen. nein, hier ist der krieg trivial beinahe, grotesk-lächerlich bisweilen, doch gerade deshalb in seiner tödlichkeit so gnadenlos bitter und traurig. das letzte bild - für sich betrachtet eigentlich ja ein schönes, doch der zuschauer weiß, wortwörtlich, um das, was dahinterliegt - gehört mit zu den intensivsten, beunruhigensten des genres. saftig-grüne hügellandschaften, heuschreckengezirpe, vogelgesang bilden die kulisse für das geschehen, doch alles nur schein, alles nicht behaglich. denn hier geschieht krieg und das auf engstem raume.
#59
Geschrieben 28. März 2003, 11:34
ein deutscher film, also werden naiv-verträumte geschichten mit anflügen von verkitschter nostalgie erzählt. ein deutscher episodenfilm, dann also erst recht! ein deutscher experimentalfilm, also ist er durch und durch verkopft, ohne beiliegendes thesenpapier nicht zu dechiffrieren und vor allem schwermütig, schwermütig, schwermütig. ein deutscher experimental-episodenfilm, und er ist nichts davon!
19 ausgewählte beispiele deutscher lyrik werden in POEM nicht nur rezitiert, sondern filmisch interpretiert - sehr reizvolles konzept! seien es kurze geschichten, extra installierte performances oder auch nur der zusammenschnitt von found oder random footage. gedichte verdichten - deswegen heißen sie ja so - momente, verschmelzen erlebtes zu kunst, prägen damit aber auch für den rezipienten das empfinden von selbst erlebtem poetisch. das führt in POEM an nicht wenigen stellen zu momenten reinster kinematographischer transzendenz, wenn etwa zu einem gedicht von heiner müller in einer starren einstellung die komplette auslage eines brautkleidgeschäftes in flammen aufgeht, wenn zu einem gedicht von hermann hesse digital aufgenommene eindrücke eines goa-festivals montiert werden und so weiter und so fort.
andererseits: 19 gedichte, 19 filmexperimente in 90 minuten - grundgütiger! schon allein das eine belastung für die konzentrationsfähigkeit, zumal einige der filmfragmente auch eher im kitsch zu verorten sind - wenn hermann van veen etwa im verlustkitsch badet, komplett ausgestattet mit verrußten porzellanscherben, verbrannten kinderpuppen und schwarzweißen Wehmutsblicken aus dem Fenster. etwas weniger wäre vermutlich mehr gewesen: für mich heißt das ab jetzt, in memoriam nicolette krebitz' debut, "jeans-symptom". so bleibt ein wechselbad der gefühle, von himmelhochjauchzend, zutodebetrübt. so ist sie halt, die lyrik.
#60
Geschrieben 28. März 2003, 12:50
ich mag ja geniale filme, die mit ihrer genialität nicht unbedingt haussieren gehen, einen damit nicht erschlagen, sehr gerne. WEISER ist ein solcher.
ein film über's erinnern, über vergessen und verdrängen. ein film über die "traumarbeit" im prozess des sich-erinnerns. pawel kehrt nach 12 jahren deutschem exil wieder nach polen zurück, doch die erinnerung an früher, sie plagt ihn immer noch. in den 60ern war pawel von david weiser, einem jüdischen jungen, und dessen freundin elka fasziniert, lies sich von dem rätselhaften jungen, dessen lebenslust, tiefgründigkeit und seinen scheinbar magischen kräften in den bann ziehen. zusammen erkunden sie die naheliegenden wälder, sprengen - wie gerade "erwachende" teens eben so sind - auch mal das eine oder andere verfallene gemäuer mit dynamit in die luft. dass das mal schief gehen muss, liegt auf der hand: elka überlebt die explosion, von david fehlt jede spur, wie vom erdboden verschluckt, einfach fort. den alten pawel lässt dieses trauma nicht los, er forscht nach, löst schicht um schicht in den erinnerungen. doch dem blinden fleck - die schuld, das trauma, überhaupt die historischen ereignisse - kann sich nur unbefriedigend genähert werden.
langsam und bedächtig ist WEISER inszeniert, sorgfältig fotografiert und behutsam erzählt. er verschachtelt seine zeitebenen zusehends, man stößt vor in ebenen der erinnerung innerhalb der erinnerung, ohne dabei den zuschauer unnötig vor den kopf zu stoßen. man arbeitet sich vor, hebt schicht um schicht der verdrängung, forscht nach. das mysterium des ganzen wird jedoch nur angedeutet, nie aber ausformuliert. ist david ein geist? ist david nur ein fiktiver freund? sind erinnerungen überhaupt verlässliche quellen, vor allem nach so langer zeit? War es so oder nicht doch vielmehr vollkommen anders? oder ist der ganze film nur eine parabel auf die verdrängte schuld, die das verschwinden "wie vom erdboden verschluckt" der juden nicht fassen, nicht eingestehen kann? man weiß es nicht. das ist das reizvolle, das eingangs angesprochene geniale daran.
Besucher die dieses Thema lesen: 11
Mitglieder: 0, Gäste: 11, unsichtbare Mitglieder: 0