Misfits - Nicht gesellschaftsfähig (John Huston, USA 1961), 120 Min.
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Eindeutig viel besser als eine Lohntüte!
Ein Film, der mir jetzt zum ersten mal wirklich gut gefiel. Vielleicht 2-3x zuvor gesehen und fand ihn wohl - zumindest jetzt rückblickend - langweilig ... und ich kann jeden verstehen, der dieser Meinung ist.
Nur hat mich
THE MISFITS bei der letzten Sichtung
erschlagen.
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Gut, am Tag zuvor hatte ich die Erde mit Lichtgeschwindigkeit verlassen und war zu meinem Heimatplaneten gedüst, lebte meine Illusion der Freiheit und sah
die Welt durch
andere Augen. Nun Stunden nach dem Aufwachen - zwar immer noch etwas
durch den Wind, aber bereits spürbar auf dem Rückflug, irgendwo in der
Interzone jenseits von Gut & Böse oder Tanger & New York, zwischen der auf mich wartenden normativen Zwangsrealität und meiner optimistisch-euphorischen
Tralfamadore-Traumwelt -
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erblickte ich diese mir zumindestens gerade so vorkommende cinematographische Fata Morgana. Ein Film zur rechten Zeit und für mich ab jetzt der richtige Streifen zum
Runterkommen oder
Landen. (Ich sollte mir mal eine Top 5 dieser Art zusammenstellen,
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nur fallen mir dummerweise justament keine weiteren ein)
Denn er vollbringt trotz seiner brillant-pessimistisch eingefangenen tristen Elegie (mehr davon!!!, aber genau deswegen meinte ich er könnte andere langweilen, zumal ich der Meinung bin, daß er diese Stimmung förmlich ausweidet, ja in den zentralen Mittelpunkt stellt ... ich glaube, da spürt man eindeutig die Intention des Autors) ein seinesgleichen suchendes Kunststück. Schließlich vermag er es dennoch irgendwie (ja, ich suche gerade nach einer halbwegs logisch-plausiblen Erklärung) optimistisch
rüberzukommen. Ich meinte es z.B. an der Musik auszumachen, die alles andere als (zumindest in der endgültigen Konsequenz) disharmonische, eher brückenbauende Töne anschlug, also auf Versöhnung und nicht unvereinbare Konfrontation aus zu sein schien ... und das Ende spricht eh Bände.
Dennoch haben wir hier
omnipräsentiert Verzweiflung, Hoffnung, Orientierungslosigkeit und das fast zwanghafte Festhalten an Illusionen. Sie werden gel(i)ebt und bei jedem bin ich mir nicht sicher, ob sie überhaupt als Trugbild empfunden, erkannt werden
(“das ist alles besser, als für eine Lohntüte zu arbeiten” , für mich der alles auf den Punkt bringende und einige Male arg von Gable beanspruchte Spruch des Films), schließlich wird hier die ganz besonders in den USA fast schon gebetsmühlenartig eingetrichterte Freiheitsliebe & die Suche nach dem individuellen Glück
hofiert ... der
american dream
Auch deswegen hätte
THE MISFITS, wenn er in Farbe gedreht worden wäre, einiges an Wirkung verloren ...
... verloren, das ist ohnehin eines dieser vielen Adjektive, die mir während des Films durch den Kopf schossen: desillusioniert, gebrochen, realistisch, schon mal gestorben. Der
american dream wird zwar hier auch geträumt, aber er hat unübersehbare Risse, mehr ein Alptraum, dennoch ist die Bereitschaft zu(m) Träumen unumstößlich, mit der Muttermilch eingeflößt. Man fällt vom Pferd und steigt wieder auf. Hier treffen sich eine vom Leben ganz willkürlich zusammengeworfene Gruppe von Menschen, die das schon einige Male erlebt haben und bilden eine Leidensgemeinschaft, (nicht nur, aber auch) wegen der leider etwas zu kurz kommenden Thelma Ritter lasse ich mich sogar dazu hinreißen hier von einer Familie zu sprechen (PM an mich selbst: das sogern benutzte & gehörte Wort Seelenverwandter bitte von jetzt an mit
LEIDENSGENOSSE ersetzen, das gefällt mir einfach besser). Eigentlich schade, daß
THE MISFITS dies vernachläßigt.
Im gewissen Sinne sind sie noch naive Träumer, bei dem einen offensichtlicher, bei dem anderen muß man genauer hingucken. Aber weil zwischen Realität und diesem Wunschgebilde Welten liegen, wirkt dieses an den Traum klammern, glauben wollen wie der routinierte Griff zur Droge. Sie wollen ihre Träume (er)leben und suchen ihren mehr als verständlichen Platz im Leben, den sie vielleicht mal gefunden geglaubt zu haben. Aber das war einmal, jetzt sind sie aufgewacht ... orientierungslos? misfits?
Zuweilen kamen sie mir dann doch wie Kinder vor, die von ihren Eltern alleingelassen wurden, nach dem Motto: Ich habe Dich jetzt ins Wasser geschmissen und fang gefälligst an zu schwimmen, wenn nicht, dann bist Du selber schuld.
Marilyn bringt dieses
Nichthineinpassen für mich am besten auf den Punkt, sie ist in vielerlei Hinsicht die jüngste, naivste (Montgomery Clift's Part kann diese Eigenschaft aber auch buchstabieren), ja das Nesthäkchen in dieser ungewöhnlichen
Familie. Und ja ... ich möchte sie ständig -
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ich hätte nie gedacht das mir dieses Wort je über die
Tastatur-Lippen kommen würde -
KNUDDELN!!!. Sie ist einfach
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hinreißend und weckt bei mir Beschützerinstinkte. Ja da gab es diverse Augenblicke, wo ich sie vor dieser Scheißwelt retten wollte und ihr Bild von der Welt, ihren ganz subjektiven Elfenbeinturm vorm einstürzen bewahren wollte, das der Realität weitaus mehr voraus hat.
Ohnehin habe ich gerade so eine Phase, wo ich Idealismus, Illusionen und Naivität als Verwandte ansehe. Naivität ist für mich das Nichtkennen der Funktionsregeln der Gesellschaft. Man hat(te) seine ganz eigene Vorstellung von der Welt (ist das nicht auch eine Form von Ich-Bezogenheit?, diese Abart ist bei mir positiv besetzt, zumal sie nicht auf andere projizieren will), die der
wahren Welt oft vieles voraus hat, sozusagen ein postives Vorurteil. Sie malt einfach ein viel optimistischeres Bild. Doch dann wird die eine Egozentrik von der anderen zu Fall gebracht. Auch deswegen mag ich es zu erleben, entdecken, wenn sich (ältere) Menschen in dieser
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...welt Exklaven der Naivität bewahren, erhalten konnten.
Marilyn Monroe ist hier in doppelter Hinsicht perfekt: perfekt, weil sie es nicht mehr ist. Das Sexsymbol verfügt zwar noch über diesen ganz bestimmten Appeal, aber es ist nicht mehr plakativ-makellos, wenn das
Pummelchen überhaupt je das Idealgewicht hatte, hier hatte sie es schon lange nicht mehr, was ich überhaupt nicht negativ gemeint haben will.
Meine Lieblingsstelle ist die
Bleifußszene, wo beide zwar am
selben Ort sind, aber nicht
wirklich auf demselben Planeten und nicht unbedingt zur selben Zeit (beides zumindest im übertragenen Sinne):
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Sie hängt am Leben, er nicht, vielleicht können sie deswegen auch kein Paar sein.
Marilyn fährt als Co-Pilot mit Eli Wallach im Auto über einen leeren, Freiheit ausdrückenden
Route 66-Highway. Sie achtet mit wachsender Angst mehr auf das Momentane (die immer schnellere Fahrt von ihm und die drohende Gefahr) und er lebt eigentlich in der Vergangenheit und erzählt von seinen Bombardierungen als Flieger im Krieg, die ihn wohl ziemlich
getroffen & einen Teil von ihm zerstört haben müssen. Sie wird von der Angst vor der Zukunft angetrieben, weil ihr etwas Teures in der Vergangenheit genommen wurde und womöglich glaubt es niemals wiederzufinden, sie ist zutiefst verletzt. Seine Furcht ist eine andere, wenn überhaupt, denn vor dem Kommenden hat er keine Angst, er ist bereits gestorben. Er erlebt seinen Tod immer wieder, lebt ihn förmlich (deswegen hätte ich mir auch eine Vertiefung seiner Person gewünscht, aber Miller/Huston
mißbrauchen, degradieren ihn wohl eher als/zum
Zuspieler)
Diese Szene ist metaphorisch sehr gelungen konstruiert.
Clift ist zu jung (für Miller?), eher ein jüngerer Bruder, oder wenn ich mir dieses Bild vergegenwärtige & an die Telefon-Mutter-Szene denke eher ein Sohn.
Er steht nicht wirklich mit beiden Beinen auf den Füßen, seine Kopfverletzung will, soll das wohl betonen.
Gable vermag es trotz seiner vorgespielten Selbstlüge (es gibt Augenblicke wo er seinen Lieblingsspruch fast mißgläubig von sich gibt) ihr den starken Rückhalt zu bieten. Sein Alter macht ihn auf den ersten Blick zu einer Art Vaterfigur (
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da hat sich Miller wohl auch was dabei gedacht), aber sie passen zusammen. Daran läßt der Ablauf der Geschichte und ihr finales happy end keinen Zweifel.
Gut, die Story erweckt bei mir den Eindruck von A-Z konstruiert zu sein, alles passt auf seine Art zusammen. Ich meine auch in dem auf
dieser Seite (bitte herunterscrollen) zu lesenden Interview mit Arthur Miller herauszuhören, daß er für MM tiefe Achtung empfand, weitaus mehr in ihr sah, als es die Welt bereit war und dies manifestiert sich in
THE MISFITS mehr als offensichtlich. Hier sollte einem Sexsymbol eine weitere, andere Sprosse in ihrer Karriere
gezimmert, ermöglicht werden ... der ernsten Schauspielerin. Sie wollte und konnte mehr (
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was ihr hier beeindruckend gelingt), aber ich frage mich, ob die Welt, das Publikum, Hollywood sie nicht weiterhin auf die sie zum Star gemachte Äußerlichkeit reduzieren wollte... und sie wagte es auszubrechen, womit wir bei dem wirklich guten Titel wären...
Die Tragik, daß
THE MISFITS ihr letzter (vollendeter) Film war und ihre Rolle dem wahren Wesen von Marilyn am nächsten kam, lassen den Film mir gleich noch viel größer erscheinen und umhüllen ihn mit einer ganz seltsamen Melancholie, zudem auch Gable hier zum allerletzten mal über die Leinwand
flimmerte.
Clark & Marilyn: r.i.p.
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Nein,
THE MISFITS sollte man nach Erstansicht nicht als langweiliges-Gefühlskino-auf-amerikanisch verdammen, eine 2. oder 3. Ansicht hat er definitiv verdient. Zumindest bei mir ist er mächtig-gewaltig gewachsen. Wenn ein Film einen auf die ernste, idealistische oder spirituelle Weise beschäftigt und zu Gedankenspielen hinsichtlich ihrer Motivationen verleitet, dann rennt er bei mir offene Türen ein...
Nicht immer spricht ein Film zu mir, aber dieser tat es ...
MEHR DAVON!!!
PS: An manchen Stellen liest man im Internet als Genre-Bezeichnung
Western. Was ich einerseits völlig falsch finde, aber andererseits im Kontext der Story auch zynisch-sarkastisch interpretieren kann/will (genauso wie die Scheidungs-
Paradies-Location Reno). Es ist schon
witzig, daß hier die Cowboys nicht auf Pferden reiten, sondern sie jagen, um sie zu Hundefutter verarbeiten zu lassen. Wird da nicht der weite-Land-Freiheitsglaube&ich-bin-mein-eigener-Herr
verwurstet? Heißt das nicht auch für eine Lohntüte arbeiten?
Da hat sich etwas eindeutig ausgeträumt. Wirklich scheiße, wenn einem
der Schlaf mit einem Eispickel aus den Augen gekratzt wird. Eigentlich besiegt mich
die Welt jede Woche mit 5:2. Echt
prima ein Erdling zu sein...