ATANARJUAT - DIE LEGENDE VOM SCHNELLEN LÄUFER | 05.01. | KINO INTERNATIONAL
matinés sollte man eigentlich häufiger mal mitmachen, die können einem wirklich einen schönen tag bescheren. und das geht so:
sonntag morgen, um 11:00 uhr aufwachen, die freundin schmiegt sich verträumt an einen, aber irgendwie aufstehen wollen wir beide nicht. man döst also so vor sich hin, kuschelt mal hierhin, mal dorthin, ach ja, der film, der film fängt doch bald an. also doch aufstehen. erstmal ein knappes, aber leckeres frühstück mit blick über die stalinbauten der frankfurter allee, die noch immer mit die schönste straße berlins ist und ich bin mal wieder verflucht froh, hier zu wohnen. und, yeah, wenn es frisch geschneit hat, dann ist der ausblick besonders schön - passt schon ganz gut, dass wir uns gleich diesen inuit-film mit dem für uns Euro-Nasen quasi unaussprechlichen namen in der 13 uhr vorstellung eines der schönsten kinos der stadt ansehen wollen.
eine kanne schwarzer kokos-tee ist ebenfalls schnell gekocht, die lebensgeister recken sich, die heizung rumort vor sich hin und wir beiden schlafmützen finden langsam zur gewohnten form zurück. dann aber mal los, es ist schon viertel nach zwölf und wir wollten den kinogang mit einem langen spaziergang verknüpfen. also ab in den schnee, ab durch den schnee besser gesagt, und hin zum kino.
dort ist wirklich mal angenehm wenig los und der seltsam-verschrobene kassierer dieses kinos ist so quirlig wie eh und je. irgendwie umgibt die menschen an einem verschneiten sonntag-nachmittag, wenn es nichts außer schönheit, genuß und viel, viel zeit zu geben scheint, aber doch noch eine etwas andere aura. aber vielleicht liegt das auch nur an mir und meiner sorglosigkeit.
atanarjuat dann also. keine werbung, immerhin. und der film nimmt sich zeit, besonders viel zeit. er erzählt eine uralte sage der inuit, eine ziemlich universelle von liebe, eifersucht und hass sogar, und lässt in all seiner ruhe eher die kultur und den alltag der inuit zum eigentlich hauptdarstellter werden. das ist dann doch schon irgendwie interessant, vor allem aber auch deswegen, weil der film dann doch erfreulicherweise wenig fläche für exotismus-projektionen irgendwelcher grünwählenden reformhauskunden bietet. das vermeintlich in harmonie mit der natur lebende ur-volk wird nicht zum zentralen thema auf der leinwand, der inuk von nebenan hat halt auch schlechte zähne, will seinem bruder die frau ausspannen, bringt seinen nächsten auch schon mal um und tritt seinen hund. die leicht alternativ aussehende dame in der reihe vor uns, die doch tatsächlich ihre kleine krampe in diesen 3-stunden-film gezerrt hat - ego trip der mutter, gut gemeinte pädagogik, naturfilm, wir wussten wirklich nicht, was so ein knirps in einem beziehungsdrama mit untertiteln zu suchen hatte -, wird aller wahrscheinlichkeit nicht wirklich glücklich mit diesem film gewesen sein. die einzige szene mit etwas blut wurde dann auch sofort mit der obligatorischen hand vor die augen des kindes quittiert, nun ja.
und ich? nun ja, ich neige ja dazu, ambitionierte, ruhige Überlängenfilmen gerne etwas mehr abzufeiern als sie es eigentlich verdienen, aber in diesem falle kann ich mir wohl sicher sein: ich fand ihn nett und langweilig war mir auch nie. ein meisterwerk, wie es dann doch an manchen orten im bundes-deutschen feuilleton munkelte, ist er sicher nicht. dafür ist er mir einfach zu sehr nur stille, langsame erzählung und zu wenig ästhetischer genuß, und den braucht es für mich einfach, wenn ein film mit 3 stunden länge begeistern will.
auf dem rückweg gab es dann auch noch viel zu erzählen, über den film, über die frau mit dem kind vor uns, über die seltsamen beiden damen hinter uns. über den unsinn moralischer von-sich-weisungen von filmen, die dem eigenen wertekanon nicht unbedingt entsprechen. über den weiteren verlauf des bislang angenehm langsamen tages. die sonne senkt sich langsam hinter dem fernsehturm und die karl-marx-allee ist ins zwielicht getaucht. der noch immer frische schnee schimmert, wir beide frieren und beschleunigen unseren schritt. gottverflucht, wie halten das die inuit nur aus, bei dieser kälte?
link:
hier gibt es fotos von unserer spaziergang-strecke (ab dem Frankfurter Tor, auf das ich von meinem balkon aus blicke), das Kino ist auch mit dabei. eine der schönsten ecken berlins. mein kiez.